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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Der Mönch von Weinfelder

Gyllis lächelte. Ach. wenn Ihr wüßtet, sagte er, wie wenig von dem Luther¬
tum in mir geblieben ist!

Viel oder wenig -- was tuts! meinte Theis. indem er seinem Pfiffigen
Gesicht den Ausdruck der Überlegenheit zu geben suchte, für uns einfältige Bauern
wirds schon zulangen.

Ihr mögt mir Bedenkzeit geben, sagte Gyllis. so etwas will bedacht sein.

Bedenkzeit, so lange Ihr wollt, erwiderte der Sprecher. Und leiser setzte er
hinzu: Herr, wie haben sich die Zeiten geändert! Wißt Ihr noch, damals als
wir mit den zwölf Artikeln kamen, und Ihr nichts von der Freigabe des Wild¬
banns wissen möchtet, da wollten wir Euch auch Bedenkzeit geben, Ihr aber be¬
gehrtet auf und fragtet, seit wann es zu Weinfelder die Mode wäre, daß die
Hofesleute dem Burgmann, ihrem Herrn, Bedenkzeit stellten? Seht, Herr, so
sagtet Ihr damals, und heute bittet Ihr selbst darum. So haben sich die Zeiten
geändert.

Nicht nur die Zeiten, Theis. Auch die Menschen. Wir sind alle andre
geworden -- Ihr und ich. Die Sintflut, die unsre Häuser weggerissen hat, hat
auch unsre Herzen reingewaschen und hat getilgt, was böse darinnen war. Nun
müssen wir zusehen, wie wir sie fürder rein erhalten.

Theis richtete sich so gerade auf, wie er vermochte, und sagte mit einem
Lächeln der Anerkennung:

Das habt Ihr schön in Worte gebracht, Herr. Seht, gefühlt haben wir das
auch schon, aber nun wissen wir doch Bescheid. So etwas müßt Ihr uns, wenn
Ihr erst unser Pastor seid, öfter einmal sagen. Und wenn Ihr auch ein paar
lateinische Bröcklein hineinmengt, so schadet das auch nichts, sondern freut uns,
ob wirs auch nicht verstehn. Denn den Schalkenmehrener ihrer, der predigt wie
ein grober Tölpel und nicht anders, als wie wir selbst beim Dreschen reden.
Wir aber wissen, was sich schickt, und wenn wir einen Pfarrer tiefen, so solls
auch einer sein, mit dem wir Staat machen können. Also überlegts Euch, Herr,
und dann gebt uns Nachricht.

Nun gab es für Gyllis einen schweren innern Kampf. Hätte er seinem
Herzen folgen dürfen, so wäre er so bald wie möglich nach Prüm zurückgekehrt,
das ihm jetzt nach all den bittern Erfahrungen wie ein Hafen des Friedens vor¬
kam. Aber andrerseits konnte er sich auch nicht verhehlen, daß die Ereignisse, die
zum Untergange Weinfeldens geführt hatten, im Grunde genommen nur die Folgen
seines vermessenen Schrittes gewesen waren, und daß ihn der Verlust seiner
Rechte nicht von den Pflichten entband, die er übernommen hatte. Die Rückkehr
ins Kloster, unter andern Umständen lobenswert und die natürlichste Sühne für
sein Vergehn, wäre, wie die Dinge nun einmal lagen, einer feigen Flucht vor
den gebieterischen Forderungen des Lebens gleichgekommen. Und den schwer er-
rungnen Gewinn, das Vertrauen seiner Bauern, durfte er um so weniger fahren
lassen, als gerade jetzt seinen Schützlingen eine neue Gefahr drohte, eine Gefahr
nicht für Leib und Leben, für Habe und Gut, sondern sür das ewige Heil ihrer
unsterblichen Seelen. Der Gedanke, den er selbst in schweren Kämpfen über¬
wunden hatte, arbeitete jetzt in ihren Köpfen; ließ er sie gewähren, so würden sie
rettungslos dem Ketzertum verfallen, dessen Prophet ein andrer Klosterflüchtling
war, der kühne Wittenberger Mönch, der sich zum Staunen aller Welt vermaß,
dem Papst nach der Krone zu greifen und sogar den Heiligen im Himmel die
Verehrung zu versagen. Nein, für ihn gab es keine Wahl. Er mußte aus¬
harren, mußte als ein wachsamer Hirt seiner Herde warten, die im Begriffe stand,
die grüne Weide des rechten Glaubens zu verlassen und aus den sichern Hürden
der katholischen Kirche auf die sauern Wiesen der neuen Lehre und auf das Öd¬
land des Unglaubens auszubrechen. Und so entschloß er sich denn, das Pfarramt
zu übernehmen.

Die guten Weinfelder ließen in ihrer Herzensfreude ihre eignen Hütten, mit


Grenzboten II Is04 79
Der Mönch von Weinfelder

Gyllis lächelte. Ach. wenn Ihr wüßtet, sagte er, wie wenig von dem Luther¬
tum in mir geblieben ist!

Viel oder wenig — was tuts! meinte Theis. indem er seinem Pfiffigen
Gesicht den Ausdruck der Überlegenheit zu geben suchte, für uns einfältige Bauern
wirds schon zulangen.

Ihr mögt mir Bedenkzeit geben, sagte Gyllis. so etwas will bedacht sein.

Bedenkzeit, so lange Ihr wollt, erwiderte der Sprecher. Und leiser setzte er
hinzu: Herr, wie haben sich die Zeiten geändert! Wißt Ihr noch, damals als
wir mit den zwölf Artikeln kamen, und Ihr nichts von der Freigabe des Wild¬
banns wissen möchtet, da wollten wir Euch auch Bedenkzeit geben, Ihr aber be¬
gehrtet auf und fragtet, seit wann es zu Weinfelder die Mode wäre, daß die
Hofesleute dem Burgmann, ihrem Herrn, Bedenkzeit stellten? Seht, Herr, so
sagtet Ihr damals, und heute bittet Ihr selbst darum. So haben sich die Zeiten
geändert.

Nicht nur die Zeiten, Theis. Auch die Menschen. Wir sind alle andre
geworden — Ihr und ich. Die Sintflut, die unsre Häuser weggerissen hat, hat
auch unsre Herzen reingewaschen und hat getilgt, was böse darinnen war. Nun
müssen wir zusehen, wie wir sie fürder rein erhalten.

Theis richtete sich so gerade auf, wie er vermochte, und sagte mit einem
Lächeln der Anerkennung:

Das habt Ihr schön in Worte gebracht, Herr. Seht, gefühlt haben wir das
auch schon, aber nun wissen wir doch Bescheid. So etwas müßt Ihr uns, wenn
Ihr erst unser Pastor seid, öfter einmal sagen. Und wenn Ihr auch ein paar
lateinische Bröcklein hineinmengt, so schadet das auch nichts, sondern freut uns,
ob wirs auch nicht verstehn. Denn den Schalkenmehrener ihrer, der predigt wie
ein grober Tölpel und nicht anders, als wie wir selbst beim Dreschen reden.
Wir aber wissen, was sich schickt, und wenn wir einen Pfarrer tiefen, so solls
auch einer sein, mit dem wir Staat machen können. Also überlegts Euch, Herr,
und dann gebt uns Nachricht.

Nun gab es für Gyllis einen schweren innern Kampf. Hätte er seinem
Herzen folgen dürfen, so wäre er so bald wie möglich nach Prüm zurückgekehrt,
das ihm jetzt nach all den bittern Erfahrungen wie ein Hafen des Friedens vor¬
kam. Aber andrerseits konnte er sich auch nicht verhehlen, daß die Ereignisse, die
zum Untergange Weinfeldens geführt hatten, im Grunde genommen nur die Folgen
seines vermessenen Schrittes gewesen waren, und daß ihn der Verlust seiner
Rechte nicht von den Pflichten entband, die er übernommen hatte. Die Rückkehr
ins Kloster, unter andern Umständen lobenswert und die natürlichste Sühne für
sein Vergehn, wäre, wie die Dinge nun einmal lagen, einer feigen Flucht vor
den gebieterischen Forderungen des Lebens gleichgekommen. Und den schwer er-
rungnen Gewinn, das Vertrauen seiner Bauern, durfte er um so weniger fahren
lassen, als gerade jetzt seinen Schützlingen eine neue Gefahr drohte, eine Gefahr
nicht für Leib und Leben, für Habe und Gut, sondern sür das ewige Heil ihrer
unsterblichen Seelen. Der Gedanke, den er selbst in schweren Kämpfen über¬
wunden hatte, arbeitete jetzt in ihren Köpfen; ließ er sie gewähren, so würden sie
rettungslos dem Ketzertum verfallen, dessen Prophet ein andrer Klosterflüchtling
war, der kühne Wittenberger Mönch, der sich zum Staunen aller Welt vermaß,
dem Papst nach der Krone zu greifen und sogar den Heiligen im Himmel die
Verehrung zu versagen. Nein, für ihn gab es keine Wahl. Er mußte aus¬
harren, mußte als ein wachsamer Hirt seiner Herde warten, die im Begriffe stand,
die grüne Weide des rechten Glaubens zu verlassen und aus den sichern Hürden
der katholischen Kirche auf die sauern Wiesen der neuen Lehre und auf das Öd¬
land des Unglaubens auszubrechen. Und so entschloß er sich denn, das Pfarramt
zu übernehmen.

Die guten Weinfelder ließen in ihrer Herzensfreude ihre eignen Hütten, mit


Grenzboten II Is04 79
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[0601] Der Mönch von Weinfelder Gyllis lächelte. Ach. wenn Ihr wüßtet, sagte er, wie wenig von dem Luther¬ tum in mir geblieben ist! Viel oder wenig — was tuts! meinte Theis. indem er seinem Pfiffigen Gesicht den Ausdruck der Überlegenheit zu geben suchte, für uns einfältige Bauern wirds schon zulangen. Ihr mögt mir Bedenkzeit geben, sagte Gyllis. so etwas will bedacht sein. Bedenkzeit, so lange Ihr wollt, erwiderte der Sprecher. Und leiser setzte er hinzu: Herr, wie haben sich die Zeiten geändert! Wißt Ihr noch, damals als wir mit den zwölf Artikeln kamen, und Ihr nichts von der Freigabe des Wild¬ banns wissen möchtet, da wollten wir Euch auch Bedenkzeit geben, Ihr aber be¬ gehrtet auf und fragtet, seit wann es zu Weinfelder die Mode wäre, daß die Hofesleute dem Burgmann, ihrem Herrn, Bedenkzeit stellten? Seht, Herr, so sagtet Ihr damals, und heute bittet Ihr selbst darum. So haben sich die Zeiten geändert. Nicht nur die Zeiten, Theis. Auch die Menschen. Wir sind alle andre geworden — Ihr und ich. Die Sintflut, die unsre Häuser weggerissen hat, hat auch unsre Herzen reingewaschen und hat getilgt, was böse darinnen war. Nun müssen wir zusehen, wie wir sie fürder rein erhalten. Theis richtete sich so gerade auf, wie er vermochte, und sagte mit einem Lächeln der Anerkennung: Das habt Ihr schön in Worte gebracht, Herr. Seht, gefühlt haben wir das auch schon, aber nun wissen wir doch Bescheid. So etwas müßt Ihr uns, wenn Ihr erst unser Pastor seid, öfter einmal sagen. Und wenn Ihr auch ein paar lateinische Bröcklein hineinmengt, so schadet das auch nichts, sondern freut uns, ob wirs auch nicht verstehn. Denn den Schalkenmehrener ihrer, der predigt wie ein grober Tölpel und nicht anders, als wie wir selbst beim Dreschen reden. Wir aber wissen, was sich schickt, und wenn wir einen Pfarrer tiefen, so solls auch einer sein, mit dem wir Staat machen können. Also überlegts Euch, Herr, und dann gebt uns Nachricht. Nun gab es für Gyllis einen schweren innern Kampf. Hätte er seinem Herzen folgen dürfen, so wäre er so bald wie möglich nach Prüm zurückgekehrt, das ihm jetzt nach all den bittern Erfahrungen wie ein Hafen des Friedens vor¬ kam. Aber andrerseits konnte er sich auch nicht verhehlen, daß die Ereignisse, die zum Untergange Weinfeldens geführt hatten, im Grunde genommen nur die Folgen seines vermessenen Schrittes gewesen waren, und daß ihn der Verlust seiner Rechte nicht von den Pflichten entband, die er übernommen hatte. Die Rückkehr ins Kloster, unter andern Umständen lobenswert und die natürlichste Sühne für sein Vergehn, wäre, wie die Dinge nun einmal lagen, einer feigen Flucht vor den gebieterischen Forderungen des Lebens gleichgekommen. Und den schwer er- rungnen Gewinn, das Vertrauen seiner Bauern, durfte er um so weniger fahren lassen, als gerade jetzt seinen Schützlingen eine neue Gefahr drohte, eine Gefahr nicht für Leib und Leben, für Habe und Gut, sondern sür das ewige Heil ihrer unsterblichen Seelen. Der Gedanke, den er selbst in schweren Kämpfen über¬ wunden hatte, arbeitete jetzt in ihren Köpfen; ließ er sie gewähren, so würden sie rettungslos dem Ketzertum verfallen, dessen Prophet ein andrer Klosterflüchtling war, der kühne Wittenberger Mönch, der sich zum Staunen aller Welt vermaß, dem Papst nach der Krone zu greifen und sogar den Heiligen im Himmel die Verehrung zu versagen. Nein, für ihn gab es keine Wahl. Er mußte aus¬ harren, mußte als ein wachsamer Hirt seiner Herde warten, die im Begriffe stand, die grüne Weide des rechten Glaubens zu verlassen und aus den sichern Hürden der katholischen Kirche auf die sauern Wiesen der neuen Lehre und auf das Öd¬ land des Unglaubens auszubrechen. Und so entschloß er sich denn, das Pfarramt zu übernehmen. Die guten Weinfelder ließen in ihrer Herzensfreude ihre eignen Hütten, mit Grenzboten II Is04 79

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/601>, abgerufen am 04.07.2024.