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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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aus verschiednen Andeutungen zu schließe" sei. in der babylonischen Hure und
in dem Antichristen niemand anders als der Papst abgebildet sei.

Die Stelle aus dem Convito hat Flacins vermutlich nach dem Gedächtnis
zitiert, und die Erinnerung an sie mag er ans seiner .Heimat mitgenommen
haben. Dagegen muß ihm ein Exemplar der Comedia und eine Handschrift
der Monarchia zur Hand gewesen sein.

Bei der Comedia ist das nicht verwunderlich. Sie war in Italien zum
mindesten schon sünfundzwanzigmal gedruckt worden, ehe Flacius seine Heunat
verließ. Da läßt sich wohl denken, daß unter den Büchern, die der junge
Welsche über die Alpen mitbrachte, anch die Comedia gewesen sei, und so
hatte er diese Florentiner Klinge nahe zur Hand, als er zum Kampf auszog.
Dagegen ist es höchst seltsam, daß Flacius in Magdeburg eine Stelle ans der
Monarchia mitteilen konnte. Dieser Traktat war damals noch nicht gedruckt,
und er war in seinem Vaterlande völlig vergessen. Flacius erst hat ihn aus
seiner Verschollenheit ans Licht gezogen.

Wie mag das zugegangen sein? Es ist möglich, daß unter den Manu¬
skripten, die dem Flacius von seinen Agenten herbeigeschafft wurden, zufälliger¬
weise auch eine Handschrift der Monarchia war, sodaß Flacins. als er das
Material sichtete, zu seiner Überraschung den wertvollen Fund entdeckte. Doch
ist das nicht wahrscheinlich, denn seine Agenten suchten nicht auf geratewohl,
sondern nach den Aufträgen, die ihnen Flacius erteilt hatte. Es ist wahr¬
scheinlicher, daß Flacins von dem Vorhandensein der Monarchia und von ihrer
Verwertbarkeit für seine Zwecke Kenntnis hatte und sich bemühte, in den
Besitz einer Handschrift zu gelangen. Wie aber konnte Flacius in Deutsch¬
land zu dieser Kenntnis kommen?

In derselben Zeit, wo Flacius das Material zu seinem oatg,loFU8 testium,
voi-itickiZ zusammensuchte, arbeitete die Inquisition in Venedig an einem Werke
entgegengesetzten Inhalts, an einem Verzeichnis der von der Kirche verdammten
Bücher. Das Ergebnis dieser Arbeit war der erste incikx libroruiv. xiobi-
vitorum. Bei ihren Vorstudien zu diesem Index fanden die Väter der In-
qmsiton in der Vita all Oauw des Giovanni Boccaccio die Bemerkung, daß
der Traktat inouitic-nig. wenig Jahre nach Dantes Tode von dem Kardinal¬
legaten Beltrando von Poggetto als ketzerisch verdammt worden sei. Auf
diese Bemerkung hin nahmen sie die Monarchia in den Index auf. Der
venetianische Index wurde im Jahre 1554 gedruckt.

Bald nach seinem Erscheinen wurde der Index auch von evangelischer
Seite mit Randglossen herausgegeben und so die neue Praktik des römischen
Feindes der protestantischen Welt bekannt gemacht. Der das besorgte, war
Petrus Paulus Vergcrius, der frühere päpstliche Legat und spätere Bischof
von Capo in Jstrien, jetzt einer der leidenschaftlichsten Gegner des Papsttums.
Nergerius war ein Landsmann des Flacius und sein Schicksalsgenosse. Auch
er hatte sein Vaterland Venetien verlassen, um in Deutschland für die Sache
der Reformation und gegen die römische Kirche zu kämpfen. Im Jahre 1553
war Vergerius in die Dienste des Herzogs Christoph von Württemberg ge¬
treten. Er erhielt den Titel eines herzoglichen Rates und diente seinem Herrn


Dante in der konfessionelle>ipolennk

aus verschiednen Andeutungen zu schließe» sei. in der babylonischen Hure und
in dem Antichristen niemand anders als der Papst abgebildet sei.

Die Stelle aus dem Convito hat Flacins vermutlich nach dem Gedächtnis
zitiert, und die Erinnerung an sie mag er ans seiner .Heimat mitgenommen
haben. Dagegen muß ihm ein Exemplar der Comedia und eine Handschrift
der Monarchia zur Hand gewesen sein.

Bei der Comedia ist das nicht verwunderlich. Sie war in Italien zum
mindesten schon sünfundzwanzigmal gedruckt worden, ehe Flacius seine Heunat
verließ. Da läßt sich wohl denken, daß unter den Büchern, die der junge
Welsche über die Alpen mitbrachte, anch die Comedia gewesen sei, und so
hatte er diese Florentiner Klinge nahe zur Hand, als er zum Kampf auszog.
Dagegen ist es höchst seltsam, daß Flacius in Magdeburg eine Stelle ans der
Monarchia mitteilen konnte. Dieser Traktat war damals noch nicht gedruckt,
und er war in seinem Vaterlande völlig vergessen. Flacius erst hat ihn aus
seiner Verschollenheit ans Licht gezogen.

Wie mag das zugegangen sein? Es ist möglich, daß unter den Manu¬
skripten, die dem Flacius von seinen Agenten herbeigeschafft wurden, zufälliger¬
weise auch eine Handschrift der Monarchia war, sodaß Flacins. als er das
Material sichtete, zu seiner Überraschung den wertvollen Fund entdeckte. Doch
ist das nicht wahrscheinlich, denn seine Agenten suchten nicht auf geratewohl,
sondern nach den Aufträgen, die ihnen Flacius erteilt hatte. Es ist wahr¬
scheinlicher, daß Flacins von dem Vorhandensein der Monarchia und von ihrer
Verwertbarkeit für seine Zwecke Kenntnis hatte und sich bemühte, in den
Besitz einer Handschrift zu gelangen. Wie aber konnte Flacius in Deutsch¬
land zu dieser Kenntnis kommen?

In derselben Zeit, wo Flacius das Material zu seinem oatg,loFU8 testium,
voi-itickiZ zusammensuchte, arbeitete die Inquisition in Venedig an einem Werke
entgegengesetzten Inhalts, an einem Verzeichnis der von der Kirche verdammten
Bücher. Das Ergebnis dieser Arbeit war der erste incikx libroruiv. xiobi-
vitorum. Bei ihren Vorstudien zu diesem Index fanden die Väter der In-
qmsiton in der Vita all Oauw des Giovanni Boccaccio die Bemerkung, daß
der Traktat inouitic-nig. wenig Jahre nach Dantes Tode von dem Kardinal¬
legaten Beltrando von Poggetto als ketzerisch verdammt worden sei. Auf
diese Bemerkung hin nahmen sie die Monarchia in den Index auf. Der
venetianische Index wurde im Jahre 1554 gedruckt.

Bald nach seinem Erscheinen wurde der Index auch von evangelischer
Seite mit Randglossen herausgegeben und so die neue Praktik des römischen
Feindes der protestantischen Welt bekannt gemacht. Der das besorgte, war
Petrus Paulus Vergcrius, der frühere päpstliche Legat und spätere Bischof
von Capo in Jstrien, jetzt einer der leidenschaftlichsten Gegner des Papsttums.
Nergerius war ein Landsmann des Flacius und sein Schicksalsgenosse. Auch
er hatte sein Vaterland Venetien verlassen, um in Deutschland für die Sache
der Reformation und gegen die römische Kirche zu kämpfen. Im Jahre 1553
war Vergerius in die Dienste des Herzogs Christoph von Württemberg ge¬
treten. Er erhielt den Titel eines herzoglichen Rates und diente seinem Herrn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/99>, abgerufen am 23.07.2024.