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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line sonderbare Geschichte

tüchtiger Junge bist! Hände flach über dem Kopf zusammen und dann einfach
sich vornüber fallen lassen. Siehst du, so!

O weh! Über der lebhaften Bewegung des dicken Herrn entglitt die Dose seiner
Hand und flog in weitem Bogen in den Fluß. Die durfte natürlich nicht verloren
gehn. Plump -- Plump -- plump schoß, wie die Frösche vor dem Hasen der Fabel, ein
halbes Dutzend unsrer besten Schwimmer ins Wasser, wo sich ein wütender Taucher¬
wettkampf entspann. Ich war der glückliche, der, triefend und strahlend zugleich,
wie die Landschaft nach einem Gewitterregen, dem Professor das teure Erbstück
überreichen konnte. Seit der Zeit hatte er mich ganz besonders ins Herz geschlossen,
und dank ihm steht mir kein Abschnitt meiner Gymnasialstudien in schönerer Er¬
innerung als der letzte Winter, wo ich infolge eines Beinbruchs monatelang schwarzen
mußte. Es war auf der Schlittschuhbcchu geschehn. Der Professor natürlich auch
dabei. Nachdem er meine Wegschaffung angeordnet hatte, rannte er schweißtriefend
voraus, um meine gute Mutter auf den Schrecken vorzubereiten. Von nun an
fand er sich jeden Tag bei mir ein. Erst, als das Bein noch munterte, erzählte
er mir cillerhaud lustige Vorkommnisse aus der alten Schulzeit, auch weihte er mich
in die Geheimnisse des Schachspiels ein. Dann nahm er das laufende Pensum der
Oberprima mit mir durch und las voll ansteckender Begeisterung die Schriftsteller
mit mir, wobei er mir das langweilige Lexikonwälzen ersparte und mich die neuen
Ausdrücke mit ebensoviel Geschick wie Geduld finden ließ. So hatte ich es ihm
ganz besonders zu danken, wenn ich bei der Reifeprüfung eine unerwartet gute
Nummer ergatterte.

Bei diesen gemeinschaftlichen Studien kommt, hoffe ich, endlich das Französische
mit seiner historischen Orthographie daran? fragte Dr. Schreyer. Auf alle Fälle
stärke ich meine Geduld mit Siecheustosf.

Auch der Kandidat mahnte: Lrsvit^ is ins soul ok v?it.

Natürlich nahm der gute Professor auch etwas Französisch mit mir durch.
Aber viel brauchte es nicht zu sein. Denn unser Franzose stellte keine übermäßigen
Anforderungen und war froh, wenn wenigstens der bei der Sache war, den er
gerade vornahm. Der Direktor selbst ging von der Ansicht aus, daß die Stunden
in den Hauptfächern der strammen Arbeit, die in den Nebenfächern mehr der Er¬
holung der Schüler zu dienen hätten. Bei uns wurden allerdings die französischen
Stunden weniger zur Erholung als zur Vorbereitung für andre Stunden benutzt,
worüber der Lehrer ein und dreiviertel Augen zudrückte. Er war natürlich keine
neuphilologische Prometheusnatur -- sogenannte Neuphilologen gab es damals über¬
haupt kaum, und in unserm von keinem Normaletat und Wohnungsgeld berührten
Landstädtchen erst recht nicht --, sondern gehörte ursprünglich einer andern Fakultät
an. Da er aber auf seinem eigensten Gebiete dauernd "unterrichtlichen Schliff but,"
hatte der Direktor, anstatt ihn völlig kalt zu stellen, von seiner tadellos devoter
Gesinnung gerührt und mit Rücksicht auf seine starke Familie ihm den französischen
Unterricht übertragen, wobei er ja weiter keinen Schaden anrichten konnte, und der
Herr war seitdem bemüht . . .

(Kandidat: Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe.)

. . . zunächst sich selbst in die Geheimnisse der französischen Grammatik ein¬
zuführen, und zwar mit so gutem Erfolg, daß er seinen Schülern nicht bloß um
eine, sondern um ganze zwei Plötzlektionen voraus war. Es ging eine dunkle Sage,
er habe einmal einem Schüler, der ÄMeau wie an^jo aussprach, anAuo verbessert.

(Kandidat: ?or I'isnseb ot nah to tun unlwo^ö.)

Diese klassische Aussprache war von den Schülern . . .

(Kandidat, ingrimmig: Mit wenig Witz und viel Behagen.)

... in dem Spitznamen Kongnak auf ewige Zeiten festgenagelt worden.

Als ich nach wohlbestandner Prüfung, über deren Ausgang sich meine eignen
Eltern nicht lebhafter freuen konnten als der Professor Ehrhardt, diesem einen
langdauernden Abschiedsbesuch machte und ihm stolz mein Mnlusbild überreichte,
wagte ich es, den freundlichen alten Herrn um eine Gegengabe zu bitten.


Line sonderbare Geschichte

tüchtiger Junge bist! Hände flach über dem Kopf zusammen und dann einfach
sich vornüber fallen lassen. Siehst du, so!

O weh! Über der lebhaften Bewegung des dicken Herrn entglitt die Dose seiner
Hand und flog in weitem Bogen in den Fluß. Die durfte natürlich nicht verloren
gehn. Plump — Plump — plump schoß, wie die Frösche vor dem Hasen der Fabel, ein
halbes Dutzend unsrer besten Schwimmer ins Wasser, wo sich ein wütender Taucher¬
wettkampf entspann. Ich war der glückliche, der, triefend und strahlend zugleich,
wie die Landschaft nach einem Gewitterregen, dem Professor das teure Erbstück
überreichen konnte. Seit der Zeit hatte er mich ganz besonders ins Herz geschlossen,
und dank ihm steht mir kein Abschnitt meiner Gymnasialstudien in schönerer Er¬
innerung als der letzte Winter, wo ich infolge eines Beinbruchs monatelang schwarzen
mußte. Es war auf der Schlittschuhbcchu geschehn. Der Professor natürlich auch
dabei. Nachdem er meine Wegschaffung angeordnet hatte, rannte er schweißtriefend
voraus, um meine gute Mutter auf den Schrecken vorzubereiten. Von nun an
fand er sich jeden Tag bei mir ein. Erst, als das Bein noch munterte, erzählte
er mir cillerhaud lustige Vorkommnisse aus der alten Schulzeit, auch weihte er mich
in die Geheimnisse des Schachspiels ein. Dann nahm er das laufende Pensum der
Oberprima mit mir durch und las voll ansteckender Begeisterung die Schriftsteller
mit mir, wobei er mir das langweilige Lexikonwälzen ersparte und mich die neuen
Ausdrücke mit ebensoviel Geschick wie Geduld finden ließ. So hatte ich es ihm
ganz besonders zu danken, wenn ich bei der Reifeprüfung eine unerwartet gute
Nummer ergatterte.

Bei diesen gemeinschaftlichen Studien kommt, hoffe ich, endlich das Französische
mit seiner historischen Orthographie daran? fragte Dr. Schreyer. Auf alle Fälle
stärke ich meine Geduld mit Siecheustosf.

Auch der Kandidat mahnte: Lrsvit^ is ins soul ok v?it.

Natürlich nahm der gute Professor auch etwas Französisch mit mir durch.
Aber viel brauchte es nicht zu sein. Denn unser Franzose stellte keine übermäßigen
Anforderungen und war froh, wenn wenigstens der bei der Sache war, den er
gerade vornahm. Der Direktor selbst ging von der Ansicht aus, daß die Stunden
in den Hauptfächern der strammen Arbeit, die in den Nebenfächern mehr der Er¬
holung der Schüler zu dienen hätten. Bei uns wurden allerdings die französischen
Stunden weniger zur Erholung als zur Vorbereitung für andre Stunden benutzt,
worüber der Lehrer ein und dreiviertel Augen zudrückte. Er war natürlich keine
neuphilologische Prometheusnatur — sogenannte Neuphilologen gab es damals über¬
haupt kaum, und in unserm von keinem Normaletat und Wohnungsgeld berührten
Landstädtchen erst recht nicht —, sondern gehörte ursprünglich einer andern Fakultät
an. Da er aber auf seinem eigensten Gebiete dauernd „unterrichtlichen Schliff but,"
hatte der Direktor, anstatt ihn völlig kalt zu stellen, von seiner tadellos devoter
Gesinnung gerührt und mit Rücksicht auf seine starke Familie ihm den französischen
Unterricht übertragen, wobei er ja weiter keinen Schaden anrichten konnte, und der
Herr war seitdem bemüht . . .

(Kandidat: Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe.)

. . . zunächst sich selbst in die Geheimnisse der französischen Grammatik ein¬
zuführen, und zwar mit so gutem Erfolg, daß er seinen Schülern nicht bloß um
eine, sondern um ganze zwei Plötzlektionen voraus war. Es ging eine dunkle Sage,
er habe einmal einem Schüler, der ÄMeau wie an^jo aussprach, anAuo verbessert.

(Kandidat: ?or I'isnseb ot nah to tun unlwo^ö.)

Diese klassische Aussprache war von den Schülern . . .

(Kandidat, ingrimmig: Mit wenig Witz und viel Behagen.)

... in dem Spitznamen Kongnak auf ewige Zeiten festgenagelt worden.

Als ich nach wohlbestandner Prüfung, über deren Ausgang sich meine eignen
Eltern nicht lebhafter freuen konnten als der Professor Ehrhardt, diesem einen
langdauernden Abschiedsbesuch machte und ihm stolz mein Mnlusbild überreichte,
wagte ich es, den freundlichen alten Herrn um eine Gegengabe zu bitten.


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[0663] Line sonderbare Geschichte tüchtiger Junge bist! Hände flach über dem Kopf zusammen und dann einfach sich vornüber fallen lassen. Siehst du, so! O weh! Über der lebhaften Bewegung des dicken Herrn entglitt die Dose seiner Hand und flog in weitem Bogen in den Fluß. Die durfte natürlich nicht verloren gehn. Plump — Plump — plump schoß, wie die Frösche vor dem Hasen der Fabel, ein halbes Dutzend unsrer besten Schwimmer ins Wasser, wo sich ein wütender Taucher¬ wettkampf entspann. Ich war der glückliche, der, triefend und strahlend zugleich, wie die Landschaft nach einem Gewitterregen, dem Professor das teure Erbstück überreichen konnte. Seit der Zeit hatte er mich ganz besonders ins Herz geschlossen, und dank ihm steht mir kein Abschnitt meiner Gymnasialstudien in schönerer Er¬ innerung als der letzte Winter, wo ich infolge eines Beinbruchs monatelang schwarzen mußte. Es war auf der Schlittschuhbcchu geschehn. Der Professor natürlich auch dabei. Nachdem er meine Wegschaffung angeordnet hatte, rannte er schweißtriefend voraus, um meine gute Mutter auf den Schrecken vorzubereiten. Von nun an fand er sich jeden Tag bei mir ein. Erst, als das Bein noch munterte, erzählte er mir cillerhaud lustige Vorkommnisse aus der alten Schulzeit, auch weihte er mich in die Geheimnisse des Schachspiels ein. Dann nahm er das laufende Pensum der Oberprima mit mir durch und las voll ansteckender Begeisterung die Schriftsteller mit mir, wobei er mir das langweilige Lexikonwälzen ersparte und mich die neuen Ausdrücke mit ebensoviel Geschick wie Geduld finden ließ. So hatte ich es ihm ganz besonders zu danken, wenn ich bei der Reifeprüfung eine unerwartet gute Nummer ergatterte. Bei diesen gemeinschaftlichen Studien kommt, hoffe ich, endlich das Französische mit seiner historischen Orthographie daran? fragte Dr. Schreyer. Auf alle Fälle stärke ich meine Geduld mit Siecheustosf. Auch der Kandidat mahnte: Lrsvit^ is ins soul ok v?it. Natürlich nahm der gute Professor auch etwas Französisch mit mir durch. Aber viel brauchte es nicht zu sein. Denn unser Franzose stellte keine übermäßigen Anforderungen und war froh, wenn wenigstens der bei der Sache war, den er gerade vornahm. Der Direktor selbst ging von der Ansicht aus, daß die Stunden in den Hauptfächern der strammen Arbeit, die in den Nebenfächern mehr der Er¬ holung der Schüler zu dienen hätten. Bei uns wurden allerdings die französischen Stunden weniger zur Erholung als zur Vorbereitung für andre Stunden benutzt, worüber der Lehrer ein und dreiviertel Augen zudrückte. Er war natürlich keine neuphilologische Prometheusnatur — sogenannte Neuphilologen gab es damals über¬ haupt kaum, und in unserm von keinem Normaletat und Wohnungsgeld berührten Landstädtchen erst recht nicht —, sondern gehörte ursprünglich einer andern Fakultät an. Da er aber auf seinem eigensten Gebiete dauernd „unterrichtlichen Schliff but," hatte der Direktor, anstatt ihn völlig kalt zu stellen, von seiner tadellos devoter Gesinnung gerührt und mit Rücksicht auf seine starke Familie ihm den französischen Unterricht übertragen, wobei er ja weiter keinen Schaden anrichten konnte, und der Herr war seitdem bemüht . . . (Kandidat: Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe.) . . . zunächst sich selbst in die Geheimnisse der französischen Grammatik ein¬ zuführen, und zwar mit so gutem Erfolg, daß er seinen Schülern nicht bloß um eine, sondern um ganze zwei Plötzlektionen voraus war. Es ging eine dunkle Sage, er habe einmal einem Schüler, der ÄMeau wie an^jo aussprach, anAuo verbessert. (Kandidat: ?or I'isnseb ot nah to tun unlwo^ö.) Diese klassische Aussprache war von den Schülern . . . (Kandidat, ingrimmig: Mit wenig Witz und viel Behagen.) ... in dem Spitznamen Kongnak auf ewige Zeiten festgenagelt worden. Als ich nach wohlbestandner Prüfung, über deren Ausgang sich meine eignen Eltern nicht lebhafter freuen konnten als der Professor Ehrhardt, diesem einen langdauernden Abschiedsbesuch machte und ihm stolz mein Mnlusbild überreichte, wagte ich es, den freundlichen alten Herrn um eine Gegengabe zu bitten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/663>, abgerufen am 18.06.2024.