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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen

Hobrecht, ja noch nicht informiert sei. Der Kronprinz wolle nach seiner Rückkehr
von Wiesbaden spezieller mit ihm über die Sache sprechen. Inzwischen werde er,
Hobrecht, sich informieren und dann dem Grafen Stolberg sagen, zu welchem Er¬
gebnis er gekommen sei. Er sprach dann über den Welfenfonds. Er werde der
von Bismarck in Aussicht genommenen Einziehung des beschlagnahmten Vermögens
nicht beistimmen. Er halte das geradezu "für ein Verbrechen." Man schaffe sich
dadurch in Hannover eine Vendee. In der Frage, ob man nach dem Tode des
Königs Georg über die Revenuen noch ohne weiteres verfügen dürfe, sei er, der
Finanzminister, im Staatsministerium schon schriftlich überstimmt; er halte aller¬
dings an seiner Ansicht fest und werde eventuell die Entscheidung des Königs ein¬
holen. Für dieses Jahr halte er die Verwendung der Revenuen noch für zulässig.
Wenn man deshalb im übrigen die Entscheidung bis zum Zusammentritt des
Landtags verschieben wolle, so habe er nichts dagegen. Schriftlich werde er nicht
noch einmal votieren, und er rechne auf eine baldige Sitzung des Staatsministeriums.
Ich stellte sie etwa für Donnerstag in Aussicht. Der Finanzminister machte mir
auch heute wieder den Eindruck eines ehrlichen Mannes, der sorgfaltig bemüht ist,
den rechten Weg zu finden. Schwer genug mag ihn die Last seines undankbaren
Amtes drücken.

Professor Beyschlag führt in seinen "Erinnerungen an Albrecht Wolters" in
den Deutsch-evangelischen Blättern eine Äußerung Wolters an, die mir recht nahe
geht: "Heise uns der gnädige Gott zu Lebensverhältnissen, in denen nicht immer
nur der Schmutz aus den Ecken wegzufegen ist; es ist nicht das Beste und Mensch¬
lichste, nur Löcher zu graben, um das Haus zu gründen, sondern Grundlegen und
Bauen -- das ist die Lust."

Von solcher grundlegenden und bauenden Tätigkeit bin ich amtlich jetzt so
gut wie ausgeschlossen. Im Kultusministerium hatte ich sie, zwar auf einem be¬
schränkten Gebiete, aber es war doch ein dankbares Aufbauen und andern Helfen.
Jetzt bin ich ein wenig beschäftigter Sekretär und werde das Bewußtsein, unfrucht¬
bar beschäftigt zu sein, nicht recht los. Aber ich habe mir dieses Los ja nicht ge¬
sucht und gemacht. Wenn ich nur in dem Wenigen, was mir befohlen ist, meine
Pflicht tue und mich daran genügen lasse, so kann ich wahrlich eben so zufrieden
sein, wie Graf Wilhelm Bismarck im Spezialbnreau seines Vaters.

15. April. Ich machte einen vergeblichen Versuch bei dem Unterstaats¬
sekretär Sydow, mich von dem Referat über das Medizinalorganisationsgesetz los¬
zumachen, das man mir aufgehalst hat. Dabei erfuhr ich allerhand Befürchtungen,
die man im Kultusministerium hegt. Sie besorgen dort, daß Graf Eulenburg
Vizepräsident des Staatsministeriums werden solle, falls Graf Stolberg als Statt¬
halter nach dem Elsaß gehe. Sydow meinte, das könne sich weder Falk noch
Friedenthal gefallen lassen. Daraus wird zunächst schwerlich etwas werden. Mir
ist es zweifelhaft, ob Graf Stolberg nach Straßburg gehn würde. Noch zweifel¬
hafter erscheint mir die Ernennung des Grafen Botho Eulenburg zum Vizepräsi¬
denten des Staatsministeriums, da Fürst Bismarck notorisch dem Grasen Eulenburg
nicht sehr gewogen ist. Wenn es aber wirklich dahin käme, so bin ich fest über¬
zeugt, daß die Minister Falk und Friedenthal es sich doch gefallen lassen würden.
Denn dabei kann das Dienstalter allein nicht entscheiden, und wenn der Kaiser
den Grafen Eulenburg ernennen will, würde es einen kleinlichen Eindruck
machen, wenn deshalb ein andrer Minister den Abschied fordern wollte. Aber sie
fürchten sich, wo nichts zu fürchten ist. Auch das ist für unsre Zustände be¬
zeichnend.

Wegen der bevorstehenden Besetzung der Stelle des Vizepräsidenten bet der
Regierung in Schleswig wurde kürzlich über die Vorliebe des Grafen Eulenburg
für die Aristokratie geklagt. Ich weiß nicht, inwieweit eine solche Vorliebe besteht.
Unmöglich ist sie ja nicht; aber ich glaube nicht, daß Graf Eulenburg einen un¬
tüchtigen Adlichen einem tüchtigen Bürgerlichen vorziehn sollte.


Erinnerungen

Hobrecht, ja noch nicht informiert sei. Der Kronprinz wolle nach seiner Rückkehr
von Wiesbaden spezieller mit ihm über die Sache sprechen. Inzwischen werde er,
Hobrecht, sich informieren und dann dem Grafen Stolberg sagen, zu welchem Er¬
gebnis er gekommen sei. Er sprach dann über den Welfenfonds. Er werde der
von Bismarck in Aussicht genommenen Einziehung des beschlagnahmten Vermögens
nicht beistimmen. Er halte das geradezu „für ein Verbrechen." Man schaffe sich
dadurch in Hannover eine Vendee. In der Frage, ob man nach dem Tode des
Königs Georg über die Revenuen noch ohne weiteres verfügen dürfe, sei er, der
Finanzminister, im Staatsministerium schon schriftlich überstimmt; er halte aller¬
dings an seiner Ansicht fest und werde eventuell die Entscheidung des Königs ein¬
holen. Für dieses Jahr halte er die Verwendung der Revenuen noch für zulässig.
Wenn man deshalb im übrigen die Entscheidung bis zum Zusammentritt des
Landtags verschieben wolle, so habe er nichts dagegen. Schriftlich werde er nicht
noch einmal votieren, und er rechne auf eine baldige Sitzung des Staatsministeriums.
Ich stellte sie etwa für Donnerstag in Aussicht. Der Finanzminister machte mir
auch heute wieder den Eindruck eines ehrlichen Mannes, der sorgfaltig bemüht ist,
den rechten Weg zu finden. Schwer genug mag ihn die Last seines undankbaren
Amtes drücken.

Professor Beyschlag führt in seinen „Erinnerungen an Albrecht Wolters" in
den Deutsch-evangelischen Blättern eine Äußerung Wolters an, die mir recht nahe
geht: „Heise uns der gnädige Gott zu Lebensverhältnissen, in denen nicht immer
nur der Schmutz aus den Ecken wegzufegen ist; es ist nicht das Beste und Mensch¬
lichste, nur Löcher zu graben, um das Haus zu gründen, sondern Grundlegen und
Bauen — das ist die Lust."

Von solcher grundlegenden und bauenden Tätigkeit bin ich amtlich jetzt so
gut wie ausgeschlossen. Im Kultusministerium hatte ich sie, zwar auf einem be¬
schränkten Gebiete, aber es war doch ein dankbares Aufbauen und andern Helfen.
Jetzt bin ich ein wenig beschäftigter Sekretär und werde das Bewußtsein, unfrucht¬
bar beschäftigt zu sein, nicht recht los. Aber ich habe mir dieses Los ja nicht ge¬
sucht und gemacht. Wenn ich nur in dem Wenigen, was mir befohlen ist, meine
Pflicht tue und mich daran genügen lasse, so kann ich wahrlich eben so zufrieden
sein, wie Graf Wilhelm Bismarck im Spezialbnreau seines Vaters.

15. April. Ich machte einen vergeblichen Versuch bei dem Unterstaats¬
sekretär Sydow, mich von dem Referat über das Medizinalorganisationsgesetz los¬
zumachen, das man mir aufgehalst hat. Dabei erfuhr ich allerhand Befürchtungen,
die man im Kultusministerium hegt. Sie besorgen dort, daß Graf Eulenburg
Vizepräsident des Staatsministeriums werden solle, falls Graf Stolberg als Statt¬
halter nach dem Elsaß gehe. Sydow meinte, das könne sich weder Falk noch
Friedenthal gefallen lassen. Daraus wird zunächst schwerlich etwas werden. Mir
ist es zweifelhaft, ob Graf Stolberg nach Straßburg gehn würde. Noch zweifel¬
hafter erscheint mir die Ernennung des Grafen Botho Eulenburg zum Vizepräsi¬
denten des Staatsministeriums, da Fürst Bismarck notorisch dem Grasen Eulenburg
nicht sehr gewogen ist. Wenn es aber wirklich dahin käme, so bin ich fest über¬
zeugt, daß die Minister Falk und Friedenthal es sich doch gefallen lassen würden.
Denn dabei kann das Dienstalter allein nicht entscheiden, und wenn der Kaiser
den Grafen Eulenburg ernennen will, würde es einen kleinlichen Eindruck
machen, wenn deshalb ein andrer Minister den Abschied fordern wollte. Aber sie
fürchten sich, wo nichts zu fürchten ist. Auch das ist für unsre Zustände be¬
zeichnend.

Wegen der bevorstehenden Besetzung der Stelle des Vizepräsidenten bet der
Regierung in Schleswig wurde kürzlich über die Vorliebe des Grafen Eulenburg
für die Aristokratie geklagt. Ich weiß nicht, inwieweit eine solche Vorliebe besteht.
Unmöglich ist sie ja nicht; aber ich glaube nicht, daß Graf Eulenburg einen un¬
tüchtigen Adlichen einem tüchtigen Bürgerlichen vorziehn sollte.


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[0416] Erinnerungen Hobrecht, ja noch nicht informiert sei. Der Kronprinz wolle nach seiner Rückkehr von Wiesbaden spezieller mit ihm über die Sache sprechen. Inzwischen werde er, Hobrecht, sich informieren und dann dem Grafen Stolberg sagen, zu welchem Er¬ gebnis er gekommen sei. Er sprach dann über den Welfenfonds. Er werde der von Bismarck in Aussicht genommenen Einziehung des beschlagnahmten Vermögens nicht beistimmen. Er halte das geradezu „für ein Verbrechen." Man schaffe sich dadurch in Hannover eine Vendee. In der Frage, ob man nach dem Tode des Königs Georg über die Revenuen noch ohne weiteres verfügen dürfe, sei er, der Finanzminister, im Staatsministerium schon schriftlich überstimmt; er halte aller¬ dings an seiner Ansicht fest und werde eventuell die Entscheidung des Königs ein¬ holen. Für dieses Jahr halte er die Verwendung der Revenuen noch für zulässig. Wenn man deshalb im übrigen die Entscheidung bis zum Zusammentritt des Landtags verschieben wolle, so habe er nichts dagegen. Schriftlich werde er nicht noch einmal votieren, und er rechne auf eine baldige Sitzung des Staatsministeriums. Ich stellte sie etwa für Donnerstag in Aussicht. Der Finanzminister machte mir auch heute wieder den Eindruck eines ehrlichen Mannes, der sorgfaltig bemüht ist, den rechten Weg zu finden. Schwer genug mag ihn die Last seines undankbaren Amtes drücken. Professor Beyschlag führt in seinen „Erinnerungen an Albrecht Wolters" in den Deutsch-evangelischen Blättern eine Äußerung Wolters an, die mir recht nahe geht: „Heise uns der gnädige Gott zu Lebensverhältnissen, in denen nicht immer nur der Schmutz aus den Ecken wegzufegen ist; es ist nicht das Beste und Mensch¬ lichste, nur Löcher zu graben, um das Haus zu gründen, sondern Grundlegen und Bauen — das ist die Lust." Von solcher grundlegenden und bauenden Tätigkeit bin ich amtlich jetzt so gut wie ausgeschlossen. Im Kultusministerium hatte ich sie, zwar auf einem be¬ schränkten Gebiete, aber es war doch ein dankbares Aufbauen und andern Helfen. Jetzt bin ich ein wenig beschäftigter Sekretär und werde das Bewußtsein, unfrucht¬ bar beschäftigt zu sein, nicht recht los. Aber ich habe mir dieses Los ja nicht ge¬ sucht und gemacht. Wenn ich nur in dem Wenigen, was mir befohlen ist, meine Pflicht tue und mich daran genügen lasse, so kann ich wahrlich eben so zufrieden sein, wie Graf Wilhelm Bismarck im Spezialbnreau seines Vaters. 15. April. Ich machte einen vergeblichen Versuch bei dem Unterstaats¬ sekretär Sydow, mich von dem Referat über das Medizinalorganisationsgesetz los¬ zumachen, das man mir aufgehalst hat. Dabei erfuhr ich allerhand Befürchtungen, die man im Kultusministerium hegt. Sie besorgen dort, daß Graf Eulenburg Vizepräsident des Staatsministeriums werden solle, falls Graf Stolberg als Statt¬ halter nach dem Elsaß gehe. Sydow meinte, das könne sich weder Falk noch Friedenthal gefallen lassen. Daraus wird zunächst schwerlich etwas werden. Mir ist es zweifelhaft, ob Graf Stolberg nach Straßburg gehn würde. Noch zweifel¬ hafter erscheint mir die Ernennung des Grafen Botho Eulenburg zum Vizepräsi¬ denten des Staatsministeriums, da Fürst Bismarck notorisch dem Grasen Eulenburg nicht sehr gewogen ist. Wenn es aber wirklich dahin käme, so bin ich fest über¬ zeugt, daß die Minister Falk und Friedenthal es sich doch gefallen lassen würden. Denn dabei kann das Dienstalter allein nicht entscheiden, und wenn der Kaiser den Grafen Eulenburg ernennen will, würde es einen kleinlichen Eindruck machen, wenn deshalb ein andrer Minister den Abschied fordern wollte. Aber sie fürchten sich, wo nichts zu fürchten ist. Auch das ist für unsre Zustände be¬ zeichnend. Wegen der bevorstehenden Besetzung der Stelle des Vizepräsidenten bet der Regierung in Schleswig wurde kürzlich über die Vorliebe des Grafen Eulenburg für die Aristokratie geklagt. Ich weiß nicht, inwieweit eine solche Vorliebe besteht. Unmöglich ist sie ja nicht; aber ich glaube nicht, daß Graf Eulenburg einen un¬ tüchtigen Adlichen einem tüchtigen Bürgerlichen vorziehn sollte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/416>, abgerufen am 04.07.2024.