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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Englisch - deutsche Bundesgenossenschaft

sich nach wenig Operationen, bei denen mehr diplomatische als militärische
Gründe ausschlaggebend waren, ein glücklicher Vorwand fand, die Unternehmung
abzuschließen.

Wie der Friedensruf eines unsrer bedeutendsten Gelehrten jüngst beant¬
wortet wurde, ist uns allen noch in frischer Erinnerung.

Die Anfreundung Englands mit Frankreich hat einen unverkennbar deutsch¬
feindlichen Anstrich. Der Zusammenschluß des englischen Gesamtreiches soll
auf Kosten Deutschlands geschehen, und der Gedanke, daß Deutschland dadurch
geschädigt wird, soll Chamberlains Projekt bei seinen Landsleuten populär
machen.

In jeder englischen Zeitung kann man fast täglich Verdächtigungen und
Versetzungen gegen Deutschland lesen, und in den verbreitetsten und einflu߬
reichsten am häufigsten.

Es drängt sich nun die Frage auf: "Treiben wir unaufhaltsam einem
Kriege mit England entgegen?"

Diese Frage glaube ich trotz allem nicht bejahen zu können.

Den heranreifenden Krieg mit England zu vermeiden, gibt es jedoch nur
ein Mittel. Auf dieses weist uns die Antwort hin, die ein englischer Admiral
einem Deutschen gab, als dieser ihm Vorstellungen machen wollte: ^Vir?re g.re
^our sdixs?

In Englands Interesse ist zweifellos eine Verringerung der deutschen
Macht und des deutschen Einflusses, eine Einschränkung des deutschen Handels
und der deutschen Industrie gelegen. Dies selbst zu bewirken, ist aber ein auch
für das seemächtige England sehr gefahrvolles Unternehmen. Vor gefahrvollen
Unternehmungen hat sich England immer gescheut, während es sich nie besonnen
hat, gegen Schwache schonungs- und rücksichtslos aufzutreten, wie das sein Ver¬
halten gegen Holland, Dünemark, Griechenland, Neapel und Transvaal zeigt.
Aber es hat immer ein hervorragendes Talent gehabt, bei Verwicklungen mit
mächtigen Gegnern kräftige Bundesgenossen zu finden, die die schwierigste
Kamvfesarbeit übernahmen.

England glaubt sich Deutschland bei den gegenwärtigen Stürkeverhültnissen
zur See unbedingt überlegen, kann sich aber nicht zum Losschlagen entschließen,
da es überall Feinde hat, die Wohl diese Gelegenheit wahrnehmen würden, ihre
Wünsche durchzusetzen zum Schaden Englands. Deshalb sucht es unausgesetzt
nach aktiven Bundesgenossen gegen Deutschland.

Gegen diesen gefährlichen Zustand dürfen wir unsre Augen nicht verschließen.
Hiergegen haben wir nur ein Mittel, nämlich die Verstärkung unsrer Flotte.
Nicht um England niederzuwerfen, sondern um in England die Überzeugung
zu schassen, daß ein Seekrieg mit uns keineswegs unbedingt zu Englands
Gunsten endigen müßte. Sobald wir eine solche achtunggebietende Stärke
zur See erreicht haben, ist die jetzt drohende Kriegsgefahr beseitigt. Gegenüber
dem Ebenbürtigen, ja schon gegenüber dem nicht unbedingt Schwächern wird der
englische Löwe zahm und nachgiebig, wie wir das in seinem Verhalten gegen
Nordamerika und Nußland immer wieder beobachten können. Es ist allerdings
unangenehm und für unsre Finanzen sehr ungünstig, daß wir, nachdem wir


Englisch - deutsche Bundesgenossenschaft

sich nach wenig Operationen, bei denen mehr diplomatische als militärische
Gründe ausschlaggebend waren, ein glücklicher Vorwand fand, die Unternehmung
abzuschließen.

Wie der Friedensruf eines unsrer bedeutendsten Gelehrten jüngst beant¬
wortet wurde, ist uns allen noch in frischer Erinnerung.

Die Anfreundung Englands mit Frankreich hat einen unverkennbar deutsch¬
feindlichen Anstrich. Der Zusammenschluß des englischen Gesamtreiches soll
auf Kosten Deutschlands geschehen, und der Gedanke, daß Deutschland dadurch
geschädigt wird, soll Chamberlains Projekt bei seinen Landsleuten populär
machen.

In jeder englischen Zeitung kann man fast täglich Verdächtigungen und
Versetzungen gegen Deutschland lesen, und in den verbreitetsten und einflu߬
reichsten am häufigsten.

Es drängt sich nun die Frage auf: „Treiben wir unaufhaltsam einem
Kriege mit England entgegen?"

Diese Frage glaube ich trotz allem nicht bejahen zu können.

Den heranreifenden Krieg mit England zu vermeiden, gibt es jedoch nur
ein Mittel. Auf dieses weist uns die Antwort hin, die ein englischer Admiral
einem Deutschen gab, als dieser ihm Vorstellungen machen wollte: ^Vir?re g.re
^our sdixs?

In Englands Interesse ist zweifellos eine Verringerung der deutschen
Macht und des deutschen Einflusses, eine Einschränkung des deutschen Handels
und der deutschen Industrie gelegen. Dies selbst zu bewirken, ist aber ein auch
für das seemächtige England sehr gefahrvolles Unternehmen. Vor gefahrvollen
Unternehmungen hat sich England immer gescheut, während es sich nie besonnen
hat, gegen Schwache schonungs- und rücksichtslos aufzutreten, wie das sein Ver¬
halten gegen Holland, Dünemark, Griechenland, Neapel und Transvaal zeigt.
Aber es hat immer ein hervorragendes Talent gehabt, bei Verwicklungen mit
mächtigen Gegnern kräftige Bundesgenossen zu finden, die die schwierigste
Kamvfesarbeit übernahmen.

England glaubt sich Deutschland bei den gegenwärtigen Stürkeverhültnissen
zur See unbedingt überlegen, kann sich aber nicht zum Losschlagen entschließen,
da es überall Feinde hat, die Wohl diese Gelegenheit wahrnehmen würden, ihre
Wünsche durchzusetzen zum Schaden Englands. Deshalb sucht es unausgesetzt
nach aktiven Bundesgenossen gegen Deutschland.

Gegen diesen gefährlichen Zustand dürfen wir unsre Augen nicht verschließen.
Hiergegen haben wir nur ein Mittel, nämlich die Verstärkung unsrer Flotte.
Nicht um England niederzuwerfen, sondern um in England die Überzeugung
zu schassen, daß ein Seekrieg mit uns keineswegs unbedingt zu Englands
Gunsten endigen müßte. Sobald wir eine solche achtunggebietende Stärke
zur See erreicht haben, ist die jetzt drohende Kriegsgefahr beseitigt. Gegenüber
dem Ebenbürtigen, ja schon gegenüber dem nicht unbedingt Schwächern wird der
englische Löwe zahm und nachgiebig, wie wir das in seinem Verhalten gegen
Nordamerika und Nußland immer wieder beobachten können. Es ist allerdings
unangenehm und für unsre Finanzen sehr ungünstig, daß wir, nachdem wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/138>, abgerufen am 25.07.2024.