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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Reinhold Aosers "Friedrich der Große"

Nahestehenden Anerkennung seiner Überlegenheit ohne Rat und Einrede. Furcht
vor seinem Tadel beherrschte die Offiziere und hielt sie zusammen. So hat
ihn das wechselvolle Geschick in den sieben Jahren härter gemacht, als einst
der sagenhafte Schmied zu Ruhla den Landgrafen von Thüringen. Diese
Wandlung in Friedrichs Wesen während des Krieges führt uns Koser an¬
schaulich vor.

Auch von einigen hervorragenden Generalen des Königs erhalten wir gute
Charakterbilder, so bei der Schlacht bei Prag von Schwerin, bei der Schlacht
bei Zorndorf von Seydlitz und bei der Torgauer von Zieten. Ich will hier
auf diese nicht näher eingehn. Hingegen möchte ich darauf hinweisen, daß wir
auch von der Sinnesart der Soldaten das Nötige erfahren. Das Heer bestand
zum guten Teil aus Geworbnen. Handfeste Burschen, die bereit waren, unter
des großen Königs Fahnen ihr Glück zu versuchen, fanden sich genug im Reich,
namentlich in den protestantischen Gegenden. Sie wurden nicht nur durch die
eiserne Disziplin, sondern unstreitig auch durch Ehrgefühl und Hingebung zu¬
sammengehalten. Als nach dem Siege bei Liegnitz ein braver Musketier vom
Könige gelobt wurde, antwortete er: "Wie sollten wir nicht? Wir kämpfen für
die Religion, für Euch, für das Vaterland." Der gemeine Mann glaubte, wie
auch diese Äußerung zeigt, daß es sich in diesem Kriege um die Erhaltung des
evangelischen Glaubens handle. Ein frommer, gläubiger Geist herrschte in
Friedrichs Heer. Wie die Schlacht bei Leuthen durch den Gesang der Strophe:
"Gib, daß ichs tu mit Fleiß" eingeleitet und mit dem Choral "Nun danket
alle Gott" abgeschlossen wurde, ist bekannt. So war es auch sonst. "Gottes¬
dienst und Betstunden waren immer im Gange und durften ebensowenig wie
die Löhnungstage fehlen." Die Feldprediger folgten als treue und tapfere
Hirten vielfach ihren Soldatengemeinden bis in die Schlacht. Ihren König,
der doch dem evangelischen Christenglauben leider innerlich entfremdet war,
hielten diesen Krieger geradezu für einen Gottesstreiter.

So viel war ja richtig und wurde vom König auch selbst erkannt, daß
ein Sieg Österreichs dem Protestantismus sehr schädlich sein mußte, wenn auch
die Politik des Kaiserhofes zunächst durch politische, nicht durch kirchliche
Beweggründe geleitet war. Der König rettete durch sein Ausharren und seine
Siege nicht nur seine Krone und seinen Staat, sondern auch die gefährdete
Gewissensfreiheit.

Unsterblichen Ruhm hatte unter seiner Führung Preußens Heer gewonnen,
und diese Glorie von Roßbach und Leuthen wurde freilich der nächsten Gene¬
ration verderblich, weil sie diese in Sicherheit wiegte, weit öfters aber hat sie
in den Prüfungsstunden des neunzehnten Jahrhunderts als starker Ansporn zu
ähnlichen deutschen Heldentaten gewirkt.

Unermeßliche Arbeit erwartete den König nach dem Friedensschlüsse; es
galt die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, zu heilen und die großen
Kulturaufgaben, die sich der König gesetzt, und deren Ausführung der Krieg
verhindert hatte, nun durchzuführen. Sogleich ging der König ans Werk, er
bereiste seinen Staat und unterrichtete sich überall selbst an Ort und Stelle
über das Nötige. Schlesien, die Provinz, um die der Riesenkampf geführt


Reinhold Aosers „Friedrich der Große"

Nahestehenden Anerkennung seiner Überlegenheit ohne Rat und Einrede. Furcht
vor seinem Tadel beherrschte die Offiziere und hielt sie zusammen. So hat
ihn das wechselvolle Geschick in den sieben Jahren härter gemacht, als einst
der sagenhafte Schmied zu Ruhla den Landgrafen von Thüringen. Diese
Wandlung in Friedrichs Wesen während des Krieges führt uns Koser an¬
schaulich vor.

Auch von einigen hervorragenden Generalen des Königs erhalten wir gute
Charakterbilder, so bei der Schlacht bei Prag von Schwerin, bei der Schlacht
bei Zorndorf von Seydlitz und bei der Torgauer von Zieten. Ich will hier
auf diese nicht näher eingehn. Hingegen möchte ich darauf hinweisen, daß wir
auch von der Sinnesart der Soldaten das Nötige erfahren. Das Heer bestand
zum guten Teil aus Geworbnen. Handfeste Burschen, die bereit waren, unter
des großen Königs Fahnen ihr Glück zu versuchen, fanden sich genug im Reich,
namentlich in den protestantischen Gegenden. Sie wurden nicht nur durch die
eiserne Disziplin, sondern unstreitig auch durch Ehrgefühl und Hingebung zu¬
sammengehalten. Als nach dem Siege bei Liegnitz ein braver Musketier vom
Könige gelobt wurde, antwortete er: „Wie sollten wir nicht? Wir kämpfen für
die Religion, für Euch, für das Vaterland." Der gemeine Mann glaubte, wie
auch diese Äußerung zeigt, daß es sich in diesem Kriege um die Erhaltung des
evangelischen Glaubens handle. Ein frommer, gläubiger Geist herrschte in
Friedrichs Heer. Wie die Schlacht bei Leuthen durch den Gesang der Strophe:
„Gib, daß ichs tu mit Fleiß" eingeleitet und mit dem Choral „Nun danket
alle Gott" abgeschlossen wurde, ist bekannt. So war es auch sonst. „Gottes¬
dienst und Betstunden waren immer im Gange und durften ebensowenig wie
die Löhnungstage fehlen." Die Feldprediger folgten als treue und tapfere
Hirten vielfach ihren Soldatengemeinden bis in die Schlacht. Ihren König,
der doch dem evangelischen Christenglauben leider innerlich entfremdet war,
hielten diesen Krieger geradezu für einen Gottesstreiter.

So viel war ja richtig und wurde vom König auch selbst erkannt, daß
ein Sieg Österreichs dem Protestantismus sehr schädlich sein mußte, wenn auch
die Politik des Kaiserhofes zunächst durch politische, nicht durch kirchliche
Beweggründe geleitet war. Der König rettete durch sein Ausharren und seine
Siege nicht nur seine Krone und seinen Staat, sondern auch die gefährdete
Gewissensfreiheit.

Unsterblichen Ruhm hatte unter seiner Führung Preußens Heer gewonnen,
und diese Glorie von Roßbach und Leuthen wurde freilich der nächsten Gene¬
ration verderblich, weil sie diese in Sicherheit wiegte, weit öfters aber hat sie
in den Prüfungsstunden des neunzehnten Jahrhunderts als starker Ansporn zu
ähnlichen deutschen Heldentaten gewirkt.

Unermeßliche Arbeit erwartete den König nach dem Friedensschlüsse; es
galt die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, zu heilen und die großen
Kulturaufgaben, die sich der König gesetzt, und deren Ausführung der Krieg
verhindert hatte, nun durchzuführen. Sogleich ging der König ans Werk, er
bereiste seinen Staat und unterrichtete sich überall selbst an Ort und Stelle
über das Nötige. Schlesien, die Provinz, um die der Riesenkampf geführt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/394>, abgerufen am 25.07.2024.