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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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(sowwiör) aufgezählt wird, oder wenn sich jemand den Bardessie anzieht, um sich
beim Parreckers ispen-uquiLi) die Haare schneiden zu lassen, oder wenn "fini Madam"
auf dem Markt Kukummere (ooneomores) kauft. Doch neben der komischen Seite
hat die Zweisprachigkeit auch eine ernste Seite, denn das sich zwischen zwei Stühle
setzen ist zwar ein drolliges Schauspiel für den schadenfrohen Zuschauer, für den
Betreffenden selbst aber eine wenig erfreuliche Situation. Die Zweisprachigkeit ist
meiner Auffassung nach eine wesentliche Ursache der Rückständigkeit der reichs-
lcindischen Bevölkerung in manchen Beziehungen. "Niemand kann zween Herren
dienen," das gilt im großen ganzen auch von der Sprache. Kein Zweifel, daß es
einzelne Persönlichkeiten gibt, die beider Sprachen so vollständig mächtig sind, daß
sie sich den Vorteil zweier Kulturen aneignen können. Aber die Zahl dieser
Glücklichen wird immer recht beschränkt bleiben, und für die große Masse würde
es besser sein, eine Sprache gut und rein sprechen zu können,' als mit der einen
oberflächlich paradieren zu können und sie im übrigen dazu zu benützen, die mangel¬
haft beherrschte Muttersprache mit ein paar fremden Flittern auszustaffieren. Die
bei weitem größte Anzahl derer, die sich beider Sprachen mächtig nennen, bringt
zur Not, wenn es sich um einen landläufigen Stoff handelt, bei dem die üblichen
Phrasen verwandt werden können, einen leidlich korrekten französischen Brief, aber
unter ebenso günstigen Umständen keinen tadellos deutschen Brief zustande. Es ist
interessant, zu beobachten, daß auch solche Leute, die sich im Gespräch der deutschen
Sprache völlig anstoßfrei zu bedienen wissen, im schriftlichen Gebrauch erstaunlich
ungewandt sind.

Diese Art Zweisprachigkeit hat aber noch weitere und schlimmere Folgen.
Denn die Sprache ist ja nur in beschränktem Maße Selbstzweck; ihre vornehmste
Bedeutung liegt darin. Mittel zum Zweck zu sein. Sie ist uns das Werkzeug,
dessen wir bedürfen, uns all die tausend Schätze der Kultur anzueignen, die
wir im besten Sinne des Wortes als "Bildung" bezeichnen. Wer den Gebrauch
dieses Werkzeuges nicht vollständig beherrscht, wird im Verhältnis zu diesem
Mangel auch den Zweck nicht vollständig erreichen. Mit andern Worten: auch
was die Schätze der Bildung anlangt, diesen herrlichsten Besitz eines Volkes, setzt
sich der zweisprachige Elsässer nur allzuleicht zwischen zwei Stühle. In französischer
Sprache werden sie ihm nicht mehr so nahe gebracht, wie es notwendig wäre, daß
sie auch von dem minder Eifriger ergriffen und von den. Bequemen festgehalten
Würden, und in deutscher Sprache sind sie ihm nicht mundgerecht genug, denn das
Schriftdeutsch ist eben nicht das Deutsch des Elsässers. Greifen wir einige Bei¬
spiele heraus. Wir können es dem Elsässer nicht sehr verargen, wenn er für Geschichte
kein großes Interesse hat. Welche Geschichte soll er vorziehen? Die französische? sie
ist nicht mehr die seine, und sie war nicht die seine, wenn er nur zwei Jahrhunderte
zurückgreift. Also die deutsche? die ist leider Gottes so zerbröckelt und zerstückelt,
und seine eigne Heimat hat darin eine so wenig beneidenswerte Rolle gespielt daß
man es ihm nicht sehr verdenken kann, wenn er kein besondres Interesse dafür
empfindet. Daß ihn die preußische Geschichte, die auch bei rechtsrheinischen Süd¬
deutschen -- und Mar nicht etwa aus Neid -- keine große Begeisterung erweckt,
nicht besonders lockt, wird jeder versteh", der in die elsässische Volksseele geschaut
und begriffe" hat, daß der Elsässer im Süddeutschen allenfalls seinen Verwandten,
im Preußen aber nur den ziemlich fremden Eroberer sieht der in seinem L^de
°is Herr anmaßend schaltet und dem Einheimischen die Sahne abschöpft. Die
Geschichte der eignen Heimat scheint für ihn etwas größern Reiz zu haben wenn
ihm der Stoff mundgerecht gemacht wird; das zeigte der ziemlich gute Besuch der
wi vergangnen Winter von Professor Block als Volkshochschulkursus gehaltnen Vor¬
lesungen über die Geschichte des Elsaß im Zeitalter des Humanismus." bei der
sich im Aufang" etwa dreihundert Hörer einfanden, deren Zahl sich im Laufe der
Vorlesungen natürlich etwas verringerte. Auch daß sich der Verein der Buchdrucker
kürzlich von demselben Universitätsprofessor einen Vortrag über die Geschichte des


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(sowwiör) aufgezählt wird, oder wenn sich jemand den Bardessie anzieht, um sich
beim Parreckers ispen-uquiLi) die Haare schneiden zu lassen, oder wenn „fini Madam"
auf dem Markt Kukummere (ooneomores) kauft. Doch neben der komischen Seite
hat die Zweisprachigkeit auch eine ernste Seite, denn das sich zwischen zwei Stühle
setzen ist zwar ein drolliges Schauspiel für den schadenfrohen Zuschauer, für den
Betreffenden selbst aber eine wenig erfreuliche Situation. Die Zweisprachigkeit ist
meiner Auffassung nach eine wesentliche Ursache der Rückständigkeit der reichs-
lcindischen Bevölkerung in manchen Beziehungen. „Niemand kann zween Herren
dienen," das gilt im großen ganzen auch von der Sprache. Kein Zweifel, daß es
einzelne Persönlichkeiten gibt, die beider Sprachen so vollständig mächtig sind, daß
sie sich den Vorteil zweier Kulturen aneignen können. Aber die Zahl dieser
Glücklichen wird immer recht beschränkt bleiben, und für die große Masse würde
es besser sein, eine Sprache gut und rein sprechen zu können,' als mit der einen
oberflächlich paradieren zu können und sie im übrigen dazu zu benützen, die mangel¬
haft beherrschte Muttersprache mit ein paar fremden Flittern auszustaffieren. Die
bei weitem größte Anzahl derer, die sich beider Sprachen mächtig nennen, bringt
zur Not, wenn es sich um einen landläufigen Stoff handelt, bei dem die üblichen
Phrasen verwandt werden können, einen leidlich korrekten französischen Brief, aber
unter ebenso günstigen Umständen keinen tadellos deutschen Brief zustande. Es ist
interessant, zu beobachten, daß auch solche Leute, die sich im Gespräch der deutschen
Sprache völlig anstoßfrei zu bedienen wissen, im schriftlichen Gebrauch erstaunlich
ungewandt sind.

Diese Art Zweisprachigkeit hat aber noch weitere und schlimmere Folgen.
Denn die Sprache ist ja nur in beschränktem Maße Selbstzweck; ihre vornehmste
Bedeutung liegt darin. Mittel zum Zweck zu sein. Sie ist uns das Werkzeug,
dessen wir bedürfen, uns all die tausend Schätze der Kultur anzueignen, die
wir im besten Sinne des Wortes als „Bildung" bezeichnen. Wer den Gebrauch
dieses Werkzeuges nicht vollständig beherrscht, wird im Verhältnis zu diesem
Mangel auch den Zweck nicht vollständig erreichen. Mit andern Worten: auch
was die Schätze der Bildung anlangt, diesen herrlichsten Besitz eines Volkes, setzt
sich der zweisprachige Elsässer nur allzuleicht zwischen zwei Stühle. In französischer
Sprache werden sie ihm nicht mehr so nahe gebracht, wie es notwendig wäre, daß
sie auch von dem minder Eifriger ergriffen und von den. Bequemen festgehalten
Würden, und in deutscher Sprache sind sie ihm nicht mundgerecht genug, denn das
Schriftdeutsch ist eben nicht das Deutsch des Elsässers. Greifen wir einige Bei¬
spiele heraus. Wir können es dem Elsässer nicht sehr verargen, wenn er für Geschichte
kein großes Interesse hat. Welche Geschichte soll er vorziehen? Die französische? sie
ist nicht mehr die seine, und sie war nicht die seine, wenn er nur zwei Jahrhunderte
zurückgreift. Also die deutsche? die ist leider Gottes so zerbröckelt und zerstückelt,
und seine eigne Heimat hat darin eine so wenig beneidenswerte Rolle gespielt daß
man es ihm nicht sehr verdenken kann, wenn er kein besondres Interesse dafür
empfindet. Daß ihn die preußische Geschichte, die auch bei rechtsrheinischen Süd¬
deutschen — und Mar nicht etwa aus Neid — keine große Begeisterung erweckt,
nicht besonders lockt, wird jeder versteh», der in die elsässische Volksseele geschaut
und begriffe» hat, daß der Elsässer im Süddeutschen allenfalls seinen Verwandten,
im Preußen aber nur den ziemlich fremden Eroberer sieht der in seinem L^de
°is Herr anmaßend schaltet und dem Einheimischen die Sahne abschöpft. Die
Geschichte der eignen Heimat scheint für ihn etwas größern Reiz zu haben wenn
ihm der Stoff mundgerecht gemacht wird; das zeigte der ziemlich gute Besuch der
wi vergangnen Winter von Professor Block als Volkshochschulkursus gehaltnen Vor¬
lesungen über die Geschichte des Elsaß im Zeitalter des Humanismus." bei der
sich im Aufang" etwa dreihundert Hörer einfanden, deren Zahl sich im Laufe der
Vorlesungen natürlich etwas verringerte. Auch daß sich der Verein der Buchdrucker
kürzlich von demselben Universitätsprofessor einen Vortrag über die Geschichte des


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[0529] Straßburger Bilder (sowwiör) aufgezählt wird, oder wenn sich jemand den Bardessie anzieht, um sich beim Parreckers ispen-uquiLi) die Haare schneiden zu lassen, oder wenn „fini Madam" auf dem Markt Kukummere (ooneomores) kauft. Doch neben der komischen Seite hat die Zweisprachigkeit auch eine ernste Seite, denn das sich zwischen zwei Stühle setzen ist zwar ein drolliges Schauspiel für den schadenfrohen Zuschauer, für den Betreffenden selbst aber eine wenig erfreuliche Situation. Die Zweisprachigkeit ist meiner Auffassung nach eine wesentliche Ursache der Rückständigkeit der reichs- lcindischen Bevölkerung in manchen Beziehungen. „Niemand kann zween Herren dienen," das gilt im großen ganzen auch von der Sprache. Kein Zweifel, daß es einzelne Persönlichkeiten gibt, die beider Sprachen so vollständig mächtig sind, daß sie sich den Vorteil zweier Kulturen aneignen können. Aber die Zahl dieser Glücklichen wird immer recht beschränkt bleiben, und für die große Masse würde es besser sein, eine Sprache gut und rein sprechen zu können,' als mit der einen oberflächlich paradieren zu können und sie im übrigen dazu zu benützen, die mangel¬ haft beherrschte Muttersprache mit ein paar fremden Flittern auszustaffieren. Die bei weitem größte Anzahl derer, die sich beider Sprachen mächtig nennen, bringt zur Not, wenn es sich um einen landläufigen Stoff handelt, bei dem die üblichen Phrasen verwandt werden können, einen leidlich korrekten französischen Brief, aber unter ebenso günstigen Umständen keinen tadellos deutschen Brief zustande. Es ist interessant, zu beobachten, daß auch solche Leute, die sich im Gespräch der deutschen Sprache völlig anstoßfrei zu bedienen wissen, im schriftlichen Gebrauch erstaunlich ungewandt sind. Diese Art Zweisprachigkeit hat aber noch weitere und schlimmere Folgen. Denn die Sprache ist ja nur in beschränktem Maße Selbstzweck; ihre vornehmste Bedeutung liegt darin. Mittel zum Zweck zu sein. Sie ist uns das Werkzeug, dessen wir bedürfen, uns all die tausend Schätze der Kultur anzueignen, die wir im besten Sinne des Wortes als „Bildung" bezeichnen. Wer den Gebrauch dieses Werkzeuges nicht vollständig beherrscht, wird im Verhältnis zu diesem Mangel auch den Zweck nicht vollständig erreichen. Mit andern Worten: auch was die Schätze der Bildung anlangt, diesen herrlichsten Besitz eines Volkes, setzt sich der zweisprachige Elsässer nur allzuleicht zwischen zwei Stühle. In französischer Sprache werden sie ihm nicht mehr so nahe gebracht, wie es notwendig wäre, daß sie auch von dem minder Eifriger ergriffen und von den. Bequemen festgehalten Würden, und in deutscher Sprache sind sie ihm nicht mundgerecht genug, denn das Schriftdeutsch ist eben nicht das Deutsch des Elsässers. Greifen wir einige Bei¬ spiele heraus. Wir können es dem Elsässer nicht sehr verargen, wenn er für Geschichte kein großes Interesse hat. Welche Geschichte soll er vorziehen? Die französische? sie ist nicht mehr die seine, und sie war nicht die seine, wenn er nur zwei Jahrhunderte zurückgreift. Also die deutsche? die ist leider Gottes so zerbröckelt und zerstückelt, und seine eigne Heimat hat darin eine so wenig beneidenswerte Rolle gespielt daß man es ihm nicht sehr verdenken kann, wenn er kein besondres Interesse dafür empfindet. Daß ihn die preußische Geschichte, die auch bei rechtsrheinischen Süd¬ deutschen — und Mar nicht etwa aus Neid — keine große Begeisterung erweckt, nicht besonders lockt, wird jeder versteh», der in die elsässische Volksseele geschaut und begriffe» hat, daß der Elsässer im Süddeutschen allenfalls seinen Verwandten, im Preußen aber nur den ziemlich fremden Eroberer sieht der in seinem L^de °is Herr anmaßend schaltet und dem Einheimischen die Sahne abschöpft. Die Geschichte der eignen Heimat scheint für ihn etwas größern Reiz zu haben wenn ihm der Stoff mundgerecht gemacht wird; das zeigte der ziemlich gute Besuch der wi vergangnen Winter von Professor Block als Volkshochschulkursus gehaltnen Vor¬ lesungen über die Geschichte des Elsaß im Zeitalter des Humanismus." bei der sich im Aufang" etwa dreihundert Hörer einfanden, deren Zahl sich im Laufe der Vorlesungen natürlich etwas verringerte. Auch daß sich der Verein der Buchdrucker kürzlich von demselben Universitätsprofessor einen Vortrag über die Geschichte des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/529>, abgerufen am 02.07.2024.