Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Auffassung, man müsse einen vollen Erfolg der Sozialdemokratie wünschen, weil
erst dann ein Umschwung und eine Besserung zu erhoffen seien, weit verbreitet.
Der Abgeordnete Memel ist deshalb vollkommen im Recht, wenn er nicht als
Fraktionsmitglied, sondern als Vertrauensmann seiner Wähler die Tatsache der
immer weiter um sich greifenden Abneigung vom heutigen Wahlrecht feststellt, das
die davon erhoffte Beendigung aller im Volke schlummernden patriotischen Kräfte
nicht mehr leistet, sondern die gesamte Nation der Herrschaft einer wirtschaftlichen
Klasse unterwirft, die Massen an die Stelle der Intelligenz, die Abwendung vom
Staate an die Stelle der Vaterlandsliebe und der Pflichttreue setzt. Er hat ferner
Recht damit, wenn er es als die Aufgabe der bürgerlichen Kreise bezeichnet, den
Kampf gegen das allgemeine Stimmrecht aufzunehmen. Er hat auch Recht, wenn
er sagt: "Es ertragen viele Arbeiter nur widerwillig deu Terrorismus der sozial-
demokratischen Führer. Unter dem allgemeinen Stimmrecht können sie sich dieser
Knechtschaft nicht entziehn, weil sie sehen, daß die Macht der Sozialdemokratie
unausgesetzt im Wachsen begriffen ist, und fortwährend neue Gesetze ihre Macht
noch weiter erhöhen. Es ist kaum noch möglich für einen Arbeiter, sich nicht als
Anhänger der Sozialdemokratie zu bekennen, weil er dann ans allen Werkstellen
und Werkplätzen durch die Schikanen seiner Nebenarbeiter Vertrieben wird." Herr
Memel ist auch im Recht, wenn er behauptet, "daß die Beseitigung des allge¬
meinen Stimmrechts und die Einführung eines andern Wahlrechts, welches die
Klassenherrschaft der Arbeiter ausschließt, in der Hand des Bürgertums liegt, sowie
es sich offen gegen das allgemeine Stimmrecht erklärt hat."

Der Umstand, daß sich die nationnlliberale Parteileitung ans Opportnnitcits-
rücksichten gegen den Abgeordneten Memel erklärt, ist kein Beweis für die Un¬
richtigkeit seiner Stellungnahme. Verdanken wir doch der nntionallibernlen Partei
den schlimmsten Teil dieses allgemeinen Stimmrechts, die geheime Wahl. Es
dürfte auch in der ucitionalliberaleu Parteileitung, soweit sie nicht vom Kampfe
gegen die Konservativen verblendet ist und deshalb den Anschluß nach links sucht,
sehr wenig Männer geben, die vor ihrem Gewissen einen andern Standpunkt ein¬
nehmen als der Abgeordnete Memel. Er hat nur den Mut gehabt, öffentlich aus-
zusprechen, was Millionen denken und täglich für sich selbst bekennen. Diese Aussaat
wird auf gutes Land fallen und hoffentlich tausendfältige Frucht trage".

Der Kaiser ist wieder heimgekehrt, zum Glück wohlbehalten und in guter
Gesundheit. Er hat im Vaterlande seinen Fuß zuerst ans elsässischen Boden gesetzt;
auf der Hohkönigsbnrg stieg bei diesem Anlaß zum erstenmal die Kaiserstandarte
enipor. Ein Zufall uur, wie die Weltgeschichte sie zuweilen liebt, aber auch als
solcher eine Antwort über die Vogesen hinüber ans alle die Ungereimtheiten und
Überschwenglichkeiten, die Herrn Lonbets Besuch in Rom bei der französischen Presse
zutage gefördert hat. Wir Deutschen verzeichnen es unter diesen Umständen mit
besonderen Denke, daß der Kaiser eine Begegnung mit Herrn Loubet, die ja in
Neapel sehr leicht zustande zu bringen gewesen wäre, vermieden hat. Der Besuch
des Präsidenten in Italien hat sich ohnehin im Schatten des Dreibunds vollzogen,
und wenn die Italiener ihrer Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß bis auf
weiteres der Alp französischer Bedrohung nicht mehr auf ihnen lastet, so werden
ernste italienische Staatsmänner und wird namentlich das Königshaus doch nie Ver¬
gessen, daß dieses Ergebnis im wesentlichen Deutschland und der deutscheu Politik
zu verdanke" ist. Der herzlichen Begrüßung, die dem Kaiser in Venedig zuteil
geworden ist, hat die Erinnerung daran, daß Venedig bei Königgrtttz für Italien
gewonnen wurde, nicht fern gelegen, und wenn das römische Journal "Patria,"
das sich eines starken Straßenverkanfs erfreut, am Tage vor Loubets Ankunft den
Sedanbrief Napoleons des Dritten an König Wilhelm: N'^xmt, xas xn mourir an
Milieu alö mes trouxes it us wo ivsto qu'a romsttis mon <zy6ö vlltro las rcminL
als Votre- U^ostö... in Faksimile veröffentlichte, so war das eine nicht gerade
sehr taktvolle, aber doch im Volksbewußtsein wurzelnde Mahnung, daß Italien seine


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Auffassung, man müsse einen vollen Erfolg der Sozialdemokratie wünschen, weil
erst dann ein Umschwung und eine Besserung zu erhoffen seien, weit verbreitet.
Der Abgeordnete Memel ist deshalb vollkommen im Recht, wenn er nicht als
Fraktionsmitglied, sondern als Vertrauensmann seiner Wähler die Tatsache der
immer weiter um sich greifenden Abneigung vom heutigen Wahlrecht feststellt, das
die davon erhoffte Beendigung aller im Volke schlummernden patriotischen Kräfte
nicht mehr leistet, sondern die gesamte Nation der Herrschaft einer wirtschaftlichen
Klasse unterwirft, die Massen an die Stelle der Intelligenz, die Abwendung vom
Staate an die Stelle der Vaterlandsliebe und der Pflichttreue setzt. Er hat ferner
Recht damit, wenn er es als die Aufgabe der bürgerlichen Kreise bezeichnet, den
Kampf gegen das allgemeine Stimmrecht aufzunehmen. Er hat auch Recht, wenn
er sagt: „Es ertragen viele Arbeiter nur widerwillig deu Terrorismus der sozial-
demokratischen Führer. Unter dem allgemeinen Stimmrecht können sie sich dieser
Knechtschaft nicht entziehn, weil sie sehen, daß die Macht der Sozialdemokratie
unausgesetzt im Wachsen begriffen ist, und fortwährend neue Gesetze ihre Macht
noch weiter erhöhen. Es ist kaum noch möglich für einen Arbeiter, sich nicht als
Anhänger der Sozialdemokratie zu bekennen, weil er dann ans allen Werkstellen
und Werkplätzen durch die Schikanen seiner Nebenarbeiter Vertrieben wird." Herr
Memel ist auch im Recht, wenn er behauptet, „daß die Beseitigung des allge¬
meinen Stimmrechts und die Einführung eines andern Wahlrechts, welches die
Klassenherrschaft der Arbeiter ausschließt, in der Hand des Bürgertums liegt, sowie
es sich offen gegen das allgemeine Stimmrecht erklärt hat."

Der Umstand, daß sich die nationnlliberale Parteileitung ans Opportnnitcits-
rücksichten gegen den Abgeordneten Memel erklärt, ist kein Beweis für die Un¬
richtigkeit seiner Stellungnahme. Verdanken wir doch der nntionallibernlen Partei
den schlimmsten Teil dieses allgemeinen Stimmrechts, die geheime Wahl. Es
dürfte auch in der ucitionalliberaleu Parteileitung, soweit sie nicht vom Kampfe
gegen die Konservativen verblendet ist und deshalb den Anschluß nach links sucht,
sehr wenig Männer geben, die vor ihrem Gewissen einen andern Standpunkt ein¬
nehmen als der Abgeordnete Memel. Er hat nur den Mut gehabt, öffentlich aus-
zusprechen, was Millionen denken und täglich für sich selbst bekennen. Diese Aussaat
wird auf gutes Land fallen und hoffentlich tausendfältige Frucht trage».

Der Kaiser ist wieder heimgekehrt, zum Glück wohlbehalten und in guter
Gesundheit. Er hat im Vaterlande seinen Fuß zuerst ans elsässischen Boden gesetzt;
auf der Hohkönigsbnrg stieg bei diesem Anlaß zum erstenmal die Kaiserstandarte
enipor. Ein Zufall uur, wie die Weltgeschichte sie zuweilen liebt, aber auch als
solcher eine Antwort über die Vogesen hinüber ans alle die Ungereimtheiten und
Überschwenglichkeiten, die Herrn Lonbets Besuch in Rom bei der französischen Presse
zutage gefördert hat. Wir Deutschen verzeichnen es unter diesen Umständen mit
besonderen Denke, daß der Kaiser eine Begegnung mit Herrn Loubet, die ja in
Neapel sehr leicht zustande zu bringen gewesen wäre, vermieden hat. Der Besuch
des Präsidenten in Italien hat sich ohnehin im Schatten des Dreibunds vollzogen,
und wenn die Italiener ihrer Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß bis auf
weiteres der Alp französischer Bedrohung nicht mehr auf ihnen lastet, so werden
ernste italienische Staatsmänner und wird namentlich das Königshaus doch nie Ver¬
gessen, daß dieses Ergebnis im wesentlichen Deutschland und der deutscheu Politik
zu verdanke» ist. Der herzlichen Begrüßung, die dem Kaiser in Venedig zuteil
geworden ist, hat die Erinnerung daran, daß Venedig bei Königgrtttz für Italien
gewonnen wurde, nicht fern gelegen, und wenn das römische Journal „Patria,"
das sich eines starken Straßenverkanfs erfreut, am Tage vor Loubets Ankunft den
Sedanbrief Napoleons des Dritten an König Wilhelm: N'^xmt, xas xn mourir an
Milieu alö mes trouxes it us wo ivsto qu'a romsttis mon <zy6ö vlltro las rcminL
als Votre- U^ostö... in Faksimile veröffentlichte, so war das eine nicht gerade
sehr taktvolle, aber doch im Volksbewußtsein wurzelnde Mahnung, daß Italien seine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293927"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1364" prev="#ID_1363"> Auffassung, man müsse einen vollen Erfolg der Sozialdemokratie wünschen, weil<lb/>
erst dann ein Umschwung und eine Besserung zu erhoffen seien, weit verbreitet.<lb/>
Der Abgeordnete Memel ist deshalb vollkommen im Recht, wenn er nicht als<lb/>
Fraktionsmitglied, sondern als Vertrauensmann seiner Wähler die Tatsache der<lb/>
immer weiter um sich greifenden Abneigung vom heutigen Wahlrecht feststellt, das<lb/>
die davon erhoffte Beendigung aller im Volke schlummernden patriotischen Kräfte<lb/>
nicht mehr leistet, sondern die gesamte Nation der Herrschaft einer wirtschaftlichen<lb/>
Klasse unterwirft, die Massen an die Stelle der Intelligenz, die Abwendung vom<lb/>
Staate an die Stelle der Vaterlandsliebe und der Pflichttreue setzt. Er hat ferner<lb/>
Recht damit, wenn er es als die Aufgabe der bürgerlichen Kreise bezeichnet, den<lb/>
Kampf gegen das allgemeine Stimmrecht aufzunehmen. Er hat auch Recht, wenn<lb/>
er sagt: &#x201E;Es ertragen viele Arbeiter nur widerwillig deu Terrorismus der sozial-<lb/>
demokratischen Führer. Unter dem allgemeinen Stimmrecht können sie sich dieser<lb/>
Knechtschaft nicht entziehn, weil sie sehen, daß die Macht der Sozialdemokratie<lb/>
unausgesetzt im Wachsen begriffen ist, und fortwährend neue Gesetze ihre Macht<lb/>
noch weiter erhöhen. Es ist kaum noch möglich für einen Arbeiter, sich nicht als<lb/>
Anhänger der Sozialdemokratie zu bekennen, weil er dann ans allen Werkstellen<lb/>
und Werkplätzen durch die Schikanen seiner Nebenarbeiter Vertrieben wird." Herr<lb/>
Memel ist auch im Recht, wenn er behauptet, &#x201E;daß die Beseitigung des allge¬<lb/>
meinen Stimmrechts und die Einführung eines andern Wahlrechts, welches die<lb/>
Klassenherrschaft der Arbeiter ausschließt, in der Hand des Bürgertums liegt, sowie<lb/>
es sich offen gegen das allgemeine Stimmrecht erklärt hat."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1365"> Der Umstand, daß sich die nationnlliberale Parteileitung ans Opportnnitcits-<lb/>
rücksichten gegen den Abgeordneten Memel erklärt, ist kein Beweis für die Un¬<lb/>
richtigkeit seiner Stellungnahme. Verdanken wir doch der nntionallibernlen Partei<lb/>
den schlimmsten Teil dieses allgemeinen Stimmrechts, die geheime Wahl. Es<lb/>
dürfte auch in der ucitionalliberaleu Parteileitung, soweit sie nicht vom Kampfe<lb/>
gegen die Konservativen verblendet ist und deshalb den Anschluß nach links sucht,<lb/>
sehr wenig Männer geben, die vor ihrem Gewissen einen andern Standpunkt ein¬<lb/>
nehmen als der Abgeordnete Memel. Er hat nur den Mut gehabt, öffentlich aus-<lb/>
zusprechen, was Millionen denken und täglich für sich selbst bekennen. Diese Aussaat<lb/>
wird auf gutes Land fallen und hoffentlich tausendfältige Frucht trage».</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1366" next="#ID_1367"> Der Kaiser ist wieder heimgekehrt, zum Glück wohlbehalten und in guter<lb/>
Gesundheit. Er hat im Vaterlande seinen Fuß zuerst ans elsässischen Boden gesetzt;<lb/>
auf der Hohkönigsbnrg stieg bei diesem Anlaß zum erstenmal die Kaiserstandarte<lb/>
enipor. Ein Zufall uur, wie die Weltgeschichte sie zuweilen liebt, aber auch als<lb/>
solcher eine Antwort über die Vogesen hinüber ans alle die Ungereimtheiten und<lb/>
Überschwenglichkeiten, die Herrn Lonbets Besuch in Rom bei der französischen Presse<lb/>
zutage gefördert hat. Wir Deutschen verzeichnen es unter diesen Umständen mit<lb/>
besonderen Denke, daß der Kaiser eine Begegnung mit Herrn Loubet, die ja in<lb/>
Neapel sehr leicht zustande zu bringen gewesen wäre, vermieden hat. Der Besuch<lb/>
des Präsidenten in Italien hat sich ohnehin im Schatten des Dreibunds vollzogen,<lb/>
und wenn die Italiener ihrer Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß bis auf<lb/>
weiteres der Alp französischer Bedrohung nicht mehr auf ihnen lastet, so werden<lb/>
ernste italienische Staatsmänner und wird namentlich das Königshaus doch nie Ver¬<lb/>
gessen, daß dieses Ergebnis im wesentlichen Deutschland und der deutscheu Politik<lb/>
zu verdanke» ist. Der herzlichen Begrüßung, die dem Kaiser in Venedig zuteil<lb/>
geworden ist, hat die Erinnerung daran, daß Venedig bei Königgrtttz für Italien<lb/>
gewonnen wurde, nicht fern gelegen, und wenn das römische Journal &#x201E;Patria,"<lb/>
das sich eines starken Straßenverkanfs erfreut, am Tage vor Loubets Ankunft den<lb/>
Sedanbrief Napoleons des Dritten an König Wilhelm: N'^xmt, xas xn mourir an<lb/>
Milieu alö mes trouxes it us wo ivsto qu'a romsttis mon &lt;zy6ö vlltro las rcminL<lb/>
als Votre- U^ostö... in Faksimile veröffentlichte, so war das eine nicht gerade<lb/>
sehr taktvolle, aber doch im Volksbewußtsein wurzelnde Mahnung, daß Italien seine</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] Maßgebliches und Unmaßgebliches Auffassung, man müsse einen vollen Erfolg der Sozialdemokratie wünschen, weil erst dann ein Umschwung und eine Besserung zu erhoffen seien, weit verbreitet. Der Abgeordnete Memel ist deshalb vollkommen im Recht, wenn er nicht als Fraktionsmitglied, sondern als Vertrauensmann seiner Wähler die Tatsache der immer weiter um sich greifenden Abneigung vom heutigen Wahlrecht feststellt, das die davon erhoffte Beendigung aller im Volke schlummernden patriotischen Kräfte nicht mehr leistet, sondern die gesamte Nation der Herrschaft einer wirtschaftlichen Klasse unterwirft, die Massen an die Stelle der Intelligenz, die Abwendung vom Staate an die Stelle der Vaterlandsliebe und der Pflichttreue setzt. Er hat ferner Recht damit, wenn er es als die Aufgabe der bürgerlichen Kreise bezeichnet, den Kampf gegen das allgemeine Stimmrecht aufzunehmen. Er hat auch Recht, wenn er sagt: „Es ertragen viele Arbeiter nur widerwillig deu Terrorismus der sozial- demokratischen Führer. Unter dem allgemeinen Stimmrecht können sie sich dieser Knechtschaft nicht entziehn, weil sie sehen, daß die Macht der Sozialdemokratie unausgesetzt im Wachsen begriffen ist, und fortwährend neue Gesetze ihre Macht noch weiter erhöhen. Es ist kaum noch möglich für einen Arbeiter, sich nicht als Anhänger der Sozialdemokratie zu bekennen, weil er dann ans allen Werkstellen und Werkplätzen durch die Schikanen seiner Nebenarbeiter Vertrieben wird." Herr Memel ist auch im Recht, wenn er behauptet, „daß die Beseitigung des allge¬ meinen Stimmrechts und die Einführung eines andern Wahlrechts, welches die Klassenherrschaft der Arbeiter ausschließt, in der Hand des Bürgertums liegt, sowie es sich offen gegen das allgemeine Stimmrecht erklärt hat." Der Umstand, daß sich die nationnlliberale Parteileitung ans Opportnnitcits- rücksichten gegen den Abgeordneten Memel erklärt, ist kein Beweis für die Un¬ richtigkeit seiner Stellungnahme. Verdanken wir doch der nntionallibernlen Partei den schlimmsten Teil dieses allgemeinen Stimmrechts, die geheime Wahl. Es dürfte auch in der ucitionalliberaleu Parteileitung, soweit sie nicht vom Kampfe gegen die Konservativen verblendet ist und deshalb den Anschluß nach links sucht, sehr wenig Männer geben, die vor ihrem Gewissen einen andern Standpunkt ein¬ nehmen als der Abgeordnete Memel. Er hat nur den Mut gehabt, öffentlich aus- zusprechen, was Millionen denken und täglich für sich selbst bekennen. Diese Aussaat wird auf gutes Land fallen und hoffentlich tausendfältige Frucht trage». Der Kaiser ist wieder heimgekehrt, zum Glück wohlbehalten und in guter Gesundheit. Er hat im Vaterlande seinen Fuß zuerst ans elsässischen Boden gesetzt; auf der Hohkönigsbnrg stieg bei diesem Anlaß zum erstenmal die Kaiserstandarte enipor. Ein Zufall uur, wie die Weltgeschichte sie zuweilen liebt, aber auch als solcher eine Antwort über die Vogesen hinüber ans alle die Ungereimtheiten und Überschwenglichkeiten, die Herrn Lonbets Besuch in Rom bei der französischen Presse zutage gefördert hat. Wir Deutschen verzeichnen es unter diesen Umständen mit besonderen Denke, daß der Kaiser eine Begegnung mit Herrn Loubet, die ja in Neapel sehr leicht zustande zu bringen gewesen wäre, vermieden hat. Der Besuch des Präsidenten in Italien hat sich ohnehin im Schatten des Dreibunds vollzogen, und wenn die Italiener ihrer Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß bis auf weiteres der Alp französischer Bedrohung nicht mehr auf ihnen lastet, so werden ernste italienische Staatsmänner und wird namentlich das Königshaus doch nie Ver¬ gessen, daß dieses Ergebnis im wesentlichen Deutschland und der deutscheu Politik zu verdanke» ist. Der herzlichen Begrüßung, die dem Kaiser in Venedig zuteil geworden ist, hat die Erinnerung daran, daß Venedig bei Königgrtttz für Italien gewonnen wurde, nicht fern gelegen, und wenn das römische Journal „Patria," das sich eines starken Straßenverkanfs erfreut, am Tage vor Loubets Ankunft den Sedanbrief Napoleons des Dritten an König Wilhelm: N'^xmt, xas xn mourir an Milieu alö mes trouxes it us wo ivsto qu'a romsttis mon <zy6ö vlltro las rcminL als Votre- U^ostö... in Faksimile veröffentlichte, so war das eine nicht gerade sehr taktvolle, aber doch im Volksbewußtsein wurzelnde Mahnung, daß Italien seine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/308>, abgerufen am 04.07.2024.