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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Westfälische Geschichten

streuen durch Worte und Flugblätter, die er verteilen ließ, schöne Versprechungen
"lachen, werben unter der Landbevölkerung für die Genossenschaft, das war neben
dem "möglichst gut und fidel leben" seines Lebens Zweck. Die Sozialistenver¬
sammlung wurde polizeilich aufgehoben, und seit der Zeit war die Goldne Krone
den Soldaten verboten. Eine besondre Freude schien es für den Clemens Lie zu
sein, alles auszuforschen, was im Hause des Clermontwirts geschah, es möglichst
gehässig und entstellt in der Krone zu erzählen, das Feuer zu schüren, das in
helllichtem Flammen brannte, je mehr der Hera einzusehen begann, daß es doch
für ihn nicht so ganz leicht sein werde, den Jochen aus dem Sattel zu heben, die
Goldgrube an sich zu reißen. Ein Prachtjunge, der Clermonts Franz. Hat einen
Kopf: Wenn er studieren wollte, sagt der Lehrer, Minister könnte er werden.
Aber studieren will er nicht, weil sein Onkel, der Kronenwirt, so gut studiert hat.
Darauf kam der gute Freund mit Vorliebe immer zurück, weil es das war, was
den Hera am meisten ärgern mußte. Des Kronenwirth kleines Mädchen, die
Rieka, saß dabei mit weitgeöffneten Augen und Ohren. Sie hatte es bald heraus¬
gebracht, womit sie von den Eltern erlangen könne, was sie wolle: Heut hab ich das
Heat losgemacht an des Clermontwirts Weide. Die Kühe sind heraufgelaufen in das
Roggenfeld des Scmdkötters, haben alles zertreten. Der Scmdkötter hat ein Spek¬
takel gemacht. Ans Gericht geht er, der Clermontwirt muß bezahlen. Brav,
Rieka, bekommst das rote Kleid. Mach nur so weiter, daß du bald den weißen
Hut dazu kriegst.

Wenn die mal erwachsen ist, die schwarze Rieka, die tuts ihrer Mutter zuvor,
sagten die Leute. Ja, es war merkwürdig anzusehen, wie die Kleine alles nach¬
machte, was sie von der Mutter sah, wie ihr das Wort zum Mund stand, wie
sie die Angen auf- und niederschlagen konnte, wenn sie die Gäste bediente. Sie
war in der Schenkstube zuhause.

Die Krouenwirtin, die schwarze Lotte, war Zahlkellnerin gewesen im Franzis¬
kaner, der beliebtesten Studeutenkneipe der Universitätsstadt. Alle Studenten waren
mehr oder weniger verliebt in die Lotte. Wenn sie in ihrem knappanliegenden
schwarzen Kleid, die Geldtasche an der Seite, die weiße Schürze umgebunden, an
die Tische trat, das Geld einzufordern, dann hatte sie doppelt einzuheimsen an
schönen Blicken und Worten. Sie diente jedem. Jeder der anwesenden Gäste
schien ihr der liebste zu sein. Die Trinkgelder strömten ihr zu. Sie war viel
zu klug, als daß sie sich in eine Liebelei, in ein Verhältnis eingelassen hätte. Sie
Wollte geheiratet werden von eineni, der Geld hatte. Der Hera hatte sich in
sie verliebt, wie alle die andern, und dn er vom Hanse her den Beutel immer
gefüllt hatte, so stand er obenan bei ihr. Sie ließ sich beschenken, einladen im
Sommer zu Landpartien, im Winter zu Tänzereicn. Sie hielt ihn sich warm,
den ewigen Studenten, der nicht wie die andern nach wenig Semestern wieder
bon dünnen ging. Daß er nie ein Examen machen werde, das wußte sie ganz
genau. Mit deu jungen Füchsen lachte sie über den alten Studenten: Heiraten
tat er mich ans der Stelle. Frau Student, das könnte mir passen. Ich Halts
mit der Jugend. Es lebe das erste Semester! Als der Hera die Erbschaft machte,
fing sie an, ihn mit andern Augen anzusehen. Fran Rentier, der Titel gefiel ihr
schon besser. Die schwarze Lotte aber paßte gerade in den Plan, den der Hera
geschmiedet hatte, dem Jochen das Leben zu vergällen: eine zweite Wirtschaft
wollte er gründen in seinem Heimatdorf, die schwarze Lotte sollte als Wirtin hinein.
Die schwarze Lotte sagte "ja," als er ihr seinen Antrag machte. Dann aber meinte
sie: Das Wirtshaus auf dem Dorf läuft uns nicht weg. Gour deinem Bruder
die paar guten Jahre, dann fühlt ers doppelt, Wenns ihm nachher an die Kehle
geht. Du bist reich. Laß uns erst ein bißchen das Leben genießen. Man lebt
nur einmal. Deinen Haß und deine Rache hast du immer noch. Hernach sollst
du sehen, wie die schwarze Lotte deu Bnnern die Köpfe verrückt n"d dir hilft
deinen Bruder Mores lehren.


Grenzboten II 1904 7
Westfälische Geschichten

streuen durch Worte und Flugblätter, die er verteilen ließ, schöne Versprechungen
"lachen, werben unter der Landbevölkerung für die Genossenschaft, das war neben
dem „möglichst gut und fidel leben" seines Lebens Zweck. Die Sozialistenver¬
sammlung wurde polizeilich aufgehoben, und seit der Zeit war die Goldne Krone
den Soldaten verboten. Eine besondre Freude schien es für den Clemens Lie zu
sein, alles auszuforschen, was im Hause des Clermontwirts geschah, es möglichst
gehässig und entstellt in der Krone zu erzählen, das Feuer zu schüren, das in
helllichtem Flammen brannte, je mehr der Hera einzusehen begann, daß es doch
für ihn nicht so ganz leicht sein werde, den Jochen aus dem Sattel zu heben, die
Goldgrube an sich zu reißen. Ein Prachtjunge, der Clermonts Franz. Hat einen
Kopf: Wenn er studieren wollte, sagt der Lehrer, Minister könnte er werden.
Aber studieren will er nicht, weil sein Onkel, der Kronenwirt, so gut studiert hat.
Darauf kam der gute Freund mit Vorliebe immer zurück, weil es das war, was
den Hera am meisten ärgern mußte. Des Kronenwirth kleines Mädchen, die
Rieka, saß dabei mit weitgeöffneten Augen und Ohren. Sie hatte es bald heraus¬
gebracht, womit sie von den Eltern erlangen könne, was sie wolle: Heut hab ich das
Heat losgemacht an des Clermontwirts Weide. Die Kühe sind heraufgelaufen in das
Roggenfeld des Scmdkötters, haben alles zertreten. Der Scmdkötter hat ein Spek¬
takel gemacht. Ans Gericht geht er, der Clermontwirt muß bezahlen. Brav,
Rieka, bekommst das rote Kleid. Mach nur so weiter, daß du bald den weißen
Hut dazu kriegst.

Wenn die mal erwachsen ist, die schwarze Rieka, die tuts ihrer Mutter zuvor,
sagten die Leute. Ja, es war merkwürdig anzusehen, wie die Kleine alles nach¬
machte, was sie von der Mutter sah, wie ihr das Wort zum Mund stand, wie
sie die Angen auf- und niederschlagen konnte, wenn sie die Gäste bediente. Sie
war in der Schenkstube zuhause.

Die Krouenwirtin, die schwarze Lotte, war Zahlkellnerin gewesen im Franzis¬
kaner, der beliebtesten Studeutenkneipe der Universitätsstadt. Alle Studenten waren
mehr oder weniger verliebt in die Lotte. Wenn sie in ihrem knappanliegenden
schwarzen Kleid, die Geldtasche an der Seite, die weiße Schürze umgebunden, an
die Tische trat, das Geld einzufordern, dann hatte sie doppelt einzuheimsen an
schönen Blicken und Worten. Sie diente jedem. Jeder der anwesenden Gäste
schien ihr der liebste zu sein. Die Trinkgelder strömten ihr zu. Sie war viel
zu klug, als daß sie sich in eine Liebelei, in ein Verhältnis eingelassen hätte. Sie
Wollte geheiratet werden von eineni, der Geld hatte. Der Hera hatte sich in
sie verliebt, wie alle die andern, und dn er vom Hanse her den Beutel immer
gefüllt hatte, so stand er obenan bei ihr. Sie ließ sich beschenken, einladen im
Sommer zu Landpartien, im Winter zu Tänzereicn. Sie hielt ihn sich warm,
den ewigen Studenten, der nicht wie die andern nach wenig Semestern wieder
bon dünnen ging. Daß er nie ein Examen machen werde, das wußte sie ganz
genau. Mit deu jungen Füchsen lachte sie über den alten Studenten: Heiraten
tat er mich ans der Stelle. Frau Student, das könnte mir passen. Ich Halts
mit der Jugend. Es lebe das erste Semester! Als der Hera die Erbschaft machte,
fing sie an, ihn mit andern Augen anzusehen. Fran Rentier, der Titel gefiel ihr
schon besser. Die schwarze Lotte aber paßte gerade in den Plan, den der Hera
geschmiedet hatte, dem Jochen das Leben zu vergällen: eine zweite Wirtschaft
wollte er gründen in seinem Heimatdorf, die schwarze Lotte sollte als Wirtin hinein.
Die schwarze Lotte sagte „ja," als er ihr seinen Antrag machte. Dann aber meinte
sie: Das Wirtshaus auf dem Dorf läuft uns nicht weg. Gour deinem Bruder
die paar guten Jahre, dann fühlt ers doppelt, Wenns ihm nachher an die Kehle
geht. Du bist reich. Laß uns erst ein bißchen das Leben genießen. Man lebt
nur einmal. Deinen Haß und deine Rache hast du immer noch. Hernach sollst
du sehen, wie die schwarze Lotte deu Bnnern die Köpfe verrückt n»d dir hilft
deinen Bruder Mores lehren.


Grenzboten II 1904 7
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[0057] Westfälische Geschichten streuen durch Worte und Flugblätter, die er verteilen ließ, schöne Versprechungen "lachen, werben unter der Landbevölkerung für die Genossenschaft, das war neben dem „möglichst gut und fidel leben" seines Lebens Zweck. Die Sozialistenver¬ sammlung wurde polizeilich aufgehoben, und seit der Zeit war die Goldne Krone den Soldaten verboten. Eine besondre Freude schien es für den Clemens Lie zu sein, alles auszuforschen, was im Hause des Clermontwirts geschah, es möglichst gehässig und entstellt in der Krone zu erzählen, das Feuer zu schüren, das in helllichtem Flammen brannte, je mehr der Hera einzusehen begann, daß es doch für ihn nicht so ganz leicht sein werde, den Jochen aus dem Sattel zu heben, die Goldgrube an sich zu reißen. Ein Prachtjunge, der Clermonts Franz. Hat einen Kopf: Wenn er studieren wollte, sagt der Lehrer, Minister könnte er werden. Aber studieren will er nicht, weil sein Onkel, der Kronenwirt, so gut studiert hat. Darauf kam der gute Freund mit Vorliebe immer zurück, weil es das war, was den Hera am meisten ärgern mußte. Des Kronenwirth kleines Mädchen, die Rieka, saß dabei mit weitgeöffneten Augen und Ohren. Sie hatte es bald heraus¬ gebracht, womit sie von den Eltern erlangen könne, was sie wolle: Heut hab ich das Heat losgemacht an des Clermontwirts Weide. Die Kühe sind heraufgelaufen in das Roggenfeld des Scmdkötters, haben alles zertreten. Der Scmdkötter hat ein Spek¬ takel gemacht. Ans Gericht geht er, der Clermontwirt muß bezahlen. Brav, Rieka, bekommst das rote Kleid. Mach nur so weiter, daß du bald den weißen Hut dazu kriegst. Wenn die mal erwachsen ist, die schwarze Rieka, die tuts ihrer Mutter zuvor, sagten die Leute. Ja, es war merkwürdig anzusehen, wie die Kleine alles nach¬ machte, was sie von der Mutter sah, wie ihr das Wort zum Mund stand, wie sie die Angen auf- und niederschlagen konnte, wenn sie die Gäste bediente. Sie war in der Schenkstube zuhause. Die Krouenwirtin, die schwarze Lotte, war Zahlkellnerin gewesen im Franzis¬ kaner, der beliebtesten Studeutenkneipe der Universitätsstadt. Alle Studenten waren mehr oder weniger verliebt in die Lotte. Wenn sie in ihrem knappanliegenden schwarzen Kleid, die Geldtasche an der Seite, die weiße Schürze umgebunden, an die Tische trat, das Geld einzufordern, dann hatte sie doppelt einzuheimsen an schönen Blicken und Worten. Sie diente jedem. Jeder der anwesenden Gäste schien ihr der liebste zu sein. Die Trinkgelder strömten ihr zu. Sie war viel zu klug, als daß sie sich in eine Liebelei, in ein Verhältnis eingelassen hätte. Sie Wollte geheiratet werden von eineni, der Geld hatte. Der Hera hatte sich in sie verliebt, wie alle die andern, und dn er vom Hanse her den Beutel immer gefüllt hatte, so stand er obenan bei ihr. Sie ließ sich beschenken, einladen im Sommer zu Landpartien, im Winter zu Tänzereicn. Sie hielt ihn sich warm, den ewigen Studenten, der nicht wie die andern nach wenig Semestern wieder bon dünnen ging. Daß er nie ein Examen machen werde, das wußte sie ganz genau. Mit deu jungen Füchsen lachte sie über den alten Studenten: Heiraten tat er mich ans der Stelle. Frau Student, das könnte mir passen. Ich Halts mit der Jugend. Es lebe das erste Semester! Als der Hera die Erbschaft machte, fing sie an, ihn mit andern Augen anzusehen. Fran Rentier, der Titel gefiel ihr schon besser. Die schwarze Lotte aber paßte gerade in den Plan, den der Hera geschmiedet hatte, dem Jochen das Leben zu vergällen: eine zweite Wirtschaft wollte er gründen in seinem Heimatdorf, die schwarze Lotte sollte als Wirtin hinein. Die schwarze Lotte sagte „ja," als er ihr seinen Antrag machte. Dann aber meinte sie: Das Wirtshaus auf dem Dorf läuft uns nicht weg. Gour deinem Bruder die paar guten Jahre, dann fühlt ers doppelt, Wenns ihm nachher an die Kehle geht. Du bist reich. Laß uns erst ein bißchen das Leben genießen. Man lebt nur einmal. Deinen Haß und deine Rache hast du immer noch. Hernach sollst du sehen, wie die schwarze Lotte deu Bnnern die Köpfe verrückt n»d dir hilft deinen Bruder Mores lehren. Grenzboten II 1904 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/57>, abgerufen am 30.06.2024.