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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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westfälische Geschichte"

innerlich immer genannt. Und er, der Hera? -- Er selbst wußte am besten, wie
vieles erlogen war an allem, was er geprahlt hatte von seinem Leben in der Stadt.
Er wußte selbst genau, wieviel Geld er seinem Vater gekostet, und daß dieser, der
seinen jüngsten Sohn doch so abgöttisch liebte, oft gesagt hatte: Mach langsam,
Hera, sonst machst du mich kaputt! -- Was bedeutete er deun in der Welt, was
war er denn geworden? Clermvnts Student, über den schon die Leute im Dorf
die Achseln zuckten, wenn er immer noch daher stolzierte mit der Mütze und dem
bunten Band.

Warum hast dus mir nicht geschrieben, Vater, als der reiche Kerl mit seiner
Tochter in dein Haus kam? Dem Jochen hast du Zeit lassen wollen, das Mädel
zu gewinnen, weil sie ein Arbeitspferd ist und du gedacht hast, sie paßt hinein in
deine Wirtschaft. Du wußtest genau, wenn sie den Hera sah zu rechter Zeit, dann
kriegte der Schleicher sie nicht. Dem Jochen, dem scheinheiligen Kerl, dem tränk
ichs ein. Seines Lebens soll er nicht mehr froh werden, ich vergifts ihm. Wo
er geht und steht, soll er an mich denken. Sei du still, Bater, mit deinem Gewinsel,
daß dus nicht so gemeint, nicht gewußt hast. Erlogen ists. Du bist schuld an
allem Unglück, das daraus entsteht!

Das war zu viel für den alten Clermontwirt. Sein Sohn, sein vergötterter
Hera, wandte sich gegen ihn, war unglücklich durch seines Vaters Schuld? Er
verlor den Appetit, er verlor den Schlaf. Sein Haar wurde weiß. Kurz nach
der Hochzeit des Jochen mit der Dora, die in aller Stille gefeiert worden war,
trugen sie den Clermontwirt hinaus auf den Kirchhof. Der Hera kam nicht zum
Begräbnis, wie er nicht zur Hochzeit gekommen war. Einem Rechtsanwalt aus
der Stadt hatte er die Ordnung seiner Erbschaftsangelegenheit übergeben. Der
Alte vermachte in seinem Testament demi Jochen die Wirtschaft, Feld und Wald,
das ganze Anwesen. Er hatte aber dem Hera eine so große Summe herauszu¬
zahlen neben dem Kapitalvermögen -- der Alte hatte dem Hera nichts ange¬
rechnet von allem, was er verbraucht hatte --, daß der Jochen ein armer Mann
gewesen wäre, wenn er nicht die reiche Frau gehabt hätte. Der Hera war nun
auch ein reicher Mann. ^ ^




Sechs Jahre gingen ins Land. Beim Clermontwirt war alles, wie es
immer gewesen war. Kein neues Stück Möbel kam ins Hans. Die junge Frau
stand hinter der Ladenbank im gedruckten Kleid, wog das Pfund Kaffee ab und
die Seife, das die Landleute kauften, ebenso genau und eigen, wie das einst ihre
Schwiegermutter getan hatte. Se ist ne Raue (Geizige), sagten die Leute. Ja,
man merkte es nicht, daß sie den gefüllten Geldsack in die Ehe mitgebracht hatte.
Der kleine Franz, ein Jahr nach der Hochzeit geboren, blieb ihr einziges Kind.
Ein ernstes, sinniges Kind, zu Ostern sollte er schon in die Schule. Der Jochen
hätte alle Ursache gehabt, zufrieden zu sein, er war es aber nicht. Der Gedanke
ließ ihm keine Ruhe: daß der alte Mann, sein Vater, in die Grube gegangen war
vor Trauer und Ärger, und das; er, der Jochen, es hätte verhindern müssen.
Mochte ihm die Dora noch so oft sagen: Ein Narr bist du. Mann, 's ist doch
nicht deine Schuld, daß ich dich genommen hab und nicht den Hera. Der liebe
Herrgott hats geschickt, dein Vater hats leiden müssen, und recht wars. Was hat
er den Narren gefressen an dem alten Studenten, der nichts tat, als sein Geld ver¬
zehren! Für dich hat er nichts über gehabt, der Alte. 'S hat so kommen müssen.

Der Jochen hörte sie an, aber er dachte doch immer: Hätte sie lieber den
Hera genommen, dann säße der Alte noch hinter dem Schenktisch. Und der Hera,
der schöne, stolze Hera? Dem Jochen Schritts in die Seele, wenn er an den
Bruder dachte, zu dem er ausgesehen, den er bewundert hatte fast wie sein Vater,
von Kindheit an. Hätte sie ihn genommen, dann wäre alles gut. Der weich¬
herzige, gutmütige Jochen, er wurde den Gedanken nicht los, seines Glückes
nicht froh.




westfälische Geschichte»

innerlich immer genannt. Und er, der Hera? — Er selbst wußte am besten, wie
vieles erlogen war an allem, was er geprahlt hatte von seinem Leben in der Stadt.
Er wußte selbst genau, wieviel Geld er seinem Vater gekostet, und daß dieser, der
seinen jüngsten Sohn doch so abgöttisch liebte, oft gesagt hatte: Mach langsam,
Hera, sonst machst du mich kaputt! — Was bedeutete er deun in der Welt, was
war er denn geworden? Clermvnts Student, über den schon die Leute im Dorf
die Achseln zuckten, wenn er immer noch daher stolzierte mit der Mütze und dem
bunten Band.

Warum hast dus mir nicht geschrieben, Vater, als der reiche Kerl mit seiner
Tochter in dein Haus kam? Dem Jochen hast du Zeit lassen wollen, das Mädel
zu gewinnen, weil sie ein Arbeitspferd ist und du gedacht hast, sie paßt hinein in
deine Wirtschaft. Du wußtest genau, wenn sie den Hera sah zu rechter Zeit, dann
kriegte der Schleicher sie nicht. Dem Jochen, dem scheinheiligen Kerl, dem tränk
ichs ein. Seines Lebens soll er nicht mehr froh werden, ich vergifts ihm. Wo
er geht und steht, soll er an mich denken. Sei du still, Bater, mit deinem Gewinsel,
daß dus nicht so gemeint, nicht gewußt hast. Erlogen ists. Du bist schuld an
allem Unglück, das daraus entsteht!

Das war zu viel für den alten Clermontwirt. Sein Sohn, sein vergötterter
Hera, wandte sich gegen ihn, war unglücklich durch seines Vaters Schuld? Er
verlor den Appetit, er verlor den Schlaf. Sein Haar wurde weiß. Kurz nach
der Hochzeit des Jochen mit der Dora, die in aller Stille gefeiert worden war,
trugen sie den Clermontwirt hinaus auf den Kirchhof. Der Hera kam nicht zum
Begräbnis, wie er nicht zur Hochzeit gekommen war. Einem Rechtsanwalt aus
der Stadt hatte er die Ordnung seiner Erbschaftsangelegenheit übergeben. Der
Alte vermachte in seinem Testament demi Jochen die Wirtschaft, Feld und Wald,
das ganze Anwesen. Er hatte aber dem Hera eine so große Summe herauszu¬
zahlen neben dem Kapitalvermögen — der Alte hatte dem Hera nichts ange¬
rechnet von allem, was er verbraucht hatte —, daß der Jochen ein armer Mann
gewesen wäre, wenn er nicht die reiche Frau gehabt hätte. Der Hera war nun
auch ein reicher Mann. ^ ^




Sechs Jahre gingen ins Land. Beim Clermontwirt war alles, wie es
immer gewesen war. Kein neues Stück Möbel kam ins Hans. Die junge Frau
stand hinter der Ladenbank im gedruckten Kleid, wog das Pfund Kaffee ab und
die Seife, das die Landleute kauften, ebenso genau und eigen, wie das einst ihre
Schwiegermutter getan hatte. Se ist ne Raue (Geizige), sagten die Leute. Ja,
man merkte es nicht, daß sie den gefüllten Geldsack in die Ehe mitgebracht hatte.
Der kleine Franz, ein Jahr nach der Hochzeit geboren, blieb ihr einziges Kind.
Ein ernstes, sinniges Kind, zu Ostern sollte er schon in die Schule. Der Jochen
hätte alle Ursache gehabt, zufrieden zu sein, er war es aber nicht. Der Gedanke
ließ ihm keine Ruhe: daß der alte Mann, sein Vater, in die Grube gegangen war
vor Trauer und Ärger, und das; er, der Jochen, es hätte verhindern müssen.
Mochte ihm die Dora noch so oft sagen: Ein Narr bist du. Mann, 's ist doch
nicht deine Schuld, daß ich dich genommen hab und nicht den Hera. Der liebe
Herrgott hats geschickt, dein Vater hats leiden müssen, und recht wars. Was hat
er den Narren gefressen an dem alten Studenten, der nichts tat, als sein Geld ver¬
zehren! Für dich hat er nichts über gehabt, der Alte. 'S hat so kommen müssen.

Der Jochen hörte sie an, aber er dachte doch immer: Hätte sie lieber den
Hera genommen, dann säße der Alte noch hinter dem Schenktisch. Und der Hera,
der schöne, stolze Hera? Dem Jochen Schritts in die Seele, wenn er an den
Bruder dachte, zu dem er ausgesehen, den er bewundert hatte fast wie sein Vater,
von Kindheit an. Hätte sie ihn genommen, dann wäre alles gut. Der weich¬
herzige, gutmütige Jochen, er wurde den Gedanken nicht los, seines Glückes
nicht froh.




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[0054] westfälische Geschichte» innerlich immer genannt. Und er, der Hera? — Er selbst wußte am besten, wie vieles erlogen war an allem, was er geprahlt hatte von seinem Leben in der Stadt. Er wußte selbst genau, wieviel Geld er seinem Vater gekostet, und daß dieser, der seinen jüngsten Sohn doch so abgöttisch liebte, oft gesagt hatte: Mach langsam, Hera, sonst machst du mich kaputt! — Was bedeutete er deun in der Welt, was war er denn geworden? Clermvnts Student, über den schon die Leute im Dorf die Achseln zuckten, wenn er immer noch daher stolzierte mit der Mütze und dem bunten Band. Warum hast dus mir nicht geschrieben, Vater, als der reiche Kerl mit seiner Tochter in dein Haus kam? Dem Jochen hast du Zeit lassen wollen, das Mädel zu gewinnen, weil sie ein Arbeitspferd ist und du gedacht hast, sie paßt hinein in deine Wirtschaft. Du wußtest genau, wenn sie den Hera sah zu rechter Zeit, dann kriegte der Schleicher sie nicht. Dem Jochen, dem scheinheiligen Kerl, dem tränk ichs ein. Seines Lebens soll er nicht mehr froh werden, ich vergifts ihm. Wo er geht und steht, soll er an mich denken. Sei du still, Bater, mit deinem Gewinsel, daß dus nicht so gemeint, nicht gewußt hast. Erlogen ists. Du bist schuld an allem Unglück, das daraus entsteht! Das war zu viel für den alten Clermontwirt. Sein Sohn, sein vergötterter Hera, wandte sich gegen ihn, war unglücklich durch seines Vaters Schuld? Er verlor den Appetit, er verlor den Schlaf. Sein Haar wurde weiß. Kurz nach der Hochzeit des Jochen mit der Dora, die in aller Stille gefeiert worden war, trugen sie den Clermontwirt hinaus auf den Kirchhof. Der Hera kam nicht zum Begräbnis, wie er nicht zur Hochzeit gekommen war. Einem Rechtsanwalt aus der Stadt hatte er die Ordnung seiner Erbschaftsangelegenheit übergeben. Der Alte vermachte in seinem Testament demi Jochen die Wirtschaft, Feld und Wald, das ganze Anwesen. Er hatte aber dem Hera eine so große Summe herauszu¬ zahlen neben dem Kapitalvermögen — der Alte hatte dem Hera nichts ange¬ rechnet von allem, was er verbraucht hatte —, daß der Jochen ein armer Mann gewesen wäre, wenn er nicht die reiche Frau gehabt hätte. Der Hera war nun auch ein reicher Mann. ^ ^ Sechs Jahre gingen ins Land. Beim Clermontwirt war alles, wie es immer gewesen war. Kein neues Stück Möbel kam ins Hans. Die junge Frau stand hinter der Ladenbank im gedruckten Kleid, wog das Pfund Kaffee ab und die Seife, das die Landleute kauften, ebenso genau und eigen, wie das einst ihre Schwiegermutter getan hatte. Se ist ne Raue (Geizige), sagten die Leute. Ja, man merkte es nicht, daß sie den gefüllten Geldsack in die Ehe mitgebracht hatte. Der kleine Franz, ein Jahr nach der Hochzeit geboren, blieb ihr einziges Kind. Ein ernstes, sinniges Kind, zu Ostern sollte er schon in die Schule. Der Jochen hätte alle Ursache gehabt, zufrieden zu sein, er war es aber nicht. Der Gedanke ließ ihm keine Ruhe: daß der alte Mann, sein Vater, in die Grube gegangen war vor Trauer und Ärger, und das; er, der Jochen, es hätte verhindern müssen. Mochte ihm die Dora noch so oft sagen: Ein Narr bist du. Mann, 's ist doch nicht deine Schuld, daß ich dich genommen hab und nicht den Hera. Der liebe Herrgott hats geschickt, dein Vater hats leiden müssen, und recht wars. Was hat er den Narren gefressen an dem alten Studenten, der nichts tat, als sein Geld ver¬ zehren! Für dich hat er nichts über gehabt, der Alte. 'S hat so kommen müssen. Der Jochen hörte sie an, aber er dachte doch immer: Hätte sie lieber den Hera genommen, dann säße der Alte noch hinter dem Schenktisch. Und der Hera, der schöne, stolze Hera? Dem Jochen Schritts in die Seele, wenn er an den Bruder dachte, zu dem er ausgesehen, den er bewundert hatte fast wie sein Vater, von Kindheit an. Hätte sie ihn genommen, dann wäre alles gut. Der weich¬ herzige, gutmütige Jochen, er wurde den Gedanken nicht los, seines Glückes nicht froh.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/54>, abgerufen am 30.06.2024.