Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Erinnerungen

schwerdekommission zu mcichen, erklärte sich aber schließlich bereit und meinte, der
Oberpräsident von Möller müsse im Bundesrate bleiben. Im Elsaß würde man sein
Ausscheiden aus dem Bundesrate nicht verstehn und auf andre Gründe schieben.

Als richterliche Mitglieder, fuhr Fürst Bismarck fort, seien ihm die Mitglieder
des Obertribunals von Grävenitz, Clauswitz, Hahn und Delius als politisch voll¬
kommen zuverlässig bezeichnet worden. Wenigstens drei preußische richterliche Mit¬
glieder werde mau verlangen müssen. Der Justizminister schlug noch den Ober-
tribnnalsrat vou Hollebeu vor und benutzte den Anlaß, um -- wie mir schien,
wenig taktvoll und geschickt -- die preußischen Richter überhaupt als politisch sehr
zuverlässig herauszustreichen. Fürst Bismarck meinte, wenn die preußischen Juristen
alle so wären, wie der Staatsanwalt Tessendorf, dann wären sie in der Rekurs-
inftcinz zu brauchen, aber die preußischen Staatsanwälte fühlten sich meist nicht
als Regierungsbeamte, sondern als souveräne Richter. Den badischen Oberstaats¬
anwalt Kiefer bezeichnete er als abschreckendes Beispiel. An badische Richter könne
man also für die Kommission gar nicht denken.

Dann kamen noch zur Sprache: der Eröffnungstermin für den preußischen
Landtag und die dort einzubringenden Vorlagen, das Unterrichtsgesetz, das als
"noch nicht reif" zurückgestellt wurde, die Verwendung der Wilhelmspende und die
beiden Voden des heute wegen Krankheit abwesenden Finanzministers wegen des
Welfenfonds und der konstitutionellen Garantien. Gegen beide Vota sprach sich
Fürst Bismarck im voraus mit großer Entschiedenheit aus. Um 5 Uhr war die
Sitzung zu Ende.

Ich habe hier zum erstenmal einen unmittelbaren Eindruck von der Persön¬
lichkeit des Fürsten Bismarck und von der Art, wie er in die Geschäfte eingreift,
empfangen, ich kann nur sagen, den Eindruck unbeschreiblicher Überlegenheit und
Größe. Alles, was der Fürst sagte, bewies die vollkommne Beherrschung aller
nur denkbaren Standpunkte und dabei eine innerliche Freiheit und eine Klarheit
des Urteilens und des Wollens, wie ich sie nie habe von einem Menschen zum
Ausdruck bringen hören. Dabei zeigte er nicht einen Anflug von Gereiztheit bei
erfolgenden Widerspruch oder auch nur von Eigensinn. Milde, mit vornehmer
Eleganz plädierte er für seine Anschauung, gab auch hie und da nach, erreichte
aber im wesentlichen alles, was er wollte. Der Abstand zwischen der klaren, be¬
wußten Sicherheit und der anch formell musterhaften Knappheit seiner Ausführungen
und der Haltung des größten Teils der Minister war so groß und für mich so
überraschend, daß ich kaum das rechte Wort dafür finde. Er überall der seiner
Sache, seines Ziels, seines Stoffs völlig mächtige Meister, ohne jede Pose, alles
an ihm der Ausdruck ungesuchter, natürlicher Wahrheit. Die Mehrzahl der rudern
Herren neben ihm tappend, stümpernd, nachhinkend. Einige trafen nie das pnnotum
SÄlisns und störten mit gutmütig polternden Zwischenbemerkungen die Diskussion,
andre schlüge" mit ängstlichen Windungen gerade neben den Puukt, auf den es
ankam, und noch andre wiederholten mit dürftiger Umschreibung, was Fürst Bis¬
marck schon zutreffend, erschöpfend und viel besser ausgeführt hatte. Eine sich
sehr vorteilhaft heraushebende Ausnahme war der Minister des Innern, Graf Botho
Eulenburg. Er allein sprach dem Fürsten ebenbürtig, knapp, elegant, in bester
Farm, sachlich mit voller Herrschaft über den Stoff. Er wußte, was er wollte,
und darum hatte er auch Erfolg. Mein teurer Chef, Graf Otto Stolberg, den
ich liebe und verehre, ging nicht genug aus sich heraus und trat gegen den
Minister des Innern mehr zurück, als sachlich geboten war. Er machte fast den
Eindruck der persönlichen Verstimmtheit. Ans den Justizminister Leonhard und seine
etwas polternden Zwischenbemerkungen achtete niemand. Recht zurückhaltend war Falk;
das Wenige aber, was er sagte, hatte Hand und Fuß. Bismarck, Eulenburg, und
wenn er seine Schüchternheit überwindet, Graf Stolberg wickeln das ganze Kollegium
auf. Jedenfalls war dies eine der interessantesten Stunden, die ich je erlebt habe.
Ich kann durchaus uicht sagen, daß mir für die Bedeutung Bismarcks, die mir hier


Erinnerungen

schwerdekommission zu mcichen, erklärte sich aber schließlich bereit und meinte, der
Oberpräsident von Möller müsse im Bundesrate bleiben. Im Elsaß würde man sein
Ausscheiden aus dem Bundesrate nicht verstehn und auf andre Gründe schieben.

Als richterliche Mitglieder, fuhr Fürst Bismarck fort, seien ihm die Mitglieder
des Obertribunals von Grävenitz, Clauswitz, Hahn und Delius als politisch voll¬
kommen zuverlässig bezeichnet worden. Wenigstens drei preußische richterliche Mit¬
glieder werde mau verlangen müssen. Der Justizminister schlug noch den Ober-
tribnnalsrat vou Hollebeu vor und benutzte den Anlaß, um — wie mir schien,
wenig taktvoll und geschickt — die preußischen Richter überhaupt als politisch sehr
zuverlässig herauszustreichen. Fürst Bismarck meinte, wenn die preußischen Juristen
alle so wären, wie der Staatsanwalt Tessendorf, dann wären sie in der Rekurs-
inftcinz zu brauchen, aber die preußischen Staatsanwälte fühlten sich meist nicht
als Regierungsbeamte, sondern als souveräne Richter. Den badischen Oberstaats¬
anwalt Kiefer bezeichnete er als abschreckendes Beispiel. An badische Richter könne
man also für die Kommission gar nicht denken.

Dann kamen noch zur Sprache: der Eröffnungstermin für den preußischen
Landtag und die dort einzubringenden Vorlagen, das Unterrichtsgesetz, das als
„noch nicht reif" zurückgestellt wurde, die Verwendung der Wilhelmspende und die
beiden Voden des heute wegen Krankheit abwesenden Finanzministers wegen des
Welfenfonds und der konstitutionellen Garantien. Gegen beide Vota sprach sich
Fürst Bismarck im voraus mit großer Entschiedenheit aus. Um 5 Uhr war die
Sitzung zu Ende.

Ich habe hier zum erstenmal einen unmittelbaren Eindruck von der Persön¬
lichkeit des Fürsten Bismarck und von der Art, wie er in die Geschäfte eingreift,
empfangen, ich kann nur sagen, den Eindruck unbeschreiblicher Überlegenheit und
Größe. Alles, was der Fürst sagte, bewies die vollkommne Beherrschung aller
nur denkbaren Standpunkte und dabei eine innerliche Freiheit und eine Klarheit
des Urteilens und des Wollens, wie ich sie nie habe von einem Menschen zum
Ausdruck bringen hören. Dabei zeigte er nicht einen Anflug von Gereiztheit bei
erfolgenden Widerspruch oder auch nur von Eigensinn. Milde, mit vornehmer
Eleganz plädierte er für seine Anschauung, gab auch hie und da nach, erreichte
aber im wesentlichen alles, was er wollte. Der Abstand zwischen der klaren, be¬
wußten Sicherheit und der anch formell musterhaften Knappheit seiner Ausführungen
und der Haltung des größten Teils der Minister war so groß und für mich so
überraschend, daß ich kaum das rechte Wort dafür finde. Er überall der seiner
Sache, seines Ziels, seines Stoffs völlig mächtige Meister, ohne jede Pose, alles
an ihm der Ausdruck ungesuchter, natürlicher Wahrheit. Die Mehrzahl der rudern
Herren neben ihm tappend, stümpernd, nachhinkend. Einige trafen nie das pnnotum
SÄlisns und störten mit gutmütig polternden Zwischenbemerkungen die Diskussion,
andre schlüge» mit ängstlichen Windungen gerade neben den Puukt, auf den es
ankam, und noch andre wiederholten mit dürftiger Umschreibung, was Fürst Bis¬
marck schon zutreffend, erschöpfend und viel besser ausgeführt hatte. Eine sich
sehr vorteilhaft heraushebende Ausnahme war der Minister des Innern, Graf Botho
Eulenburg. Er allein sprach dem Fürsten ebenbürtig, knapp, elegant, in bester
Farm, sachlich mit voller Herrschaft über den Stoff. Er wußte, was er wollte,
und darum hatte er auch Erfolg. Mein teurer Chef, Graf Otto Stolberg, den
ich liebe und verehre, ging nicht genug aus sich heraus und trat gegen den
Minister des Innern mehr zurück, als sachlich geboten war. Er machte fast den
Eindruck der persönlichen Verstimmtheit. Ans den Justizminister Leonhard und seine
etwas polternden Zwischenbemerkungen achtete niemand. Recht zurückhaltend war Falk;
das Wenige aber, was er sagte, hatte Hand und Fuß. Bismarck, Eulenburg, und
wenn er seine Schüchternheit überwindet, Graf Stolberg wickeln das ganze Kollegium
auf. Jedenfalls war dies eine der interessantesten Stunden, die ich je erlebt habe.
Ich kann durchaus uicht sagen, daß mir für die Bedeutung Bismarcks, die mir hier


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293912"/>
          <fw type="header" place="top"> Erinnerungen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1227" prev="#ID_1226"> schwerdekommission zu mcichen, erklärte sich aber schließlich bereit und meinte, der<lb/>
Oberpräsident von Möller müsse im Bundesrate bleiben. Im Elsaß würde man sein<lb/>
Ausscheiden aus dem Bundesrate nicht verstehn und auf andre Gründe schieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1228"> Als richterliche Mitglieder, fuhr Fürst Bismarck fort, seien ihm die Mitglieder<lb/>
des Obertribunals von Grävenitz, Clauswitz, Hahn und Delius als politisch voll¬<lb/>
kommen zuverlässig bezeichnet worden. Wenigstens drei preußische richterliche Mit¬<lb/>
glieder werde mau verlangen müssen. Der Justizminister schlug noch den Ober-<lb/>
tribnnalsrat vou Hollebeu vor und benutzte den Anlaß, um &#x2014; wie mir schien,<lb/>
wenig taktvoll und geschickt &#x2014; die preußischen Richter überhaupt als politisch sehr<lb/>
zuverlässig herauszustreichen. Fürst Bismarck meinte, wenn die preußischen Juristen<lb/>
alle so wären, wie der Staatsanwalt Tessendorf, dann wären sie in der Rekurs-<lb/>
inftcinz zu brauchen, aber die preußischen Staatsanwälte fühlten sich meist nicht<lb/>
als Regierungsbeamte, sondern als souveräne Richter. Den badischen Oberstaats¬<lb/>
anwalt Kiefer bezeichnete er als abschreckendes Beispiel. An badische Richter könne<lb/>
man also für die Kommission gar nicht denken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1229"> Dann kamen noch zur Sprache: der Eröffnungstermin für den preußischen<lb/>
Landtag und die dort einzubringenden Vorlagen, das Unterrichtsgesetz, das als<lb/>
&#x201E;noch nicht reif" zurückgestellt wurde, die Verwendung der Wilhelmspende und die<lb/>
beiden Voden des heute wegen Krankheit abwesenden Finanzministers wegen des<lb/>
Welfenfonds und der konstitutionellen Garantien. Gegen beide Vota sprach sich<lb/>
Fürst Bismarck im voraus mit großer Entschiedenheit aus. Um 5 Uhr war die<lb/>
Sitzung zu Ende.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1230" next="#ID_1231"> Ich habe hier zum erstenmal einen unmittelbaren Eindruck von der Persön¬<lb/>
lichkeit des Fürsten Bismarck und von der Art, wie er in die Geschäfte eingreift,<lb/>
empfangen, ich kann nur sagen, den Eindruck unbeschreiblicher Überlegenheit und<lb/>
Größe. Alles, was der Fürst sagte, bewies die vollkommne Beherrschung aller<lb/>
nur denkbaren Standpunkte und dabei eine innerliche Freiheit und eine Klarheit<lb/>
des Urteilens und des Wollens, wie ich sie nie habe von einem Menschen zum<lb/>
Ausdruck bringen hören. Dabei zeigte er nicht einen Anflug von Gereiztheit bei<lb/>
erfolgenden Widerspruch oder auch nur von Eigensinn. Milde, mit vornehmer<lb/>
Eleganz plädierte er für seine Anschauung, gab auch hie und da nach, erreichte<lb/>
aber im wesentlichen alles, was er wollte. Der Abstand zwischen der klaren, be¬<lb/>
wußten Sicherheit und der anch formell musterhaften Knappheit seiner Ausführungen<lb/>
und der Haltung des größten Teils der Minister war so groß und für mich so<lb/>
überraschend, daß ich kaum das rechte Wort dafür finde. Er überall der seiner<lb/>
Sache, seines Ziels, seines Stoffs völlig mächtige Meister, ohne jede Pose, alles<lb/>
an ihm der Ausdruck ungesuchter, natürlicher Wahrheit. Die Mehrzahl der rudern<lb/>
Herren neben ihm tappend, stümpernd, nachhinkend. Einige trafen nie das pnnotum<lb/>
SÄlisns und störten mit gutmütig polternden Zwischenbemerkungen die Diskussion,<lb/>
andre schlüge» mit ängstlichen Windungen gerade neben den Puukt, auf den es<lb/>
ankam, und noch andre wiederholten mit dürftiger Umschreibung, was Fürst Bis¬<lb/>
marck schon zutreffend, erschöpfend und viel besser ausgeführt hatte. Eine sich<lb/>
sehr vorteilhaft heraushebende Ausnahme war der Minister des Innern, Graf Botho<lb/>
Eulenburg. Er allein sprach dem Fürsten ebenbürtig, knapp, elegant, in bester<lb/>
Farm, sachlich mit voller Herrschaft über den Stoff. Er wußte, was er wollte,<lb/>
und darum hatte er auch Erfolg. Mein teurer Chef, Graf Otto Stolberg, den<lb/>
ich liebe und verehre, ging nicht genug aus sich heraus und trat gegen den<lb/>
Minister des Innern mehr zurück, als sachlich geboten war. Er machte fast den<lb/>
Eindruck der persönlichen Verstimmtheit. Ans den Justizminister Leonhard und seine<lb/>
etwas polternden Zwischenbemerkungen achtete niemand. Recht zurückhaltend war Falk;<lb/>
das Wenige aber, was er sagte, hatte Hand und Fuß. Bismarck, Eulenburg, und<lb/>
wenn er seine Schüchternheit überwindet, Graf Stolberg wickeln das ganze Kollegium<lb/>
auf. Jedenfalls war dies eine der interessantesten Stunden, die ich je erlebt habe.<lb/>
Ich kann durchaus uicht sagen, daß mir für die Bedeutung Bismarcks, die mir hier</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0293] Erinnerungen schwerdekommission zu mcichen, erklärte sich aber schließlich bereit und meinte, der Oberpräsident von Möller müsse im Bundesrate bleiben. Im Elsaß würde man sein Ausscheiden aus dem Bundesrate nicht verstehn und auf andre Gründe schieben. Als richterliche Mitglieder, fuhr Fürst Bismarck fort, seien ihm die Mitglieder des Obertribunals von Grävenitz, Clauswitz, Hahn und Delius als politisch voll¬ kommen zuverlässig bezeichnet worden. Wenigstens drei preußische richterliche Mit¬ glieder werde mau verlangen müssen. Der Justizminister schlug noch den Ober- tribnnalsrat vou Hollebeu vor und benutzte den Anlaß, um — wie mir schien, wenig taktvoll und geschickt — die preußischen Richter überhaupt als politisch sehr zuverlässig herauszustreichen. Fürst Bismarck meinte, wenn die preußischen Juristen alle so wären, wie der Staatsanwalt Tessendorf, dann wären sie in der Rekurs- inftcinz zu brauchen, aber die preußischen Staatsanwälte fühlten sich meist nicht als Regierungsbeamte, sondern als souveräne Richter. Den badischen Oberstaats¬ anwalt Kiefer bezeichnete er als abschreckendes Beispiel. An badische Richter könne man also für die Kommission gar nicht denken. Dann kamen noch zur Sprache: der Eröffnungstermin für den preußischen Landtag und die dort einzubringenden Vorlagen, das Unterrichtsgesetz, das als „noch nicht reif" zurückgestellt wurde, die Verwendung der Wilhelmspende und die beiden Voden des heute wegen Krankheit abwesenden Finanzministers wegen des Welfenfonds und der konstitutionellen Garantien. Gegen beide Vota sprach sich Fürst Bismarck im voraus mit großer Entschiedenheit aus. Um 5 Uhr war die Sitzung zu Ende. Ich habe hier zum erstenmal einen unmittelbaren Eindruck von der Persön¬ lichkeit des Fürsten Bismarck und von der Art, wie er in die Geschäfte eingreift, empfangen, ich kann nur sagen, den Eindruck unbeschreiblicher Überlegenheit und Größe. Alles, was der Fürst sagte, bewies die vollkommne Beherrschung aller nur denkbaren Standpunkte und dabei eine innerliche Freiheit und eine Klarheit des Urteilens und des Wollens, wie ich sie nie habe von einem Menschen zum Ausdruck bringen hören. Dabei zeigte er nicht einen Anflug von Gereiztheit bei erfolgenden Widerspruch oder auch nur von Eigensinn. Milde, mit vornehmer Eleganz plädierte er für seine Anschauung, gab auch hie und da nach, erreichte aber im wesentlichen alles, was er wollte. Der Abstand zwischen der klaren, be¬ wußten Sicherheit und der anch formell musterhaften Knappheit seiner Ausführungen und der Haltung des größten Teils der Minister war so groß und für mich so überraschend, daß ich kaum das rechte Wort dafür finde. Er überall der seiner Sache, seines Ziels, seines Stoffs völlig mächtige Meister, ohne jede Pose, alles an ihm der Ausdruck ungesuchter, natürlicher Wahrheit. Die Mehrzahl der rudern Herren neben ihm tappend, stümpernd, nachhinkend. Einige trafen nie das pnnotum SÄlisns und störten mit gutmütig polternden Zwischenbemerkungen die Diskussion, andre schlüge» mit ängstlichen Windungen gerade neben den Puukt, auf den es ankam, und noch andre wiederholten mit dürftiger Umschreibung, was Fürst Bis¬ marck schon zutreffend, erschöpfend und viel besser ausgeführt hatte. Eine sich sehr vorteilhaft heraushebende Ausnahme war der Minister des Innern, Graf Botho Eulenburg. Er allein sprach dem Fürsten ebenbürtig, knapp, elegant, in bester Farm, sachlich mit voller Herrschaft über den Stoff. Er wußte, was er wollte, und darum hatte er auch Erfolg. Mein teurer Chef, Graf Otto Stolberg, den ich liebe und verehre, ging nicht genug aus sich heraus und trat gegen den Minister des Innern mehr zurück, als sachlich geboten war. Er machte fast den Eindruck der persönlichen Verstimmtheit. Ans den Justizminister Leonhard und seine etwas polternden Zwischenbemerkungen achtete niemand. Recht zurückhaltend war Falk; das Wenige aber, was er sagte, hatte Hand und Fuß. Bismarck, Eulenburg, und wenn er seine Schüchternheit überwindet, Graf Stolberg wickeln das ganze Kollegium auf. Jedenfalls war dies eine der interessantesten Stunden, die ich je erlebt habe. Ich kann durchaus uicht sagen, daß mir für die Bedeutung Bismarcks, die mir hier

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/293
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/293>, abgerufen am 05.07.2024.