Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Reinhold Rosers "Friedrich der Große" worden war, wurde zuerst besucht; erst dann kehrte der König nach Berlin Erst dann ging der König daran, sein eignes Heim wieder zu ordnen. Die Es würde nun zu weit führen, wollten wir uns daran geben, die ganze Wir wollen lieber zum Schluß noch einmal den König in seiner Häuslichkeit Friedrich war aus dem Kriege gealtert in eine sich verjüngende Welt Reinhold Rosers „Friedrich der Große" worden war, wurde zuerst besucht; erst dann kehrte der König nach Berlin Erst dann ging der König daran, sein eignes Heim wieder zu ordnen. Die Es würde nun zu weit führen, wollten wir uns daran geben, die ganze Wir wollen lieber zum Schluß noch einmal den König in seiner Häuslichkeit Friedrich war aus dem Kriege gealtert in eine sich verjüngende Welt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294014"/> <fw type="header" place="top"> Reinhold Rosers „Friedrich der Große"</fw><lb/> <p xml:id="ID_1747" prev="#ID_1746"> worden war, wurde zuerst besucht; erst dann kehrte der König nach Berlin<lb/> zurück (Ende Mürz 1763). Das nächste Ziel war Pommern; Stargard,<lb/> Greifenberg, Treptow und das heiß umkämpfte Kolberg wurden hier besichtigt.<lb/> In die westlichen Provinzen begleitete der Prinz Ferdinand von Brciunschweig-<lb/> Bevern den König, der tapfere Wels, der Westfalen und Niedersachsen solange<lb/> gegen die Franzosen verteidigt hatte. Überall wurde das „Netablissement"<lb/> rasch gefördert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1748"> Erst dann ging der König daran, sein eignes Heim wieder zu ordnen. Die<lb/> Zeit der Tafelrunde von Sanssouci war dahin; Voltaire war, wie wir gesehen<lb/> haben, im Unfrieden geschieden, Maupertuis 1759 gestorben. Der König suchte,<lb/> um beide zu ersetzen, d'Alembert, das Haupt der Encyklopädisten, zu gewinnen.<lb/> Aber der Philosoph blieb nur zwei Monate an Friedrichs Hof und lehnte den<lb/> Vorsitz in der Akademie ab. Freiheitssinn und Heimweh bewogen ihn dazu;<lb/> allzu ungemütlich erschien ihm ein Hof, wo der König der einzige Mensch sei,<lb/> mit dem man eine Unterhaltung führen könne, „d. h. die Art von Konversation,<lb/> die man nur in Frankreich kennt, und die unentbehrlich wird, wenn man sie<lb/> einmal kennt." Einsamer wurde es um den König; die Franzosen verschwanden<lb/> allmählich völlig aus seiner Umgebung, die Männer aus des Königs militärischem<lb/> Gefolge konnten sie doch nur zum Teil ersetzen. Koser gibt uns von diesen<lb/> Männern und ihren Beziehungen zum Hofe ein anschauliches Bild. Im ganzen<lb/> gewinnt man den Eindruck, daß der König auch mit dieser Umgebung dasselbe<lb/> erlebt hat, was viele große Männer in ihrem Alter vor und nach ihm erfahren<lb/> haben; Bismarck spricht es einmal aus mit den Worten: „Man gewinnt keine<lb/> neuen Freunde, die alten sterben oder treten in verstimmter Bescheidenheit zurück."</p><lb/> <p xml:id="ID_1749"> Es würde nun zu weit führen, wollten wir uns daran geben, die ganze<lb/> Friedensarbeit des Königs: die Meliorationen in den einzelnen Provinzen, die<lb/> Gewerbe- und die Handelspolitik, die Justizpflege und die Kirchenpolitik zu<lb/> skizzieren. Nur so viel mag bemerkt werden, daß er auf allen diesen Gebieten<lb/> im allgemeinen in den Bahnen, die er in seiner ersten Friedenszeit eingeschlagen<lb/> hatte, fortarbeitete. Auf volkswirtschaftlichen Gebiete hielt der König mit<lb/> Zähigkeit an dem System des Merkantilismus, wir würden heute sagen: des<lb/> Schutzzolles, fest unter Abweisung der neu aufgestellten Theorien der franzö¬<lb/> sischen Physiokraten, und sein Staat hat sich im ganzen gut dabei gestanden;<lb/> die Lage der Bauern wurde erleichtert, die Reform der Justizpflege durch die<lb/> Ausarbeitung des Allgemeinen Preußischen Landrechts zum Abschluß gebracht.<lb/> Auf alles das und ebenso auf den Gang der äußern Politik: die Erwerbung<lb/> Westpreußens in der ersten Teilung Polens, den Bayrischen Erbfolgekrieg und<lb/> Friedrichs letzten großen diplomatischen Sieg: die Stiftung des deutschen Fürsten¬<lb/> bundes von 1785, durch die er nach Goethes Ausdruck sein „Übergewicht in<lb/> allem" aufs neue erhärtete, will ich nicht eingehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1750"> Wir wollen lieber zum Schluß noch einmal den König in seiner Häuslichkeit<lb/> aufsuchen und sein Fühlen und Denken in seinen alten Tagen kurz betrachten,<lb/> wie es uns Koser in dem schönen Kapitel „Der alte König und die neue Bildung"<lb/> schildert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1751" next="#ID_1752"> Friedrich war aus dem Kriege gealtert in eine sich verjüngende Welt</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
Reinhold Rosers „Friedrich der Große"
worden war, wurde zuerst besucht; erst dann kehrte der König nach Berlin
zurück (Ende Mürz 1763). Das nächste Ziel war Pommern; Stargard,
Greifenberg, Treptow und das heiß umkämpfte Kolberg wurden hier besichtigt.
In die westlichen Provinzen begleitete der Prinz Ferdinand von Brciunschweig-
Bevern den König, der tapfere Wels, der Westfalen und Niedersachsen solange
gegen die Franzosen verteidigt hatte. Überall wurde das „Netablissement"
rasch gefördert.
Erst dann ging der König daran, sein eignes Heim wieder zu ordnen. Die
Zeit der Tafelrunde von Sanssouci war dahin; Voltaire war, wie wir gesehen
haben, im Unfrieden geschieden, Maupertuis 1759 gestorben. Der König suchte,
um beide zu ersetzen, d'Alembert, das Haupt der Encyklopädisten, zu gewinnen.
Aber der Philosoph blieb nur zwei Monate an Friedrichs Hof und lehnte den
Vorsitz in der Akademie ab. Freiheitssinn und Heimweh bewogen ihn dazu;
allzu ungemütlich erschien ihm ein Hof, wo der König der einzige Mensch sei,
mit dem man eine Unterhaltung führen könne, „d. h. die Art von Konversation,
die man nur in Frankreich kennt, und die unentbehrlich wird, wenn man sie
einmal kennt." Einsamer wurde es um den König; die Franzosen verschwanden
allmählich völlig aus seiner Umgebung, die Männer aus des Königs militärischem
Gefolge konnten sie doch nur zum Teil ersetzen. Koser gibt uns von diesen
Männern und ihren Beziehungen zum Hofe ein anschauliches Bild. Im ganzen
gewinnt man den Eindruck, daß der König auch mit dieser Umgebung dasselbe
erlebt hat, was viele große Männer in ihrem Alter vor und nach ihm erfahren
haben; Bismarck spricht es einmal aus mit den Worten: „Man gewinnt keine
neuen Freunde, die alten sterben oder treten in verstimmter Bescheidenheit zurück."
Es würde nun zu weit führen, wollten wir uns daran geben, die ganze
Friedensarbeit des Königs: die Meliorationen in den einzelnen Provinzen, die
Gewerbe- und die Handelspolitik, die Justizpflege und die Kirchenpolitik zu
skizzieren. Nur so viel mag bemerkt werden, daß er auf allen diesen Gebieten
im allgemeinen in den Bahnen, die er in seiner ersten Friedenszeit eingeschlagen
hatte, fortarbeitete. Auf volkswirtschaftlichen Gebiete hielt der König mit
Zähigkeit an dem System des Merkantilismus, wir würden heute sagen: des
Schutzzolles, fest unter Abweisung der neu aufgestellten Theorien der franzö¬
sischen Physiokraten, und sein Staat hat sich im ganzen gut dabei gestanden;
die Lage der Bauern wurde erleichtert, die Reform der Justizpflege durch die
Ausarbeitung des Allgemeinen Preußischen Landrechts zum Abschluß gebracht.
Auf alles das und ebenso auf den Gang der äußern Politik: die Erwerbung
Westpreußens in der ersten Teilung Polens, den Bayrischen Erbfolgekrieg und
Friedrichs letzten großen diplomatischen Sieg: die Stiftung des deutschen Fürsten¬
bundes von 1785, durch die er nach Goethes Ausdruck sein „Übergewicht in
allem" aufs neue erhärtete, will ich nicht eingehn.
Wir wollen lieber zum Schluß noch einmal den König in seiner Häuslichkeit
aufsuchen und sein Fühlen und Denken in seinen alten Tagen kurz betrachten,
wie es uns Koser in dem schönen Kapitel „Der alte König und die neue Bildung"
schildert.
Friedrich war aus dem Kriege gealtert in eine sich verjüngende Welt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |