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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen

eine gegen seine, des Kaisers, Intentionen und Autorität gerichtete Intrigue zu
sehen. Diese Ansicht des Kaisers beruht auf Irrtum. Und doch hat man den
Eindruck, als sei dieser Pfeil von andrer Seite abgeschossen. Wo kommt er her?

Heute Abend fand beim Hofprediger Kögel eine Sitzung des Kirchbauvereins
statt. Kögel bat mich, nach der Sitzung noch einen Augenblick dazubleiben.
Dann fragte er mich, ob denn von dem Grafen Stolberg gar nicht zu erwarten
sei, daß er etwas für die Kirche tue. Auf meine etwas erstaunte Gegenfrage:
Wieso? kam dann heraus, daß der Minister Falk fort müsse; er sei das liberale
Element im Ministerium und hindre alle Selbständigkeit der evangelischen Kirche.
Auf meine Frage, ob Kögel denn einen andern Kultusminister wisse, erwiderte er:
Genug; er habe schon vor drei Jahren dem Grafen Stolberg gesagt, daß er,
Stolberg, eine Weile Kultusminister werden müsse; auch den Oberpräsidenten von
Puttkamer in Breslau und den Grafen Arnim-Boytzenburg bezeichnete er als ge¬
eignet. Ich war über das ganze Gespräch einigermaßen erschrocken, habe mich jeder
Äußerung zu enthalten getrachtet und fast nur zugehört, aber auch das bloße Zu¬
hören war mir peinlich, da mein amtliches Wissen von diesen Dingen mir die
engsten Schranken der Diskretion zieht. Und wenn es von Kögel auch nicht so
gemeint war, so lag doch die Besorgnis gar zu nahe, daß es darauf abgesehen
sein könne, mich auszuholen oder mich für die besondern Interessen der Hofprediger
oder ihrer Partei zu engagieren. Dem bin ich mit Absicht ausgewichen.

Kögel betonte, daß er persönlich nichts gegen Falk und nichts gegen den
Kulturkampf habe. Im Gegenteil, er erkenne den Kulturkampf als notwendig an.
Aber der Minister Falk sei eine unhistorische Persönlichkeit; seine ganze Anschauung
sei exklusiv juristisch-dogmatisch; er fürchte sich vor der liberalen Majorität des
Abgeordnetenhauses und habe ihr von den Lebensbedingungen der evangelischen
Kirche mehr geopfert, als er ursprünglich selbst gewollt habe. Unsäglich sei der
Schaden, den er mit der tendenziösen Simultanisierung der Volksschule angerichtet
habe und noch immerfort anrichte. Kögel wollte mir sein persönliches Verhältnis
zu Falk historisch von den ersten Anfängen an entwickeln. Ich unterbrach aber
diese Auseinandersetzung, weil sie endlos zu werden drohte. Aber ich war doch
über dieses von Kögel mit unverkennbarer Absichtlichkeit herbeigeführte Gespräch
nicht wenig betreten. Später kam Stöcker dazu. Vielleicht nicht bloß zufällig.
Er sprach in demselben Sinne wie Kögel, aber viel energischer. Falk, sagte er,
habe den Staat der Christlichkeit entkleidet. Das habe man hingenommen in der
Erwartung, daß er die evangelische Kirche selbständig machen werde. Statt dessen
habe Falk sie mehr geknebelt denn je. Kein Superintendent könne mehr ernannt
werden ohne Zustimmung des Ministers, also des Staats, das heiße doch die
Kirche tatsächlich vom Staat aus weiter regieren! (?) Der Kaiser sei tief verletzt
durch die in der letzten Stunde vor der Wiederübernahme der Negierung beim
Kronprinzen durchgesetzte Ernennung von Richter und Schmidt in den Evangelischen
Oberkirchenrat, denn der Kaiser habe im Mai dem Kultusminister geschrieben, er
wünsche den Geheimen Oberregierungsrat de la Croix zum weltlichen Vizepräsi¬
denten des Oberkirchenrath zu ernennen; dies sei sogar öffentlich bekannt geworden,
und nun habe man seine Krankheit benutzt, um diese Ernennung unmöglich zu
machen. Darin sehe er eine Verletzung seiner königlichen Autorität, die er nicht
ruhig hinnehmen könne.

Es ist richtig, daß die Nachricht wegen der beabsichtigten Ernennung von
de la Croix damals durch die Zeitungen ging, und zwar brachte die Magdeburgische
Zeitung diese Nachricht zuerst; es ist wahrscheinlich, daß die Quelle dafür das
Kultusministerium war.

Liegt die Sache so, so mag wenig Aussicht für Falk sein, es wäre denn, daß
Fürst Bismarck von Falls Bleiben sein eignes abhängig machte. Das scheint aber
nach dem erwähnten Briefe nicht seine Absicht zu sein.

Die Hofprediger versichern, der Kaiser spreche nie über Politik mit ihnen.
Ich glaube das; es entspricht ganz dem sichern Geschäftstakte des Kaisers. Aber


Erinnerungen

eine gegen seine, des Kaisers, Intentionen und Autorität gerichtete Intrigue zu
sehen. Diese Ansicht des Kaisers beruht auf Irrtum. Und doch hat man den
Eindruck, als sei dieser Pfeil von andrer Seite abgeschossen. Wo kommt er her?

Heute Abend fand beim Hofprediger Kögel eine Sitzung des Kirchbauvereins
statt. Kögel bat mich, nach der Sitzung noch einen Augenblick dazubleiben.
Dann fragte er mich, ob denn von dem Grafen Stolberg gar nicht zu erwarten
sei, daß er etwas für die Kirche tue. Auf meine etwas erstaunte Gegenfrage:
Wieso? kam dann heraus, daß der Minister Falk fort müsse; er sei das liberale
Element im Ministerium und hindre alle Selbständigkeit der evangelischen Kirche.
Auf meine Frage, ob Kögel denn einen andern Kultusminister wisse, erwiderte er:
Genug; er habe schon vor drei Jahren dem Grafen Stolberg gesagt, daß er,
Stolberg, eine Weile Kultusminister werden müsse; auch den Oberpräsidenten von
Puttkamer in Breslau und den Grafen Arnim-Boytzenburg bezeichnete er als ge¬
eignet. Ich war über das ganze Gespräch einigermaßen erschrocken, habe mich jeder
Äußerung zu enthalten getrachtet und fast nur zugehört, aber auch das bloße Zu¬
hören war mir peinlich, da mein amtliches Wissen von diesen Dingen mir die
engsten Schranken der Diskretion zieht. Und wenn es von Kögel auch nicht so
gemeint war, so lag doch die Besorgnis gar zu nahe, daß es darauf abgesehen
sein könne, mich auszuholen oder mich für die besondern Interessen der Hofprediger
oder ihrer Partei zu engagieren. Dem bin ich mit Absicht ausgewichen.

Kögel betonte, daß er persönlich nichts gegen Falk und nichts gegen den
Kulturkampf habe. Im Gegenteil, er erkenne den Kulturkampf als notwendig an.
Aber der Minister Falk sei eine unhistorische Persönlichkeit; seine ganze Anschauung
sei exklusiv juristisch-dogmatisch; er fürchte sich vor der liberalen Majorität des
Abgeordnetenhauses und habe ihr von den Lebensbedingungen der evangelischen
Kirche mehr geopfert, als er ursprünglich selbst gewollt habe. Unsäglich sei der
Schaden, den er mit der tendenziösen Simultanisierung der Volksschule angerichtet
habe und noch immerfort anrichte. Kögel wollte mir sein persönliches Verhältnis
zu Falk historisch von den ersten Anfängen an entwickeln. Ich unterbrach aber
diese Auseinandersetzung, weil sie endlos zu werden drohte. Aber ich war doch
über dieses von Kögel mit unverkennbarer Absichtlichkeit herbeigeführte Gespräch
nicht wenig betreten. Später kam Stöcker dazu. Vielleicht nicht bloß zufällig.
Er sprach in demselben Sinne wie Kögel, aber viel energischer. Falk, sagte er,
habe den Staat der Christlichkeit entkleidet. Das habe man hingenommen in der
Erwartung, daß er die evangelische Kirche selbständig machen werde. Statt dessen
habe Falk sie mehr geknebelt denn je. Kein Superintendent könne mehr ernannt
werden ohne Zustimmung des Ministers, also des Staats, das heiße doch die
Kirche tatsächlich vom Staat aus weiter regieren! (?) Der Kaiser sei tief verletzt
durch die in der letzten Stunde vor der Wiederübernahme der Negierung beim
Kronprinzen durchgesetzte Ernennung von Richter und Schmidt in den Evangelischen
Oberkirchenrat, denn der Kaiser habe im Mai dem Kultusminister geschrieben, er
wünsche den Geheimen Oberregierungsrat de la Croix zum weltlichen Vizepräsi¬
denten des Oberkirchenrath zu ernennen; dies sei sogar öffentlich bekannt geworden,
und nun habe man seine Krankheit benutzt, um diese Ernennung unmöglich zu
machen. Darin sehe er eine Verletzung seiner königlichen Autorität, die er nicht
ruhig hinnehmen könne.

Es ist richtig, daß die Nachricht wegen der beabsichtigten Ernennung von
de la Croix damals durch die Zeitungen ging, und zwar brachte die Magdeburgische
Zeitung diese Nachricht zuerst; es ist wahrscheinlich, daß die Quelle dafür das
Kultusministerium war.

Liegt die Sache so, so mag wenig Aussicht für Falk sein, es wäre denn, daß
Fürst Bismarck von Falls Bleiben sein eignes abhängig machte. Das scheint aber
nach dem erwähnten Briefe nicht seine Absicht zu sein.

Die Hofprediger versichern, der Kaiser spreche nie über Politik mit ihnen.
Ich glaube das; es entspricht ganz dem sichern Geschäftstakte des Kaisers. Aber


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[0412] Erinnerungen eine gegen seine, des Kaisers, Intentionen und Autorität gerichtete Intrigue zu sehen. Diese Ansicht des Kaisers beruht auf Irrtum. Und doch hat man den Eindruck, als sei dieser Pfeil von andrer Seite abgeschossen. Wo kommt er her? Heute Abend fand beim Hofprediger Kögel eine Sitzung des Kirchbauvereins statt. Kögel bat mich, nach der Sitzung noch einen Augenblick dazubleiben. Dann fragte er mich, ob denn von dem Grafen Stolberg gar nicht zu erwarten sei, daß er etwas für die Kirche tue. Auf meine etwas erstaunte Gegenfrage: Wieso? kam dann heraus, daß der Minister Falk fort müsse; er sei das liberale Element im Ministerium und hindre alle Selbständigkeit der evangelischen Kirche. Auf meine Frage, ob Kögel denn einen andern Kultusminister wisse, erwiderte er: Genug; er habe schon vor drei Jahren dem Grafen Stolberg gesagt, daß er, Stolberg, eine Weile Kultusminister werden müsse; auch den Oberpräsidenten von Puttkamer in Breslau und den Grafen Arnim-Boytzenburg bezeichnete er als ge¬ eignet. Ich war über das ganze Gespräch einigermaßen erschrocken, habe mich jeder Äußerung zu enthalten getrachtet und fast nur zugehört, aber auch das bloße Zu¬ hören war mir peinlich, da mein amtliches Wissen von diesen Dingen mir die engsten Schranken der Diskretion zieht. Und wenn es von Kögel auch nicht so gemeint war, so lag doch die Besorgnis gar zu nahe, daß es darauf abgesehen sein könne, mich auszuholen oder mich für die besondern Interessen der Hofprediger oder ihrer Partei zu engagieren. Dem bin ich mit Absicht ausgewichen. Kögel betonte, daß er persönlich nichts gegen Falk und nichts gegen den Kulturkampf habe. Im Gegenteil, er erkenne den Kulturkampf als notwendig an. Aber der Minister Falk sei eine unhistorische Persönlichkeit; seine ganze Anschauung sei exklusiv juristisch-dogmatisch; er fürchte sich vor der liberalen Majorität des Abgeordnetenhauses und habe ihr von den Lebensbedingungen der evangelischen Kirche mehr geopfert, als er ursprünglich selbst gewollt habe. Unsäglich sei der Schaden, den er mit der tendenziösen Simultanisierung der Volksschule angerichtet habe und noch immerfort anrichte. Kögel wollte mir sein persönliches Verhältnis zu Falk historisch von den ersten Anfängen an entwickeln. Ich unterbrach aber diese Auseinandersetzung, weil sie endlos zu werden drohte. Aber ich war doch über dieses von Kögel mit unverkennbarer Absichtlichkeit herbeigeführte Gespräch nicht wenig betreten. Später kam Stöcker dazu. Vielleicht nicht bloß zufällig. Er sprach in demselben Sinne wie Kögel, aber viel energischer. Falk, sagte er, habe den Staat der Christlichkeit entkleidet. Das habe man hingenommen in der Erwartung, daß er die evangelische Kirche selbständig machen werde. Statt dessen habe Falk sie mehr geknebelt denn je. Kein Superintendent könne mehr ernannt werden ohne Zustimmung des Ministers, also des Staats, das heiße doch die Kirche tatsächlich vom Staat aus weiter regieren! (?) Der Kaiser sei tief verletzt durch die in der letzten Stunde vor der Wiederübernahme der Negierung beim Kronprinzen durchgesetzte Ernennung von Richter und Schmidt in den Evangelischen Oberkirchenrat, denn der Kaiser habe im Mai dem Kultusminister geschrieben, er wünsche den Geheimen Oberregierungsrat de la Croix zum weltlichen Vizepräsi¬ denten des Oberkirchenrath zu ernennen; dies sei sogar öffentlich bekannt geworden, und nun habe man seine Krankheit benutzt, um diese Ernennung unmöglich zu machen. Darin sehe er eine Verletzung seiner königlichen Autorität, die er nicht ruhig hinnehmen könne. Es ist richtig, daß die Nachricht wegen der beabsichtigten Ernennung von de la Croix damals durch die Zeitungen ging, und zwar brachte die Magdeburgische Zeitung diese Nachricht zuerst; es ist wahrscheinlich, daß die Quelle dafür das Kultusministerium war. Liegt die Sache so, so mag wenig Aussicht für Falk sein, es wäre denn, daß Fürst Bismarck von Falls Bleiben sein eignes abhängig machte. Das scheint aber nach dem erwähnten Briefe nicht seine Absicht zu sein. Die Hofprediger versichern, der Kaiser spreche nie über Politik mit ihnen. Ich glaube das; es entspricht ganz dem sichern Geschäftstakte des Kaisers. Aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/412>, abgerufen am 30.06.2024.