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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Der Mönch von lVeinfelden

Nun wurde der dritte Leichnam gebracht. Wieder wichen die Bauern bei dem
Erscheinen des Burgherrn zurück, und wieder strömten sie vor, als sich die Tür hinter
ihm schloß.

Da habt ihr sie, sagte Girret, er hat sie freigegeben. Aber wenn ihr wieder
eine Botschaft auf das Burghaus habt, so schickt einen andern.

Er trat beiseite und wischte sich mit dem Ärmel seines Wamses den kalten
Schweiß von der Stirn.

Drei Leichen auf einen Tag! rief Goerres, der Totengräber. Das haben wir zu
Weinfelder seit Anno siebenundachtzig nicht mehr gehabt! Und gestern eine --
macht vier.

Er wollte noch hinzufügen: Meinethalben magh so weiter gehn. Aber er besann
sich noch rechtzeitig und schwieg.

Man hob die Leichname auf und trug sie ins Dorf.

In den nächsten Nächten blieb alles still. Herr Gyllis kannte seine Hofesleute
genau genug, daß er wissen konnte, sie würden keinen neuen Angriff auf seine Person
mehr wagen. Er hatte in ihren Mienen die eigentümliche Scheu bemerkt, die sie
nur an den Tag zu legen pflegten, wenn sie an den Einfluß einer übernatürlichen
Macht glaubten. Er wußte, daß sie ihm seit Agrippas Besuch im Burghaus zaubrische
Kräfte und die Verbindung mit dem Bösen zutrauten, und daß sie darin durch
sein Verhalten bei dem Malefizgericht gegen die rote nett bestärkt worden waren.
Und wie die Bauern, so war er selbst auch davon überzeugt, daß er seine Rettung
einer übernatürlichen Macht verdankte, nur mit dem Unterschiede, daß nach der
Bauern Meinung diese Hilfe von unten, nach seiner eignen aber von oben gekommen
war. Und so lebte er in diesen Tagen ruhiger als je zuvor.

Eines Nachts -- der Mond war beinahe voll geworden -- hatte der Burgherr
wieder lange über den Büchern gesessen und wollte gerade sein Lager aufsuchen,
als er auf ein seltsames plätscherndes Geräusch aufmerksam wurde, das vom Weiher
her kam. Er löschte das Licht und trat ans Fenster. Im Frühling und im Herbst,
wenn die wilden Schwäne und die Hohlgänse erschienen, wäre ein nächtlicher Lärm
auf dem Teiche nichts Ungewöhnliches gewesen, aber jetzt, zur Zeit der Sommer¬
wende, war an einen Einfall des Wassergeflügels nicht zu denken. Auch von den
Fischen konnte das Geräusch nicht herrühren; die Streichzeit war längst vorüber,
und das Emporschnellen der von den Hechten verfolgten Futterfische klang anders.
Herr Gyllis konnte auf der vom Monde beschienenen Wasserfläche eine lange Wetter¬
hahn erkennen, die in strudelnde Kreise endete. Jetzt tauchte ganz nahe bei der
Sperrmauer etwas Weißes empor -- ein menschlicher Körper -- ein nackter Frauen¬
leib. Die Badende hielt sich an der Mauer fest und schwang sich hinauf. Von
den schimmernden Schultern und Armen troff die silberne Flut, und die Fülle des
nassen Haares legte sich wie ein leuchtender Mantel um Brust und Rücken.

Der Burgherr fuhr zurück, er fühlte, wie sein Herz schneller zu klopfen begann,
und wie sein Blut in den Halsadern hämmerte. Zugleich wurde ihm die Kehle
so trocken, als sei er dem Verschmachten nahe. Er wollte vom Fenster weg, vor
dem Anblick der verkörperten Sünde fliehen, der Versuchung entrinnen -- umsonst,
eine geheimnisvolle Macht hielt ihn an seinem Platze fest. Die Schwimmerin, die
jetzt auf der Sperrmauer saß, mit den Füßen im Wasser plätscherte und sich mit
der Linken die feuchten Strähnen aus dem Antlitz strich, war die rote nett. Sie
wandte sich zum Burghause um und streifte mit suchenden Blick die Fenster des
Obergeschosses. Sie konnte den Beobachter nicht erkennen, aber sie wußte, daß seine
Augen jetzt an ihr hingen, und daß der doppelte Zauber der lauen, düftereichen
Sommernacht und ihrer eignen Schönheit seine Wirkung auf ihn nicht verfehlen
würde.

Sie winkte nach dem Fenster hinauf, an dem sie den Burgherrn vermutete.

Herr, rief sie, ich seh Euch. Verbergt Euch nicht! Kommt Herfür, ich hab
mit Euch zu reden!


Der Mönch von lVeinfelden

Nun wurde der dritte Leichnam gebracht. Wieder wichen die Bauern bei dem
Erscheinen des Burgherrn zurück, und wieder strömten sie vor, als sich die Tür hinter
ihm schloß.

Da habt ihr sie, sagte Girret, er hat sie freigegeben. Aber wenn ihr wieder
eine Botschaft auf das Burghaus habt, so schickt einen andern.

Er trat beiseite und wischte sich mit dem Ärmel seines Wamses den kalten
Schweiß von der Stirn.

Drei Leichen auf einen Tag! rief Goerres, der Totengräber. Das haben wir zu
Weinfelder seit Anno siebenundachtzig nicht mehr gehabt! Und gestern eine —
macht vier.

Er wollte noch hinzufügen: Meinethalben magh so weiter gehn. Aber er besann
sich noch rechtzeitig und schwieg.

Man hob die Leichname auf und trug sie ins Dorf.

In den nächsten Nächten blieb alles still. Herr Gyllis kannte seine Hofesleute
genau genug, daß er wissen konnte, sie würden keinen neuen Angriff auf seine Person
mehr wagen. Er hatte in ihren Mienen die eigentümliche Scheu bemerkt, die sie
nur an den Tag zu legen pflegten, wenn sie an den Einfluß einer übernatürlichen
Macht glaubten. Er wußte, daß sie ihm seit Agrippas Besuch im Burghaus zaubrische
Kräfte und die Verbindung mit dem Bösen zutrauten, und daß sie darin durch
sein Verhalten bei dem Malefizgericht gegen die rote nett bestärkt worden waren.
Und wie die Bauern, so war er selbst auch davon überzeugt, daß er seine Rettung
einer übernatürlichen Macht verdankte, nur mit dem Unterschiede, daß nach der
Bauern Meinung diese Hilfe von unten, nach seiner eignen aber von oben gekommen
war. Und so lebte er in diesen Tagen ruhiger als je zuvor.

Eines Nachts — der Mond war beinahe voll geworden — hatte der Burgherr
wieder lange über den Büchern gesessen und wollte gerade sein Lager aufsuchen,
als er auf ein seltsames plätscherndes Geräusch aufmerksam wurde, das vom Weiher
her kam. Er löschte das Licht und trat ans Fenster. Im Frühling und im Herbst,
wenn die wilden Schwäne und die Hohlgänse erschienen, wäre ein nächtlicher Lärm
auf dem Teiche nichts Ungewöhnliches gewesen, aber jetzt, zur Zeit der Sommer¬
wende, war an einen Einfall des Wassergeflügels nicht zu denken. Auch von den
Fischen konnte das Geräusch nicht herrühren; die Streichzeit war längst vorüber,
und das Emporschnellen der von den Hechten verfolgten Futterfische klang anders.
Herr Gyllis konnte auf der vom Monde beschienenen Wasserfläche eine lange Wetter¬
hahn erkennen, die in strudelnde Kreise endete. Jetzt tauchte ganz nahe bei der
Sperrmauer etwas Weißes empor — ein menschlicher Körper — ein nackter Frauen¬
leib. Die Badende hielt sich an der Mauer fest und schwang sich hinauf. Von
den schimmernden Schultern und Armen troff die silberne Flut, und die Fülle des
nassen Haares legte sich wie ein leuchtender Mantel um Brust und Rücken.

Der Burgherr fuhr zurück, er fühlte, wie sein Herz schneller zu klopfen begann,
und wie sein Blut in den Halsadern hämmerte. Zugleich wurde ihm die Kehle
so trocken, als sei er dem Verschmachten nahe. Er wollte vom Fenster weg, vor
dem Anblick der verkörperten Sünde fliehen, der Versuchung entrinnen — umsonst,
eine geheimnisvolle Macht hielt ihn an seinem Platze fest. Die Schwimmerin, die
jetzt auf der Sperrmauer saß, mit den Füßen im Wasser plätscherte und sich mit
der Linken die feuchten Strähnen aus dem Antlitz strich, war die rote nett. Sie
wandte sich zum Burghause um und streifte mit suchenden Blick die Fenster des
Obergeschosses. Sie konnte den Beobachter nicht erkennen, aber sie wußte, daß seine
Augen jetzt an ihr hingen, und daß der doppelte Zauber der lauen, düftereichen
Sommernacht und ihrer eignen Schönheit seine Wirkung auf ihn nicht verfehlen
würde.

Sie winkte nach dem Fenster hinauf, an dem sie den Burgherrn vermutete.

Herr, rief sie, ich seh Euch. Verbergt Euch nicht! Kommt Herfür, ich hab
mit Euch zu reden!


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[0482] Der Mönch von lVeinfelden Nun wurde der dritte Leichnam gebracht. Wieder wichen die Bauern bei dem Erscheinen des Burgherrn zurück, und wieder strömten sie vor, als sich die Tür hinter ihm schloß. Da habt ihr sie, sagte Girret, er hat sie freigegeben. Aber wenn ihr wieder eine Botschaft auf das Burghaus habt, so schickt einen andern. Er trat beiseite und wischte sich mit dem Ärmel seines Wamses den kalten Schweiß von der Stirn. Drei Leichen auf einen Tag! rief Goerres, der Totengräber. Das haben wir zu Weinfelder seit Anno siebenundachtzig nicht mehr gehabt! Und gestern eine — macht vier. Er wollte noch hinzufügen: Meinethalben magh so weiter gehn. Aber er besann sich noch rechtzeitig und schwieg. Man hob die Leichname auf und trug sie ins Dorf. In den nächsten Nächten blieb alles still. Herr Gyllis kannte seine Hofesleute genau genug, daß er wissen konnte, sie würden keinen neuen Angriff auf seine Person mehr wagen. Er hatte in ihren Mienen die eigentümliche Scheu bemerkt, die sie nur an den Tag zu legen pflegten, wenn sie an den Einfluß einer übernatürlichen Macht glaubten. Er wußte, daß sie ihm seit Agrippas Besuch im Burghaus zaubrische Kräfte und die Verbindung mit dem Bösen zutrauten, und daß sie darin durch sein Verhalten bei dem Malefizgericht gegen die rote nett bestärkt worden waren. Und wie die Bauern, so war er selbst auch davon überzeugt, daß er seine Rettung einer übernatürlichen Macht verdankte, nur mit dem Unterschiede, daß nach der Bauern Meinung diese Hilfe von unten, nach seiner eignen aber von oben gekommen war. Und so lebte er in diesen Tagen ruhiger als je zuvor. Eines Nachts — der Mond war beinahe voll geworden — hatte der Burgherr wieder lange über den Büchern gesessen und wollte gerade sein Lager aufsuchen, als er auf ein seltsames plätscherndes Geräusch aufmerksam wurde, das vom Weiher her kam. Er löschte das Licht und trat ans Fenster. Im Frühling und im Herbst, wenn die wilden Schwäne und die Hohlgänse erschienen, wäre ein nächtlicher Lärm auf dem Teiche nichts Ungewöhnliches gewesen, aber jetzt, zur Zeit der Sommer¬ wende, war an einen Einfall des Wassergeflügels nicht zu denken. Auch von den Fischen konnte das Geräusch nicht herrühren; die Streichzeit war längst vorüber, und das Emporschnellen der von den Hechten verfolgten Futterfische klang anders. Herr Gyllis konnte auf der vom Monde beschienenen Wasserfläche eine lange Wetter¬ hahn erkennen, die in strudelnde Kreise endete. Jetzt tauchte ganz nahe bei der Sperrmauer etwas Weißes empor — ein menschlicher Körper — ein nackter Frauen¬ leib. Die Badende hielt sich an der Mauer fest und schwang sich hinauf. Von den schimmernden Schultern und Armen troff die silberne Flut, und die Fülle des nassen Haares legte sich wie ein leuchtender Mantel um Brust und Rücken. Der Burgherr fuhr zurück, er fühlte, wie sein Herz schneller zu klopfen begann, und wie sein Blut in den Halsadern hämmerte. Zugleich wurde ihm die Kehle so trocken, als sei er dem Verschmachten nahe. Er wollte vom Fenster weg, vor dem Anblick der verkörperten Sünde fliehen, der Versuchung entrinnen — umsonst, eine geheimnisvolle Macht hielt ihn an seinem Platze fest. Die Schwimmerin, die jetzt auf der Sperrmauer saß, mit den Füßen im Wasser plätscherte und sich mit der Linken die feuchten Strähnen aus dem Antlitz strich, war die rote nett. Sie wandte sich zum Burghause um und streifte mit suchenden Blick die Fenster des Obergeschosses. Sie konnte den Beobachter nicht erkennen, aber sie wußte, daß seine Augen jetzt an ihr hingen, und daß der doppelte Zauber der lauen, düftereichen Sommernacht und ihrer eignen Schönheit seine Wirkung auf ihn nicht verfehlen würde. Sie winkte nach dem Fenster hinauf, an dem sie den Burgherrn vermutete. Herr, rief sie, ich seh Euch. Verbergt Euch nicht! Kommt Herfür, ich hab mit Euch zu reden!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/482>, abgerufen am 04.07.2024.