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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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acht Pfennige) und in den Dardanellen auch tatsächlich dafür genommen wurden,
sich in Konstantinopel aber als wertlos erwiesen. Die Kupferparas, hieß es, seien
schon seit einigen Jahren gesetzlich außer Kurs gesetzt, würden aber in den Pro¬
vinzen noch gebraucht, die Blechparas aber gälten nur in einzelnen Teilen Asiens, in
Konstantinopel seien es wertlose Blechmarken. Durch solche Erfahrungen lernt man
die Segnungen der vielangefeindeten Goldwährung erst schätzen, möge sie nie zur
Blechwährung werden!

Des Umherlaufens müde, suchte ich nnn einen stillen Ort, mich einfach hinzusetzen
und zu ruhen. Ich fand ihn auf der hohen Holzterrasse eines Kafenions, die auf
Pfählen über das Wasser gebaut war. Von hier sah ich den blauen Hellespont
mit seinen grünen Ufern, weißen Ortschaften, verfallnen Türmen und alten Schlössern,
unter ihnen die berühmten Dardanellenschlösser, das europäische nur noch aus einem
alten Turm bestehend, das asiatische zu einer starken modernen Batterie ausgebaut.
Nicht weit von hier lagen einst an der engsten, nur 1350 Meter breiten Stelle
die Städte Schlof und Abydos einander gegenüber. Ich konnte von meinem Sitze
aus die Wasserfläche sehen, über die einst Xerxes, nachdem er das "salzige Wasser"
hatte peitschen lassen, nach Europa hinübergegangen war und später, erfolgreicher
als er, die osmanischen Heerscharen. Hier schwamm auch in dunkler Nacht der
junge Leander hinüber zur schönen Hero, und später, um es ihm nachzutun, Lord
Byron, obwohl ihn keine Hero erwartete. Ich danke für das Vergnügen! Aber
träumen, träumen ließ es sich hier köstlich.

Bald erschienen anch andre, die das schöne Lokal ebenfalls ausgespürt hatten. Mit
der Einsamkeit war es nun vorbei, die träumerische Terrasse wurde zum vielredenden
Hauptquartier. Auch ein Grieche erschien an unserm Tische und reichte mir einige
vergilbte fettige Papiere dar, wobei er mich mit einer Miene anblickte, die aus ge¬
kränkter Unschuld und sittlicher Entrüstung gemischt war. Verwundert sah ich auf
die Blätter und fand in ihnen Bescheinigungen deutscher Gelehrter, daß Herr
Spyridion, Speisewirt in den Dardanellen, eine ausgezeichnete Küche führe. Diese
Zeugnisse gaben ihm in seinen Augen ein verbrieftes Anrecht auf alle deutschen
Archäologen, und wir -- waren zu den beiden alten Jungfern, seinen Nach¬
barinnen und Konkurrentinnen, gegangen. Daher die sittliche Entrüstung und die
tiefgekränkte Miene. Ich beruhigte ihn mit der Versicherung, wir würden am
Abend bei ihm speisen.

So geschah es. Als es sechs Uhr war, gingen wir auf die russische Agentur
und holten uns unsre Billetts, dann zur Zollstation, wo wir unsre Pässe sogar
ohne Backschisch zurückbekamen und uus davon überzeugten, daß unsre großen Ge¬
päckstücke noch richtig hinter den Eisenstäben lagerten, und zwar in derselben kunter¬
bunten Unordnung, in der wir sie vor vier Tagen dort gelassen hatten. Dann
ging ich in Spyridions Wirtschaft, setzte mich ans Fenster, sagte dem Wirte: xara-
Kais ins "Ms lvMris (ich rufe die andern Herren), und ließ keinen vorbei, ohne
ihn anzurufen. Bald waren die meisten von uns zur Stelle, sodciß die beiden
alten Jungfern nun leer ausgingen. Die Kost war in der Tat besser als bei
diesen, das Schaffleisch weicher und reichlicher bemessen, der Salat weniger sauer.
Mir servierte der Wirt mit verständnisvollen, dankbarem Lächeln eine besonders
große Portion Arnccki, die mir, dem total Ausgehungerten, köstlich wie Puten¬
braten mundete.

Noch saßen wir beim Mahle, da ertönte auf der Gasse Lärm und Pferde¬
getrappel. Unsre zweite Kolonne, die nach Athen bestimmte, rückte ein, und bald
erschienen auch diese Herren in unserm Hestiatorion, sehr erstaunt, uns noch anzu¬
treffen. Leider reichte nun der Raum im .Lenodochivn nicht aus, was zu unlieb¬
samen Szenen führte. Drei deutsche Herren, die schon am Nachmittag ein Zimmer
belegt hatten, fanden jetzt plötzlich ihre Sachen herausgesetzt und die drei Ameri¬
kanerinnen im Besitze des Zimmers. Das führte natürlich zu den erregtesten
Auseinandersetzungen mit diesen und mit den amerikanischen Herren. Sie behaupteten,
das Zimmer leer vorgefunden und deshalb mit gutem Rechte belegt zu haben. Der


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acht Pfennige) und in den Dardanellen auch tatsächlich dafür genommen wurden,
sich in Konstantinopel aber als wertlos erwiesen. Die Kupferparas, hieß es, seien
schon seit einigen Jahren gesetzlich außer Kurs gesetzt, würden aber in den Pro¬
vinzen noch gebraucht, die Blechparas aber gälten nur in einzelnen Teilen Asiens, in
Konstantinopel seien es wertlose Blechmarken. Durch solche Erfahrungen lernt man
die Segnungen der vielangefeindeten Goldwährung erst schätzen, möge sie nie zur
Blechwährung werden!

Des Umherlaufens müde, suchte ich nnn einen stillen Ort, mich einfach hinzusetzen
und zu ruhen. Ich fand ihn auf der hohen Holzterrasse eines Kafenions, die auf
Pfählen über das Wasser gebaut war. Von hier sah ich den blauen Hellespont
mit seinen grünen Ufern, weißen Ortschaften, verfallnen Türmen und alten Schlössern,
unter ihnen die berühmten Dardanellenschlösser, das europäische nur noch aus einem
alten Turm bestehend, das asiatische zu einer starken modernen Batterie ausgebaut.
Nicht weit von hier lagen einst an der engsten, nur 1350 Meter breiten Stelle
die Städte Schlof und Abydos einander gegenüber. Ich konnte von meinem Sitze
aus die Wasserfläche sehen, über die einst Xerxes, nachdem er das „salzige Wasser"
hatte peitschen lassen, nach Europa hinübergegangen war und später, erfolgreicher
als er, die osmanischen Heerscharen. Hier schwamm auch in dunkler Nacht der
junge Leander hinüber zur schönen Hero, und später, um es ihm nachzutun, Lord
Byron, obwohl ihn keine Hero erwartete. Ich danke für das Vergnügen! Aber
träumen, träumen ließ es sich hier köstlich.

Bald erschienen anch andre, die das schöne Lokal ebenfalls ausgespürt hatten. Mit
der Einsamkeit war es nun vorbei, die träumerische Terrasse wurde zum vielredenden
Hauptquartier. Auch ein Grieche erschien an unserm Tische und reichte mir einige
vergilbte fettige Papiere dar, wobei er mich mit einer Miene anblickte, die aus ge¬
kränkter Unschuld und sittlicher Entrüstung gemischt war. Verwundert sah ich auf
die Blätter und fand in ihnen Bescheinigungen deutscher Gelehrter, daß Herr
Spyridion, Speisewirt in den Dardanellen, eine ausgezeichnete Küche führe. Diese
Zeugnisse gaben ihm in seinen Augen ein verbrieftes Anrecht auf alle deutschen
Archäologen, und wir — waren zu den beiden alten Jungfern, seinen Nach¬
barinnen und Konkurrentinnen, gegangen. Daher die sittliche Entrüstung und die
tiefgekränkte Miene. Ich beruhigte ihn mit der Versicherung, wir würden am
Abend bei ihm speisen.

So geschah es. Als es sechs Uhr war, gingen wir auf die russische Agentur
und holten uns unsre Billetts, dann zur Zollstation, wo wir unsre Pässe sogar
ohne Backschisch zurückbekamen und uus davon überzeugten, daß unsre großen Ge¬
päckstücke noch richtig hinter den Eisenstäben lagerten, und zwar in derselben kunter¬
bunten Unordnung, in der wir sie vor vier Tagen dort gelassen hatten. Dann
ging ich in Spyridions Wirtschaft, setzte mich ans Fenster, sagte dem Wirte: xara-
Kais ins »Ms lvMris (ich rufe die andern Herren), und ließ keinen vorbei, ohne
ihn anzurufen. Bald waren die meisten von uns zur Stelle, sodciß die beiden
alten Jungfern nun leer ausgingen. Die Kost war in der Tat besser als bei
diesen, das Schaffleisch weicher und reichlicher bemessen, der Salat weniger sauer.
Mir servierte der Wirt mit verständnisvollen, dankbarem Lächeln eine besonders
große Portion Arnccki, die mir, dem total Ausgehungerten, köstlich wie Puten¬
braten mundete.

Noch saßen wir beim Mahle, da ertönte auf der Gasse Lärm und Pferde¬
getrappel. Unsre zweite Kolonne, die nach Athen bestimmte, rückte ein, und bald
erschienen auch diese Herren in unserm Hestiatorion, sehr erstaunt, uns noch anzu¬
treffen. Leider reichte nun der Raum im .Lenodochivn nicht aus, was zu unlieb¬
samen Szenen führte. Drei deutsche Herren, die schon am Nachmittag ein Zimmer
belegt hatten, fanden jetzt plötzlich ihre Sachen herausgesetzt und die drei Ameri¬
kanerinnen im Besitze des Zimmers. Das führte natürlich zu den erregtesten
Auseinandersetzungen mit diesen und mit den amerikanischen Herren. Sie behaupteten,
das Zimmer leer vorgefunden und deshalb mit gutem Rechte belegt zu haben. Der


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[0358] Line Trojafahrt acht Pfennige) und in den Dardanellen auch tatsächlich dafür genommen wurden, sich in Konstantinopel aber als wertlos erwiesen. Die Kupferparas, hieß es, seien schon seit einigen Jahren gesetzlich außer Kurs gesetzt, würden aber in den Pro¬ vinzen noch gebraucht, die Blechparas aber gälten nur in einzelnen Teilen Asiens, in Konstantinopel seien es wertlose Blechmarken. Durch solche Erfahrungen lernt man die Segnungen der vielangefeindeten Goldwährung erst schätzen, möge sie nie zur Blechwährung werden! Des Umherlaufens müde, suchte ich nnn einen stillen Ort, mich einfach hinzusetzen und zu ruhen. Ich fand ihn auf der hohen Holzterrasse eines Kafenions, die auf Pfählen über das Wasser gebaut war. Von hier sah ich den blauen Hellespont mit seinen grünen Ufern, weißen Ortschaften, verfallnen Türmen und alten Schlössern, unter ihnen die berühmten Dardanellenschlösser, das europäische nur noch aus einem alten Turm bestehend, das asiatische zu einer starken modernen Batterie ausgebaut. Nicht weit von hier lagen einst an der engsten, nur 1350 Meter breiten Stelle die Städte Schlof und Abydos einander gegenüber. Ich konnte von meinem Sitze aus die Wasserfläche sehen, über die einst Xerxes, nachdem er das „salzige Wasser" hatte peitschen lassen, nach Europa hinübergegangen war und später, erfolgreicher als er, die osmanischen Heerscharen. Hier schwamm auch in dunkler Nacht der junge Leander hinüber zur schönen Hero, und später, um es ihm nachzutun, Lord Byron, obwohl ihn keine Hero erwartete. Ich danke für das Vergnügen! Aber träumen, träumen ließ es sich hier köstlich. Bald erschienen anch andre, die das schöne Lokal ebenfalls ausgespürt hatten. Mit der Einsamkeit war es nun vorbei, die träumerische Terrasse wurde zum vielredenden Hauptquartier. Auch ein Grieche erschien an unserm Tische und reichte mir einige vergilbte fettige Papiere dar, wobei er mich mit einer Miene anblickte, die aus ge¬ kränkter Unschuld und sittlicher Entrüstung gemischt war. Verwundert sah ich auf die Blätter und fand in ihnen Bescheinigungen deutscher Gelehrter, daß Herr Spyridion, Speisewirt in den Dardanellen, eine ausgezeichnete Küche führe. Diese Zeugnisse gaben ihm in seinen Augen ein verbrieftes Anrecht auf alle deutschen Archäologen, und wir — waren zu den beiden alten Jungfern, seinen Nach¬ barinnen und Konkurrentinnen, gegangen. Daher die sittliche Entrüstung und die tiefgekränkte Miene. Ich beruhigte ihn mit der Versicherung, wir würden am Abend bei ihm speisen. So geschah es. Als es sechs Uhr war, gingen wir auf die russische Agentur und holten uns unsre Billetts, dann zur Zollstation, wo wir unsre Pässe sogar ohne Backschisch zurückbekamen und uus davon überzeugten, daß unsre großen Ge¬ päckstücke noch richtig hinter den Eisenstäben lagerten, und zwar in derselben kunter¬ bunten Unordnung, in der wir sie vor vier Tagen dort gelassen hatten. Dann ging ich in Spyridions Wirtschaft, setzte mich ans Fenster, sagte dem Wirte: xara- Kais ins »Ms lvMris (ich rufe die andern Herren), und ließ keinen vorbei, ohne ihn anzurufen. Bald waren die meisten von uns zur Stelle, sodciß die beiden alten Jungfern nun leer ausgingen. Die Kost war in der Tat besser als bei diesen, das Schaffleisch weicher und reichlicher bemessen, der Salat weniger sauer. Mir servierte der Wirt mit verständnisvollen, dankbarem Lächeln eine besonders große Portion Arnccki, die mir, dem total Ausgehungerten, köstlich wie Puten¬ braten mundete. Noch saßen wir beim Mahle, da ertönte auf der Gasse Lärm und Pferde¬ getrappel. Unsre zweite Kolonne, die nach Athen bestimmte, rückte ein, und bald erschienen auch diese Herren in unserm Hestiatorion, sehr erstaunt, uns noch anzu¬ treffen. Leider reichte nun der Raum im .Lenodochivn nicht aus, was zu unlieb¬ samen Szenen führte. Drei deutsche Herren, die schon am Nachmittag ein Zimmer belegt hatten, fanden jetzt plötzlich ihre Sachen herausgesetzt und die drei Ameri¬ kanerinnen im Besitze des Zimmers. Das führte natürlich zu den erregtesten Auseinandersetzungen mit diesen und mit den amerikanischen Herren. Sie behaupteten, das Zimmer leer vorgefunden und deshalb mit gutem Rechte belegt zu haben. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/358>, abgerufen am 25.07.2024.