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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Aber auch wenn man vom formal christlichen Standpunkt absieht, lassen sich
gewichtige Einwendungen machen. Der Eid ist seinem Zweck nach Zwangsmittel zur
Erforschung der Wahrheit, ebenso wie es ehedem die Folter war. Er bedeutet
einen Druck wie diese, nur mit dem Unterschiede, daß dieser Druck uicht ausreicht,
°en Gewissenlosen zu beugen. Der Gewissenhafte andrerseits bedarf des Druckes
Aecht und wird es immer beschämend empfinden, daß sein schlichtes Wort nicht genügt.
°,em einen Fall, wo der Eid seinen Zweck erfüllt, indem er eine wahre Aussage
herbeiführt, die vielleicht ohne ihn nicht gemacht worden wäre, bietet sich immer
zugleich ein widerwärtiger Anblick; denn es ist nie schön, wenn es eines Zwanges
°edarf, damit Menschen ihre Pflicht tun. Es gibt ja, wo es sich darum handelt,
e Wahrheit zu sagen, nur ein Entweder -- oder, kein mehr oder weniger. Die
lihrheit ist immer nur eine. Darum heißt es auch in der Berpredigt: Eure
soll d ^ ^ ^' darüber ist, das ist vom Übel. In der Tat
der Eid die Behauptung nicht wahrer, sondern nur glaubhafter machen.

- . Wenden wir uns nun zu der Ausbildung, die der Eid in unsrer Zeit ge-
b>e A ^t, so erheben sich weitere schwere Bedenken. Wie bekannt ist, vollzieht sich
i-it in unserm Zivil- und Strafverfahren gleichermaßen in der Weise, daß der
schwörende "Gott den Allmächtigen und Allwissenden" zum Zeugen seiner Be-
^"ptung anruft und mit der Beteuerung schließt "So wahr mir Gott helfe."
Zunächst die Anrufung Gottes betrifft, so enthält es vor allem eine nuper-
"bare Profanierung des Gottesgedankens, wenn er dem Zweckgetriebe eines
Etlichen Verfahrens dienen muß. Wer diese Profanierung nicht empfindet, der wird
ins ^ Gefühl haben, daß er eine Komödie aufführt, und noch häufiger wird
) Wohl ein unbehagliches Gemisch von beiden Empfindungen einstellen.

^ Besonders eigentümlich nimmt sich aber in unsrer fortgeschrittnen Zeit die
r s eurungsformel "So war mir Gott helfe" aus. Diese enthält nämlich bei Licht
eichen ein Stück krassesten Aberglaubens. Es wird der Wunsch ausgesprochen,
Di ^ des Meineids die allzeit präsente Hilfe Gottes ausbleiben möge.
^^Bekräftigung der beschworner Behauptung liegt dann darin, daß, wenn das
g ..^lie des Meineids verdiente Strafgericht nicht sofort hereinbricht, der Beweis
der? ^' ein Meineid nicht vorliege. Man sieht, der Gedankengang ist
leide wie bei den mittelalterlichen Gottesgerichten. Natürlich beruht die
in >> ^ Eides für den Richter nicht auf diesem Gedankengang. Aber er kommt
Vi>>,^ des Eides zum Ausdruck, und bestimmungsgemäß soll er auch den
^leistenden beherrschen.

iinni . ?,^ches dessen muß man eher fragen, wie es kommt, daß sich der Eid noch
salls^r halt. Hierauf läßt sich eine einfache Antwort kaum geben. Viel hat jeden-
" . das Beharrungsvermögen des Althergebrachten ausgemacht. Der Eid ist eine
Mte Einrichtung und wurzelt tief in unserm Volksbewußtsein. Dazu kam, daß
um^'s ^ der Folter, dieses Zwangsmittels nicht glaubte entbehren zu können,
w w Mehr, als es, im Gegensatz zur Folter, leicht und bequem zu handhaben
nur,'4 waren die mit der Einrichtung des Eides verbundnen Mißstände keine
dein Zulage tretenden, zur Abhilfe zwingenden. Endlich würde mit
gutes - wertvolles Ausstattungsstück unsrer Gerichtsszenerien fallen und ein
Teil des Nimbus mit sich fortreißen, der heute noch unsre Gerichte umgibt,

insb x ist auch, daß im Falle der Abschaffung des Eides in der ersten Zeit
/ordre in ländlichen und weniger gebildeten Kreisen eine gewisse Verwirrung-P^S greifen würde.

gew'hö das darf nicht ausschlaggebend sein. Richtig ist nur soviel, daß
" öl"e Sicherheiten für wahrheitsgemäße Aussagen nicht entbehrlich sind. Von
we^ ^rafdrohung für unwahre Angaben vor Gericht wird also nicht abgesehen
wi ^ können. Den Eid mit seiner Anrufung Gottes und seiner Selbstver-
aa!> "6 brauchen wir nicht. Beseitigen wir darum diesen Überrest einer ver-
.g.ngnen Kulturzeit. Die anzudrohende Strafe für Unwahrheit vor Gericht kann,
^ ^ jetzt schon bei der Meineidstrafe der Fall ist, je nach den Folgen der


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Aber auch wenn man vom formal christlichen Standpunkt absieht, lassen sich
gewichtige Einwendungen machen. Der Eid ist seinem Zweck nach Zwangsmittel zur
Erforschung der Wahrheit, ebenso wie es ehedem die Folter war. Er bedeutet
einen Druck wie diese, nur mit dem Unterschiede, daß dieser Druck uicht ausreicht,
°en Gewissenlosen zu beugen. Der Gewissenhafte andrerseits bedarf des Druckes
Aecht und wird es immer beschämend empfinden, daß sein schlichtes Wort nicht genügt.
°,em einen Fall, wo der Eid seinen Zweck erfüllt, indem er eine wahre Aussage
herbeiführt, die vielleicht ohne ihn nicht gemacht worden wäre, bietet sich immer
zugleich ein widerwärtiger Anblick; denn es ist nie schön, wenn es eines Zwanges
°edarf, damit Menschen ihre Pflicht tun. Es gibt ja, wo es sich darum handelt,
e Wahrheit zu sagen, nur ein Entweder — oder, kein mehr oder weniger. Die
lihrheit ist immer nur eine. Darum heißt es auch in der Berpredigt: Eure
soll d ^ ^ ^' darüber ist, das ist vom Übel. In der Tat
der Eid die Behauptung nicht wahrer, sondern nur glaubhafter machen.

- . Wenden wir uns nun zu der Ausbildung, die der Eid in unsrer Zeit ge-
b>e A ^t, so erheben sich weitere schwere Bedenken. Wie bekannt ist, vollzieht sich
i-it in unserm Zivil- und Strafverfahren gleichermaßen in der Weise, daß der
schwörende „Gott den Allmächtigen und Allwissenden" zum Zeugen seiner Be-
^"ptung anruft und mit der Beteuerung schließt „So wahr mir Gott helfe."
Zunächst die Anrufung Gottes betrifft, so enthält es vor allem eine nuper-
«bare Profanierung des Gottesgedankens, wenn er dem Zweckgetriebe eines
Etlichen Verfahrens dienen muß. Wer diese Profanierung nicht empfindet, der wird
ins ^ Gefühl haben, daß er eine Komödie aufführt, und noch häufiger wird
) Wohl ein unbehagliches Gemisch von beiden Empfindungen einstellen.

^ Besonders eigentümlich nimmt sich aber in unsrer fortgeschrittnen Zeit die
r s eurungsformel „So war mir Gott helfe" aus. Diese enthält nämlich bei Licht
eichen ein Stück krassesten Aberglaubens. Es wird der Wunsch ausgesprochen,
Di ^ des Meineids die allzeit präsente Hilfe Gottes ausbleiben möge.
^^Bekräftigung der beschworner Behauptung liegt dann darin, daß, wenn das
g ..^lie des Meineids verdiente Strafgericht nicht sofort hereinbricht, der Beweis
der? ^' ein Meineid nicht vorliege. Man sieht, der Gedankengang ist
leide wie bei den mittelalterlichen Gottesgerichten. Natürlich beruht die
in >> ^ Eides für den Richter nicht auf diesem Gedankengang. Aber er kommt
Vi>>,^ des Eides zum Ausdruck, und bestimmungsgemäß soll er auch den
^leistenden beherrschen.

iinni . ?,^ches dessen muß man eher fragen, wie es kommt, daß sich der Eid noch
salls^r halt. Hierauf läßt sich eine einfache Antwort kaum geben. Viel hat jeden-
„ . das Beharrungsvermögen des Althergebrachten ausgemacht. Der Eid ist eine
Mte Einrichtung und wurzelt tief in unserm Volksbewußtsein. Dazu kam, daß
um^'s ^ der Folter, dieses Zwangsmittels nicht glaubte entbehren zu können,
w w Mehr, als es, im Gegensatz zur Folter, leicht und bequem zu handhaben
nur,'4 waren die mit der Einrichtung des Eides verbundnen Mißstände keine
dein Zulage tretenden, zur Abhilfe zwingenden. Endlich würde mit
gutes - wertvolles Ausstattungsstück unsrer Gerichtsszenerien fallen und ein
Teil des Nimbus mit sich fortreißen, der heute noch unsre Gerichte umgibt,

insb x ist auch, daß im Falle der Abschaffung des Eides in der ersten Zeit
/ordre in ländlichen und weniger gebildeten Kreisen eine gewisse Verwirrung-P^S greifen würde.

gew'hö das darf nicht ausschlaggebend sein. Richtig ist nur soviel, daß
» öl„e Sicherheiten für wahrheitsgemäße Aussagen nicht entbehrlich sind. Von
we^ ^rafdrohung für unwahre Angaben vor Gericht wird also nicht abgesehen
wi ^ können. Den Eid mit seiner Anrufung Gottes und seiner Selbstver-
aa!> "6 brauchen wir nicht. Beseitigen wir darum diesen Überrest einer ver-
.g.ngnen Kulturzeit. Die anzudrohende Strafe für Unwahrheit vor Gericht kann,
^ ^ jetzt schon bei der Meineidstrafe der Fall ist, je nach den Folgen der


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[0689] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber auch wenn man vom formal christlichen Standpunkt absieht, lassen sich gewichtige Einwendungen machen. Der Eid ist seinem Zweck nach Zwangsmittel zur Erforschung der Wahrheit, ebenso wie es ehedem die Folter war. Er bedeutet einen Druck wie diese, nur mit dem Unterschiede, daß dieser Druck uicht ausreicht, °en Gewissenlosen zu beugen. Der Gewissenhafte andrerseits bedarf des Druckes Aecht und wird es immer beschämend empfinden, daß sein schlichtes Wort nicht genügt. °,em einen Fall, wo der Eid seinen Zweck erfüllt, indem er eine wahre Aussage herbeiführt, die vielleicht ohne ihn nicht gemacht worden wäre, bietet sich immer zugleich ein widerwärtiger Anblick; denn es ist nie schön, wenn es eines Zwanges °edarf, damit Menschen ihre Pflicht tun. Es gibt ja, wo es sich darum handelt, e Wahrheit zu sagen, nur ein Entweder — oder, kein mehr oder weniger. Die lihrheit ist immer nur eine. Darum heißt es auch in der Berpredigt: Eure soll d ^ ^ ^' darüber ist, das ist vom Übel. In der Tat der Eid die Behauptung nicht wahrer, sondern nur glaubhafter machen. - . Wenden wir uns nun zu der Ausbildung, die der Eid in unsrer Zeit ge- b>e A ^t, so erheben sich weitere schwere Bedenken. Wie bekannt ist, vollzieht sich i-it in unserm Zivil- und Strafverfahren gleichermaßen in der Weise, daß der schwörende „Gott den Allmächtigen und Allwissenden" zum Zeugen seiner Be- ^"ptung anruft und mit der Beteuerung schließt „So wahr mir Gott helfe." Zunächst die Anrufung Gottes betrifft, so enthält es vor allem eine nuper- «bare Profanierung des Gottesgedankens, wenn er dem Zweckgetriebe eines Etlichen Verfahrens dienen muß. Wer diese Profanierung nicht empfindet, der wird ins ^ Gefühl haben, daß er eine Komödie aufführt, und noch häufiger wird ) Wohl ein unbehagliches Gemisch von beiden Empfindungen einstellen. ^ Besonders eigentümlich nimmt sich aber in unsrer fortgeschrittnen Zeit die r s eurungsformel „So war mir Gott helfe" aus. Diese enthält nämlich bei Licht eichen ein Stück krassesten Aberglaubens. Es wird der Wunsch ausgesprochen, Di ^ des Meineids die allzeit präsente Hilfe Gottes ausbleiben möge. ^^Bekräftigung der beschworner Behauptung liegt dann darin, daß, wenn das g ..^lie des Meineids verdiente Strafgericht nicht sofort hereinbricht, der Beweis der? ^' ein Meineid nicht vorliege. Man sieht, der Gedankengang ist leide wie bei den mittelalterlichen Gottesgerichten. Natürlich beruht die in >> ^ Eides für den Richter nicht auf diesem Gedankengang. Aber er kommt Vi>>,^ des Eides zum Ausdruck, und bestimmungsgemäß soll er auch den ^leistenden beherrschen. iinni . ?,^ches dessen muß man eher fragen, wie es kommt, daß sich der Eid noch salls^r halt. Hierauf läßt sich eine einfache Antwort kaum geben. Viel hat jeden- „ . das Beharrungsvermögen des Althergebrachten ausgemacht. Der Eid ist eine Mte Einrichtung und wurzelt tief in unserm Volksbewußtsein. Dazu kam, daß um^'s ^ der Folter, dieses Zwangsmittels nicht glaubte entbehren zu können, w w Mehr, als es, im Gegensatz zur Folter, leicht und bequem zu handhaben nur,'4 waren die mit der Einrichtung des Eides verbundnen Mißstände keine dein Zulage tretenden, zur Abhilfe zwingenden. Endlich würde mit gutes - wertvolles Ausstattungsstück unsrer Gerichtsszenerien fallen und ein Teil des Nimbus mit sich fortreißen, der heute noch unsre Gerichte umgibt, insb x ist auch, daß im Falle der Abschaffung des Eides in der ersten Zeit /ordre in ländlichen und weniger gebildeten Kreisen eine gewisse Verwirrung-P^S greifen würde. gew'hö das darf nicht ausschlaggebend sein. Richtig ist nur soviel, daß » öl„e Sicherheiten für wahrheitsgemäße Aussagen nicht entbehrlich sind. Von we^ ^rafdrohung für unwahre Angaben vor Gericht wird also nicht abgesehen wi ^ können. Den Eid mit seiner Anrufung Gottes und seiner Selbstver- aa!> "6 brauchen wir nicht. Beseitigen wir darum diesen Überrest einer ver- .g.ngnen Kulturzeit. Die anzudrohende Strafe für Unwahrheit vor Gericht kann, ^ ^ jetzt schon bei der Meineidstrafe der Fall ist, je nach den Folgen der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/689>, abgerufen am 01.07.2024.