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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Äer Universttätsrektor zu Leipzig in privatbriefen

Aber nur durch außerordentliche Maßregeln. Da die Polizei ganz gelähmt war,
so forderte der Magistrat die Bürgerschaft auf, eine Munizipalgarde zu errichten,
welche in der Stadt Patrouilliren und die Thore in Stadt und Vorstadt bewachen
sollte. Zugleich erging an mich vom Magistrat und Bürgerschaft die dringende
Einladung, auch die Studenten daran theilnehmen zu lassen. Hr. v. E. hatte dieß
zwar vorgestern verboten. Da aber seine Maßregeln nichts halfen, so ließ er gestern
früh um 9 U. eine Konferenz auf dem Rathause halten und bat mich nun selbst
dringend, den Wunsch des Raths und der Bürgerschaft zu erfüllen. Ich ließ nun
nach dem Vormittagsgottesdienste in der Paulinerkirche den akademischen Senat und
die Studirenden daselbst zusammen kommeu, stellte ihnen die Nothwendigkeit vor,
schnelle und kräftige Maßregeln zur Herstellung der Ruhe und Ordnung zu er¬
greifen, und alle waren dazu bereit. Nachmittags um 5 Uhr zogen daher die
Studenten in Verbindung mit mehreren ^.eaclsmieis (Doktoren pp.) in 6 Abtheilungen
aus dem Pnulinerhofe, um die Stadt bewachen und gegen die Ruhestörer schützen
zu helfen. Bis jetzt haben sie auch redlich dazu beigetragen und der Rath hat
ihnen im heutigen Tageblatt öffentlich dafür gedankt. Hoffentlich kommt bald
Militär, um die Studenten abzulösen. Denn lange möchten sie nicht aushalten.
Auch verreisen jetzt schon viele oder gehen ganz ab.

Hr. v. E. hat bei der Gelegenheit viel Unangenehmes hören müssen. Ein
Bürger sagte ihm in Gegenwart vieler Senatoren auf der Rathsstube: "Hr. Präsident,
Sie und Ihre Polizei sind Schuld an allem Unheil. Machen Sie, daß Sie fort¬
kommen!" Und er sagte kein Wort drzu. Mag er nur nach Frankfurt gehn, um
vergessen zu werden. Ich habe übrigens durchaus keinen Haß gegen ihn, sondern
bedaure vielmehr, daß es mit ihm dahin gekommen ist."

9. September. "Allerdings sind die Gemüther noch nicht beruhigt, obgleich
äußerlich die Ruhe hergestellt ist. Dieß ist Sache der Königl. Kommission und der
höchsten Behörden. Denn mir, wenn gerechten und billigen Beschwerden abgeholfen
Wird, können auch die Gemüther wieder beruhigt werden. Und das ist höchst nöthig,
wenn nicht alles ins Stocken gerathen und neue Unruhen misbrechen sollen. Schon
hat ans Besorgniß der Jahrmarkt in Taucha abgesagt werden müssen. Was soll ans
der herannahenden Michaelismesse werden? Da kommt viel Volk, auch viel Gesindel,
Hieher. Wenn da neue Unruhe" ausbrachen, so könnte schreckliches Unheil geschehen,
die ganze Stadt in Feuer und Flammen aufgehn.

Die Kommission hat zwei Bekanntmachungen erlassen. Die erste vom 6. Sept.
hat keinen guten Eindruck gemacht, weil darin zu sehr gedroht, sogar das Mandat
wider Tumult und Aufruhr vom I. 1791, welches schreckliche Strafen ankündigt,
erwähnt war. Man wollte schon eine Deputazion nach Dresden schicken, und um
eine andre Kommission bitten. Die 2. Bekanntmachung vom 8. Sept. aber scheint
dieß wieder gut gemacht zu haben, weil darin versprochen wird, Beschwerden an¬
zuhören und abzustellen. Möge man ja nicht säumen, dieß Wort zu lösen I Ich
selbst kaun nur rühmend dessen gedenken, was mir Hr. v. E. in der ersten Konferenz
gesagt hat. Seine Gesinnungen sind nur wohlwollend; und wenn er Gehör findet,
wird hoffentlich alles gut gehen. Den andern Kommissar, Hofr. Mseißnerj hab'
ich noch nicht gesprochen, weil wir einander nicht zu Hause trafen.

Daß die Studenten zur Herstellung der Ruhe beigezogen wurden, war durchaus
nothwendig. Hr. v. E. selbst, der Magistrat und die Bürgerschaft baten mich
dringend darum. Hätt' ich es uicht erlaubt, so hätten die Studenten entweder auf
eigne Hand theilgenommen oder neue Unruhen erregt, statt daß sie jetzt wesentliche
Dienste geleistet haben. Dieß hat auch die Kommission in ihrer öffentlichen Be¬
kanntmachung anerkannt, und namentlich hat Hr. jGeheimerratj v. Csarlowitzj mir
auch mündlich seine Zufriedenheit mit den von mir in diesen kritischen Umständen
getroffenen Maßregeln zu erkennen gegeben. Übrigens besuche" schon die meisten
Studenten wieder fleißig die Vorlesungen, und da die Ferien nahe sind, so ver¬
lassen die Meiste" unsre Stadt sehr bald. Wenn daher beim Anfange des neuen


Äer Universttätsrektor zu Leipzig in privatbriefen

Aber nur durch außerordentliche Maßregeln. Da die Polizei ganz gelähmt war,
so forderte der Magistrat die Bürgerschaft auf, eine Munizipalgarde zu errichten,
welche in der Stadt Patrouilliren und die Thore in Stadt und Vorstadt bewachen
sollte. Zugleich erging an mich vom Magistrat und Bürgerschaft die dringende
Einladung, auch die Studenten daran theilnehmen zu lassen. Hr. v. E. hatte dieß
zwar vorgestern verboten. Da aber seine Maßregeln nichts halfen, so ließ er gestern
früh um 9 U. eine Konferenz auf dem Rathause halten und bat mich nun selbst
dringend, den Wunsch des Raths und der Bürgerschaft zu erfüllen. Ich ließ nun
nach dem Vormittagsgottesdienste in der Paulinerkirche den akademischen Senat und
die Studirenden daselbst zusammen kommeu, stellte ihnen die Nothwendigkeit vor,
schnelle und kräftige Maßregeln zur Herstellung der Ruhe und Ordnung zu er¬
greifen, und alle waren dazu bereit. Nachmittags um 5 Uhr zogen daher die
Studenten in Verbindung mit mehreren ^.eaclsmieis (Doktoren pp.) in 6 Abtheilungen
aus dem Pnulinerhofe, um die Stadt bewachen und gegen die Ruhestörer schützen
zu helfen. Bis jetzt haben sie auch redlich dazu beigetragen und der Rath hat
ihnen im heutigen Tageblatt öffentlich dafür gedankt. Hoffentlich kommt bald
Militär, um die Studenten abzulösen. Denn lange möchten sie nicht aushalten.
Auch verreisen jetzt schon viele oder gehen ganz ab.

Hr. v. E. hat bei der Gelegenheit viel Unangenehmes hören müssen. Ein
Bürger sagte ihm in Gegenwart vieler Senatoren auf der Rathsstube: »Hr. Präsident,
Sie und Ihre Polizei sind Schuld an allem Unheil. Machen Sie, daß Sie fort¬
kommen!« Und er sagte kein Wort drzu. Mag er nur nach Frankfurt gehn, um
vergessen zu werden. Ich habe übrigens durchaus keinen Haß gegen ihn, sondern
bedaure vielmehr, daß es mit ihm dahin gekommen ist."

9. September. „Allerdings sind die Gemüther noch nicht beruhigt, obgleich
äußerlich die Ruhe hergestellt ist. Dieß ist Sache der Königl. Kommission und der
höchsten Behörden. Denn mir, wenn gerechten und billigen Beschwerden abgeholfen
Wird, können auch die Gemüther wieder beruhigt werden. Und das ist höchst nöthig,
wenn nicht alles ins Stocken gerathen und neue Unruhen misbrechen sollen. Schon
hat ans Besorgniß der Jahrmarkt in Taucha abgesagt werden müssen. Was soll ans
der herannahenden Michaelismesse werden? Da kommt viel Volk, auch viel Gesindel,
Hieher. Wenn da neue Unruhe» ausbrachen, so könnte schreckliches Unheil geschehen,
die ganze Stadt in Feuer und Flammen aufgehn.

Die Kommission hat zwei Bekanntmachungen erlassen. Die erste vom 6. Sept.
hat keinen guten Eindruck gemacht, weil darin zu sehr gedroht, sogar das Mandat
wider Tumult und Aufruhr vom I. 1791, welches schreckliche Strafen ankündigt,
erwähnt war. Man wollte schon eine Deputazion nach Dresden schicken, und um
eine andre Kommission bitten. Die 2. Bekanntmachung vom 8. Sept. aber scheint
dieß wieder gut gemacht zu haben, weil darin versprochen wird, Beschwerden an¬
zuhören und abzustellen. Möge man ja nicht säumen, dieß Wort zu lösen I Ich
selbst kaun nur rühmend dessen gedenken, was mir Hr. v. E. in der ersten Konferenz
gesagt hat. Seine Gesinnungen sind nur wohlwollend; und wenn er Gehör findet,
wird hoffentlich alles gut gehen. Den andern Kommissar, Hofr. Mseißnerj hab'
ich noch nicht gesprochen, weil wir einander nicht zu Hause trafen.

Daß die Studenten zur Herstellung der Ruhe beigezogen wurden, war durchaus
nothwendig. Hr. v. E. selbst, der Magistrat und die Bürgerschaft baten mich
dringend darum. Hätt' ich es uicht erlaubt, so hätten die Studenten entweder auf
eigne Hand theilgenommen oder neue Unruhen erregt, statt daß sie jetzt wesentliche
Dienste geleistet haben. Dieß hat auch die Kommission in ihrer öffentlichen Be¬
kanntmachung anerkannt, und namentlich hat Hr. jGeheimerratj v. Csarlowitzj mir
auch mündlich seine Zufriedenheit mit den von mir in diesen kritischen Umständen
getroffenen Maßregeln zu erkennen gegeben. Übrigens besuche» schon die meisten
Studenten wieder fleißig die Vorlesungen, und da die Ferien nahe sind, so ver¬
lassen die Meiste» unsre Stadt sehr bald. Wenn daher beim Anfange des neuen


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[0274] Äer Universttätsrektor zu Leipzig in privatbriefen Aber nur durch außerordentliche Maßregeln. Da die Polizei ganz gelähmt war, so forderte der Magistrat die Bürgerschaft auf, eine Munizipalgarde zu errichten, welche in der Stadt Patrouilliren und die Thore in Stadt und Vorstadt bewachen sollte. Zugleich erging an mich vom Magistrat und Bürgerschaft die dringende Einladung, auch die Studenten daran theilnehmen zu lassen. Hr. v. E. hatte dieß zwar vorgestern verboten. Da aber seine Maßregeln nichts halfen, so ließ er gestern früh um 9 U. eine Konferenz auf dem Rathause halten und bat mich nun selbst dringend, den Wunsch des Raths und der Bürgerschaft zu erfüllen. Ich ließ nun nach dem Vormittagsgottesdienste in der Paulinerkirche den akademischen Senat und die Studirenden daselbst zusammen kommeu, stellte ihnen die Nothwendigkeit vor, schnelle und kräftige Maßregeln zur Herstellung der Ruhe und Ordnung zu er¬ greifen, und alle waren dazu bereit. Nachmittags um 5 Uhr zogen daher die Studenten in Verbindung mit mehreren ^.eaclsmieis (Doktoren pp.) in 6 Abtheilungen aus dem Pnulinerhofe, um die Stadt bewachen und gegen die Ruhestörer schützen zu helfen. Bis jetzt haben sie auch redlich dazu beigetragen und der Rath hat ihnen im heutigen Tageblatt öffentlich dafür gedankt. Hoffentlich kommt bald Militär, um die Studenten abzulösen. Denn lange möchten sie nicht aushalten. Auch verreisen jetzt schon viele oder gehen ganz ab. Hr. v. E. hat bei der Gelegenheit viel Unangenehmes hören müssen. Ein Bürger sagte ihm in Gegenwart vieler Senatoren auf der Rathsstube: »Hr. Präsident, Sie und Ihre Polizei sind Schuld an allem Unheil. Machen Sie, daß Sie fort¬ kommen!« Und er sagte kein Wort drzu. Mag er nur nach Frankfurt gehn, um vergessen zu werden. Ich habe übrigens durchaus keinen Haß gegen ihn, sondern bedaure vielmehr, daß es mit ihm dahin gekommen ist." 9. September. „Allerdings sind die Gemüther noch nicht beruhigt, obgleich äußerlich die Ruhe hergestellt ist. Dieß ist Sache der Königl. Kommission und der höchsten Behörden. Denn mir, wenn gerechten und billigen Beschwerden abgeholfen Wird, können auch die Gemüther wieder beruhigt werden. Und das ist höchst nöthig, wenn nicht alles ins Stocken gerathen und neue Unruhen misbrechen sollen. Schon hat ans Besorgniß der Jahrmarkt in Taucha abgesagt werden müssen. Was soll ans der herannahenden Michaelismesse werden? Da kommt viel Volk, auch viel Gesindel, Hieher. Wenn da neue Unruhe» ausbrachen, so könnte schreckliches Unheil geschehen, die ganze Stadt in Feuer und Flammen aufgehn. Die Kommission hat zwei Bekanntmachungen erlassen. Die erste vom 6. Sept. hat keinen guten Eindruck gemacht, weil darin zu sehr gedroht, sogar das Mandat wider Tumult und Aufruhr vom I. 1791, welches schreckliche Strafen ankündigt, erwähnt war. Man wollte schon eine Deputazion nach Dresden schicken, und um eine andre Kommission bitten. Die 2. Bekanntmachung vom 8. Sept. aber scheint dieß wieder gut gemacht zu haben, weil darin versprochen wird, Beschwerden an¬ zuhören und abzustellen. Möge man ja nicht säumen, dieß Wort zu lösen I Ich selbst kaun nur rühmend dessen gedenken, was mir Hr. v. E. in der ersten Konferenz gesagt hat. Seine Gesinnungen sind nur wohlwollend; und wenn er Gehör findet, wird hoffentlich alles gut gehen. Den andern Kommissar, Hofr. Mseißnerj hab' ich noch nicht gesprochen, weil wir einander nicht zu Hause trafen. Daß die Studenten zur Herstellung der Ruhe beigezogen wurden, war durchaus nothwendig. Hr. v. E. selbst, der Magistrat und die Bürgerschaft baten mich dringend darum. Hätt' ich es uicht erlaubt, so hätten die Studenten entweder auf eigne Hand theilgenommen oder neue Unruhen erregt, statt daß sie jetzt wesentliche Dienste geleistet haben. Dieß hat auch die Kommission in ihrer öffentlichen Be¬ kanntmachung anerkannt, und namentlich hat Hr. jGeheimerratj v. Csarlowitzj mir auch mündlich seine Zufriedenheit mit den von mir in diesen kritischen Umständen getroffenen Maßregeln zu erkennen gegeben. Übrigens besuche» schon die meisten Studenten wieder fleißig die Vorlesungen, und da die Ferien nahe sind, so ver¬ lassen die Meiste» unsre Stadt sehr bald. Wenn daher beim Anfange des neuen

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/274>, abgerufen am 25.07.2024.