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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Eine sonderbare Geschichte

Sobald jedoch der Chef des Assessors oder irgend ein andres großes Tier
eine vorübergehende Gastrolle an unserm Tische gibt, verfällt der Kandidat in seinen
ersten Zustand; in seines Nichts durchbohrendem Gefühle klebt er als ein Häufchen
Unglück auf seinem Stuhl, scheinbar nur mit dem einen Problem beschäftigt, in
welchem Mauseloch er seine Person verstecken solle. Könnte er wenigstens mit dem
Feigenblatte des Doktortitels seine Kandidatenblöße decken! Wissenschaftliche Unter¬
suchungen hat er genug begonnen, aber nie zur Dissertation vollendet. Auch hört
er noch regelmäßig Kollegien und erkundigt sich angelegentlichst bei denen, die eben
dem Rigorosum entstiegen sind, nach allen Einzelheiten der mündlichen Prüfung.
So holt er sich, gleich einer feuerlosen Lokomotive, am Zentralkessel der Universität
immer neuen Dampf, nur daß dieser Dampf nicht antreibend, sondern vielmehr
bremsend auf das Schwungrad seines Promotionsehrgeizes einwirkt. Daß er dabei
manchen sehnsuchtsvollen Blick nach den gefüllten Fleischtöpfen der ägyptischen Ober¬
lehrer wirft, ist ihm nicht zu verdenken, und aus diesem Gefühl ist der Einwand
zu erklären, mit dem er mich unterbrach:

Gewiß gehn gute Gesinnung und Behäbigkeit Hand in Hand. Julius Cäsar
kannte seine Pappenheimer, wenn er nur wohlbeleibte Männer um sich haben wollte.
Aber Sie verwechseln Ursache und Wirkung. ^. nunAi^ man is an ÄUAi/ irran.
Der Gesättigte räsoniert nicht. Wohlwollende Gesinnung ist nicht die Mutter,
sondern die Tochter der Wohlbeleibtheit!

Ich konnte mich nicht geschlagen geben, zumal da der Pastor Olearius als
Sachverständiger mir freundlich zu Hilfe kam:

Die Quellen, die so munter fließen, rühren sie von den droben schwebenden
Wolken her, oder bei dem wunderbaren Kreislauf, den das Wasser nach des Schöpfers
Gebot nimmer ruhend noch rastend durchmacht, kommeu die Wolken von den Quellen
her? Wer will es entscheiden?

Der Assessor schloß sich ihm an:

Als ich letztes mal bei Herrn von Kodliewsky auf Schlemmerow zur Hühner¬
jagd war, führte uns unser liebenswürdigar Gastgeber auf dem Gute umher und
zeigte uns stolz seine Musterschweineställe. Ein Glück für Sie, meinte einer der
Herren, daß der Kladderadatsch das nicht sieht. Der würde sofort einen schnod¬
derigen Vergleich mit Arbeiterkaten und Schulhäusern aufstellen. -- Ich weiß, was
ich tue, sagte der erfahrne Züchter. Meine Herren, wenn Sie auf dem Gebiete
der Schweinezucht Erfolge erreichen wollen, so suchen Sie sich Tiere mit heiterm
Temperament aus, und sorgen Sie durch eine behagliche Stallung dafür, daß ihnen
dieses Temperament erhalten bleibt. Sie können dann die halbe Mast sparen.

Wenn die Wohlbeleibtheit des Professors Ehrhardt, sagte ich, nicht aus seinem
sonnigen Gemüt entsprungen ist, so weiß ich nicht, wo sie sonst herrühren sollte.
Vom Schlemmen gewiß nicht. Er lebte sehr einfach. Abends z. B. begnügte er sich
mit einer Butterstulle und ein paar Äpfeln. Bloß wenn er auf seinen Spätnach¬
mittagspaziergängen etwa einen von uns aufgabelte, wie den Stenglin, den hoch¬
aufgeschossener Pastorsohn mit den sieben Orgelpfeifenschwestern, der beim Schneider¬
meister Schmächtig wohnte, wenn der Professor mit einem solchen im nächsten Dorf¬
wirtshaus einkehrte, da bestellte er wohl eine doppelte Schinkenportion oder sonst
was Gutes, aß aber selbst das wenigste davon, sondern weidete sich schmunzelnd
an der staunenswerten Eßlust seines Begleiters.

Jugend zu sehen war ihm Lebensbedürfnis. So war er denn im Sommer
ständig da zu treffen, wo es unsre liebe Jugend am tollsten trieb, in unserm Flu߬
bade. Einmal stand der kleine Wimmer angeheilt auf dem Sprungbrett, ein zag¬
haftes Kerlchen, vor dem furchtbaren Wagnis des ersten Kopfsprungs zurückbebend.
Der Professor, der die Fortschritte jedes Schwimmschülers eifrigst zu verfolgen
pflegte, stand natürlich Mut einsprechend dabei, seine stattliche Dose in der Hand,
aus der er sich eben in Gemeinschaft mit dem Schwimmeister gelabt hatte.

Na frisch, Wtmmerchen! Keine Müdigkeit vorgeschützt! Zeig, daß du ein


Eine sonderbare Geschichte

Sobald jedoch der Chef des Assessors oder irgend ein andres großes Tier
eine vorübergehende Gastrolle an unserm Tische gibt, verfällt der Kandidat in seinen
ersten Zustand; in seines Nichts durchbohrendem Gefühle klebt er als ein Häufchen
Unglück auf seinem Stuhl, scheinbar nur mit dem einen Problem beschäftigt, in
welchem Mauseloch er seine Person verstecken solle. Könnte er wenigstens mit dem
Feigenblatte des Doktortitels seine Kandidatenblöße decken! Wissenschaftliche Unter¬
suchungen hat er genug begonnen, aber nie zur Dissertation vollendet. Auch hört
er noch regelmäßig Kollegien und erkundigt sich angelegentlichst bei denen, die eben
dem Rigorosum entstiegen sind, nach allen Einzelheiten der mündlichen Prüfung.
So holt er sich, gleich einer feuerlosen Lokomotive, am Zentralkessel der Universität
immer neuen Dampf, nur daß dieser Dampf nicht antreibend, sondern vielmehr
bremsend auf das Schwungrad seines Promotionsehrgeizes einwirkt. Daß er dabei
manchen sehnsuchtsvollen Blick nach den gefüllten Fleischtöpfen der ägyptischen Ober¬
lehrer wirft, ist ihm nicht zu verdenken, und aus diesem Gefühl ist der Einwand
zu erklären, mit dem er mich unterbrach:

Gewiß gehn gute Gesinnung und Behäbigkeit Hand in Hand. Julius Cäsar
kannte seine Pappenheimer, wenn er nur wohlbeleibte Männer um sich haben wollte.
Aber Sie verwechseln Ursache und Wirkung. ^. nunAi^ man is an ÄUAi/ irran.
Der Gesättigte räsoniert nicht. Wohlwollende Gesinnung ist nicht die Mutter,
sondern die Tochter der Wohlbeleibtheit!

Ich konnte mich nicht geschlagen geben, zumal da der Pastor Olearius als
Sachverständiger mir freundlich zu Hilfe kam:

Die Quellen, die so munter fließen, rühren sie von den droben schwebenden
Wolken her, oder bei dem wunderbaren Kreislauf, den das Wasser nach des Schöpfers
Gebot nimmer ruhend noch rastend durchmacht, kommeu die Wolken von den Quellen
her? Wer will es entscheiden?

Der Assessor schloß sich ihm an:

Als ich letztes mal bei Herrn von Kodliewsky auf Schlemmerow zur Hühner¬
jagd war, führte uns unser liebenswürdigar Gastgeber auf dem Gute umher und
zeigte uns stolz seine Musterschweineställe. Ein Glück für Sie, meinte einer der
Herren, daß der Kladderadatsch das nicht sieht. Der würde sofort einen schnod¬
derigen Vergleich mit Arbeiterkaten und Schulhäusern aufstellen. — Ich weiß, was
ich tue, sagte der erfahrne Züchter. Meine Herren, wenn Sie auf dem Gebiete
der Schweinezucht Erfolge erreichen wollen, so suchen Sie sich Tiere mit heiterm
Temperament aus, und sorgen Sie durch eine behagliche Stallung dafür, daß ihnen
dieses Temperament erhalten bleibt. Sie können dann die halbe Mast sparen.

Wenn die Wohlbeleibtheit des Professors Ehrhardt, sagte ich, nicht aus seinem
sonnigen Gemüt entsprungen ist, so weiß ich nicht, wo sie sonst herrühren sollte.
Vom Schlemmen gewiß nicht. Er lebte sehr einfach. Abends z. B. begnügte er sich
mit einer Butterstulle und ein paar Äpfeln. Bloß wenn er auf seinen Spätnach¬
mittagspaziergängen etwa einen von uns aufgabelte, wie den Stenglin, den hoch¬
aufgeschossener Pastorsohn mit den sieben Orgelpfeifenschwestern, der beim Schneider¬
meister Schmächtig wohnte, wenn der Professor mit einem solchen im nächsten Dorf¬
wirtshaus einkehrte, da bestellte er wohl eine doppelte Schinkenportion oder sonst
was Gutes, aß aber selbst das wenigste davon, sondern weidete sich schmunzelnd
an der staunenswerten Eßlust seines Begleiters.

Jugend zu sehen war ihm Lebensbedürfnis. So war er denn im Sommer
ständig da zu treffen, wo es unsre liebe Jugend am tollsten trieb, in unserm Flu߬
bade. Einmal stand der kleine Wimmer angeheilt auf dem Sprungbrett, ein zag¬
haftes Kerlchen, vor dem furchtbaren Wagnis des ersten Kopfsprungs zurückbebend.
Der Professor, der die Fortschritte jedes Schwimmschülers eifrigst zu verfolgen
pflegte, stand natürlich Mut einsprechend dabei, seine stattliche Dose in der Hand,
aus der er sich eben in Gemeinschaft mit dem Schwimmeister gelabt hatte.

Na frisch, Wtmmerchen! Keine Müdigkeit vorgeschützt! Zeig, daß du ein


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[0662] Eine sonderbare Geschichte Sobald jedoch der Chef des Assessors oder irgend ein andres großes Tier eine vorübergehende Gastrolle an unserm Tische gibt, verfällt der Kandidat in seinen ersten Zustand; in seines Nichts durchbohrendem Gefühle klebt er als ein Häufchen Unglück auf seinem Stuhl, scheinbar nur mit dem einen Problem beschäftigt, in welchem Mauseloch er seine Person verstecken solle. Könnte er wenigstens mit dem Feigenblatte des Doktortitels seine Kandidatenblöße decken! Wissenschaftliche Unter¬ suchungen hat er genug begonnen, aber nie zur Dissertation vollendet. Auch hört er noch regelmäßig Kollegien und erkundigt sich angelegentlichst bei denen, die eben dem Rigorosum entstiegen sind, nach allen Einzelheiten der mündlichen Prüfung. So holt er sich, gleich einer feuerlosen Lokomotive, am Zentralkessel der Universität immer neuen Dampf, nur daß dieser Dampf nicht antreibend, sondern vielmehr bremsend auf das Schwungrad seines Promotionsehrgeizes einwirkt. Daß er dabei manchen sehnsuchtsvollen Blick nach den gefüllten Fleischtöpfen der ägyptischen Ober¬ lehrer wirft, ist ihm nicht zu verdenken, und aus diesem Gefühl ist der Einwand zu erklären, mit dem er mich unterbrach: Gewiß gehn gute Gesinnung und Behäbigkeit Hand in Hand. Julius Cäsar kannte seine Pappenheimer, wenn er nur wohlbeleibte Männer um sich haben wollte. Aber Sie verwechseln Ursache und Wirkung. ^. nunAi^ man is an ÄUAi/ irran. Der Gesättigte räsoniert nicht. Wohlwollende Gesinnung ist nicht die Mutter, sondern die Tochter der Wohlbeleibtheit! Ich konnte mich nicht geschlagen geben, zumal da der Pastor Olearius als Sachverständiger mir freundlich zu Hilfe kam: Die Quellen, die so munter fließen, rühren sie von den droben schwebenden Wolken her, oder bei dem wunderbaren Kreislauf, den das Wasser nach des Schöpfers Gebot nimmer ruhend noch rastend durchmacht, kommeu die Wolken von den Quellen her? Wer will es entscheiden? Der Assessor schloß sich ihm an: Als ich letztes mal bei Herrn von Kodliewsky auf Schlemmerow zur Hühner¬ jagd war, führte uns unser liebenswürdigar Gastgeber auf dem Gute umher und zeigte uns stolz seine Musterschweineställe. Ein Glück für Sie, meinte einer der Herren, daß der Kladderadatsch das nicht sieht. Der würde sofort einen schnod¬ derigen Vergleich mit Arbeiterkaten und Schulhäusern aufstellen. — Ich weiß, was ich tue, sagte der erfahrne Züchter. Meine Herren, wenn Sie auf dem Gebiete der Schweinezucht Erfolge erreichen wollen, so suchen Sie sich Tiere mit heiterm Temperament aus, und sorgen Sie durch eine behagliche Stallung dafür, daß ihnen dieses Temperament erhalten bleibt. Sie können dann die halbe Mast sparen. Wenn die Wohlbeleibtheit des Professors Ehrhardt, sagte ich, nicht aus seinem sonnigen Gemüt entsprungen ist, so weiß ich nicht, wo sie sonst herrühren sollte. Vom Schlemmen gewiß nicht. Er lebte sehr einfach. Abends z. B. begnügte er sich mit einer Butterstulle und ein paar Äpfeln. Bloß wenn er auf seinen Spätnach¬ mittagspaziergängen etwa einen von uns aufgabelte, wie den Stenglin, den hoch¬ aufgeschossener Pastorsohn mit den sieben Orgelpfeifenschwestern, der beim Schneider¬ meister Schmächtig wohnte, wenn der Professor mit einem solchen im nächsten Dorf¬ wirtshaus einkehrte, da bestellte er wohl eine doppelte Schinkenportion oder sonst was Gutes, aß aber selbst das wenigste davon, sondern weidete sich schmunzelnd an der staunenswerten Eßlust seines Begleiters. Jugend zu sehen war ihm Lebensbedürfnis. So war er denn im Sommer ständig da zu treffen, wo es unsre liebe Jugend am tollsten trieb, in unserm Flu߬ bade. Einmal stand der kleine Wimmer angeheilt auf dem Sprungbrett, ein zag¬ haftes Kerlchen, vor dem furchtbaren Wagnis des ersten Kopfsprungs zurückbebend. Der Professor, der die Fortschritte jedes Schwimmschülers eifrigst zu verfolgen pflegte, stand natürlich Mut einsprechend dabei, seine stattliche Dose in der Hand, aus der er sich eben in Gemeinschaft mit dem Schwimmeister gelabt hatte. Na frisch, Wtmmerchen! Keine Müdigkeit vorgeschützt! Zeig, daß du ein

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/662>, abgerufen am 25.07.2024.