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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Der Mönch von Weinfelder

mitten durch das Rauschen ließen sich menschliche Stimmen vernehmen, erst ge¬
dämpft, dann lauter und immer lauter anwachsend. Gestalten eilten vom Burg¬
hause her durch den Vongert und durch Theis Kneph Garten zum Kirchwege hin.
Gerade als das Dachgestühl des Turms zusammenbrach, als aus dem riesigen
Kamin eine Garbe von Funken emporstieg und wie ein Feuerregen auf den Kirchhof
niederfiel, langten die ersten der Bauern oben bei der Kirche an. So eifrig sie
sich bei dem Zerstörungswerke gezeigt hatten, so bereitwillig waren sie, den Brand
zu löschen, der das Heiligtum des Dorfes und die Wohnstätte ihrer Heiligen be¬
drohte. Deshalb brachten sie auch ihr Handwerkszeug mit; dieselben Hacken,
Stemmeisen und Stangen, die das kühle Element entfesselt hatten, sollten nun das
heiße bändigen.

Wirich Kessel war der erste, der den Kirchhof betrat. Als er den Burg¬
herrn auf der Mauer stehn sah, prallte er zurück und bekreuzte sich. Dann wandte
er sich zu dem ihm folgenden Peter Seger um und rief:

Ist alles umsonst gewesen! Wir gedachten den Fuchs in seinem Bau zu er¬
säufen, aber der Bau war leer. Da steht der Mönch!

Er hat das Feuer angelegt, der lutherische Ketzer hat unsre lieben Heiligen
verbrennen wollen! schrie einer aus der nachdrängenden Schar. Werft ihn in den
Turm! Ist er dem Wasser entronnen, so soll er ins Feuer.

Ja, ins Feuer mit ihm! Sperrt ihn in die Kirche! Dort kann ihm der
Teufel nicht beistehn! riefen andre.

Jetzt schien Herr Gyllis aus seiner Erstarrung zu erwachen. Er wandte den
Blick von dem dem Untergange geweihten Burghause ab und ließ ihn über die
vielköpfige Versammlung hinschweifen. Sein Antlitz, das von den Flammen voll
beleuchtet wurde, schien auch von einem innern Glänze verklärt zu werden. Er löste
sein Schwert vom Gürtel, zog es aus der Scheide und stemmte die Spitze mit aller
Kraft auf die Mauer, sodaß die Klinge zerbrach. Dann stieß er die Stücke mit
dem Fuße hinab. Wie er jetzt dastand in seiner zerrissenen Kutte, entblößten
Hauptes, ohne Waffe und Wehr, glich er einem Propheten oder einem Apostel.
Den Bauern entging trotz ihrer Erregung die Veränderung nicht, die mit ihm
vorgegangen war. Sie wagten nicht, sich an ihm zu vergreifen, obgleich der Ruf:
Sperrt ihn in die Kirche! nicht verstummte.

Er erhob seine Hand, um anzudeuten, daß er reden wollte. Und die Leute,
die des Gehorchens noch nicht gänzlich entwöhnt waren, schwiegen.

Tut mit mir, was euch gut dünkt, begann er. Aber zuvor hört mich an!
Fürchtet nicht, daß ich euch entrinnen möchte, denn sehet, ich habe mich in eure
Gewalt gegeben und mein Schwert ist abgetan und zerbrochen. Sorget euch auch
nicht des Feuers halber. Es wird die Kirche verschonen, denn die Luft ist still,
und es geht kein Wind, also daß die Flammen nimmermehr vom Turm auf das
Dach hinüberspringen werden. Was aber am Turme von Holzwerk ist, das mag
getrost verbrennen denn ihr mögt es leichtlich wieder aufrichten. Daß ich euch
aber hierher gerufen habe mit dem Zeichen des Feuers und mit der Zunge der
Glocke, das ist aus keiner andern Ursache geschehen, als weil euch Gott in seiner
unendlichen Barmherzigkeit durch mich erretten will. O ihr Toren und Sunder
allzumal! Euer Frevel schreit zum Himmel, und das Maß eurer Bosheit ist voll.
Ihr habt den Ort. da ihr wohnt, zu einer Stätte des Ungehorsams gemacht und
zu einer Mördergrube. Durch eure Anschläge ist Weinfelder vor den Augen des
Herrn ein Greuel geworden, nicht anders denn die Städte Sodom und Gomorrha,
die sein Zorn vertilgt und ausgelöscht hat um ihrer Missetat willen. Und darum
will der Herr, unser Gott. Weinfelder auch vertilgen, auf daß niemand mehr seine
Stätte finde. Weil er aber nicht allein ein Gott des Zornes ist. sondern zugleich
auch ein Gott der Liebe, so hat er Erbarmen mit euern Weibern, und es jammert
ihn eurer Kindlein. Jhrethalben will er euers Lebens schonen ob es schon gleich
verwirket war. So geht denn hin und eilt, sie zu holen, beides: Weiber und


Der Mönch von Weinfelder

mitten durch das Rauschen ließen sich menschliche Stimmen vernehmen, erst ge¬
dämpft, dann lauter und immer lauter anwachsend. Gestalten eilten vom Burg¬
hause her durch den Vongert und durch Theis Kneph Garten zum Kirchwege hin.
Gerade als das Dachgestühl des Turms zusammenbrach, als aus dem riesigen
Kamin eine Garbe von Funken emporstieg und wie ein Feuerregen auf den Kirchhof
niederfiel, langten die ersten der Bauern oben bei der Kirche an. So eifrig sie
sich bei dem Zerstörungswerke gezeigt hatten, so bereitwillig waren sie, den Brand
zu löschen, der das Heiligtum des Dorfes und die Wohnstätte ihrer Heiligen be¬
drohte. Deshalb brachten sie auch ihr Handwerkszeug mit; dieselben Hacken,
Stemmeisen und Stangen, die das kühle Element entfesselt hatten, sollten nun das
heiße bändigen.

Wirich Kessel war der erste, der den Kirchhof betrat. Als er den Burg¬
herrn auf der Mauer stehn sah, prallte er zurück und bekreuzte sich. Dann wandte
er sich zu dem ihm folgenden Peter Seger um und rief:

Ist alles umsonst gewesen! Wir gedachten den Fuchs in seinem Bau zu er¬
säufen, aber der Bau war leer. Da steht der Mönch!

Er hat das Feuer angelegt, der lutherische Ketzer hat unsre lieben Heiligen
verbrennen wollen! schrie einer aus der nachdrängenden Schar. Werft ihn in den
Turm! Ist er dem Wasser entronnen, so soll er ins Feuer.

Ja, ins Feuer mit ihm! Sperrt ihn in die Kirche! Dort kann ihm der
Teufel nicht beistehn! riefen andre.

Jetzt schien Herr Gyllis aus seiner Erstarrung zu erwachen. Er wandte den
Blick von dem dem Untergange geweihten Burghause ab und ließ ihn über die
vielköpfige Versammlung hinschweifen. Sein Antlitz, das von den Flammen voll
beleuchtet wurde, schien auch von einem innern Glänze verklärt zu werden. Er löste
sein Schwert vom Gürtel, zog es aus der Scheide und stemmte die Spitze mit aller
Kraft auf die Mauer, sodaß die Klinge zerbrach. Dann stieß er die Stücke mit
dem Fuße hinab. Wie er jetzt dastand in seiner zerrissenen Kutte, entblößten
Hauptes, ohne Waffe und Wehr, glich er einem Propheten oder einem Apostel.
Den Bauern entging trotz ihrer Erregung die Veränderung nicht, die mit ihm
vorgegangen war. Sie wagten nicht, sich an ihm zu vergreifen, obgleich der Ruf:
Sperrt ihn in die Kirche! nicht verstummte.

Er erhob seine Hand, um anzudeuten, daß er reden wollte. Und die Leute,
die des Gehorchens noch nicht gänzlich entwöhnt waren, schwiegen.

Tut mit mir, was euch gut dünkt, begann er. Aber zuvor hört mich an!
Fürchtet nicht, daß ich euch entrinnen möchte, denn sehet, ich habe mich in eure
Gewalt gegeben und mein Schwert ist abgetan und zerbrochen. Sorget euch auch
nicht des Feuers halber. Es wird die Kirche verschonen, denn die Luft ist still,
und es geht kein Wind, also daß die Flammen nimmermehr vom Turm auf das
Dach hinüberspringen werden. Was aber am Turme von Holzwerk ist, das mag
getrost verbrennen denn ihr mögt es leichtlich wieder aufrichten. Daß ich euch
aber hierher gerufen habe mit dem Zeichen des Feuers und mit der Zunge der
Glocke, das ist aus keiner andern Ursache geschehen, als weil euch Gott in seiner
unendlichen Barmherzigkeit durch mich erretten will. O ihr Toren und Sunder
allzumal! Euer Frevel schreit zum Himmel, und das Maß eurer Bosheit ist voll.
Ihr habt den Ort. da ihr wohnt, zu einer Stätte des Ungehorsams gemacht und
zu einer Mördergrube. Durch eure Anschläge ist Weinfelder vor den Augen des
Herrn ein Greuel geworden, nicht anders denn die Städte Sodom und Gomorrha,
die sein Zorn vertilgt und ausgelöscht hat um ihrer Missetat willen. Und darum
will der Herr, unser Gott. Weinfelder auch vertilgen, auf daß niemand mehr seine
Stätte finde. Weil er aber nicht allein ein Gott des Zornes ist. sondern zugleich
auch ein Gott der Liebe, so hat er Erbarmen mit euern Weibern, und es jammert
ihn eurer Kindlein. Jhrethalben will er euers Lebens schonen ob es schon gleich
verwirket war. So geht denn hin und eilt, sie zu holen, beides: Weiber und


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[0543] Der Mönch von Weinfelder mitten durch das Rauschen ließen sich menschliche Stimmen vernehmen, erst ge¬ dämpft, dann lauter und immer lauter anwachsend. Gestalten eilten vom Burg¬ hause her durch den Vongert und durch Theis Kneph Garten zum Kirchwege hin. Gerade als das Dachgestühl des Turms zusammenbrach, als aus dem riesigen Kamin eine Garbe von Funken emporstieg und wie ein Feuerregen auf den Kirchhof niederfiel, langten die ersten der Bauern oben bei der Kirche an. So eifrig sie sich bei dem Zerstörungswerke gezeigt hatten, so bereitwillig waren sie, den Brand zu löschen, der das Heiligtum des Dorfes und die Wohnstätte ihrer Heiligen be¬ drohte. Deshalb brachten sie auch ihr Handwerkszeug mit; dieselben Hacken, Stemmeisen und Stangen, die das kühle Element entfesselt hatten, sollten nun das heiße bändigen. Wirich Kessel war der erste, der den Kirchhof betrat. Als er den Burg¬ herrn auf der Mauer stehn sah, prallte er zurück und bekreuzte sich. Dann wandte er sich zu dem ihm folgenden Peter Seger um und rief: Ist alles umsonst gewesen! Wir gedachten den Fuchs in seinem Bau zu er¬ säufen, aber der Bau war leer. Da steht der Mönch! Er hat das Feuer angelegt, der lutherische Ketzer hat unsre lieben Heiligen verbrennen wollen! schrie einer aus der nachdrängenden Schar. Werft ihn in den Turm! Ist er dem Wasser entronnen, so soll er ins Feuer. Ja, ins Feuer mit ihm! Sperrt ihn in die Kirche! Dort kann ihm der Teufel nicht beistehn! riefen andre. Jetzt schien Herr Gyllis aus seiner Erstarrung zu erwachen. Er wandte den Blick von dem dem Untergange geweihten Burghause ab und ließ ihn über die vielköpfige Versammlung hinschweifen. Sein Antlitz, das von den Flammen voll beleuchtet wurde, schien auch von einem innern Glänze verklärt zu werden. Er löste sein Schwert vom Gürtel, zog es aus der Scheide und stemmte die Spitze mit aller Kraft auf die Mauer, sodaß die Klinge zerbrach. Dann stieß er die Stücke mit dem Fuße hinab. Wie er jetzt dastand in seiner zerrissenen Kutte, entblößten Hauptes, ohne Waffe und Wehr, glich er einem Propheten oder einem Apostel. Den Bauern entging trotz ihrer Erregung die Veränderung nicht, die mit ihm vorgegangen war. Sie wagten nicht, sich an ihm zu vergreifen, obgleich der Ruf: Sperrt ihn in die Kirche! nicht verstummte. Er erhob seine Hand, um anzudeuten, daß er reden wollte. Und die Leute, die des Gehorchens noch nicht gänzlich entwöhnt waren, schwiegen. Tut mit mir, was euch gut dünkt, begann er. Aber zuvor hört mich an! Fürchtet nicht, daß ich euch entrinnen möchte, denn sehet, ich habe mich in eure Gewalt gegeben und mein Schwert ist abgetan und zerbrochen. Sorget euch auch nicht des Feuers halber. Es wird die Kirche verschonen, denn die Luft ist still, und es geht kein Wind, also daß die Flammen nimmermehr vom Turm auf das Dach hinüberspringen werden. Was aber am Turme von Holzwerk ist, das mag getrost verbrennen denn ihr mögt es leichtlich wieder aufrichten. Daß ich euch aber hierher gerufen habe mit dem Zeichen des Feuers und mit der Zunge der Glocke, das ist aus keiner andern Ursache geschehen, als weil euch Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit durch mich erretten will. O ihr Toren und Sunder allzumal! Euer Frevel schreit zum Himmel, und das Maß eurer Bosheit ist voll. Ihr habt den Ort. da ihr wohnt, zu einer Stätte des Ungehorsams gemacht und zu einer Mördergrube. Durch eure Anschläge ist Weinfelder vor den Augen des Herrn ein Greuel geworden, nicht anders denn die Städte Sodom und Gomorrha, die sein Zorn vertilgt und ausgelöscht hat um ihrer Missetat willen. Und darum will der Herr, unser Gott. Weinfelder auch vertilgen, auf daß niemand mehr seine Stätte finde. Weil er aber nicht allein ein Gott des Zornes ist. sondern zugleich auch ein Gott der Liebe, so hat er Erbarmen mit euern Weibern, und es jammert ihn eurer Kindlein. Jhrethalben will er euers Lebens schonen ob es schon gleich verwirket war. So geht denn hin und eilt, sie zu holen, beides: Weiber und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/543>, abgerufen am 04.07.2024.