Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Die ersten Vorboten des Krieges ^370 Es folgte am 10. August eine Abschiedsaudienz beim Könige. "Der Und warum es im Jahre 1866 trotz der klüglich gescheiterten Hoffnungen Die ersten Vorboten des Krieges ^370 Es folgte am 10. August eine Abschiedsaudienz beim Könige. „Der Und warum es im Jahre 1866 trotz der klüglich gescheiterten Hoffnungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0751" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294370"/> <fw type="header" place="top"> Die ersten Vorboten des Krieges ^370</fw><lb/> <p xml:id="ID_3349"> Es folgte am 10. August eine Abschiedsaudienz beim Könige. „Der<lb/> König sagte mir, daß er in bezug auf die allernächste Zukunft ernstlich be¬<lb/> unruhigt sei. Frankreich sei mit nach jeder Richtung hin unerfüllbaren Forde¬<lb/> rungen an ihn herangetreten, nachdem es noch einige Tage zuvor die wohl¬<lb/> wollendste und uninteressierteste Haltung zum Ausdruck gebracht habe; deshalb<lb/> müsse er glauben, daß der Kaiser Napoleon nach Vorwänden zur Erhebung<lb/> eines Streitfalles mit Preußen suche. Er setzte noch hinzu, daß der Kaiser<lb/> früher einmal, und zwar bei der Zusammenkunft zu Baden, Gelegenheit ge¬<lb/> nommen habe, Preußen ähnliche Vorschläge zu machen, wie sie von Italien<lb/> seinerzeit angenommen seien, um zum Kriege von 1859 zu gelangen. Seine Majestät<lb/> erzählten mir, auf die geringsten Einzelheiten eingehend, wie er es damals ein¬<lb/> zurichten gewußt habe, daß sich die fünf deutschen Könige vereint in Buden<lb/> eingefunden hätten: angesichts dieser Demonstration habe Kaiser Napoleon dann<lb/> nicht mehr gewagt, auf irgend einen derartigen Vorschlag anzuspielen. Se. Majestät<lb/> fügten hinzu, daß der Kaiser sich bei dieser Gelegenheit auf die Worte beschränkt<lb/> habe: er bemerke sehr gut, daß Deutschland ihm mißtraue, und bitte, ihm die<lb/> Gründe dafür zu sagen. König Wilhelm antwortete damals: Sire, Deutschland<lb/> fürchtet, daß Euer Majestät sich in seine innern Angelegenheiten einzumischen<lb/> beabsichtigen, um dann, wie Sie Italien gegenüber getan, die Abtretung deutscher<lb/> Provinzen zu verlangen. Hierauf erwiderte der Kaiser: ein derartiger Verdacht<lb/> sei ganz und gar unbegründet, und er wünsche einen Weg zu finden, das deutsche<lb/> Volk darüber zu beruhigen. König Wilhelm erwiderte: Wenn Euer Majestät<lb/> uns beruhigen wollen, so geben Sie nur vor allen hier in Baden versammelten<lb/> Königen die gleichen Erklärungen und den gleichen Protest ab, wie in diesem<lb/> Augenblick mir gegenüber. — Und nun, fuhr der König fort, fordert der Kaiser<lb/> von uns die Abtretung deutschen Gebiets und einer deutschen Bevölkerung,<lb/> obgleich er sehr gut weiß, daß ich in bezug hierauf nicht die allerkleinste Kon¬<lb/> zession machen kann. Ich bin um so mehr beunruhigt, als ich ein Einvernehmen<lb/> zwischen Frankreich und Österreich fürchte. Aus Prag ist mir die Mitteilung<lb/> zugegangen, daß Österreich die italienischen Bevollmächtigten nicht zu deu Friedens¬<lb/> verhandlungen zulassen will: mir will das nur als ein Auskunftsmittel erscheinen,<lb/> die Dinge in die Länge zu ziehen."</p><lb/> <p xml:id="ID_3350" next="#ID_3351"> Und warum es im Jahre 1866 trotz der klüglich gescheiterten Hoffnungen<lb/> Napoleons des Dritten dann doch noch keinen Krieg mit Frankreich gab? Das<lb/> französische Heer war nicht kriegsbereit, das Land unruhig; vor allen Dingen<lb/> aber sprach der Gesundheitszustand des Kaisers mit. In einem von General<lb/> Govone nach seiner Rückkehr an den Minister des Äußern Visconti-Venosta<lb/> geschriebnen — aber aus bestimmten Gründen nicht abgesandten — Briefe<lb/> heißt es in bezug auf seinen Pariser Aufenthalt (11. August 1866) folgender¬<lb/> maßen: „War so der Eindruck, den Herr von Bismarck gewonnen hatte, ein<lb/> sehr ernster, so muß ich, Herr Minister, weiter anführen, daß mich in Paris<lb/> Prinz Napoleon, der von meiner Durchreise gehört hatte, zu sich rufen ließ<lb/> und mich stundenlang über die gegenwärtige politische Lage unterhielt. Von<lb/> einem Kriege gegen Preußen sprach er als einer allergeringsten Wahrscheinlichkeit;<lb/> er erklärte vielmehr, daß der Kaiser aus guten Gründen durchaus nichts davon</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0751]
Die ersten Vorboten des Krieges ^370
Es folgte am 10. August eine Abschiedsaudienz beim Könige. „Der
König sagte mir, daß er in bezug auf die allernächste Zukunft ernstlich be¬
unruhigt sei. Frankreich sei mit nach jeder Richtung hin unerfüllbaren Forde¬
rungen an ihn herangetreten, nachdem es noch einige Tage zuvor die wohl¬
wollendste und uninteressierteste Haltung zum Ausdruck gebracht habe; deshalb
müsse er glauben, daß der Kaiser Napoleon nach Vorwänden zur Erhebung
eines Streitfalles mit Preußen suche. Er setzte noch hinzu, daß der Kaiser
früher einmal, und zwar bei der Zusammenkunft zu Baden, Gelegenheit ge¬
nommen habe, Preußen ähnliche Vorschläge zu machen, wie sie von Italien
seinerzeit angenommen seien, um zum Kriege von 1859 zu gelangen. Seine Majestät
erzählten mir, auf die geringsten Einzelheiten eingehend, wie er es damals ein¬
zurichten gewußt habe, daß sich die fünf deutschen Könige vereint in Buden
eingefunden hätten: angesichts dieser Demonstration habe Kaiser Napoleon dann
nicht mehr gewagt, auf irgend einen derartigen Vorschlag anzuspielen. Se. Majestät
fügten hinzu, daß der Kaiser sich bei dieser Gelegenheit auf die Worte beschränkt
habe: er bemerke sehr gut, daß Deutschland ihm mißtraue, und bitte, ihm die
Gründe dafür zu sagen. König Wilhelm antwortete damals: Sire, Deutschland
fürchtet, daß Euer Majestät sich in seine innern Angelegenheiten einzumischen
beabsichtigen, um dann, wie Sie Italien gegenüber getan, die Abtretung deutscher
Provinzen zu verlangen. Hierauf erwiderte der Kaiser: ein derartiger Verdacht
sei ganz und gar unbegründet, und er wünsche einen Weg zu finden, das deutsche
Volk darüber zu beruhigen. König Wilhelm erwiderte: Wenn Euer Majestät
uns beruhigen wollen, so geben Sie nur vor allen hier in Baden versammelten
Königen die gleichen Erklärungen und den gleichen Protest ab, wie in diesem
Augenblick mir gegenüber. — Und nun, fuhr der König fort, fordert der Kaiser
von uns die Abtretung deutschen Gebiets und einer deutschen Bevölkerung,
obgleich er sehr gut weiß, daß ich in bezug hierauf nicht die allerkleinste Kon¬
zession machen kann. Ich bin um so mehr beunruhigt, als ich ein Einvernehmen
zwischen Frankreich und Österreich fürchte. Aus Prag ist mir die Mitteilung
zugegangen, daß Österreich die italienischen Bevollmächtigten nicht zu deu Friedens¬
verhandlungen zulassen will: mir will das nur als ein Auskunftsmittel erscheinen,
die Dinge in die Länge zu ziehen."
Und warum es im Jahre 1866 trotz der klüglich gescheiterten Hoffnungen
Napoleons des Dritten dann doch noch keinen Krieg mit Frankreich gab? Das
französische Heer war nicht kriegsbereit, das Land unruhig; vor allen Dingen
aber sprach der Gesundheitszustand des Kaisers mit. In einem von General
Govone nach seiner Rückkehr an den Minister des Äußern Visconti-Venosta
geschriebnen — aber aus bestimmten Gründen nicht abgesandten — Briefe
heißt es in bezug auf seinen Pariser Aufenthalt (11. August 1866) folgender¬
maßen: „War so der Eindruck, den Herr von Bismarck gewonnen hatte, ein
sehr ernster, so muß ich, Herr Minister, weiter anführen, daß mich in Paris
Prinz Napoleon, der von meiner Durchreise gehört hatte, zu sich rufen ließ
und mich stundenlang über die gegenwärtige politische Lage unterhielt. Von
einem Kriege gegen Preußen sprach er als einer allergeringsten Wahrscheinlichkeit;
er erklärte vielmehr, daß der Kaiser aus guten Gründen durchaus nichts davon
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