Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gnmicnnig!,'"

tüchtiger Neunter, sondern auch ein lauterer und edler Mensch. Mit Recht wurde
er von allen Vortragenden Räten im Ministerium, auch von den mehr oder
weniger frondierenden, aufs höchste respektiert. Übrigens war jedermann davon
durchdrungen, daß er nicht mit sich spaßen ließ. Für den Minister Falk war er ein
geradezu idealer Unterstaatssekretär. Er uneben ihm eigentlich das gesamte laufende
Geschäft in einem Umfang ab, wie ich es kaum jemals in andern Ministerien ge¬
funden habe, sodaß Falk für die großen Politischen und kirchenpolitischen Fragen
und für die damals nicht leichte parlamentarische Tätigkeit in beneidenswerter
Weise Zeit und Freiheit gewann. Sydow identifizierte sich mit dem Minister
vollständig und leistete trotz seines gebrechlichen Körpers Bewundernswertes. Neben
den Unterstaatssekretärgeschäften hatte er die Leitung der Medizinalabteilung und
den Vorsitz in der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen. Unter
ihm wirkten im Ministerium noch die beiden Ministerialdirektoren Greiff und
Förster. Greiff leitete die Unterrichtsabteilung, Förster die geistliche Abteilung.
Förster galt als ausgesprochen liberal und war die den Konservativen und dem
Zentrum am wenigsten genehme Persönlichkeit im Ministerium. Greiff, ein liebens¬
würdiger Herr von freundlichen Formen, bewältigte eine Fülle von Geschäften,
ohne in grundsätzlichen Fragen besonders hervorzutreten. Beide Direktoren kamen
mir freundlich entgegen. Dasselbe gilt von den Ministerialräten. Deren gab es
damals im Kultusministerium, wie mir schon in den ersten Tagen klar wurde, drei
verschiedne Arten. Die Mehrzahl der Räte stand mit Überzeugung oder doch aus-
gesprochen auf dem Boden der Falk-Sydowschen Politik und trieb den Kulturkampf
und auch das Einlenken in mehr liberale Bahnen ehrlich und eifrig mit einer ge¬
wissen Begeisterung. Diese waren im Ministerium die Tonnngeber, und einige
von ihnen genossen das Vertrauen des Ministers in besondern! Grade. Andre
standen der Füllfeder Richtung innerlich mehr schwankend, unsicher oder mich mehr
oder weniger gleichgültig und zaudernd gegenüber, machten aber mit, ohne sich aus-
zusprechen. Einige wenige endlich von denen, die aus dem Ministerium von Muster
mit übernommen worden waren, machten kein Hehl daraus, daß sie deu durch den
Minister Falk vertretnen Umschwung nicht billigten, sondern grundsätzlich auf einem
von dem des Ministers verschiednen Boden stünden. Diese Kollegen waren, was
sie selbst ganz gerechtfertigt fanden, kalt gestellt, d. h. sie wurden nur mit unwich¬
tigern Sachen, die keine prinzipielle Bedeutung hatten, oder -- da es dergleichen
Sachen nicht allzuviel gab -- so gut wie gar uicht beschäftigt. Mau ließ sie, wie
man sagte, spazieren gehn. Sie kamen aber zu den Abteiluugssitzuugen und wurden
von den Vorgesetzten mit aller Höflichkeit behandelt. Mir gefiel es, daß man es
vermied, diese immerhin doch nicht gerade bequemen Elemente etwa dnrch eine
demonstrativ üble Behandlung zur Pensionierung zu drängen. Die Zahl der Räte
und Hilfsarbeiter mochte etwa die Hälfte der jetzigen Zahl betragen. Im all¬
gemeinen hatte jeder sein reichliches Teil Arbeit. Es wurde viel, und wie ich
bald sah, formell sehr gut gearbeitet. Der Uuterstaatssekretär übte eine scharfe und
gefürchtete Kontrolle.

Das war der Kreis, in den ich im September 1876 eintrat. Mein Arbeits¬
gebiet war das Jnstitiariat für die höhern Lehranstalten, und ich war im all¬
gemeinen für diesen Geschäftszweig dadurch einigermaßen vorgebildet, daß ich in
Hannover neben meinen Geschäften im Oberpräsidium das Justitiartat im Provinzial-
schulkollegium fünf Jahre lang bearbeitet hatte. Daneben bekam ich in Berlin ein
wenig umfangreiches Referat in der Medizinnlabteilung zugeteilt, das aber mein
Interesse stark in Anspruch nahm, da mir die ersten grundlegenden Vorarbeiten
für die damals in Aussicht genommene Organisation des ärztlichen Standes zu-
fielen. Meine beiden Referate gewährten mir hinreichende Beschäftigung, und ich
arbeitete damals leicht und mit Lust. Mit den schwebenden politischen und kirchen¬
politischen Fragen hatte ich nicht das Mindeste zu tun. Mein Unterrichtsreferat
brachte mich in nähere Berührung mit drei ebenso tüchtigen wie liebenswürdigen


Gnmicnnig!,'»

tüchtiger Neunter, sondern auch ein lauterer und edler Mensch. Mit Recht wurde
er von allen Vortragenden Räten im Ministerium, auch von den mehr oder
weniger frondierenden, aufs höchste respektiert. Übrigens war jedermann davon
durchdrungen, daß er nicht mit sich spaßen ließ. Für den Minister Falk war er ein
geradezu idealer Unterstaatssekretär. Er uneben ihm eigentlich das gesamte laufende
Geschäft in einem Umfang ab, wie ich es kaum jemals in andern Ministerien ge¬
funden habe, sodaß Falk für die großen Politischen und kirchenpolitischen Fragen
und für die damals nicht leichte parlamentarische Tätigkeit in beneidenswerter
Weise Zeit und Freiheit gewann. Sydow identifizierte sich mit dem Minister
vollständig und leistete trotz seines gebrechlichen Körpers Bewundernswertes. Neben
den Unterstaatssekretärgeschäften hatte er die Leitung der Medizinalabteilung und
den Vorsitz in der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen. Unter
ihm wirkten im Ministerium noch die beiden Ministerialdirektoren Greiff und
Förster. Greiff leitete die Unterrichtsabteilung, Förster die geistliche Abteilung.
Förster galt als ausgesprochen liberal und war die den Konservativen und dem
Zentrum am wenigsten genehme Persönlichkeit im Ministerium. Greiff, ein liebens¬
würdiger Herr von freundlichen Formen, bewältigte eine Fülle von Geschäften,
ohne in grundsätzlichen Fragen besonders hervorzutreten. Beide Direktoren kamen
mir freundlich entgegen. Dasselbe gilt von den Ministerialräten. Deren gab es
damals im Kultusministerium, wie mir schon in den ersten Tagen klar wurde, drei
verschiedne Arten. Die Mehrzahl der Räte stand mit Überzeugung oder doch aus-
gesprochen auf dem Boden der Falk-Sydowschen Politik und trieb den Kulturkampf
und auch das Einlenken in mehr liberale Bahnen ehrlich und eifrig mit einer ge¬
wissen Begeisterung. Diese waren im Ministerium die Tonnngeber, und einige
von ihnen genossen das Vertrauen des Ministers in besondern! Grade. Andre
standen der Füllfeder Richtung innerlich mehr schwankend, unsicher oder mich mehr
oder weniger gleichgültig und zaudernd gegenüber, machten aber mit, ohne sich aus-
zusprechen. Einige wenige endlich von denen, die aus dem Ministerium von Muster
mit übernommen worden waren, machten kein Hehl daraus, daß sie deu durch den
Minister Falk vertretnen Umschwung nicht billigten, sondern grundsätzlich auf einem
von dem des Ministers verschiednen Boden stünden. Diese Kollegen waren, was
sie selbst ganz gerechtfertigt fanden, kalt gestellt, d. h. sie wurden nur mit unwich¬
tigern Sachen, die keine prinzipielle Bedeutung hatten, oder — da es dergleichen
Sachen nicht allzuviel gab — so gut wie gar uicht beschäftigt. Mau ließ sie, wie
man sagte, spazieren gehn. Sie kamen aber zu den Abteiluugssitzuugen und wurden
von den Vorgesetzten mit aller Höflichkeit behandelt. Mir gefiel es, daß man es
vermied, diese immerhin doch nicht gerade bequemen Elemente etwa dnrch eine
demonstrativ üble Behandlung zur Pensionierung zu drängen. Die Zahl der Räte
und Hilfsarbeiter mochte etwa die Hälfte der jetzigen Zahl betragen. Im all¬
gemeinen hatte jeder sein reichliches Teil Arbeit. Es wurde viel, und wie ich
bald sah, formell sehr gut gearbeitet. Der Uuterstaatssekretär übte eine scharfe und
gefürchtete Kontrolle.

Das war der Kreis, in den ich im September 1876 eintrat. Mein Arbeits¬
gebiet war das Jnstitiariat für die höhern Lehranstalten, und ich war im all¬
gemeinen für diesen Geschäftszweig dadurch einigermaßen vorgebildet, daß ich in
Hannover neben meinen Geschäften im Oberpräsidium das Justitiartat im Provinzial-
schulkollegium fünf Jahre lang bearbeitet hatte. Daneben bekam ich in Berlin ein
wenig umfangreiches Referat in der Medizinnlabteilung zugeteilt, das aber mein
Interesse stark in Anspruch nahm, da mir die ersten grundlegenden Vorarbeiten
für die damals in Aussicht genommene Organisation des ärztlichen Standes zu-
fielen. Meine beiden Referate gewährten mir hinreichende Beschäftigung, und ich
arbeitete damals leicht und mit Lust. Mit den schwebenden politischen und kirchen¬
politischen Fragen hatte ich nicht das Mindeste zu tun. Mein Unterrichtsreferat
brachte mich in nähere Berührung mit drei ebenso tüchtigen wie liebenswürdigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293658"/>
            <fw type="header" place="top"> Gnmicnnig!,'»</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_103" prev="#ID_102"> tüchtiger Neunter, sondern auch ein lauterer und edler Mensch. Mit Recht wurde<lb/>
er von allen Vortragenden Räten im Ministerium, auch von den mehr oder<lb/>
weniger frondierenden, aufs höchste respektiert. Übrigens war jedermann davon<lb/>
durchdrungen, daß er nicht mit sich spaßen ließ. Für den Minister Falk war er ein<lb/>
geradezu idealer Unterstaatssekretär. Er uneben ihm eigentlich das gesamte laufende<lb/>
Geschäft in einem Umfang ab, wie ich es kaum jemals in andern Ministerien ge¬<lb/>
funden habe, sodaß Falk für die großen Politischen und kirchenpolitischen Fragen<lb/>
und für die damals nicht leichte parlamentarische Tätigkeit in beneidenswerter<lb/>
Weise Zeit und Freiheit gewann. Sydow identifizierte sich mit dem Minister<lb/>
vollständig und leistete trotz seines gebrechlichen Körpers Bewundernswertes. Neben<lb/>
den Unterstaatssekretärgeschäften hatte er die Leitung der Medizinalabteilung und<lb/>
den Vorsitz in der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen. Unter<lb/>
ihm wirkten im Ministerium noch die beiden Ministerialdirektoren Greiff und<lb/>
Förster. Greiff leitete die Unterrichtsabteilung, Förster die geistliche Abteilung.<lb/>
Förster galt als ausgesprochen liberal und war die den Konservativen und dem<lb/>
Zentrum am wenigsten genehme Persönlichkeit im Ministerium. Greiff, ein liebens¬<lb/>
würdiger Herr von freundlichen Formen, bewältigte eine Fülle von Geschäften,<lb/>
ohne in grundsätzlichen Fragen besonders hervorzutreten. Beide Direktoren kamen<lb/>
mir freundlich entgegen. Dasselbe gilt von den Ministerialräten. Deren gab es<lb/>
damals im Kultusministerium, wie mir schon in den ersten Tagen klar wurde, drei<lb/>
verschiedne Arten. Die Mehrzahl der Räte stand mit Überzeugung oder doch aus-<lb/>
gesprochen auf dem Boden der Falk-Sydowschen Politik und trieb den Kulturkampf<lb/>
und auch das Einlenken in mehr liberale Bahnen ehrlich und eifrig mit einer ge¬<lb/>
wissen Begeisterung. Diese waren im Ministerium die Tonnngeber, und einige<lb/>
von ihnen genossen das Vertrauen des Ministers in besondern! Grade. Andre<lb/>
standen der Füllfeder Richtung innerlich mehr schwankend, unsicher oder mich mehr<lb/>
oder weniger gleichgültig und zaudernd gegenüber, machten aber mit, ohne sich aus-<lb/>
zusprechen. Einige wenige endlich von denen, die aus dem Ministerium von Muster<lb/>
mit übernommen worden waren, machten kein Hehl daraus, daß sie deu durch den<lb/>
Minister Falk vertretnen Umschwung nicht billigten, sondern grundsätzlich auf einem<lb/>
von dem des Ministers verschiednen Boden stünden. Diese Kollegen waren, was<lb/>
sie selbst ganz gerechtfertigt fanden, kalt gestellt, d. h. sie wurden nur mit unwich¬<lb/>
tigern Sachen, die keine prinzipielle Bedeutung hatten, oder &#x2014; da es dergleichen<lb/>
Sachen nicht allzuviel gab &#x2014; so gut wie gar uicht beschäftigt. Mau ließ sie, wie<lb/>
man sagte, spazieren gehn. Sie kamen aber zu den Abteiluugssitzuugen und wurden<lb/>
von den Vorgesetzten mit aller Höflichkeit behandelt. Mir gefiel es, daß man es<lb/>
vermied, diese immerhin doch nicht gerade bequemen Elemente etwa dnrch eine<lb/>
demonstrativ üble Behandlung zur Pensionierung zu drängen. Die Zahl der Räte<lb/>
und Hilfsarbeiter mochte etwa die Hälfte der jetzigen Zahl betragen. Im all¬<lb/>
gemeinen hatte jeder sein reichliches Teil Arbeit. Es wurde viel, und wie ich<lb/>
bald sah, formell sehr gut gearbeitet. Der Uuterstaatssekretär übte eine scharfe und<lb/>
gefürchtete Kontrolle.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_104" next="#ID_105"> Das war der Kreis, in den ich im September 1876 eintrat. Mein Arbeits¬<lb/>
gebiet war das Jnstitiariat für die höhern Lehranstalten, und ich war im all¬<lb/>
gemeinen für diesen Geschäftszweig dadurch einigermaßen vorgebildet, daß ich in<lb/>
Hannover neben meinen Geschäften im Oberpräsidium das Justitiartat im Provinzial-<lb/>
schulkollegium fünf Jahre lang bearbeitet hatte. Daneben bekam ich in Berlin ein<lb/>
wenig umfangreiches Referat in der Medizinnlabteilung zugeteilt, das aber mein<lb/>
Interesse stark in Anspruch nahm, da mir die ersten grundlegenden Vorarbeiten<lb/>
für die damals in Aussicht genommene Organisation des ärztlichen Standes zu-<lb/>
fielen. Meine beiden Referate gewährten mir hinreichende Beschäftigung, und ich<lb/>
arbeitete damals leicht und mit Lust. Mit den schwebenden politischen und kirchen¬<lb/>
politischen Fragen hatte ich nicht das Mindeste zu tun. Mein Unterrichtsreferat<lb/>
brachte mich in nähere Berührung mit drei ebenso tüchtigen wie liebenswürdigen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] Gnmicnnig!,'» tüchtiger Neunter, sondern auch ein lauterer und edler Mensch. Mit Recht wurde er von allen Vortragenden Räten im Ministerium, auch von den mehr oder weniger frondierenden, aufs höchste respektiert. Übrigens war jedermann davon durchdrungen, daß er nicht mit sich spaßen ließ. Für den Minister Falk war er ein geradezu idealer Unterstaatssekretär. Er uneben ihm eigentlich das gesamte laufende Geschäft in einem Umfang ab, wie ich es kaum jemals in andern Ministerien ge¬ funden habe, sodaß Falk für die großen Politischen und kirchenpolitischen Fragen und für die damals nicht leichte parlamentarische Tätigkeit in beneidenswerter Weise Zeit und Freiheit gewann. Sydow identifizierte sich mit dem Minister vollständig und leistete trotz seines gebrechlichen Körpers Bewundernswertes. Neben den Unterstaatssekretärgeschäften hatte er die Leitung der Medizinalabteilung und den Vorsitz in der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen. Unter ihm wirkten im Ministerium noch die beiden Ministerialdirektoren Greiff und Förster. Greiff leitete die Unterrichtsabteilung, Förster die geistliche Abteilung. Förster galt als ausgesprochen liberal und war die den Konservativen und dem Zentrum am wenigsten genehme Persönlichkeit im Ministerium. Greiff, ein liebens¬ würdiger Herr von freundlichen Formen, bewältigte eine Fülle von Geschäften, ohne in grundsätzlichen Fragen besonders hervorzutreten. Beide Direktoren kamen mir freundlich entgegen. Dasselbe gilt von den Ministerialräten. Deren gab es damals im Kultusministerium, wie mir schon in den ersten Tagen klar wurde, drei verschiedne Arten. Die Mehrzahl der Räte stand mit Überzeugung oder doch aus- gesprochen auf dem Boden der Falk-Sydowschen Politik und trieb den Kulturkampf und auch das Einlenken in mehr liberale Bahnen ehrlich und eifrig mit einer ge¬ wissen Begeisterung. Diese waren im Ministerium die Tonnngeber, und einige von ihnen genossen das Vertrauen des Ministers in besondern! Grade. Andre standen der Füllfeder Richtung innerlich mehr schwankend, unsicher oder mich mehr oder weniger gleichgültig und zaudernd gegenüber, machten aber mit, ohne sich aus- zusprechen. Einige wenige endlich von denen, die aus dem Ministerium von Muster mit übernommen worden waren, machten kein Hehl daraus, daß sie deu durch den Minister Falk vertretnen Umschwung nicht billigten, sondern grundsätzlich auf einem von dem des Ministers verschiednen Boden stünden. Diese Kollegen waren, was sie selbst ganz gerechtfertigt fanden, kalt gestellt, d. h. sie wurden nur mit unwich¬ tigern Sachen, die keine prinzipielle Bedeutung hatten, oder — da es dergleichen Sachen nicht allzuviel gab — so gut wie gar uicht beschäftigt. Mau ließ sie, wie man sagte, spazieren gehn. Sie kamen aber zu den Abteiluugssitzuugen und wurden von den Vorgesetzten mit aller Höflichkeit behandelt. Mir gefiel es, daß man es vermied, diese immerhin doch nicht gerade bequemen Elemente etwa dnrch eine demonstrativ üble Behandlung zur Pensionierung zu drängen. Die Zahl der Räte und Hilfsarbeiter mochte etwa die Hälfte der jetzigen Zahl betragen. Im all¬ gemeinen hatte jeder sein reichliches Teil Arbeit. Es wurde viel, und wie ich bald sah, formell sehr gut gearbeitet. Der Uuterstaatssekretär übte eine scharfe und gefürchtete Kontrolle. Das war der Kreis, in den ich im September 1876 eintrat. Mein Arbeits¬ gebiet war das Jnstitiariat für die höhern Lehranstalten, und ich war im all¬ gemeinen für diesen Geschäftszweig dadurch einigermaßen vorgebildet, daß ich in Hannover neben meinen Geschäften im Oberpräsidium das Justitiartat im Provinzial- schulkollegium fünf Jahre lang bearbeitet hatte. Daneben bekam ich in Berlin ein wenig umfangreiches Referat in der Medizinnlabteilung zugeteilt, das aber mein Interesse stark in Anspruch nahm, da mir die ersten grundlegenden Vorarbeiten für die damals in Aussicht genommene Organisation des ärztlichen Standes zu- fielen. Meine beiden Referate gewährten mir hinreichende Beschäftigung, und ich arbeitete damals leicht und mit Lust. Mit den schwebenden politischen und kirchen¬ politischen Fragen hatte ich nicht das Mindeste zu tun. Mein Unterrichtsreferat brachte mich in nähere Berührung mit drei ebenso tüchtigen wie liebenswürdigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/39
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/39>, abgerufen am 30.06.2024.