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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Schulz, Hauptmann

Wer Odo! Konsequent täg¬
lich vorschriftsmäßig an-
wendet, übt die nach den"
Kentige" Stande derMi ssen-
schaft denkbar beste Zahn-
und Mnndvflsge an".

Der Krieg und das Völkerrecht

le das Recht innerhalb der Nationen seine Wurzeln in unge¬
schriebnen gemeinsamen Anschauungen der Volksangehörigen hatte,
durch die Einsicht klugerer Elemente geläutert und durch die
Macht der Gewalthaber zu allgemeinerer Anerkennung gebracht
wurde, so ist es auch mit dem internationalen Recht, Nur das
wichtige Stadium der gewaltsamen Aufrechterhaltung fehlt bis jetzt noch. Es
gibt unter deu Völker" noch nichts, was der Staatsgewalt unter den Volks¬
genosse" ähnlich sähe. Jede Macht ist souverän und findet nur an der Souve¬
ränität andrer ihre Grenze. Kleine Anfänge einer gewissen Weltpolizei, die
die Großmächte, sei es einzeln, sei es auf Vereinbarung, an schwächern, zer¬
rütteten oder halbzivilisierten Staaten -- zuweilen auch nur im Interesse des
Friedens -- üben, spielen noch eine geringe Rolle. Vielleicht entwickeln sie
sich in der Zukunft iveiter. Zum Vorteil menschlicher Gesittung wäre das
sehr zu wünschen. Einige wenige Vereinbarungen allgemeinen Charakters unter
maßgebende!? Nationen haben beinahe den Rang eines anerkannten Völker¬
rechts erlangt, so zum Beispiel die Genfer Konvention über das Rote Kreuz;
auch die Pariser Seerechtsdeklarativu von 1856. Aber eben diese zeigen klar
den Unterschied zwischen ihnen, dem Völkerrecht und einem ordnungsmäßigen
Nechtsznstnnde. Nur auf Grund freiwilliger Zustimmungserklärung ist in der
Pariser Deklaration die Kaperei abgeschafft worden, und nur von einigen Staaten,
^apan hat sich diesen mit seinem Eintritt in die Reihe der modernen Kultur-
staaten angeschlossen. Die Vereinigten Staaten nicht; sie hielten 1856 an dem
Grundsatz fest: "Das Privateigentum zur See ist frei," und als er dnrch
Englands Widerstand zu Fall gebracht wurde, traten die Vereinigten Staaten
7^ ganzen Pariser Deklaration nicht bei. Ebensowenig hatte Spanien sich
ehr angeschlossen. Doch so mächtig war das moralische Ansehe" dieses Ver¬
trags, daß die beiden Staaten im letzten Kriege einander behandelten, als ge¬
hörten sie beide zu den Unterzeichner". Auch die Nichtverweudung von kleinen
Explosivkngel" ist ein Ergebnis solcher Vereinbarung.

Abgesehen von diesen sehr spärlichen Verträgen beruht das ganze Völker¬
recht nur auf der Sitte, dem Herkommen, den sorgfältig verzeichneten und er¬
läuterten Präzedenzfällen und dein großen Ansehen, das die Völkerrechts-


Greüzbvten II 1W4 57



Schulz, Hauptmann

Wer Odo! Konsequent täg¬
lich vorschriftsmäßig an-
wendet, übt die nach den»
Kentige» Stande derMi ssen-
schaft denkbar beste Zahn-
und Mnndvflsge an«.

Der Krieg und das Völkerrecht

le das Recht innerhalb der Nationen seine Wurzeln in unge¬
schriebnen gemeinsamen Anschauungen der Volksangehörigen hatte,
durch die Einsicht klugerer Elemente geläutert und durch die
Macht der Gewalthaber zu allgemeinerer Anerkennung gebracht
wurde, so ist es auch mit dem internationalen Recht, Nur das
wichtige Stadium der gewaltsamen Aufrechterhaltung fehlt bis jetzt noch. Es
gibt unter deu Völker« noch nichts, was der Staatsgewalt unter den Volks¬
genosse» ähnlich sähe. Jede Macht ist souverän und findet nur an der Souve¬
ränität andrer ihre Grenze. Kleine Anfänge einer gewissen Weltpolizei, die
die Großmächte, sei es einzeln, sei es auf Vereinbarung, an schwächern, zer¬
rütteten oder halbzivilisierten Staaten — zuweilen auch nur im Interesse des
Friedens — üben, spielen noch eine geringe Rolle. Vielleicht entwickeln sie
sich in der Zukunft iveiter. Zum Vorteil menschlicher Gesittung wäre das
sehr zu wünschen. Einige wenige Vereinbarungen allgemeinen Charakters unter
maßgebende!? Nationen haben beinahe den Rang eines anerkannten Völker¬
rechts erlangt, so zum Beispiel die Genfer Konvention über das Rote Kreuz;
auch die Pariser Seerechtsdeklarativu von 1856. Aber eben diese zeigen klar
den Unterschied zwischen ihnen, dem Völkerrecht und einem ordnungsmäßigen
Nechtsznstnnde. Nur auf Grund freiwilliger Zustimmungserklärung ist in der
Pariser Deklaration die Kaperei abgeschafft worden, und nur von einigen Staaten,
^apan hat sich diesen mit seinem Eintritt in die Reihe der modernen Kultur-
staaten angeschlossen. Die Vereinigten Staaten nicht; sie hielten 1856 an dem
Grundsatz fest: „Das Privateigentum zur See ist frei," und als er dnrch
Englands Widerstand zu Fall gebracht wurde, traten die Vereinigten Staaten
7^ ganzen Pariser Deklaration nicht bei. Ebensowenig hatte Spanien sich
ehr angeschlossen. Doch so mächtig war das moralische Ansehe» dieses Ver¬
trags, daß die beiden Staaten im letzten Kriege einander behandelten, als ge¬
hörten sie beide zu den Unterzeichner». Auch die Nichtverweudung von kleinen
Explosivkngel» ist ein Ergebnis solcher Vereinbarung.

Abgesehen von diesen sehr spärlichen Verträgen beruht das ganze Völker¬
recht nur auf der Sitte, dem Herkommen, den sorgfältig verzeichneten und er¬
läuterten Präzedenzfällen und dein großen Ansehen, das die Völkerrechts-


Greüzbvten II 1W4 57
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[0433] [Abbildung] Schulz, Hauptmann Wer Odo! Konsequent täg¬ lich vorschriftsmäßig an- wendet, übt die nach den» Kentige» Stande derMi ssen- schaft denkbar beste Zahn- und Mnndvflsge an«. Der Krieg und das Völkerrecht le das Recht innerhalb der Nationen seine Wurzeln in unge¬ schriebnen gemeinsamen Anschauungen der Volksangehörigen hatte, durch die Einsicht klugerer Elemente geläutert und durch die Macht der Gewalthaber zu allgemeinerer Anerkennung gebracht wurde, so ist es auch mit dem internationalen Recht, Nur das wichtige Stadium der gewaltsamen Aufrechterhaltung fehlt bis jetzt noch. Es gibt unter deu Völker« noch nichts, was der Staatsgewalt unter den Volks¬ genosse» ähnlich sähe. Jede Macht ist souverän und findet nur an der Souve¬ ränität andrer ihre Grenze. Kleine Anfänge einer gewissen Weltpolizei, die die Großmächte, sei es einzeln, sei es auf Vereinbarung, an schwächern, zer¬ rütteten oder halbzivilisierten Staaten — zuweilen auch nur im Interesse des Friedens — üben, spielen noch eine geringe Rolle. Vielleicht entwickeln sie sich in der Zukunft iveiter. Zum Vorteil menschlicher Gesittung wäre das sehr zu wünschen. Einige wenige Vereinbarungen allgemeinen Charakters unter maßgebende!? Nationen haben beinahe den Rang eines anerkannten Völker¬ rechts erlangt, so zum Beispiel die Genfer Konvention über das Rote Kreuz; auch die Pariser Seerechtsdeklarativu von 1856. Aber eben diese zeigen klar den Unterschied zwischen ihnen, dem Völkerrecht und einem ordnungsmäßigen Nechtsznstnnde. Nur auf Grund freiwilliger Zustimmungserklärung ist in der Pariser Deklaration die Kaperei abgeschafft worden, und nur von einigen Staaten, ^apan hat sich diesen mit seinem Eintritt in die Reihe der modernen Kultur- staaten angeschlossen. Die Vereinigten Staaten nicht; sie hielten 1856 an dem Grundsatz fest: „Das Privateigentum zur See ist frei," und als er dnrch Englands Widerstand zu Fall gebracht wurde, traten die Vereinigten Staaten 7^ ganzen Pariser Deklaration nicht bei. Ebensowenig hatte Spanien sich ehr angeschlossen. Doch so mächtig war das moralische Ansehe» dieses Ver¬ trags, daß die beiden Staaten im letzten Kriege einander behandelten, als ge¬ hörten sie beide zu den Unterzeichner». Auch die Nichtverweudung von kleinen Explosivkngel» ist ein Ergebnis solcher Vereinbarung. Abgesehen von diesen sehr spärlichen Verträgen beruht das ganze Völker¬ recht nur auf der Sitte, dem Herkommen, den sorgfältig verzeichneten und er¬ läuterten Präzedenzfällen und dein großen Ansehen, das die Völkerrechts- Greüzbvten II 1W4 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/433>, abgerufen am 25.07.2024.