Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Wanderungen in der Niederlausitz

und das stattliche Herrenhaus geschart; hinter dem Dorfe die verhältnismäßig hoch
ansteigenden waldigen Höhenzüge von Hohenbucko und der Rochaner Heide. Der
Hügelrücken, auf dem wir stehn, etwa fünfhundert Meter lang und sechzig Meter
breit, besteht aus grobem Sand, der mit Quarz- und Feuersteinstücken gemischt ist;
er macht den Eindruck einer zum Teil künstlichen Aufschüttung oder wenigstens einer
künstlichen Verschärfung der Profile. Die Umrandung ist nicht überall mehr genau
erkennbar, da das trockne Erdreich durch Wind und Wetter verschleppt worden ist,
einzelne Teile haben auch den Anwohnern als Sandgrube gedient. Trotzdem ist
etwas vom Charakter der Verschanzung übrig geblieben. Aber die Fläche, höchstens
vier Hektar, ist zu klein für eine Stadt von der Größe Libusas. Deshalb meine
ich, daß sich die Stadt von der Höhe hinunter bis zum heutigen Dorf ausbreitete
und auch dessen Grundfläche mit einnahm. Als Thietmar im Jahre 1012 nach
Libusa kam, durchwanderte er die Ruinen der alten slawischen Stadt voll Ver¬
wunderung über ihre Größe. Sie erinnerte ihn mit ihren zwölf Toren und Um-
wallungen an die von Julius Cäsar vor Dyrrhachium aufgeführten Befestigungen.
Die Stadt (vivitas) lag nördlich von der Burg (urbs), von ihr nur durch ein Tal
getrennt; wir müssen also die Burg auf deu südlich von dem heutige" Dorfe liegenden
waldigen Höhen suchen, wo Neste von Erdwällen und Verdauen zum Betspiel in
der Nähe von Weidmannsruh noch erkennbar sind. Alles in allem müssen wir
uns Libusa vor der deutschen Eroberung wie Lübben und das ethische Torgau als
einen großen slawischen Handelsplatz vorstellen, umgeben von Saatfeldern und aus¬
gedehnten Viehweiden, geschützt auch durch den ihn ringsumgebenden, mit Verdauen
durchzognen Waldgürtel, durch den von allen Seiten hohe, also wasserfreie Straßen
heranführten. So war Libusa wohl ein wichtiges Glied des von Torgau an der
Elbe über Lübben nach der Gegend von Frankfurt an der Oder führenden slawischen
Handelsweges. Der Versuch Heinrichs des Zweiten, den Ort in eine deutsche
Grenzfestung zu verwandeln, schlug fehl trotz den tausend Bewaffneten, die er in
die Burg legte. Nach Thietmars Ansicht hätten es dreitausend sein müssen. Aus
den Wäldern der Rochaner Heide hervorbrechend eroberten die Polen im Sommer
1012, als wegen einer Hochflut der Elbe niemand Hilfe bringen konnte, den Platz
und metzelten die Deutschen nieder. Wie werden damals diese Fluren und Wälder
von Schildgetöse und Schwertgeklirr widergehallt haben --- heute gewährte die
Landschaft in der Nachmittagssonne ein Bild wonnigen Friedens, nur ein Schäfer¬
hund bellte vou fern gegen uns an, und eine späte Lerche hob sich aus dem reifenden
hellen Kornfelde singend zum blauen Himmel.

Von dieser Stätte uralter Erinnerungen führen wir südwestwärts einen be¬
waldeten Bergzug hinauf, der die Dahme (wendische Spree) vom Flußgebiet der
Schwarzen Elster trennt. Wo die Straße hinter der Schäferei steiler emporsteigt,
führt parallel zu ihr eine schöne alte Lindenallee zu einem mit Bäumen be¬
wachsenen Platze, im Volksmunde "das Schlößchen" genannt, weil hier einst eine
alte Burg gestanden habe, die vom Feuer verzehrt worden sei. In Wahrheit
scheint der Vallspielplatz des Lebusaer Schlosses hier oben gewesen zu sein und
dabei ein Lusthaus, das wohl einmal abgebrannt ist. Außerdem sind Neste von
Steintischen und Steinbauten vorhanden, endlich auch Spuren von Verschanzungen:
Stücke eines Grabens und eines Erdwalles. Das sind wohl die Reste einer
kleinen Redoute, die hier, auf dem höchsten Punkte der von Herzberg uach Dahme
führenden Straße, vermutlich während der Kämpfe des Jahres 1813 errichtet
worden war.

Von der Höhe des Bergwaldes zieht sich die Straße in die Ebene von
Collochau hinunter. Die Landschaft verliert hier ihren Lausitzer Charakter und
nimmt allmählich die lieblichere Eigentümlichkeit des sächsischen Kurkreises an, in den
wir unvermerkt übergetreten sind. Bei Collochau teilt sich die Straße: ostwärts gehts
nach dem uralten Orte Schlieben, südwestwärts nach Herzberg an der Schwarzen
Elster. Wir haben auch diesen beiden Städtchen einen Besuch abgestattet. Schlieben


Wanderungen in der Niederlausitz

und das stattliche Herrenhaus geschart; hinter dem Dorfe die verhältnismäßig hoch
ansteigenden waldigen Höhenzüge von Hohenbucko und der Rochaner Heide. Der
Hügelrücken, auf dem wir stehn, etwa fünfhundert Meter lang und sechzig Meter
breit, besteht aus grobem Sand, der mit Quarz- und Feuersteinstücken gemischt ist;
er macht den Eindruck einer zum Teil künstlichen Aufschüttung oder wenigstens einer
künstlichen Verschärfung der Profile. Die Umrandung ist nicht überall mehr genau
erkennbar, da das trockne Erdreich durch Wind und Wetter verschleppt worden ist,
einzelne Teile haben auch den Anwohnern als Sandgrube gedient. Trotzdem ist
etwas vom Charakter der Verschanzung übrig geblieben. Aber die Fläche, höchstens
vier Hektar, ist zu klein für eine Stadt von der Größe Libusas. Deshalb meine
ich, daß sich die Stadt von der Höhe hinunter bis zum heutigen Dorf ausbreitete
und auch dessen Grundfläche mit einnahm. Als Thietmar im Jahre 1012 nach
Libusa kam, durchwanderte er die Ruinen der alten slawischen Stadt voll Ver¬
wunderung über ihre Größe. Sie erinnerte ihn mit ihren zwölf Toren und Um-
wallungen an die von Julius Cäsar vor Dyrrhachium aufgeführten Befestigungen.
Die Stadt (vivitas) lag nördlich von der Burg (urbs), von ihr nur durch ein Tal
getrennt; wir müssen also die Burg auf deu südlich von dem heutige» Dorfe liegenden
waldigen Höhen suchen, wo Neste von Erdwällen und Verdauen zum Betspiel in
der Nähe von Weidmannsruh noch erkennbar sind. Alles in allem müssen wir
uns Libusa vor der deutschen Eroberung wie Lübben und das ethische Torgau als
einen großen slawischen Handelsplatz vorstellen, umgeben von Saatfeldern und aus¬
gedehnten Viehweiden, geschützt auch durch den ihn ringsumgebenden, mit Verdauen
durchzognen Waldgürtel, durch den von allen Seiten hohe, also wasserfreie Straßen
heranführten. So war Libusa wohl ein wichtiges Glied des von Torgau an der
Elbe über Lübben nach der Gegend von Frankfurt an der Oder führenden slawischen
Handelsweges. Der Versuch Heinrichs des Zweiten, den Ort in eine deutsche
Grenzfestung zu verwandeln, schlug fehl trotz den tausend Bewaffneten, die er in
die Burg legte. Nach Thietmars Ansicht hätten es dreitausend sein müssen. Aus
den Wäldern der Rochaner Heide hervorbrechend eroberten die Polen im Sommer
1012, als wegen einer Hochflut der Elbe niemand Hilfe bringen konnte, den Platz
und metzelten die Deutschen nieder. Wie werden damals diese Fluren und Wälder
von Schildgetöse und Schwertgeklirr widergehallt haben -— heute gewährte die
Landschaft in der Nachmittagssonne ein Bild wonnigen Friedens, nur ein Schäfer¬
hund bellte vou fern gegen uns an, und eine späte Lerche hob sich aus dem reifenden
hellen Kornfelde singend zum blauen Himmel.

Von dieser Stätte uralter Erinnerungen führen wir südwestwärts einen be¬
waldeten Bergzug hinauf, der die Dahme (wendische Spree) vom Flußgebiet der
Schwarzen Elster trennt. Wo die Straße hinter der Schäferei steiler emporsteigt,
führt parallel zu ihr eine schöne alte Lindenallee zu einem mit Bäumen be¬
wachsenen Platze, im Volksmunde „das Schlößchen" genannt, weil hier einst eine
alte Burg gestanden habe, die vom Feuer verzehrt worden sei. In Wahrheit
scheint der Vallspielplatz des Lebusaer Schlosses hier oben gewesen zu sein und
dabei ein Lusthaus, das wohl einmal abgebrannt ist. Außerdem sind Neste von
Steintischen und Steinbauten vorhanden, endlich auch Spuren von Verschanzungen:
Stücke eines Grabens und eines Erdwalles. Das sind wohl die Reste einer
kleinen Redoute, die hier, auf dem höchsten Punkte der von Herzberg uach Dahme
führenden Straße, vermutlich während der Kämpfe des Jahres 1813 errichtet
worden war.

Von der Höhe des Bergwaldes zieht sich die Straße in die Ebene von
Collochau hinunter. Die Landschaft verliert hier ihren Lausitzer Charakter und
nimmt allmählich die lieblichere Eigentümlichkeit des sächsischen Kurkreises an, in den
wir unvermerkt übergetreten sind. Bei Collochau teilt sich die Straße: ostwärts gehts
nach dem uralten Orte Schlieben, südwestwärts nach Herzberg an der Schwarzen
Elster. Wir haben auch diesen beiden Städtchen einen Besuch abgestattet. Schlieben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0770" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294389"/>
          <fw type="header" place="top"> Wanderungen in der Niederlausitz</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3427" prev="#ID_3426"> und das stattliche Herrenhaus geschart; hinter dem Dorfe die verhältnismäßig hoch<lb/>
ansteigenden waldigen Höhenzüge von Hohenbucko und der Rochaner Heide. Der<lb/>
Hügelrücken, auf dem wir stehn, etwa fünfhundert Meter lang und sechzig Meter<lb/>
breit, besteht aus grobem Sand, der mit Quarz- und Feuersteinstücken gemischt ist;<lb/>
er macht den Eindruck einer zum Teil künstlichen Aufschüttung oder wenigstens einer<lb/>
künstlichen Verschärfung der Profile. Die Umrandung ist nicht überall mehr genau<lb/>
erkennbar, da das trockne Erdreich durch Wind und Wetter verschleppt worden ist,<lb/>
einzelne Teile haben auch den Anwohnern als Sandgrube gedient. Trotzdem ist<lb/>
etwas vom Charakter der Verschanzung übrig geblieben. Aber die Fläche, höchstens<lb/>
vier Hektar, ist zu klein für eine Stadt von der Größe Libusas. Deshalb meine<lb/>
ich, daß sich die Stadt von der Höhe hinunter bis zum heutigen Dorf ausbreitete<lb/>
und auch dessen Grundfläche mit einnahm. Als Thietmar im Jahre 1012 nach<lb/>
Libusa kam, durchwanderte er die Ruinen der alten slawischen Stadt voll Ver¬<lb/>
wunderung über ihre Größe. Sie erinnerte ihn mit ihren zwölf Toren und Um-<lb/>
wallungen an die von Julius Cäsar vor Dyrrhachium aufgeführten Befestigungen.<lb/>
Die Stadt (vivitas) lag nördlich von der Burg (urbs), von ihr nur durch ein Tal<lb/>
getrennt; wir müssen also die Burg auf deu südlich von dem heutige» Dorfe liegenden<lb/>
waldigen Höhen suchen, wo Neste von Erdwällen und Verdauen zum Betspiel in<lb/>
der Nähe von Weidmannsruh noch erkennbar sind. Alles in allem müssen wir<lb/>
uns Libusa vor der deutschen Eroberung wie Lübben und das ethische Torgau als<lb/>
einen großen slawischen Handelsplatz vorstellen, umgeben von Saatfeldern und aus¬<lb/>
gedehnten Viehweiden, geschützt auch durch den ihn ringsumgebenden, mit Verdauen<lb/>
durchzognen Waldgürtel, durch den von allen Seiten hohe, also wasserfreie Straßen<lb/>
heranführten. So war Libusa wohl ein wichtiges Glied des von Torgau an der<lb/>
Elbe über Lübben nach der Gegend von Frankfurt an der Oder führenden slawischen<lb/>
Handelsweges. Der Versuch Heinrichs des Zweiten, den Ort in eine deutsche<lb/>
Grenzfestung zu verwandeln, schlug fehl trotz den tausend Bewaffneten, die er in<lb/>
die Burg legte. Nach Thietmars Ansicht hätten es dreitausend sein müssen. Aus<lb/>
den Wäldern der Rochaner Heide hervorbrechend eroberten die Polen im Sommer<lb/>
1012, als wegen einer Hochflut der Elbe niemand Hilfe bringen konnte, den Platz<lb/>
und metzelten die Deutschen nieder. Wie werden damals diese Fluren und Wälder<lb/>
von Schildgetöse und Schwertgeklirr widergehallt haben -&#x2014; heute gewährte die<lb/>
Landschaft in der Nachmittagssonne ein Bild wonnigen Friedens, nur ein Schäfer¬<lb/>
hund bellte vou fern gegen uns an, und eine späte Lerche hob sich aus dem reifenden<lb/>
hellen Kornfelde singend zum blauen Himmel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3428"> Von dieser Stätte uralter Erinnerungen führen wir südwestwärts einen be¬<lb/>
waldeten Bergzug hinauf, der die Dahme (wendische Spree) vom Flußgebiet der<lb/>
Schwarzen Elster trennt. Wo die Straße hinter der Schäferei steiler emporsteigt,<lb/>
führt parallel zu ihr eine schöne alte Lindenallee zu einem mit Bäumen be¬<lb/>
wachsenen Platze, im Volksmunde &#x201E;das Schlößchen" genannt, weil hier einst eine<lb/>
alte Burg gestanden habe, die vom Feuer verzehrt worden sei. In Wahrheit<lb/>
scheint der Vallspielplatz des Lebusaer Schlosses hier oben gewesen zu sein und<lb/>
dabei ein Lusthaus, das wohl einmal abgebrannt ist. Außerdem sind Neste von<lb/>
Steintischen und Steinbauten vorhanden, endlich auch Spuren von Verschanzungen:<lb/>
Stücke eines Grabens und eines Erdwalles. Das sind wohl die Reste einer<lb/>
kleinen Redoute, die hier, auf dem höchsten Punkte der von Herzberg uach Dahme<lb/>
führenden Straße, vermutlich während der Kämpfe des Jahres 1813 errichtet<lb/>
worden war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3429" next="#ID_3430"> Von der Höhe des Bergwaldes zieht sich die Straße in die Ebene von<lb/>
Collochau hinunter. Die Landschaft verliert hier ihren Lausitzer Charakter und<lb/>
nimmt allmählich die lieblichere Eigentümlichkeit des sächsischen Kurkreises an, in den<lb/>
wir unvermerkt übergetreten sind. Bei Collochau teilt sich die Straße: ostwärts gehts<lb/>
nach dem uralten Orte Schlieben, südwestwärts nach Herzberg an der Schwarzen<lb/>
Elster. Wir haben auch diesen beiden Städtchen einen Besuch abgestattet. Schlieben</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0770] Wanderungen in der Niederlausitz und das stattliche Herrenhaus geschart; hinter dem Dorfe die verhältnismäßig hoch ansteigenden waldigen Höhenzüge von Hohenbucko und der Rochaner Heide. Der Hügelrücken, auf dem wir stehn, etwa fünfhundert Meter lang und sechzig Meter breit, besteht aus grobem Sand, der mit Quarz- und Feuersteinstücken gemischt ist; er macht den Eindruck einer zum Teil künstlichen Aufschüttung oder wenigstens einer künstlichen Verschärfung der Profile. Die Umrandung ist nicht überall mehr genau erkennbar, da das trockne Erdreich durch Wind und Wetter verschleppt worden ist, einzelne Teile haben auch den Anwohnern als Sandgrube gedient. Trotzdem ist etwas vom Charakter der Verschanzung übrig geblieben. Aber die Fläche, höchstens vier Hektar, ist zu klein für eine Stadt von der Größe Libusas. Deshalb meine ich, daß sich die Stadt von der Höhe hinunter bis zum heutigen Dorf ausbreitete und auch dessen Grundfläche mit einnahm. Als Thietmar im Jahre 1012 nach Libusa kam, durchwanderte er die Ruinen der alten slawischen Stadt voll Ver¬ wunderung über ihre Größe. Sie erinnerte ihn mit ihren zwölf Toren und Um- wallungen an die von Julius Cäsar vor Dyrrhachium aufgeführten Befestigungen. Die Stadt (vivitas) lag nördlich von der Burg (urbs), von ihr nur durch ein Tal getrennt; wir müssen also die Burg auf deu südlich von dem heutige» Dorfe liegenden waldigen Höhen suchen, wo Neste von Erdwällen und Verdauen zum Betspiel in der Nähe von Weidmannsruh noch erkennbar sind. Alles in allem müssen wir uns Libusa vor der deutschen Eroberung wie Lübben und das ethische Torgau als einen großen slawischen Handelsplatz vorstellen, umgeben von Saatfeldern und aus¬ gedehnten Viehweiden, geschützt auch durch den ihn ringsumgebenden, mit Verdauen durchzognen Waldgürtel, durch den von allen Seiten hohe, also wasserfreie Straßen heranführten. So war Libusa wohl ein wichtiges Glied des von Torgau an der Elbe über Lübben nach der Gegend von Frankfurt an der Oder führenden slawischen Handelsweges. Der Versuch Heinrichs des Zweiten, den Ort in eine deutsche Grenzfestung zu verwandeln, schlug fehl trotz den tausend Bewaffneten, die er in die Burg legte. Nach Thietmars Ansicht hätten es dreitausend sein müssen. Aus den Wäldern der Rochaner Heide hervorbrechend eroberten die Polen im Sommer 1012, als wegen einer Hochflut der Elbe niemand Hilfe bringen konnte, den Platz und metzelten die Deutschen nieder. Wie werden damals diese Fluren und Wälder von Schildgetöse und Schwertgeklirr widergehallt haben -— heute gewährte die Landschaft in der Nachmittagssonne ein Bild wonnigen Friedens, nur ein Schäfer¬ hund bellte vou fern gegen uns an, und eine späte Lerche hob sich aus dem reifenden hellen Kornfelde singend zum blauen Himmel. Von dieser Stätte uralter Erinnerungen führen wir südwestwärts einen be¬ waldeten Bergzug hinauf, der die Dahme (wendische Spree) vom Flußgebiet der Schwarzen Elster trennt. Wo die Straße hinter der Schäferei steiler emporsteigt, führt parallel zu ihr eine schöne alte Lindenallee zu einem mit Bäumen be¬ wachsenen Platze, im Volksmunde „das Schlößchen" genannt, weil hier einst eine alte Burg gestanden habe, die vom Feuer verzehrt worden sei. In Wahrheit scheint der Vallspielplatz des Lebusaer Schlosses hier oben gewesen zu sein und dabei ein Lusthaus, das wohl einmal abgebrannt ist. Außerdem sind Neste von Steintischen und Steinbauten vorhanden, endlich auch Spuren von Verschanzungen: Stücke eines Grabens und eines Erdwalles. Das sind wohl die Reste einer kleinen Redoute, die hier, auf dem höchsten Punkte der von Herzberg uach Dahme führenden Straße, vermutlich während der Kämpfe des Jahres 1813 errichtet worden war. Von der Höhe des Bergwaldes zieht sich die Straße in die Ebene von Collochau hinunter. Die Landschaft verliert hier ihren Lausitzer Charakter und nimmt allmählich die lieblichere Eigentümlichkeit des sächsischen Kurkreises an, in den wir unvermerkt übergetreten sind. Bei Collochau teilt sich die Straße: ostwärts gehts nach dem uralten Orte Schlieben, südwestwärts nach Herzberg an der Schwarzen Elster. Wir haben auch diesen beiden Städtchen einen Besuch abgestattet. Schlieben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/770
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/770>, abgerufen am 25.07.2024.