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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

Stammtische das Bild des Schicksalstragödiendichters Freiherrn Ernst von Houwald;
eine von ihm selbst gedichtete, von der Vergänglichkeit alles Irdischen sprechende
Strophe steht darunter geschrieben. Er war auf dem Stammgute seines Geschlechts
zu Straupitz am Nordrande des Spreewaldes geboren und ist 1845 als Land¬
syndikus der Niederlausitzer Stände auf dem Rittergute Neuhaus bei Lübben ge¬
storben; sein Grab liegt auf dem stimmungsvollen Friedhofe des Dorfes Stein¬
kirchen. Die Erlen des Spreewaldes haben dem Knaben ihre wehmütigen Weisen
geflüstert, und der Schein der dort so eigenartigen Mondscheinnächte hat über
feiner Jünglingszeit geleuchtet -- und so hat sein ganzes Dasein eine weiche,
träumerische Stimmung bekommen. Seine tränenreichen Schicksalsdramen beherrschten
eine kurze Zeit die eidlichen Salons und die Lesetische der Damen, aber Tieck und
Börne vernichteten seinen Ruhm durch schonungslose Kritik; man nannte ihn den
"dramatischen Matthisson, zu unkräftig, um andre Gestalten zu schaffen, als solche
die Glasbläserei des Gefühls aus zierlichen Fäden für weibliche Nipptische zurecht-
spinnt." Heute sind seine Schicksalstragödien fast verschollen; nur die Märchen,
die er in drei Bänden 1819 bis 1824 nnter dem Titel "Buch für Kinder ge¬
bildeter Stände" herausgab, haben 1869 eine neue Ausgabe erlebt. Für seine
Heimat wird Houwald immer einen gewissen Wert behalten, weil seine Dichtung
dem Charakter der Landschaft in gewissem Sinne entspricht.

Doch nun genug der Erinnerungen -- auch das heutige Lübben verlangt sein
Recht. Die ansehnlichsten Gebäude der Stadt: das Schloß, die Pfarrkirche und
das Landhaus sind schon hier und da in unsrer geschichtlichen Skizze erwähnt
worden. Das Landhaus, aus einem ehemaligen Freihaus hervorgegangen, in seiner
jetzigen Gestalt ein Bau ans dem achtzehnten Jahrhundert, spiegelt das Wesen der
kursächsischen Zeit am reinsten wieder. Es ist ein dreigliedriger Ban von schonen
Verhältnissen mit hohen Mansardendächern; der reichbeschattete Hof ist durch ein
vornehmes Eisengitter von der Straße getrennt; über dem Tor sieht man das
Wappen der Niederlausitz. Im Innern birgt es die Kanzlei, den Sitzungssaal
und das Archiv der Niederlausitzer Stände. Sie halten hier noch immer ihren
Landtag ab, der für die Regelung kommunaler Angelegenheiten von großer Be¬
deutung ist. Die vortrefflichen breiten Straßen, durch die sich die Niederlausitz
auszeichnet, sollen insbesondre der Fürsorge der Stände und ihres Vorsitzenden, des
Herrn von Manteuffel auf Krossen, zu danken sein. An den Wanden des Sitzungs¬
saales hängen zum Teil vortreffliche Ölbilder der sächsischen Fürsten, die als Landes¬
herren über der Niederlausitz gewaltet haben, und ihrer Nachfolger, der preußischen
Könige. Der Speisesaal imponiert durch das schlichte Wcißgold des Holzwerks und
die dazu kontrastierenden Mahagonimöbel. Auch die Küche ist sehenswert. Sie
verwahrt nicht nur eine Masse wertvollen alten Kupfergeschirrs, sondern auch einen
Mörser, der aus einem Kanonenrohr hergestellt ist mit der Inschrift: Anna
von Muschwitz 1596. Die Muschwitz sind ein altes, namentlich um Kottbus an¬
gefesseltes Lausitzer Adelsgeschlecht. So brummte diese Anna von Muschwitz wohl
einst mit Donner und Blitz von dem Walle oder Turme eiues ihrer Schlösser, jetzt
muß sie Pfeffer und Ingwer in ihrem Innern zerstoßen lassen. Interessant für
den Sachsen ist auch die Person des Ökonoms. Er trägt einen in Dresden be¬
rühmten kulinarischen Namen. Sein Großvater hat schon dem Kaiser Napoleon,
als er auf die Spreewiesen hinausritt, eine Tasse Bouillon kredenzt, der Vater
und er selbst haben in der Hofküche zu Dresden ihre Studien in der edel" Koch¬
kunst gemacht -- und so sind denn die ununterbrochnem Beziehungen zwischen der
Küche des Landhauses und der Schloßküche zu Dresden das letzte dünne geschicht¬
liche Band, das Lübben mit dem sächsischen Mutterlande verknüpft.

Die wichtigste Verkehrsader des Städtchens ist die mit Linden bepflanzte
Breitestraße der Neustadt. Am Ende dieser Straße bei der altertümlichen Hospital¬
kirche betritt man die schönste Zierde der Stadt, den großen Hain, einen von der
Berste durchflossenen achtzig Morgen großen Park mit wunderbarem altem Baum-


Wanderungen in der Niederlausitz

Stammtische das Bild des Schicksalstragödiendichters Freiherrn Ernst von Houwald;
eine von ihm selbst gedichtete, von der Vergänglichkeit alles Irdischen sprechende
Strophe steht darunter geschrieben. Er war auf dem Stammgute seines Geschlechts
zu Straupitz am Nordrande des Spreewaldes geboren und ist 1845 als Land¬
syndikus der Niederlausitzer Stände auf dem Rittergute Neuhaus bei Lübben ge¬
storben; sein Grab liegt auf dem stimmungsvollen Friedhofe des Dorfes Stein¬
kirchen. Die Erlen des Spreewaldes haben dem Knaben ihre wehmütigen Weisen
geflüstert, und der Schein der dort so eigenartigen Mondscheinnächte hat über
feiner Jünglingszeit geleuchtet — und so hat sein ganzes Dasein eine weiche,
träumerische Stimmung bekommen. Seine tränenreichen Schicksalsdramen beherrschten
eine kurze Zeit die eidlichen Salons und die Lesetische der Damen, aber Tieck und
Börne vernichteten seinen Ruhm durch schonungslose Kritik; man nannte ihn den
„dramatischen Matthisson, zu unkräftig, um andre Gestalten zu schaffen, als solche
die Glasbläserei des Gefühls aus zierlichen Fäden für weibliche Nipptische zurecht-
spinnt." Heute sind seine Schicksalstragödien fast verschollen; nur die Märchen,
die er in drei Bänden 1819 bis 1824 nnter dem Titel „Buch für Kinder ge¬
bildeter Stände" herausgab, haben 1869 eine neue Ausgabe erlebt. Für seine
Heimat wird Houwald immer einen gewissen Wert behalten, weil seine Dichtung
dem Charakter der Landschaft in gewissem Sinne entspricht.

Doch nun genug der Erinnerungen — auch das heutige Lübben verlangt sein
Recht. Die ansehnlichsten Gebäude der Stadt: das Schloß, die Pfarrkirche und
das Landhaus sind schon hier und da in unsrer geschichtlichen Skizze erwähnt
worden. Das Landhaus, aus einem ehemaligen Freihaus hervorgegangen, in seiner
jetzigen Gestalt ein Bau ans dem achtzehnten Jahrhundert, spiegelt das Wesen der
kursächsischen Zeit am reinsten wieder. Es ist ein dreigliedriger Ban von schonen
Verhältnissen mit hohen Mansardendächern; der reichbeschattete Hof ist durch ein
vornehmes Eisengitter von der Straße getrennt; über dem Tor sieht man das
Wappen der Niederlausitz. Im Innern birgt es die Kanzlei, den Sitzungssaal
und das Archiv der Niederlausitzer Stände. Sie halten hier noch immer ihren
Landtag ab, der für die Regelung kommunaler Angelegenheiten von großer Be¬
deutung ist. Die vortrefflichen breiten Straßen, durch die sich die Niederlausitz
auszeichnet, sollen insbesondre der Fürsorge der Stände und ihres Vorsitzenden, des
Herrn von Manteuffel auf Krossen, zu danken sein. An den Wanden des Sitzungs¬
saales hängen zum Teil vortreffliche Ölbilder der sächsischen Fürsten, die als Landes¬
herren über der Niederlausitz gewaltet haben, und ihrer Nachfolger, der preußischen
Könige. Der Speisesaal imponiert durch das schlichte Wcißgold des Holzwerks und
die dazu kontrastierenden Mahagonimöbel. Auch die Küche ist sehenswert. Sie
verwahrt nicht nur eine Masse wertvollen alten Kupfergeschirrs, sondern auch einen
Mörser, der aus einem Kanonenrohr hergestellt ist mit der Inschrift: Anna
von Muschwitz 1596. Die Muschwitz sind ein altes, namentlich um Kottbus an¬
gefesseltes Lausitzer Adelsgeschlecht. So brummte diese Anna von Muschwitz wohl
einst mit Donner und Blitz von dem Walle oder Turme eiues ihrer Schlösser, jetzt
muß sie Pfeffer und Ingwer in ihrem Innern zerstoßen lassen. Interessant für
den Sachsen ist auch die Person des Ökonoms. Er trägt einen in Dresden be¬
rühmten kulinarischen Namen. Sein Großvater hat schon dem Kaiser Napoleon,
als er auf die Spreewiesen hinausritt, eine Tasse Bouillon kredenzt, der Vater
und er selbst haben in der Hofküche zu Dresden ihre Studien in der edel» Koch¬
kunst gemacht — und so sind denn die ununterbrochnem Beziehungen zwischen der
Küche des Landhauses und der Schloßküche zu Dresden das letzte dünne geschicht¬
liche Band, das Lübben mit dem sächsischen Mutterlande verknüpft.

Die wichtigste Verkehrsader des Städtchens ist die mit Linden bepflanzte
Breitestraße der Neustadt. Am Ende dieser Straße bei der altertümlichen Hospital¬
kirche betritt man die schönste Zierde der Stadt, den großen Hain, einen von der
Berste durchflossenen achtzig Morgen großen Park mit wunderbarem altem Baum-


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[0715] Wanderungen in der Niederlausitz Stammtische das Bild des Schicksalstragödiendichters Freiherrn Ernst von Houwald; eine von ihm selbst gedichtete, von der Vergänglichkeit alles Irdischen sprechende Strophe steht darunter geschrieben. Er war auf dem Stammgute seines Geschlechts zu Straupitz am Nordrande des Spreewaldes geboren und ist 1845 als Land¬ syndikus der Niederlausitzer Stände auf dem Rittergute Neuhaus bei Lübben ge¬ storben; sein Grab liegt auf dem stimmungsvollen Friedhofe des Dorfes Stein¬ kirchen. Die Erlen des Spreewaldes haben dem Knaben ihre wehmütigen Weisen geflüstert, und der Schein der dort so eigenartigen Mondscheinnächte hat über feiner Jünglingszeit geleuchtet — und so hat sein ganzes Dasein eine weiche, träumerische Stimmung bekommen. Seine tränenreichen Schicksalsdramen beherrschten eine kurze Zeit die eidlichen Salons und die Lesetische der Damen, aber Tieck und Börne vernichteten seinen Ruhm durch schonungslose Kritik; man nannte ihn den „dramatischen Matthisson, zu unkräftig, um andre Gestalten zu schaffen, als solche die Glasbläserei des Gefühls aus zierlichen Fäden für weibliche Nipptische zurecht- spinnt." Heute sind seine Schicksalstragödien fast verschollen; nur die Märchen, die er in drei Bänden 1819 bis 1824 nnter dem Titel „Buch für Kinder ge¬ bildeter Stände" herausgab, haben 1869 eine neue Ausgabe erlebt. Für seine Heimat wird Houwald immer einen gewissen Wert behalten, weil seine Dichtung dem Charakter der Landschaft in gewissem Sinne entspricht. Doch nun genug der Erinnerungen — auch das heutige Lübben verlangt sein Recht. Die ansehnlichsten Gebäude der Stadt: das Schloß, die Pfarrkirche und das Landhaus sind schon hier und da in unsrer geschichtlichen Skizze erwähnt worden. Das Landhaus, aus einem ehemaligen Freihaus hervorgegangen, in seiner jetzigen Gestalt ein Bau ans dem achtzehnten Jahrhundert, spiegelt das Wesen der kursächsischen Zeit am reinsten wieder. Es ist ein dreigliedriger Ban von schonen Verhältnissen mit hohen Mansardendächern; der reichbeschattete Hof ist durch ein vornehmes Eisengitter von der Straße getrennt; über dem Tor sieht man das Wappen der Niederlausitz. Im Innern birgt es die Kanzlei, den Sitzungssaal und das Archiv der Niederlausitzer Stände. Sie halten hier noch immer ihren Landtag ab, der für die Regelung kommunaler Angelegenheiten von großer Be¬ deutung ist. Die vortrefflichen breiten Straßen, durch die sich die Niederlausitz auszeichnet, sollen insbesondre der Fürsorge der Stände und ihres Vorsitzenden, des Herrn von Manteuffel auf Krossen, zu danken sein. An den Wanden des Sitzungs¬ saales hängen zum Teil vortreffliche Ölbilder der sächsischen Fürsten, die als Landes¬ herren über der Niederlausitz gewaltet haben, und ihrer Nachfolger, der preußischen Könige. Der Speisesaal imponiert durch das schlichte Wcißgold des Holzwerks und die dazu kontrastierenden Mahagonimöbel. Auch die Küche ist sehenswert. Sie verwahrt nicht nur eine Masse wertvollen alten Kupfergeschirrs, sondern auch einen Mörser, der aus einem Kanonenrohr hergestellt ist mit der Inschrift: Anna von Muschwitz 1596. Die Muschwitz sind ein altes, namentlich um Kottbus an¬ gefesseltes Lausitzer Adelsgeschlecht. So brummte diese Anna von Muschwitz wohl einst mit Donner und Blitz von dem Walle oder Turme eiues ihrer Schlösser, jetzt muß sie Pfeffer und Ingwer in ihrem Innern zerstoßen lassen. Interessant für den Sachsen ist auch die Person des Ökonoms. Er trägt einen in Dresden be¬ rühmten kulinarischen Namen. Sein Großvater hat schon dem Kaiser Napoleon, als er auf die Spreewiesen hinausritt, eine Tasse Bouillon kredenzt, der Vater und er selbst haben in der Hofküche zu Dresden ihre Studien in der edel» Koch¬ kunst gemacht — und so sind denn die ununterbrochnem Beziehungen zwischen der Küche des Landhauses und der Schloßküche zu Dresden das letzte dünne geschicht¬ liche Band, das Lübben mit dem sächsischen Mutterlande verknüpft. Die wichtigste Verkehrsader des Städtchens ist die mit Linden bepflanzte Breitestraße der Neustadt. Am Ende dieser Straße bei der altertümlichen Hospital¬ kirche betritt man die schönste Zierde der Stadt, den großen Hain, einen von der Berste durchflossenen achtzig Morgen großen Park mit wunderbarem altem Baum-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/715>, abgerufen am 25.07.2024.