Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Politischen Verhältnissen anpaßt, nur die Form. In den Kriegszügen zu der Ich habe gesagt, daß Englands Macht heute nicht mehr so ausschließlich Politischen Verhältnissen anpaßt, nur die Form. In den Kriegszügen zu der Ich habe gesagt, daß Englands Macht heute nicht mehr so ausschließlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294062"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1992" prev="#ID_1991"> Politischen Verhältnissen anpaßt, nur die Form. In den Kriegszügen zu der<lb/> Zeit der Königin Elisabeth kann man eine Grenze zwischen Seeraub und<lb/> Kriegführung, wie das in dem Charakter der Zeit lag, kaum erkennen. Aber<lb/> noch zu der Zeit des ältern Pitt brüskem sich die englische» Kaufleute damit,<lb/> daß unter seiner Regierung der Handel mit dem Kriege vereinigt sei und mit<lb/> seiner Hilfe blühe. Was der Vater begonnen hatte, setzte der Sohn fort.<lb/> Die Kriegführung gegen die französische Republik und das Kaiserreich zeigt<lb/> überall das Prinzip, den englischen Handel und die englische Industrie zu<lb/> schützen, Konkurrenten zu verdrängen und so die Finanzkraft des Staates zu<lb/> erhalten. Dies geschah mit Hilfe des Seekrieges, den Geld und Menschen<lb/> verzehrenden Landkrieg wandte England nur soweit an, wie er notwendig<lb/> war, Bündnisse zusammenzubringen und zu erhalten, oder wo er sich, wie im<lb/> Kolonialkriege, in den Dienst des nutzenbringenden Seekrieges stellte. Aber<lb/> wie alle Seevölker hat England auch den Landkrieg mehr mit Geld geführt<lb/> als dnrch ein Aufgebot der eignen Volkskraft. Die englischen Heere sind von<lb/> jeher Söldnerheere gewesen, in denen viele Ausländer, zum Teil Eingeborne<lb/> aus den Kolonien, fochten, und auch in der neusten Zeit, wo Englands<lb/> Machtstellung nicht mehr allein auf der Seeherrschaft ruht, wo es mehr als<lb/> früher Landgrenzen verteidigen muß, wenn es seinen Besitzstand erhalten will,<lb/> zeigt doch sein Heer in der Organisation und im Ersatz noch wesentliche Unter¬<lb/> schiede von denen der meisten andern Staaten. Die militärisch organisierte<lb/> Volkskraft des Landes ist in dem englischen Heere nicht ganz entwickelt. Die<lb/> Beherrschung der See, die Verteidigung der See gegen kriegerische Neben¬<lb/> buhler und gegen Konkurrenten in der Industrie und im Handel sind bisher<lb/> die Aufgaben gewesen, die sich das Inselreich England gestellt hat. Man<lb/> braucht die kriegerischen Lorbeeren, die es sich bei Oudenarde und Malplaquet,<lb/> bei Salamanca und Belle-Alliance erworben hat, nicht zu unterschätzen und<lb/> kann doch sagen, die englischen Staatsmänner handelten richtig, die seine<lb/> ^esamtpolitik auf der Handelspolitik im weitesten Sinne gründeten. Da war<lb/> es denn nur natürlich, daß sie auch die ulliirm ratio der Politik, den<lb/> Krieg, in diesem Sinne auffaßten und die Jnselstellung des Landes hierzu<lb/> ausnützten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1993" next="#ID_1994"> Ich habe gesagt, daß Englands Macht heute nicht mehr so ausschließlich<lb/> a»f der Seeherrschaft ruht. Es ist eben an starke Militärstaaten herange¬<lb/> wachsen und hat Landgrenzen zu verteidigen. Damit ist schon angedeutet,<lb/> daß es aus seiner Vertcidigungsstellnug durch die veränderte Weltlage all¬<lb/> mählich herausgedrängt wird. Das ostasiatische Inselreich Japan konnte eine<lb/> solche Verteidigung der See von vornherein nicht als seine Aufgabe ansehen.<lb/> Japan ist als moderner Staat zu spät geboren worden, als daß es aus seiner<lb/> jnselstellung das herausschlagen könnte, was England in frühern Jahr¬<lb/> hunderten erreicht hat. Die kurze Vorbereitungszeit, die seinem ersten Hervor¬<lb/> treten in dein Wettbewerb der Völker, dem japanisch-chinesischen Kriege von 1894,<lb/> ^herging, hat Japan dazu benutzt, sich ein wohlorganisiertcs. die Volks-<lb/> krnft des Landes vollständig ausnutzendes Heer zu schaffen. Die Flotte genügte<lb/> ""r. sich im Kampfe mit den mangelhaft geführten chinesischen Schiffen den<lb/> Seeweg zum Festlande hinüber zu erobern. Dieser erste Krieg zeigte dann</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0443]
Politischen Verhältnissen anpaßt, nur die Form. In den Kriegszügen zu der
Zeit der Königin Elisabeth kann man eine Grenze zwischen Seeraub und
Kriegführung, wie das in dem Charakter der Zeit lag, kaum erkennen. Aber
noch zu der Zeit des ältern Pitt brüskem sich die englische» Kaufleute damit,
daß unter seiner Regierung der Handel mit dem Kriege vereinigt sei und mit
seiner Hilfe blühe. Was der Vater begonnen hatte, setzte der Sohn fort.
Die Kriegführung gegen die französische Republik und das Kaiserreich zeigt
überall das Prinzip, den englischen Handel und die englische Industrie zu
schützen, Konkurrenten zu verdrängen und so die Finanzkraft des Staates zu
erhalten. Dies geschah mit Hilfe des Seekrieges, den Geld und Menschen
verzehrenden Landkrieg wandte England nur soweit an, wie er notwendig
war, Bündnisse zusammenzubringen und zu erhalten, oder wo er sich, wie im
Kolonialkriege, in den Dienst des nutzenbringenden Seekrieges stellte. Aber
wie alle Seevölker hat England auch den Landkrieg mehr mit Geld geführt
als dnrch ein Aufgebot der eignen Volkskraft. Die englischen Heere sind von
jeher Söldnerheere gewesen, in denen viele Ausländer, zum Teil Eingeborne
aus den Kolonien, fochten, und auch in der neusten Zeit, wo Englands
Machtstellung nicht mehr allein auf der Seeherrschaft ruht, wo es mehr als
früher Landgrenzen verteidigen muß, wenn es seinen Besitzstand erhalten will,
zeigt doch sein Heer in der Organisation und im Ersatz noch wesentliche Unter¬
schiede von denen der meisten andern Staaten. Die militärisch organisierte
Volkskraft des Landes ist in dem englischen Heere nicht ganz entwickelt. Die
Beherrschung der See, die Verteidigung der See gegen kriegerische Neben¬
buhler und gegen Konkurrenten in der Industrie und im Handel sind bisher
die Aufgaben gewesen, die sich das Inselreich England gestellt hat. Man
braucht die kriegerischen Lorbeeren, die es sich bei Oudenarde und Malplaquet,
bei Salamanca und Belle-Alliance erworben hat, nicht zu unterschätzen und
kann doch sagen, die englischen Staatsmänner handelten richtig, die seine
^esamtpolitik auf der Handelspolitik im weitesten Sinne gründeten. Da war
es denn nur natürlich, daß sie auch die ulliirm ratio der Politik, den
Krieg, in diesem Sinne auffaßten und die Jnselstellung des Landes hierzu
ausnützten.
Ich habe gesagt, daß Englands Macht heute nicht mehr so ausschließlich
a»f der Seeherrschaft ruht. Es ist eben an starke Militärstaaten herange¬
wachsen und hat Landgrenzen zu verteidigen. Damit ist schon angedeutet,
daß es aus seiner Vertcidigungsstellnug durch die veränderte Weltlage all¬
mählich herausgedrängt wird. Das ostasiatische Inselreich Japan konnte eine
solche Verteidigung der See von vornherein nicht als seine Aufgabe ansehen.
Japan ist als moderner Staat zu spät geboren worden, als daß es aus seiner
jnselstellung das herausschlagen könnte, was England in frühern Jahr¬
hunderten erreicht hat. Die kurze Vorbereitungszeit, die seinem ersten Hervor¬
treten in dein Wettbewerb der Völker, dem japanisch-chinesischen Kriege von 1894,
^herging, hat Japan dazu benutzt, sich ein wohlorganisiertcs. die Volks-
krnft des Landes vollständig ausnutzendes Heer zu schaffen. Die Flotte genügte
""r. sich im Kampfe mit den mangelhaft geführten chinesischen Schiffen den
Seeweg zum Festlande hinüber zu erobern. Dieser erste Krieg zeigte dann
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