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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Liire Trojafahrt

findet sich auch einiges dürftige Mauerwerk aus verschiednen zumeist sehr jungen
Zeiten, aber kein tiefer Schüttboden, wie er durch längere Besiedlung entsteht. Auch
auf dem andern Ufer des Skamander hat man eine ähnliche Anlage gefunden. Es
hat also an dieser wichtigen Stelle schon in alter Zeit zwei das Tal abschließende
Burgen gegeben.

Der Balidagh hat zwei Gipfel. Von dem zweiten, der etwa 150 Meter hoch
ist, sahen wir in die Gebirgslandschaft hinein und hinunter in das tiefe Tal des
Skamander, der um die nächste Bergente wie ein Tiger geschossen kam und seine un¬
heimliche gelbbraune Flut zwischen den Bergen pfeilschnell dahinwälzte. Flöße, aus den
Wäldern des Jda gehauen, trug er ans seinem Rücken. Wenn es auch an deu Berg-
hängen und in den Talfalten nicht an bebauten Feldern fehlte, so machte die Gegend
doch einen idyllisch-wilden Eindruck. Nichts Reguliertes, Abgezirkeltes, Eingezwängtes.
Frei floß der Strom, und frei wuchsen die Eichen über der Saat, die zu wachsen
schien, nicht wo der Mensch, sondern wo sie selber wollte. Leider kann man den
Jda von diesem Gipfel aus nicht sehen. Sehr schön tritt dagegen die Insel Tenedos
mit ihrem niedrigen Spitzkegel hervor.

Wir hatten unsre Pferde unterhalb des Gipfels gelassen, bestiegen sie wieder
und ritten hinunter in das Dorf Bnnarbaschi. Das klägliche Cafe, in dem wir
einkehrten, war erst kürzlich durch türkische Freskomalerei geschmückt worden. Der
Künstler hatte Blumentöpfe gemalt, aus denen sich Schlinggewächse bis zur Decke
emporrankten. Dazwischen prangten langgezogne Palmenwedel und dünne (Zypressen.
Das Ganze sollte den stumpfsinnigen, auf den schrägen bockender Dorfältesten die
Idee erwecken, als säßen sie in einer herrlichen, grünen Gartenlaube.

Weiter ritten wir an dem linken Höhenzuge entlang zu den vierzig Quellen.
Diese sind eigentlich nicht Quellen, sondern Skamanderwasser. Das obere Tal dieses
Flusses war nämlich ursprünglich ein See, der seine unterirdischen Abflüsse hatte.
Auch jetzt noch sinkt sein Wasser oberhalb des Durchbruches in die damals gebildeten
Kanäle und kommt in jenen Quellen zutage. Das Wasser ist deshalb schlecht und lau,
wird aber doch getrunken und natürlich von den Buuarbaschierinnen auch zum Waschen
benutzt. Für die Trojanerinnen dagegen (vorausgesetzt, daß das alte Troja auf
dem Balidagh gelegen hätte) würden die Quellen zum regelmäßigen Gebrauch viel
zu weit entfernt gelegen haben. Wir trafen eine ganze Anzahl waschender Weiber
und machten auf dem Waschplatze zwischen zweien der aus dem Berge in Armes¬
dicke hervorschießenden Quellen einige Augenblicke Halt.

Alsbald begannen die Hengste sich zu beißen und zu schlagen. Ich erhielt
plötzlich von dem Hinterteil eines der Nachbarrosse, auf dem ein Herr aus Bayern
saß, einen fürchterlichen Stoß gegen den Oberschenkel. Mein Tier stieg mit den
Vorderbeinen sofort in die Luft, und im nächsten Augenblick sah ich die beiden blinkenden
Hufeisen des feindlichen Gauls über meinen Kopf geschwungen. Jetzt gilts das
-!eben! -- durchzuckte es mich, und von einer Art Instinkt getrieben warf ich
wich nach der linken Seite vom Pferd auf die Erde. Ich stürzte auf das Knie
Weines schon zweimal verwundeten Beines. Auch mein Pferd stürzte, und im
wichsten Moment wälzten sich zwei Rosse und zwei Reiter auf der Erde herum.
Die Agojaten schrieen und gestikulierten, aber keiner wagte zuzugreifen. Als ich
wrch erhob, merkte ich sofort, daß nun auch mein Knie verletzt und so die richtige
Verbindung zwischen der Verwundung des Ober- und des Unterschenkels hergestellt
war. Der Bayer aber sagte, den abgefallnen Hut wieder aussetzend: "Nur nicht
'weder so eine Versammlung von Rössern!" Das war der gefährlichste Augenblick
Weines Reiterlebens. Ich muß gesteh", ich fing jetzt an, davon genug zu haben,
und die Überzeugung erwachte in mir, daß wenn mir noch etwas passierte, es kein
gutes Ende nehmen würde. Dörpfeld sagte nachher, als er von dieser Hippomachie
?"rde: "Man darf die Tiere nie nebeneinander stehn lassen, sondern muß sie immer
w Gang erhalten, sonst werden sie unruhig." Ja, wenn wir das nur früher gewußt
hatten!


Grenzboten II 1S04 46
Liire Trojafahrt

findet sich auch einiges dürftige Mauerwerk aus verschiednen zumeist sehr jungen
Zeiten, aber kein tiefer Schüttboden, wie er durch längere Besiedlung entsteht. Auch
auf dem andern Ufer des Skamander hat man eine ähnliche Anlage gefunden. Es
hat also an dieser wichtigen Stelle schon in alter Zeit zwei das Tal abschließende
Burgen gegeben.

Der Balidagh hat zwei Gipfel. Von dem zweiten, der etwa 150 Meter hoch
ist, sahen wir in die Gebirgslandschaft hinein und hinunter in das tiefe Tal des
Skamander, der um die nächste Bergente wie ein Tiger geschossen kam und seine un¬
heimliche gelbbraune Flut zwischen den Bergen pfeilschnell dahinwälzte. Flöße, aus den
Wäldern des Jda gehauen, trug er ans seinem Rücken. Wenn es auch an deu Berg-
hängen und in den Talfalten nicht an bebauten Feldern fehlte, so machte die Gegend
doch einen idyllisch-wilden Eindruck. Nichts Reguliertes, Abgezirkeltes, Eingezwängtes.
Frei floß der Strom, und frei wuchsen die Eichen über der Saat, die zu wachsen
schien, nicht wo der Mensch, sondern wo sie selber wollte. Leider kann man den
Jda von diesem Gipfel aus nicht sehen. Sehr schön tritt dagegen die Insel Tenedos
mit ihrem niedrigen Spitzkegel hervor.

Wir hatten unsre Pferde unterhalb des Gipfels gelassen, bestiegen sie wieder
und ritten hinunter in das Dorf Bnnarbaschi. Das klägliche Cafe, in dem wir
einkehrten, war erst kürzlich durch türkische Freskomalerei geschmückt worden. Der
Künstler hatte Blumentöpfe gemalt, aus denen sich Schlinggewächse bis zur Decke
emporrankten. Dazwischen prangten langgezogne Palmenwedel und dünne (Zypressen.
Das Ganze sollte den stumpfsinnigen, auf den schrägen bockender Dorfältesten die
Idee erwecken, als säßen sie in einer herrlichen, grünen Gartenlaube.

Weiter ritten wir an dem linken Höhenzuge entlang zu den vierzig Quellen.
Diese sind eigentlich nicht Quellen, sondern Skamanderwasser. Das obere Tal dieses
Flusses war nämlich ursprünglich ein See, der seine unterirdischen Abflüsse hatte.
Auch jetzt noch sinkt sein Wasser oberhalb des Durchbruches in die damals gebildeten
Kanäle und kommt in jenen Quellen zutage. Das Wasser ist deshalb schlecht und lau,
wird aber doch getrunken und natürlich von den Buuarbaschierinnen auch zum Waschen
benutzt. Für die Trojanerinnen dagegen (vorausgesetzt, daß das alte Troja auf
dem Balidagh gelegen hätte) würden die Quellen zum regelmäßigen Gebrauch viel
zu weit entfernt gelegen haben. Wir trafen eine ganze Anzahl waschender Weiber
und machten auf dem Waschplatze zwischen zweien der aus dem Berge in Armes¬
dicke hervorschießenden Quellen einige Augenblicke Halt.

Alsbald begannen die Hengste sich zu beißen und zu schlagen. Ich erhielt
plötzlich von dem Hinterteil eines der Nachbarrosse, auf dem ein Herr aus Bayern
saß, einen fürchterlichen Stoß gegen den Oberschenkel. Mein Tier stieg mit den
Vorderbeinen sofort in die Luft, und im nächsten Augenblick sah ich die beiden blinkenden
Hufeisen des feindlichen Gauls über meinen Kopf geschwungen. Jetzt gilts das
-!eben! — durchzuckte es mich, und von einer Art Instinkt getrieben warf ich
wich nach der linken Seite vom Pferd auf die Erde. Ich stürzte auf das Knie
Weines schon zweimal verwundeten Beines. Auch mein Pferd stürzte, und im
wichsten Moment wälzten sich zwei Rosse und zwei Reiter auf der Erde herum.
Die Agojaten schrieen und gestikulierten, aber keiner wagte zuzugreifen. Als ich
wrch erhob, merkte ich sofort, daß nun auch mein Knie verletzt und so die richtige
Verbindung zwischen der Verwundung des Ober- und des Unterschenkels hergestellt
war. Der Bayer aber sagte, den abgefallnen Hut wieder aussetzend: „Nur nicht
'weder so eine Versammlung von Rössern!" Das war der gefährlichste Augenblick
Weines Reiterlebens. Ich muß gesteh», ich fing jetzt an, davon genug zu haben,
und die Überzeugung erwachte in mir, daß wenn mir noch etwas passierte, es kein
gutes Ende nehmen würde. Dörpfeld sagte nachher, als er von dieser Hippomachie
?"rde: „Man darf die Tiere nie nebeneinander stehn lassen, sondern muß sie immer
w Gang erhalten, sonst werden sie unruhig." Ja, wenn wir das nur früher gewußt
hatten!


Grenzboten II 1S04 46
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[0353] Liire Trojafahrt findet sich auch einiges dürftige Mauerwerk aus verschiednen zumeist sehr jungen Zeiten, aber kein tiefer Schüttboden, wie er durch längere Besiedlung entsteht. Auch auf dem andern Ufer des Skamander hat man eine ähnliche Anlage gefunden. Es hat also an dieser wichtigen Stelle schon in alter Zeit zwei das Tal abschließende Burgen gegeben. Der Balidagh hat zwei Gipfel. Von dem zweiten, der etwa 150 Meter hoch ist, sahen wir in die Gebirgslandschaft hinein und hinunter in das tiefe Tal des Skamander, der um die nächste Bergente wie ein Tiger geschossen kam und seine un¬ heimliche gelbbraune Flut zwischen den Bergen pfeilschnell dahinwälzte. Flöße, aus den Wäldern des Jda gehauen, trug er ans seinem Rücken. Wenn es auch an deu Berg- hängen und in den Talfalten nicht an bebauten Feldern fehlte, so machte die Gegend doch einen idyllisch-wilden Eindruck. Nichts Reguliertes, Abgezirkeltes, Eingezwängtes. Frei floß der Strom, und frei wuchsen die Eichen über der Saat, die zu wachsen schien, nicht wo der Mensch, sondern wo sie selber wollte. Leider kann man den Jda von diesem Gipfel aus nicht sehen. Sehr schön tritt dagegen die Insel Tenedos mit ihrem niedrigen Spitzkegel hervor. Wir hatten unsre Pferde unterhalb des Gipfels gelassen, bestiegen sie wieder und ritten hinunter in das Dorf Bnnarbaschi. Das klägliche Cafe, in dem wir einkehrten, war erst kürzlich durch türkische Freskomalerei geschmückt worden. Der Künstler hatte Blumentöpfe gemalt, aus denen sich Schlinggewächse bis zur Decke emporrankten. Dazwischen prangten langgezogne Palmenwedel und dünne (Zypressen. Das Ganze sollte den stumpfsinnigen, auf den schrägen bockender Dorfältesten die Idee erwecken, als säßen sie in einer herrlichen, grünen Gartenlaube. Weiter ritten wir an dem linken Höhenzuge entlang zu den vierzig Quellen. Diese sind eigentlich nicht Quellen, sondern Skamanderwasser. Das obere Tal dieses Flusses war nämlich ursprünglich ein See, der seine unterirdischen Abflüsse hatte. Auch jetzt noch sinkt sein Wasser oberhalb des Durchbruches in die damals gebildeten Kanäle und kommt in jenen Quellen zutage. Das Wasser ist deshalb schlecht und lau, wird aber doch getrunken und natürlich von den Buuarbaschierinnen auch zum Waschen benutzt. Für die Trojanerinnen dagegen (vorausgesetzt, daß das alte Troja auf dem Balidagh gelegen hätte) würden die Quellen zum regelmäßigen Gebrauch viel zu weit entfernt gelegen haben. Wir trafen eine ganze Anzahl waschender Weiber und machten auf dem Waschplatze zwischen zweien der aus dem Berge in Armes¬ dicke hervorschießenden Quellen einige Augenblicke Halt. Alsbald begannen die Hengste sich zu beißen und zu schlagen. Ich erhielt plötzlich von dem Hinterteil eines der Nachbarrosse, auf dem ein Herr aus Bayern saß, einen fürchterlichen Stoß gegen den Oberschenkel. Mein Tier stieg mit den Vorderbeinen sofort in die Luft, und im nächsten Augenblick sah ich die beiden blinkenden Hufeisen des feindlichen Gauls über meinen Kopf geschwungen. Jetzt gilts das -!eben! — durchzuckte es mich, und von einer Art Instinkt getrieben warf ich wich nach der linken Seite vom Pferd auf die Erde. Ich stürzte auf das Knie Weines schon zweimal verwundeten Beines. Auch mein Pferd stürzte, und im wichsten Moment wälzten sich zwei Rosse und zwei Reiter auf der Erde herum. Die Agojaten schrieen und gestikulierten, aber keiner wagte zuzugreifen. Als ich wrch erhob, merkte ich sofort, daß nun auch mein Knie verletzt und so die richtige Verbindung zwischen der Verwundung des Ober- und des Unterschenkels hergestellt war. Der Bayer aber sagte, den abgefallnen Hut wieder aussetzend: „Nur nicht 'weder so eine Versammlung von Rössern!" Das war der gefährlichste Augenblick Weines Reiterlebens. Ich muß gesteh», ich fing jetzt an, davon genug zu haben, und die Überzeugung erwachte in mir, daß wenn mir noch etwas passierte, es kein gutes Ende nehmen würde. Dörpfeld sagte nachher, als er von dieser Hippomachie ?"rde: „Man darf die Tiere nie nebeneinander stehn lassen, sondern muß sie immer w Gang erhalten, sonst werden sie unruhig." Ja, wenn wir das nur früher gewußt hatten! Grenzboten II 1S04 46

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/353>, abgerufen am 30.06.2024.