Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Insel Cypern und d!e englische Herrschaft

wer bezahlt denn schließlich auch alle Zölle? Doch wieder nur die Cyprioten;
denn wenn man den Zolltarif im Handbook Seite 39 nachschlägt, so findet
man, daß fast alles, was zum Bedarfs der wenigen Engländer ans der Insel
dient, zollfrei ist.

Es wäre also nur recht und billig, wenn wenigstens dieser Überschuß zum
Vorteile des Landes selbst verwandt würde und nicht unter dem Namen des
Tributs in die Taschen englischer Bankiers wanderte; denn die Türkei sieht
keinen Pfennig davon, weil England damit die Zinsen deckt für eine türkische
Neichscmleihe vom Jahre 1855, für die England und Frankreich garantiert
haben.

Daß diese Berechnungen wirklich alle stimmen, wiewohl England niemals
einen genauen Nachweis über die Aufstellung des Tributs herausgegeben hat, und
als einziges Mittel zur Aufklärung das oben genannte Pärlamentspapier von 1880
unter dem Namen: I'g^insrcks to ?orde trow tue Rsvennes ok L^xrus
dient, und daß auch auf der englischen Seite kein Fehlernachweis unternommen
werden kann, zeigen einmal die im Handbook und in den Reports der eng¬
lischen Regierung bekannt gemachten Tabellen, dann aber besonders der Um¬
stand, daß als im Jahre 1901 Herr Chaccilli im I/S^islativs (üormeil in längerer
Rede diesen Punkt wieder ausführlich behandelte und hier den LKisl' Lsorewr^
öffentlich bat, zu erklären, ob diese Angaben stimmen, und wenn nicht, sie zu
berichtigen, der Vdisk Lsoretar^ die Richtigkeit durchaus nicht in Abrede stellte.
Das Parlament in London bewilligt wohl von Fall zu Fall einen Zuschuß
zu diesem Tribute, weil es trotz aller Steuerschrauben manchmal doch nicht
möglich ist, die ganze große Summe aus der Arbeit und dem Schweiße der
Cyprioten aufzubringen; öfters wird aber auch nichts bewilligt, wie in den
Jahren 1892 bis 1894, und auch dieses Geld kommt nur den oben genannten
Bankiers für die türkische Anleihe zugute; denn England versucht jährlich
9000 Pfund Sterling an die Türkei zu zahlen, diese weist es aber zurück,
da sie die ganzen 92000 Pfund Sterling verlangt, und so bleibt alles in eng¬
lischen Händen.

Daß aber diese drückende und die Wohlfahrt des Landes völlig unter¬
grabende Bestimmung ungerecht sei und aufgehoben werden müsse, ist auch in
England selbst sowohl im Parlament als in Zeitungen des öftern betont und
besprochen worden. Mr. Leighton sagte 1893 im Unterhause: Die Cyprioten
haben Recht, sich zu beklagen, und sie müssen von dieser unerträglichen Last be¬
freit werden. Auf Treu und Ehre, der Tribut ist eine englische Angelegenheit
und muß von England getragen werden. Mr. Pierpont und Sir Albert Rollit
haben zu wiederholten malen die Rechte Cyperns im Unterhause verteidigt.
Der frühere HiZd. Vonunissioner Sir Henry Bulwer (1886 bis 1892) schrieb
1895, daß jedes Defizit in Cypern nur von dem Tribut herstamme, und er
nicht in die Lage gesetzt worden sei, das für die Insel zu tun, was hätte ge¬
schehn müssen. Ähnlich sprach sich sein Nachfolger Sir Walter Scutati aus,
und sogar der Kolonialsekretär Chamberlcnn sah sich einmal genötigt, im
Unterhause zu erklären: Ich gestehe aufrichtig, daß wir nicht alles getan haben,
was wir hätten tun können und tun müssen. Lord Vrassey schrieb über Cypern


Die Insel Cypern und d!e englische Herrschaft

wer bezahlt denn schließlich auch alle Zölle? Doch wieder nur die Cyprioten;
denn wenn man den Zolltarif im Handbook Seite 39 nachschlägt, so findet
man, daß fast alles, was zum Bedarfs der wenigen Engländer ans der Insel
dient, zollfrei ist.

Es wäre also nur recht und billig, wenn wenigstens dieser Überschuß zum
Vorteile des Landes selbst verwandt würde und nicht unter dem Namen des
Tributs in die Taschen englischer Bankiers wanderte; denn die Türkei sieht
keinen Pfennig davon, weil England damit die Zinsen deckt für eine türkische
Neichscmleihe vom Jahre 1855, für die England und Frankreich garantiert
haben.

Daß diese Berechnungen wirklich alle stimmen, wiewohl England niemals
einen genauen Nachweis über die Aufstellung des Tributs herausgegeben hat, und
als einziges Mittel zur Aufklärung das oben genannte Pärlamentspapier von 1880
unter dem Namen: I'g^insrcks to ?orde trow tue Rsvennes ok L^xrus
dient, und daß auch auf der englischen Seite kein Fehlernachweis unternommen
werden kann, zeigen einmal die im Handbook und in den Reports der eng¬
lischen Regierung bekannt gemachten Tabellen, dann aber besonders der Um¬
stand, daß als im Jahre 1901 Herr Chaccilli im I/S^islativs (üormeil in längerer
Rede diesen Punkt wieder ausführlich behandelte und hier den LKisl' Lsorewr^
öffentlich bat, zu erklären, ob diese Angaben stimmen, und wenn nicht, sie zu
berichtigen, der Vdisk Lsoretar^ die Richtigkeit durchaus nicht in Abrede stellte.
Das Parlament in London bewilligt wohl von Fall zu Fall einen Zuschuß
zu diesem Tribute, weil es trotz aller Steuerschrauben manchmal doch nicht
möglich ist, die ganze große Summe aus der Arbeit und dem Schweiße der
Cyprioten aufzubringen; öfters wird aber auch nichts bewilligt, wie in den
Jahren 1892 bis 1894, und auch dieses Geld kommt nur den oben genannten
Bankiers für die türkische Anleihe zugute; denn England versucht jährlich
9000 Pfund Sterling an die Türkei zu zahlen, diese weist es aber zurück,
da sie die ganzen 92000 Pfund Sterling verlangt, und so bleibt alles in eng¬
lischen Händen.

Daß aber diese drückende und die Wohlfahrt des Landes völlig unter¬
grabende Bestimmung ungerecht sei und aufgehoben werden müsse, ist auch in
England selbst sowohl im Parlament als in Zeitungen des öftern betont und
besprochen worden. Mr. Leighton sagte 1893 im Unterhause: Die Cyprioten
haben Recht, sich zu beklagen, und sie müssen von dieser unerträglichen Last be¬
freit werden. Auf Treu und Ehre, der Tribut ist eine englische Angelegenheit
und muß von England getragen werden. Mr. Pierpont und Sir Albert Rollit
haben zu wiederholten malen die Rechte Cyperns im Unterhause verteidigt.
Der frühere HiZd. Vonunissioner Sir Henry Bulwer (1886 bis 1892) schrieb
1895, daß jedes Defizit in Cypern nur von dem Tribut herstamme, und er
nicht in die Lage gesetzt worden sei, das für die Insel zu tun, was hätte ge¬
schehn müssen. Ähnlich sprach sich sein Nachfolger Sir Walter Scutati aus,
und sogar der Kolonialsekretär Chamberlcnn sah sich einmal genötigt, im
Unterhause zu erklären: Ich gestehe aufrichtig, daß wir nicht alles getan haben,
was wir hätten tun können und tun müssen. Lord Vrassey schrieb über Cypern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0592" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294211"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Insel Cypern und d!e englische Herrschaft</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2623" prev="#ID_2622"> wer bezahlt denn schließlich auch alle Zölle? Doch wieder nur die Cyprioten;<lb/>
denn wenn man den Zolltarif im Handbook Seite 39 nachschlägt, so findet<lb/>
man, daß fast alles, was zum Bedarfs der wenigen Engländer ans der Insel<lb/>
dient, zollfrei ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2624"> Es wäre also nur recht und billig, wenn wenigstens dieser Überschuß zum<lb/>
Vorteile des Landes selbst verwandt würde und nicht unter dem Namen des<lb/>
Tributs in die Taschen englischer Bankiers wanderte; denn die Türkei sieht<lb/>
keinen Pfennig davon, weil England damit die Zinsen deckt für eine türkische<lb/>
Neichscmleihe vom Jahre 1855, für die England und Frankreich garantiert<lb/>
haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2625"> Daß diese Berechnungen wirklich alle stimmen, wiewohl England niemals<lb/>
einen genauen Nachweis über die Aufstellung des Tributs herausgegeben hat, und<lb/>
als einziges Mittel zur Aufklärung das oben genannte Pärlamentspapier von 1880<lb/>
unter dem Namen: I'g^insrcks to ?orde trow tue Rsvennes ok L^xrus<lb/>
dient, und daß auch auf der englischen Seite kein Fehlernachweis unternommen<lb/>
werden kann, zeigen einmal die im Handbook und in den Reports der eng¬<lb/>
lischen Regierung bekannt gemachten Tabellen, dann aber besonders der Um¬<lb/>
stand, daß als im Jahre 1901 Herr Chaccilli im I/S^islativs (üormeil in längerer<lb/>
Rede diesen Punkt wieder ausführlich behandelte und hier den LKisl' Lsorewr^<lb/>
öffentlich bat, zu erklären, ob diese Angaben stimmen, und wenn nicht, sie zu<lb/>
berichtigen, der Vdisk Lsoretar^ die Richtigkeit durchaus nicht in Abrede stellte.<lb/>
Das Parlament in London bewilligt wohl von Fall zu Fall einen Zuschuß<lb/>
zu diesem Tribute, weil es trotz aller Steuerschrauben manchmal doch nicht<lb/>
möglich ist, die ganze große Summe aus der Arbeit und dem Schweiße der<lb/>
Cyprioten aufzubringen; öfters wird aber auch nichts bewilligt, wie in den<lb/>
Jahren 1892 bis 1894, und auch dieses Geld kommt nur den oben genannten<lb/>
Bankiers für die türkische Anleihe zugute; denn England versucht jährlich<lb/>
9000 Pfund Sterling an die Türkei zu zahlen, diese weist es aber zurück,<lb/>
da sie die ganzen 92000 Pfund Sterling verlangt, und so bleibt alles in eng¬<lb/>
lischen Händen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2626" next="#ID_2627"> Daß aber diese drückende und die Wohlfahrt des Landes völlig unter¬<lb/>
grabende Bestimmung ungerecht sei und aufgehoben werden müsse, ist auch in<lb/>
England selbst sowohl im Parlament als in Zeitungen des öftern betont und<lb/>
besprochen worden. Mr. Leighton sagte 1893 im Unterhause: Die Cyprioten<lb/>
haben Recht, sich zu beklagen, und sie müssen von dieser unerträglichen Last be¬<lb/>
freit werden. Auf Treu und Ehre, der Tribut ist eine englische Angelegenheit<lb/>
und muß von England getragen werden. Mr. Pierpont und Sir Albert Rollit<lb/>
haben zu wiederholten malen die Rechte Cyperns im Unterhause verteidigt.<lb/>
Der frühere HiZd. Vonunissioner Sir Henry Bulwer (1886 bis 1892) schrieb<lb/>
1895, daß jedes Defizit in Cypern nur von dem Tribut herstamme, und er<lb/>
nicht in die Lage gesetzt worden sei, das für die Insel zu tun, was hätte ge¬<lb/>
schehn müssen. Ähnlich sprach sich sein Nachfolger Sir Walter Scutati aus,<lb/>
und sogar der Kolonialsekretär Chamberlcnn sah sich einmal genötigt, im<lb/>
Unterhause zu erklären: Ich gestehe aufrichtig, daß wir nicht alles getan haben,<lb/>
was wir hätten tun können und tun müssen. Lord Vrassey schrieb über Cypern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0592] Die Insel Cypern und d!e englische Herrschaft wer bezahlt denn schließlich auch alle Zölle? Doch wieder nur die Cyprioten; denn wenn man den Zolltarif im Handbook Seite 39 nachschlägt, so findet man, daß fast alles, was zum Bedarfs der wenigen Engländer ans der Insel dient, zollfrei ist. Es wäre also nur recht und billig, wenn wenigstens dieser Überschuß zum Vorteile des Landes selbst verwandt würde und nicht unter dem Namen des Tributs in die Taschen englischer Bankiers wanderte; denn die Türkei sieht keinen Pfennig davon, weil England damit die Zinsen deckt für eine türkische Neichscmleihe vom Jahre 1855, für die England und Frankreich garantiert haben. Daß diese Berechnungen wirklich alle stimmen, wiewohl England niemals einen genauen Nachweis über die Aufstellung des Tributs herausgegeben hat, und als einziges Mittel zur Aufklärung das oben genannte Pärlamentspapier von 1880 unter dem Namen: I'g^insrcks to ?orde trow tue Rsvennes ok L^xrus dient, und daß auch auf der englischen Seite kein Fehlernachweis unternommen werden kann, zeigen einmal die im Handbook und in den Reports der eng¬ lischen Regierung bekannt gemachten Tabellen, dann aber besonders der Um¬ stand, daß als im Jahre 1901 Herr Chaccilli im I/S^islativs (üormeil in längerer Rede diesen Punkt wieder ausführlich behandelte und hier den LKisl' Lsorewr^ öffentlich bat, zu erklären, ob diese Angaben stimmen, und wenn nicht, sie zu berichtigen, der Vdisk Lsoretar^ die Richtigkeit durchaus nicht in Abrede stellte. Das Parlament in London bewilligt wohl von Fall zu Fall einen Zuschuß zu diesem Tribute, weil es trotz aller Steuerschrauben manchmal doch nicht möglich ist, die ganze große Summe aus der Arbeit und dem Schweiße der Cyprioten aufzubringen; öfters wird aber auch nichts bewilligt, wie in den Jahren 1892 bis 1894, und auch dieses Geld kommt nur den oben genannten Bankiers für die türkische Anleihe zugute; denn England versucht jährlich 9000 Pfund Sterling an die Türkei zu zahlen, diese weist es aber zurück, da sie die ganzen 92000 Pfund Sterling verlangt, und so bleibt alles in eng¬ lischen Händen. Daß aber diese drückende und die Wohlfahrt des Landes völlig unter¬ grabende Bestimmung ungerecht sei und aufgehoben werden müsse, ist auch in England selbst sowohl im Parlament als in Zeitungen des öftern betont und besprochen worden. Mr. Leighton sagte 1893 im Unterhause: Die Cyprioten haben Recht, sich zu beklagen, und sie müssen von dieser unerträglichen Last be¬ freit werden. Auf Treu und Ehre, der Tribut ist eine englische Angelegenheit und muß von England getragen werden. Mr. Pierpont und Sir Albert Rollit haben zu wiederholten malen die Rechte Cyperns im Unterhause verteidigt. Der frühere HiZd. Vonunissioner Sir Henry Bulwer (1886 bis 1892) schrieb 1895, daß jedes Defizit in Cypern nur von dem Tribut herstamme, und er nicht in die Lage gesetzt worden sei, das für die Insel zu tun, was hätte ge¬ schehn müssen. Ähnlich sprach sich sein Nachfolger Sir Walter Scutati aus, und sogar der Kolonialsekretär Chamberlcnn sah sich einmal genötigt, im Unterhause zu erklären: Ich gestehe aufrichtig, daß wir nicht alles getan haben, was wir hätten tun können und tun müssen. Lord Vrassey schrieb über Cypern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/592
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/592>, abgerufen am 06.07.2024.