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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ohne Interesse, zu beobachten, wie auch die französische und die russische Presse
an diesen Unterhaltungen eifrig teilnehmen. Erwägungen solcher Art liegt im
allgemeinen die Ansicht zugrunde, daß Begegnungen mächtiger Monarchen notge¬
drungen irgend ein positives politisches Ergebnis haben müssen, zumal in einer an
kleinen und an großen Spannungen überreichen Zeit. Es hat jedoch auch schon
Monarchenbegegnungen gegeben, deren Ergebnis kein positives, sondern ein nega¬
tives war und mit einer Verstimmung, wenigstens des einen Teils, abschloß. Ebenso
sind andre zu verzeichnen, deren Resultat zwar nicht paragraphiert worden, aber
dennoch ein recht positives gewesen ist, indem es vorhcmdne Verstimmungen be¬
seitigte. Nun liegen persönliche Verstimmungen zwischen Kaiser Wilhelm und dem
König Eduard in keiner Weise vor, es sind mithin auch keine zu begleiche". Ver¬
stimmungen, die in den beiden Nationen, in Deutschland wie in Großbritannien,
zum Teil vorhanden sind und in der Presse auch jetzt wieder zum Ausdruck ge¬
langen, werden selten durch Monarchenbegegnungen zu heben sein. Meist geben
da die Interessen schließlich den Ausschlag. König Eduard ist seit seiner Thron¬
besteigung schnell in den Ruf eines guten politischen Geschäftsmannes gelangt; unbe¬
streitbar betätigt er eine lebhaftere königliche Initiative, als man sie bei Großbritannien
in Rechnung zu stellen Pflegt. Auch die Königin Viktoria hat noch bis zum Beginn
der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Fragen, an denen sie ein be¬
sondres Interesse nahm, eine recht lebhafte Initiative an den Tag gelegt, wovon
auch die Beziehungen zu Deutschland zahlreiche Beweise enthalten. Für Liebhaber
konstitutioneller Preisrätsel wäre es eine ganz interessante Aufgabe, für die lange
Regierungszeit der Königin festzustellen, wie weit in einer nicht geringen Anzahl
politischer, namentlich auswärtiger Fragen die Königin mehr im Sinne des je¬
weiligen Kabinetts oder das Kabinett im Sinne der Königin tätig gewesen ist.

Eigentliche Interessengegensätze zwischen Deutschland und England bestehn in
Europa nicht. Haben wir Gewißheit, daß England nicht daran denkt, irgend einem
künftigen Gegner Deutschlands direkt oder indirekt Vorschub zu leisten, so gibt es
keine europäische Frage, die Deutschland und Großbritannien zu Gegnern machen
muß. Weniger klar steht die Sache in den übrigen Weltteilen, wo die Kolonien
Englands und deren Interessen in Betracht kommen. Wir haben mit Kanada den
Zollstreit, bei Australien eine fast chronische Unfreundlichkeit gegen Deutschland und
Deutsche, sowie ein fortwährendes Mißbehagen über die deutsche Stellung in der
Südsee zu verzeichnen; in Afrika grenzen unsre Besitzungen fast überall an die
englischen, ein gewisser Hinterlands-Jnteressengegensatz, wie wir ihn am Niger und
am Berne, am Tschadsee, in Südwestnfrika und in Ostafrika haben, ist da nahezu
unvermeidlich. Ein wesentlicher Teil der Verstimmung, die in manchen deutschen
Kreisen gegen England besteht, beruht denn auch auf den kolonialen Übervorteilungen,
die uns England seit zwanzig Jahren in Afrika zugefügt hat, allerdings zum nicht
geringen Teil durch unsre eigne Unerfahrenheit. Was Asien betrifft, so erblickt
England in unsern Unternehmungen in Kleinasien, in der Bagdadbahn und in allem,
was damit zusammenhängt, sowie in den emporstrebenden Bemühungen Deutschlands
in China eine Berührung oder Beeinträchtigung seiner politischen und kommerziellen
Interessen, die sich unerwartet einem deutschen Wettbewerb gegenübersehen.

Es sind dies Fragen, die nicht nur das wirtschaftliche Gebiet betreffen. Wirt¬
schaftlicher Einfluß setzt in China politischen Einfluß und politische Macht voraus.
England hat sehr ungern die deutsche Kriegsflagge auf dem Aangtse, deutsche
Postämter und deutsche Konsulate längs der Ufer des mächtigen Stromes entsteh"
sehen, stille und rastlose deutsche Pionierarbeit, wobei die Flagge dem Handel teils
bahnbrechend vorangeht, teils ihni schützend folgt. Für den strebsamen deutschen
Kaufmann sind das wertvolle, friedliche Stützpunkte. Wie nahe den Engländern
das deutsche Wachstum am Jangtse geht, beweist am besten die Entschiedenheit,
mit der sie uns zur Räumung von Schanghai angehalten haben, eine in Deutsch¬
land zum großen Teil gar nicht verstandne Frage, die jedoch zurzeit kaum anders


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ohne Interesse, zu beobachten, wie auch die französische und die russische Presse
an diesen Unterhaltungen eifrig teilnehmen. Erwägungen solcher Art liegt im
allgemeinen die Ansicht zugrunde, daß Begegnungen mächtiger Monarchen notge¬
drungen irgend ein positives politisches Ergebnis haben müssen, zumal in einer an
kleinen und an großen Spannungen überreichen Zeit. Es hat jedoch auch schon
Monarchenbegegnungen gegeben, deren Ergebnis kein positives, sondern ein nega¬
tives war und mit einer Verstimmung, wenigstens des einen Teils, abschloß. Ebenso
sind andre zu verzeichnen, deren Resultat zwar nicht paragraphiert worden, aber
dennoch ein recht positives gewesen ist, indem es vorhcmdne Verstimmungen be¬
seitigte. Nun liegen persönliche Verstimmungen zwischen Kaiser Wilhelm und dem
König Eduard in keiner Weise vor, es sind mithin auch keine zu begleiche». Ver¬
stimmungen, die in den beiden Nationen, in Deutschland wie in Großbritannien,
zum Teil vorhanden sind und in der Presse auch jetzt wieder zum Ausdruck ge¬
langen, werden selten durch Monarchenbegegnungen zu heben sein. Meist geben
da die Interessen schließlich den Ausschlag. König Eduard ist seit seiner Thron¬
besteigung schnell in den Ruf eines guten politischen Geschäftsmannes gelangt; unbe¬
streitbar betätigt er eine lebhaftere königliche Initiative, als man sie bei Großbritannien
in Rechnung zu stellen Pflegt. Auch die Königin Viktoria hat noch bis zum Beginn
der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Fragen, an denen sie ein be¬
sondres Interesse nahm, eine recht lebhafte Initiative an den Tag gelegt, wovon
auch die Beziehungen zu Deutschland zahlreiche Beweise enthalten. Für Liebhaber
konstitutioneller Preisrätsel wäre es eine ganz interessante Aufgabe, für die lange
Regierungszeit der Königin festzustellen, wie weit in einer nicht geringen Anzahl
politischer, namentlich auswärtiger Fragen die Königin mehr im Sinne des je¬
weiligen Kabinetts oder das Kabinett im Sinne der Königin tätig gewesen ist.

Eigentliche Interessengegensätze zwischen Deutschland und England bestehn in
Europa nicht. Haben wir Gewißheit, daß England nicht daran denkt, irgend einem
künftigen Gegner Deutschlands direkt oder indirekt Vorschub zu leisten, so gibt es
keine europäische Frage, die Deutschland und Großbritannien zu Gegnern machen
muß. Weniger klar steht die Sache in den übrigen Weltteilen, wo die Kolonien
Englands und deren Interessen in Betracht kommen. Wir haben mit Kanada den
Zollstreit, bei Australien eine fast chronische Unfreundlichkeit gegen Deutschland und
Deutsche, sowie ein fortwährendes Mißbehagen über die deutsche Stellung in der
Südsee zu verzeichnen; in Afrika grenzen unsre Besitzungen fast überall an die
englischen, ein gewisser Hinterlands-Jnteressengegensatz, wie wir ihn am Niger und
am Berne, am Tschadsee, in Südwestnfrika und in Ostafrika haben, ist da nahezu
unvermeidlich. Ein wesentlicher Teil der Verstimmung, die in manchen deutschen
Kreisen gegen England besteht, beruht denn auch auf den kolonialen Übervorteilungen,
die uns England seit zwanzig Jahren in Afrika zugefügt hat, allerdings zum nicht
geringen Teil durch unsre eigne Unerfahrenheit. Was Asien betrifft, so erblickt
England in unsern Unternehmungen in Kleinasien, in der Bagdadbahn und in allem,
was damit zusammenhängt, sowie in den emporstrebenden Bemühungen Deutschlands
in China eine Berührung oder Beeinträchtigung seiner politischen und kommerziellen
Interessen, die sich unerwartet einem deutschen Wettbewerb gegenübersehen.

Es sind dies Fragen, die nicht nur das wirtschaftliche Gebiet betreffen. Wirt¬
schaftlicher Einfluß setzt in China politischen Einfluß und politische Macht voraus.
England hat sehr ungern die deutsche Kriegsflagge auf dem Aangtse, deutsche
Postämter und deutsche Konsulate längs der Ufer des mächtigen Stromes entsteh»
sehen, stille und rastlose deutsche Pionierarbeit, wobei die Flagge dem Handel teils
bahnbrechend vorangeht, teils ihni schützend folgt. Für den strebsamen deutschen
Kaufmann sind das wertvolle, friedliche Stützpunkte. Wie nahe den Engländern
das deutsche Wachstum am Jangtse geht, beweist am besten die Entschiedenheit,
mit der sie uns zur Räumung von Schanghai angehalten haben, eine in Deutsch¬
land zum großen Teil gar nicht verstandne Frage, die jedoch zurzeit kaum anders


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[0606] Maßgebliches und Unmaßgebliches ohne Interesse, zu beobachten, wie auch die französische und die russische Presse an diesen Unterhaltungen eifrig teilnehmen. Erwägungen solcher Art liegt im allgemeinen die Ansicht zugrunde, daß Begegnungen mächtiger Monarchen notge¬ drungen irgend ein positives politisches Ergebnis haben müssen, zumal in einer an kleinen und an großen Spannungen überreichen Zeit. Es hat jedoch auch schon Monarchenbegegnungen gegeben, deren Ergebnis kein positives, sondern ein nega¬ tives war und mit einer Verstimmung, wenigstens des einen Teils, abschloß. Ebenso sind andre zu verzeichnen, deren Resultat zwar nicht paragraphiert worden, aber dennoch ein recht positives gewesen ist, indem es vorhcmdne Verstimmungen be¬ seitigte. Nun liegen persönliche Verstimmungen zwischen Kaiser Wilhelm und dem König Eduard in keiner Weise vor, es sind mithin auch keine zu begleiche». Ver¬ stimmungen, die in den beiden Nationen, in Deutschland wie in Großbritannien, zum Teil vorhanden sind und in der Presse auch jetzt wieder zum Ausdruck ge¬ langen, werden selten durch Monarchenbegegnungen zu heben sein. Meist geben da die Interessen schließlich den Ausschlag. König Eduard ist seit seiner Thron¬ besteigung schnell in den Ruf eines guten politischen Geschäftsmannes gelangt; unbe¬ streitbar betätigt er eine lebhaftere königliche Initiative, als man sie bei Großbritannien in Rechnung zu stellen Pflegt. Auch die Königin Viktoria hat noch bis zum Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Fragen, an denen sie ein be¬ sondres Interesse nahm, eine recht lebhafte Initiative an den Tag gelegt, wovon auch die Beziehungen zu Deutschland zahlreiche Beweise enthalten. Für Liebhaber konstitutioneller Preisrätsel wäre es eine ganz interessante Aufgabe, für die lange Regierungszeit der Königin festzustellen, wie weit in einer nicht geringen Anzahl politischer, namentlich auswärtiger Fragen die Königin mehr im Sinne des je¬ weiligen Kabinetts oder das Kabinett im Sinne der Königin tätig gewesen ist. Eigentliche Interessengegensätze zwischen Deutschland und England bestehn in Europa nicht. Haben wir Gewißheit, daß England nicht daran denkt, irgend einem künftigen Gegner Deutschlands direkt oder indirekt Vorschub zu leisten, so gibt es keine europäische Frage, die Deutschland und Großbritannien zu Gegnern machen muß. Weniger klar steht die Sache in den übrigen Weltteilen, wo die Kolonien Englands und deren Interessen in Betracht kommen. Wir haben mit Kanada den Zollstreit, bei Australien eine fast chronische Unfreundlichkeit gegen Deutschland und Deutsche, sowie ein fortwährendes Mißbehagen über die deutsche Stellung in der Südsee zu verzeichnen; in Afrika grenzen unsre Besitzungen fast überall an die englischen, ein gewisser Hinterlands-Jnteressengegensatz, wie wir ihn am Niger und am Berne, am Tschadsee, in Südwestnfrika und in Ostafrika haben, ist da nahezu unvermeidlich. Ein wesentlicher Teil der Verstimmung, die in manchen deutschen Kreisen gegen England besteht, beruht denn auch auf den kolonialen Übervorteilungen, die uns England seit zwanzig Jahren in Afrika zugefügt hat, allerdings zum nicht geringen Teil durch unsre eigne Unerfahrenheit. Was Asien betrifft, so erblickt England in unsern Unternehmungen in Kleinasien, in der Bagdadbahn und in allem, was damit zusammenhängt, sowie in den emporstrebenden Bemühungen Deutschlands in China eine Berührung oder Beeinträchtigung seiner politischen und kommerziellen Interessen, die sich unerwartet einem deutschen Wettbewerb gegenübersehen. Es sind dies Fragen, die nicht nur das wirtschaftliche Gebiet betreffen. Wirt¬ schaftlicher Einfluß setzt in China politischen Einfluß und politische Macht voraus. England hat sehr ungern die deutsche Kriegsflagge auf dem Aangtse, deutsche Postämter und deutsche Konsulate längs der Ufer des mächtigen Stromes entsteh» sehen, stille und rastlose deutsche Pionierarbeit, wobei die Flagge dem Handel teils bahnbrechend vorangeht, teils ihni schützend folgt. Für den strebsamen deutschen Kaufmann sind das wertvolle, friedliche Stützpunkte. Wie nahe den Engländern das deutsche Wachstum am Jangtse geht, beweist am besten die Entschiedenheit, mit der sie uns zur Räumung von Schanghai angehalten haben, eine in Deutsch¬ land zum großen Teil gar nicht verstandne Frage, die jedoch zurzeit kaum anders

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/606>, abgerufen am 30.06.2024.