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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line Trojafahrt

Als ich nach dem Frühstück erwartungsvoll das Deck betrat, sahen meine Augen
zum erstenmal asiatisches Land. Rechts lag die einst so sangesfrendige Insel Lesbos,
wo die erste Dichterin der Welt, Sappho, gelebt, geliebt und gesungen hat, wo
Altans seine kühnen Kriegslieder angestimmt hat, und wo der bekannte Arion
geboren ist, der einst von einem musikalischen Delphin über das Meer getragen
wurde und noch heute in Hunderten von Gesangvereinen fortlebt. Von diesem
dichterisch-musikalischen Hauche, der im Altertum die Insel Lesbos umwitterte, war
jetzt allerdings nichts mehr zu spüren. Graugrün, schroff und bergig lag sie da,
anscheinend ohne jede Spur menschlicher Ansiedlungen; denn die fruchtbaren Ebnen
und Ortschaften liegen nach der asiatischen Küste zu. Links wuchs allmählich der
hohe Berg der Insel Smnothrake steil aus dem Meere herauf, und bald erschien
auf der entgegengesetzten Seite der Jda, der sich in weiter Ferne wie ein blasser
Niese über der dunkeln Küstenlinie erhob. Diese beiden Berge beherrschen durch ihre
Höhe (1600 bis 1700 Meter) die ganze Gegend, weshalb schon der Vater Homer
seine Götter, wenn sie sich an der männermordenden Völkerschlacht ergötzen wollten,
auf sie versetzte, und zwar saß Zeus mit Vorliebe auf dem Jda, Poseidon auf
dem Berge von Smnothrake. Von da konnten sie jeden einzelnen Mann auf dem
Schlachtfelde erkennen. Denn Götterangen sehen scharf. Weiter fuhren wir an der
kleinen Insel Tenedos mit ihrem niedrigen Spitzkcgel vorüber, von der aus einst
die beiden Schlangen über das Meer schwammen, die den trojanischen Priester
Laokoon nebst seinen beiden Söhnen wegen seines in höhern Regionen unliebsam
bemerkten, allzu wachsamen Patriotismus abstrafe" mußten, zwei Ungetüme, die
bekanntlich auch in unsrer deutschen Literatur eine gewisse Rolle spielen.

Allmählich näherten wir uns der Küste. Ein sanfter Höhenzug trug einige
freundliche Dörfer und die kegelförmige" Grabhügel alter Helden. Dann fuhren
wir um die Landspitze vou Knmkaleh lSnndschloß) herum in den Hellespont hinein.
Hier mündet der Skmuander, und daneben liegt, noch immer weithin sichtbar, der
Grabhügel, den die Alten für den des Achilles erklärten, und etwas zurück der
seines treuen Freundes Patroklos. Jetzt sind beide von einer Batterie flankiert, deren
gelbglänzende Geschütze sich drohend gleich Niesenfernrohren auf unser armes,
schwaches Schiff richteten. Über den Häusern stiegen gleich dünnen, Weißen Mnst-
bäumen zwei Minarets in die Luft als sprechendes Zeichen, daß wir in Begriff
waren, uus in das Machtgebiet des Halbmondes zu begeben. Ob die Geschütze
den Halbmond im Falle eines Angriffes wohl wirklich verteidigen würden? Dörpfeld,
der nus vom Verdeck aus die Gegend erklärte, war der Ansicht, daß die gewaltsame
Durchfahrt einer feindlichen Flotte durch den Hellespont unmöglich sei. Ich glaube
aber nach dem, was ich vou türkischen Verhältnissen gesehen und gehört habe, daß
im Kriege den Geschützen entweder die Geschosse oder die Verschlnßstücke oder die
Bedieuungsmauuschaften fehlen würden.

Wir fuhren jedenfalls ungefährdet den uns entgegenströmenden Hellespont
hinauf und mußten die Skamanderebne, die doch unser eigentliches Reiseziel war,
zunächst hinter uus lassen. In frühern Jahren zwar hatte der Sultan dem Schiffe,
das die deutscheu Archäologen brachte, immer erlaubt, an einem Punkte in der Nähe
von Knmkaleh anzulegen, wodurch der Ritt nach Troja um etwa fünf Stunden
abgekürzt worden war. In diesem Jahre aber, wo soeben der Angriff auf die
europäische,, Pvstnnstnlteu durch die Türkei eröffnet, durch die europäischen Mächte
abgeschlagen worden war, herrschte im Serail eine so mißtrauische Erbitterung gegen
die Großmächte, daß Dörpfelds wie gewöhnlich durch die deutsche Gesandtschaft ver¬
mitteltes Gesuch diesesmal abgeschlagen wurde. Die Landung von dreißig Archäologen
bei Kumkaleh schien für den Bestand des türkischen Reiches allzu gefährlich. Wir
mußten also weiter fahren bis zu dem Orte, wo sämtliche den Hellespont passierende
Schiffe anlegen müssen, der sich auf europäisch Dardanellen, auf türkisch aber Tschanak-
Kalessi nennt.

So fuhren wir denn an dem weißen Leuchtturm von Kepes-Kalessi vorbei, quer


Line Trojafahrt

Als ich nach dem Frühstück erwartungsvoll das Deck betrat, sahen meine Augen
zum erstenmal asiatisches Land. Rechts lag die einst so sangesfrendige Insel Lesbos,
wo die erste Dichterin der Welt, Sappho, gelebt, geliebt und gesungen hat, wo
Altans seine kühnen Kriegslieder angestimmt hat, und wo der bekannte Arion
geboren ist, der einst von einem musikalischen Delphin über das Meer getragen
wurde und noch heute in Hunderten von Gesangvereinen fortlebt. Von diesem
dichterisch-musikalischen Hauche, der im Altertum die Insel Lesbos umwitterte, war
jetzt allerdings nichts mehr zu spüren. Graugrün, schroff und bergig lag sie da,
anscheinend ohne jede Spur menschlicher Ansiedlungen; denn die fruchtbaren Ebnen
und Ortschaften liegen nach der asiatischen Küste zu. Links wuchs allmählich der
hohe Berg der Insel Smnothrake steil aus dem Meere herauf, und bald erschien
auf der entgegengesetzten Seite der Jda, der sich in weiter Ferne wie ein blasser
Niese über der dunkeln Küstenlinie erhob. Diese beiden Berge beherrschen durch ihre
Höhe (1600 bis 1700 Meter) die ganze Gegend, weshalb schon der Vater Homer
seine Götter, wenn sie sich an der männermordenden Völkerschlacht ergötzen wollten,
auf sie versetzte, und zwar saß Zeus mit Vorliebe auf dem Jda, Poseidon auf
dem Berge von Smnothrake. Von da konnten sie jeden einzelnen Mann auf dem
Schlachtfelde erkennen. Denn Götterangen sehen scharf. Weiter fuhren wir an der
kleinen Insel Tenedos mit ihrem niedrigen Spitzkcgel vorüber, von der aus einst
die beiden Schlangen über das Meer schwammen, die den trojanischen Priester
Laokoon nebst seinen beiden Söhnen wegen seines in höhern Regionen unliebsam
bemerkten, allzu wachsamen Patriotismus abstrafe» mußten, zwei Ungetüme, die
bekanntlich auch in unsrer deutschen Literatur eine gewisse Rolle spielen.

Allmählich näherten wir uns der Küste. Ein sanfter Höhenzug trug einige
freundliche Dörfer und die kegelförmige» Grabhügel alter Helden. Dann fuhren
wir um die Landspitze vou Knmkaleh lSnndschloß) herum in den Hellespont hinein.
Hier mündet der Skmuander, und daneben liegt, noch immer weithin sichtbar, der
Grabhügel, den die Alten für den des Achilles erklärten, und etwas zurück der
seines treuen Freundes Patroklos. Jetzt sind beide von einer Batterie flankiert, deren
gelbglänzende Geschütze sich drohend gleich Niesenfernrohren auf unser armes,
schwaches Schiff richteten. Über den Häusern stiegen gleich dünnen, Weißen Mnst-
bäumen zwei Minarets in die Luft als sprechendes Zeichen, daß wir in Begriff
waren, uus in das Machtgebiet des Halbmondes zu begeben. Ob die Geschütze
den Halbmond im Falle eines Angriffes wohl wirklich verteidigen würden? Dörpfeld,
der nus vom Verdeck aus die Gegend erklärte, war der Ansicht, daß die gewaltsame
Durchfahrt einer feindlichen Flotte durch den Hellespont unmöglich sei. Ich glaube
aber nach dem, was ich vou türkischen Verhältnissen gesehen und gehört habe, daß
im Kriege den Geschützen entweder die Geschosse oder die Verschlnßstücke oder die
Bedieuungsmauuschaften fehlen würden.

Wir fuhren jedenfalls ungefährdet den uns entgegenströmenden Hellespont
hinauf und mußten die Skamanderebne, die doch unser eigentliches Reiseziel war,
zunächst hinter uus lassen. In frühern Jahren zwar hatte der Sultan dem Schiffe,
das die deutscheu Archäologen brachte, immer erlaubt, an einem Punkte in der Nähe
von Knmkaleh anzulegen, wodurch der Ritt nach Troja um etwa fünf Stunden
abgekürzt worden war. In diesem Jahre aber, wo soeben der Angriff auf die
europäische,, Pvstnnstnlteu durch die Türkei eröffnet, durch die europäischen Mächte
abgeschlagen worden war, herrschte im Serail eine so mißtrauische Erbitterung gegen
die Großmächte, daß Dörpfelds wie gewöhnlich durch die deutsche Gesandtschaft ver¬
mitteltes Gesuch diesesmal abgeschlagen wurde. Die Landung von dreißig Archäologen
bei Kumkaleh schien für den Bestand des türkischen Reiches allzu gefährlich. Wir
mußten also weiter fahren bis zu dem Orte, wo sämtliche den Hellespont passierende
Schiffe anlegen müssen, der sich auf europäisch Dardanellen, auf türkisch aber Tschanak-
Kalessi nennt.

So fuhren wir denn an dem weißen Leuchtturm von Kepes-Kalessi vorbei, quer


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[0113] Line Trojafahrt Als ich nach dem Frühstück erwartungsvoll das Deck betrat, sahen meine Augen zum erstenmal asiatisches Land. Rechts lag die einst so sangesfrendige Insel Lesbos, wo die erste Dichterin der Welt, Sappho, gelebt, geliebt und gesungen hat, wo Altans seine kühnen Kriegslieder angestimmt hat, und wo der bekannte Arion geboren ist, der einst von einem musikalischen Delphin über das Meer getragen wurde und noch heute in Hunderten von Gesangvereinen fortlebt. Von diesem dichterisch-musikalischen Hauche, der im Altertum die Insel Lesbos umwitterte, war jetzt allerdings nichts mehr zu spüren. Graugrün, schroff und bergig lag sie da, anscheinend ohne jede Spur menschlicher Ansiedlungen; denn die fruchtbaren Ebnen und Ortschaften liegen nach der asiatischen Küste zu. Links wuchs allmählich der hohe Berg der Insel Smnothrake steil aus dem Meere herauf, und bald erschien auf der entgegengesetzten Seite der Jda, der sich in weiter Ferne wie ein blasser Niese über der dunkeln Küstenlinie erhob. Diese beiden Berge beherrschen durch ihre Höhe (1600 bis 1700 Meter) die ganze Gegend, weshalb schon der Vater Homer seine Götter, wenn sie sich an der männermordenden Völkerschlacht ergötzen wollten, auf sie versetzte, und zwar saß Zeus mit Vorliebe auf dem Jda, Poseidon auf dem Berge von Smnothrake. Von da konnten sie jeden einzelnen Mann auf dem Schlachtfelde erkennen. Denn Götterangen sehen scharf. Weiter fuhren wir an der kleinen Insel Tenedos mit ihrem niedrigen Spitzkcgel vorüber, von der aus einst die beiden Schlangen über das Meer schwammen, die den trojanischen Priester Laokoon nebst seinen beiden Söhnen wegen seines in höhern Regionen unliebsam bemerkten, allzu wachsamen Patriotismus abstrafe» mußten, zwei Ungetüme, die bekanntlich auch in unsrer deutschen Literatur eine gewisse Rolle spielen. Allmählich näherten wir uns der Küste. Ein sanfter Höhenzug trug einige freundliche Dörfer und die kegelförmige» Grabhügel alter Helden. Dann fuhren wir um die Landspitze vou Knmkaleh lSnndschloß) herum in den Hellespont hinein. Hier mündet der Skmuander, und daneben liegt, noch immer weithin sichtbar, der Grabhügel, den die Alten für den des Achilles erklärten, und etwas zurück der seines treuen Freundes Patroklos. Jetzt sind beide von einer Batterie flankiert, deren gelbglänzende Geschütze sich drohend gleich Niesenfernrohren auf unser armes, schwaches Schiff richteten. Über den Häusern stiegen gleich dünnen, Weißen Mnst- bäumen zwei Minarets in die Luft als sprechendes Zeichen, daß wir in Begriff waren, uus in das Machtgebiet des Halbmondes zu begeben. Ob die Geschütze den Halbmond im Falle eines Angriffes wohl wirklich verteidigen würden? Dörpfeld, der nus vom Verdeck aus die Gegend erklärte, war der Ansicht, daß die gewaltsame Durchfahrt einer feindlichen Flotte durch den Hellespont unmöglich sei. Ich glaube aber nach dem, was ich vou türkischen Verhältnissen gesehen und gehört habe, daß im Kriege den Geschützen entweder die Geschosse oder die Verschlnßstücke oder die Bedieuungsmauuschaften fehlen würden. Wir fuhren jedenfalls ungefährdet den uns entgegenströmenden Hellespont hinauf und mußten die Skamanderebne, die doch unser eigentliches Reiseziel war, zunächst hinter uus lassen. In frühern Jahren zwar hatte der Sultan dem Schiffe, das die deutscheu Archäologen brachte, immer erlaubt, an einem Punkte in der Nähe von Knmkaleh anzulegen, wodurch der Ritt nach Troja um etwa fünf Stunden abgekürzt worden war. In diesem Jahre aber, wo soeben der Angriff auf die europäische,, Pvstnnstnlteu durch die Türkei eröffnet, durch die europäischen Mächte abgeschlagen worden war, herrschte im Serail eine so mißtrauische Erbitterung gegen die Großmächte, daß Dörpfelds wie gewöhnlich durch die deutsche Gesandtschaft ver¬ mitteltes Gesuch diesesmal abgeschlagen wurde. Die Landung von dreißig Archäologen bei Kumkaleh schien für den Bestand des türkischen Reiches allzu gefährlich. Wir mußten also weiter fahren bis zu dem Orte, wo sämtliche den Hellespont passierende Schiffe anlegen müssen, der sich auf europäisch Dardanellen, auf türkisch aber Tschanak- Kalessi nennt. So fuhren wir denn an dem weißen Leuchtturm von Kepes-Kalessi vorbei, quer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/113>, abgerufen am 05.07.2024.