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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Räume des Reichstags, ich habe selbst nichts dagegen, wenn es hinausgeht über die
Grenzen des Reichs. (Zurufe.) Was ich hier sage, erfährt man in München so genau,
Wie Sie es hier erfahren. Wenn ich die Verantwortung dafür ausdrücklich auf mich
nehme, so zeige ich nur, daß ich ein furchtloser Mann bin. (Lebhaftes Bravo.) Ich
weiß, daß ich hier über den Nahmen eines eigentlichen Bundesbevollmächtigten hinaus¬
gehe, aber wenn mich etwas bewegt, so sprengt es die äußere Form, ich fühle
meine Pflicht, heute hier als treuer bayrischer Soldat mit heißer Dankbarkeit all
jener Förderung zu gedenken, die ich selbst in meinem Streben von seiten der
preußischen Soldaten, von seiten der preußischen Armeeverwaltung, von seiten meines
allergnädigsten Herrn empfangen habe. (Lebhaftes Bravo.) Als die bayrische Armee
in die allgemeine Heeresorganisntion eingefügt war, damals war es, wo die
preußische Regierung und der allergncidigste Kaiser uns die reichen Quellen des
geistigen Lebens, die in der preußischen Armee sprudelten, mit Vorurteilslosigkeit
zugänglich machte, wo uns, vom gewöhnlichen Kompagniedienst anfangend, gestattet
wurde, mitzuwirken bis herauf in die weltbewegenden Pläne eines Moltke. Es wäre
eine brutale Undankbarkeit von seiten der bayrischen Armee, wenn sie ein Lob in
Empfang nehmen wollte, das auf Kosten ihrer preußischen Kameraden ging. (Lebhafter
Beifall.) Ich frage, meine Herren, welches Recht hat Herr Müller, die bayrischen
Offiziere, die er für gebildeter hält als die preußischen, für so ungebildet zu halten,
daß sie ein solches Lob in Empfang nehmen? (Sehr gut!) Ich frage, was weiß
der Abgeordnete Müller-Meiningen von den innern Verhältnissen der Armeen zu¬
einander, von den Tausenden von geistigen Fäden, die da hin und Wider gesponnen
wurden? Was weiß er von dem innern Wesen der ganzen Armee? Er klebt an der
Oberfläche, an den Uniformen. Wenn er ein so kluger Mann wäre, wie -- man
glaubt (Heiterkeit), so hätte er zweifellos in der Diskussion die Wege der Kritik nicht
verlassen, denen er gewachsen ist, und hätte sich nicht auf ein Gebiet gewagt, wo er
unser Allerheiligstes, unsre Zusammengehörigkeit berührt. Ich konstatiere hier: einen
Armeepartikularismus gibt es nicht." Und in einer zweiten Rede fügte er noch hinzu:
"Wir sind in einem föderativem Staatsgebilde, das Leben der Föderation aber ist
das Vertrauen der Regierungen untereinander. Jeden Versuch, ich will nicht sagen,
Zwietracht zu säen, aber die eine Regierung zu loben und die andre zu tadeln, muß
ich hier als pflichtgetreuer Vertreter der Verbündeten Regierungen mit aller Energie
abweisen, denn es handelt sich um eine Existenzfrage." (Bravo!) Jawohl, Bravo,
Herr General! Hoffentlich hat nun die reichstägliche Nörgelei (die ernste Kritik bleibt
dabei vorbehalten) an unserm Heer ein Ende, an diesem Heere, das Unvergleich¬
liches geleistet hat und soeben in Südafrika wieder vor dem Feinde steht. Sie be¬
sorgt nur die Geschäfte des Simplicissimus und ähnlicher Organe, die die Sensations¬
lust und Nörgelsucht des "biedern" Deutschen zu kitzeln wissen, und -- die Geschäfte
unsrer Feinde. So aber steht es: die starken Säulen des Reichsbaus sind die
Dynastien und das Heer; im Reichstage macht sich der Partikularismus der Par¬
* teien und zuweilen auch ein andrer breit.


Zur Frage der Abschaffung des Eides.

Angesichts der Arbeiten zur
Reform unsers Strafprozesses dürfte es angebracht sein, die Frage der Abschaffung des
Eides einmal ernstlich ins Auge zu fassen. Hierbei hat man zweierlei zu prüfen:
einmal, ob wir den Eid abschaffen sollen, und dann, ob wir ihn abschaffen können.

Gegen den Eid kann man verschiednes geltend machen. Von theologischer
Seite wird mit Recht immer ans das unzweideutige Wort der Bergpredigt hinge¬
wiesen: Ihr sollt aller Dinge nicht schwören. In der Tat muß es wundernehmen,
daß die christlichen Kirchen -- von einigen Sekten abgesehen -- bisher mit diesem
Wort ihres Stifters so wenig ernst gemacht haben, obwohl ihnen der Staat, so
wenig wie jenen Sekten, ein Hindernis in den Weg legen würde, wenn sie ihre
Glieder vom Eid fernhalten wollten. Das Gebot Christi lautet doch so be¬
stimmt, daß keine historische Erklärung, keine einschränkende Auslegung darüber
hinweghelfen kann.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Räume des Reichstags, ich habe selbst nichts dagegen, wenn es hinausgeht über die
Grenzen des Reichs. (Zurufe.) Was ich hier sage, erfährt man in München so genau,
Wie Sie es hier erfahren. Wenn ich die Verantwortung dafür ausdrücklich auf mich
nehme, so zeige ich nur, daß ich ein furchtloser Mann bin. (Lebhaftes Bravo.) Ich
weiß, daß ich hier über den Nahmen eines eigentlichen Bundesbevollmächtigten hinaus¬
gehe, aber wenn mich etwas bewegt, so sprengt es die äußere Form, ich fühle
meine Pflicht, heute hier als treuer bayrischer Soldat mit heißer Dankbarkeit all
jener Förderung zu gedenken, die ich selbst in meinem Streben von seiten der
preußischen Soldaten, von seiten der preußischen Armeeverwaltung, von seiten meines
allergnädigsten Herrn empfangen habe. (Lebhaftes Bravo.) Als die bayrische Armee
in die allgemeine Heeresorganisntion eingefügt war, damals war es, wo die
preußische Regierung und der allergncidigste Kaiser uns die reichen Quellen des
geistigen Lebens, die in der preußischen Armee sprudelten, mit Vorurteilslosigkeit
zugänglich machte, wo uns, vom gewöhnlichen Kompagniedienst anfangend, gestattet
wurde, mitzuwirken bis herauf in die weltbewegenden Pläne eines Moltke. Es wäre
eine brutale Undankbarkeit von seiten der bayrischen Armee, wenn sie ein Lob in
Empfang nehmen wollte, das auf Kosten ihrer preußischen Kameraden ging. (Lebhafter
Beifall.) Ich frage, meine Herren, welches Recht hat Herr Müller, die bayrischen
Offiziere, die er für gebildeter hält als die preußischen, für so ungebildet zu halten,
daß sie ein solches Lob in Empfang nehmen? (Sehr gut!) Ich frage, was weiß
der Abgeordnete Müller-Meiningen von den innern Verhältnissen der Armeen zu¬
einander, von den Tausenden von geistigen Fäden, die da hin und Wider gesponnen
wurden? Was weiß er von dem innern Wesen der ganzen Armee? Er klebt an der
Oberfläche, an den Uniformen. Wenn er ein so kluger Mann wäre, wie — man
glaubt (Heiterkeit), so hätte er zweifellos in der Diskussion die Wege der Kritik nicht
verlassen, denen er gewachsen ist, und hätte sich nicht auf ein Gebiet gewagt, wo er
unser Allerheiligstes, unsre Zusammengehörigkeit berührt. Ich konstatiere hier: einen
Armeepartikularismus gibt es nicht." Und in einer zweiten Rede fügte er noch hinzu:
„Wir sind in einem föderativem Staatsgebilde, das Leben der Föderation aber ist
das Vertrauen der Regierungen untereinander. Jeden Versuch, ich will nicht sagen,
Zwietracht zu säen, aber die eine Regierung zu loben und die andre zu tadeln, muß
ich hier als pflichtgetreuer Vertreter der Verbündeten Regierungen mit aller Energie
abweisen, denn es handelt sich um eine Existenzfrage." (Bravo!) Jawohl, Bravo,
Herr General! Hoffentlich hat nun die reichstägliche Nörgelei (die ernste Kritik bleibt
dabei vorbehalten) an unserm Heer ein Ende, an diesem Heere, das Unvergleich¬
liches geleistet hat und soeben in Südafrika wieder vor dem Feinde steht. Sie be¬
sorgt nur die Geschäfte des Simplicissimus und ähnlicher Organe, die die Sensations¬
lust und Nörgelsucht des „biedern" Deutschen zu kitzeln wissen, und — die Geschäfte
unsrer Feinde. So aber steht es: die starken Säulen des Reichsbaus sind die
Dynastien und das Heer; im Reichstage macht sich der Partikularismus der Par¬
* teien und zuweilen auch ein andrer breit.


Zur Frage der Abschaffung des Eides.

Angesichts der Arbeiten zur
Reform unsers Strafprozesses dürfte es angebracht sein, die Frage der Abschaffung des
Eides einmal ernstlich ins Auge zu fassen. Hierbei hat man zweierlei zu prüfen:
einmal, ob wir den Eid abschaffen sollen, und dann, ob wir ihn abschaffen können.

Gegen den Eid kann man verschiednes geltend machen. Von theologischer
Seite wird mit Recht immer ans das unzweideutige Wort der Bergpredigt hinge¬
wiesen: Ihr sollt aller Dinge nicht schwören. In der Tat muß es wundernehmen,
daß die christlichen Kirchen — von einigen Sekten abgesehen — bisher mit diesem
Wort ihres Stifters so wenig ernst gemacht haben, obwohl ihnen der Staat, so
wenig wie jenen Sekten, ein Hindernis in den Weg legen würde, wenn sie ihre
Glieder vom Eid fernhalten wollten. Das Gebot Christi lautet doch so be¬
stimmt, daß keine historische Erklärung, keine einschränkende Auslegung darüber
hinweghelfen kann.


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[0688] Maßgebliches und Unmaßgebliches Räume des Reichstags, ich habe selbst nichts dagegen, wenn es hinausgeht über die Grenzen des Reichs. (Zurufe.) Was ich hier sage, erfährt man in München so genau, Wie Sie es hier erfahren. Wenn ich die Verantwortung dafür ausdrücklich auf mich nehme, so zeige ich nur, daß ich ein furchtloser Mann bin. (Lebhaftes Bravo.) Ich weiß, daß ich hier über den Nahmen eines eigentlichen Bundesbevollmächtigten hinaus¬ gehe, aber wenn mich etwas bewegt, so sprengt es die äußere Form, ich fühle meine Pflicht, heute hier als treuer bayrischer Soldat mit heißer Dankbarkeit all jener Förderung zu gedenken, die ich selbst in meinem Streben von seiten der preußischen Soldaten, von seiten der preußischen Armeeverwaltung, von seiten meines allergnädigsten Herrn empfangen habe. (Lebhaftes Bravo.) Als die bayrische Armee in die allgemeine Heeresorganisntion eingefügt war, damals war es, wo die preußische Regierung und der allergncidigste Kaiser uns die reichen Quellen des geistigen Lebens, die in der preußischen Armee sprudelten, mit Vorurteilslosigkeit zugänglich machte, wo uns, vom gewöhnlichen Kompagniedienst anfangend, gestattet wurde, mitzuwirken bis herauf in die weltbewegenden Pläne eines Moltke. Es wäre eine brutale Undankbarkeit von seiten der bayrischen Armee, wenn sie ein Lob in Empfang nehmen wollte, das auf Kosten ihrer preußischen Kameraden ging. (Lebhafter Beifall.) Ich frage, meine Herren, welches Recht hat Herr Müller, die bayrischen Offiziere, die er für gebildeter hält als die preußischen, für so ungebildet zu halten, daß sie ein solches Lob in Empfang nehmen? (Sehr gut!) Ich frage, was weiß der Abgeordnete Müller-Meiningen von den innern Verhältnissen der Armeen zu¬ einander, von den Tausenden von geistigen Fäden, die da hin und Wider gesponnen wurden? Was weiß er von dem innern Wesen der ganzen Armee? Er klebt an der Oberfläche, an den Uniformen. Wenn er ein so kluger Mann wäre, wie — man glaubt (Heiterkeit), so hätte er zweifellos in der Diskussion die Wege der Kritik nicht verlassen, denen er gewachsen ist, und hätte sich nicht auf ein Gebiet gewagt, wo er unser Allerheiligstes, unsre Zusammengehörigkeit berührt. Ich konstatiere hier: einen Armeepartikularismus gibt es nicht." Und in einer zweiten Rede fügte er noch hinzu: „Wir sind in einem föderativem Staatsgebilde, das Leben der Föderation aber ist das Vertrauen der Regierungen untereinander. Jeden Versuch, ich will nicht sagen, Zwietracht zu säen, aber die eine Regierung zu loben und die andre zu tadeln, muß ich hier als pflichtgetreuer Vertreter der Verbündeten Regierungen mit aller Energie abweisen, denn es handelt sich um eine Existenzfrage." (Bravo!) Jawohl, Bravo, Herr General! Hoffentlich hat nun die reichstägliche Nörgelei (die ernste Kritik bleibt dabei vorbehalten) an unserm Heer ein Ende, an diesem Heere, das Unvergleich¬ liches geleistet hat und soeben in Südafrika wieder vor dem Feinde steht. Sie be¬ sorgt nur die Geschäfte des Simplicissimus und ähnlicher Organe, die die Sensations¬ lust und Nörgelsucht des „biedern" Deutschen zu kitzeln wissen, und — die Geschäfte unsrer Feinde. So aber steht es: die starken Säulen des Reichsbaus sind die Dynastien und das Heer; im Reichstage macht sich der Partikularismus der Par¬ * teien und zuweilen auch ein andrer breit. Zur Frage der Abschaffung des Eides. Angesichts der Arbeiten zur Reform unsers Strafprozesses dürfte es angebracht sein, die Frage der Abschaffung des Eides einmal ernstlich ins Auge zu fassen. Hierbei hat man zweierlei zu prüfen: einmal, ob wir den Eid abschaffen sollen, und dann, ob wir ihn abschaffen können. Gegen den Eid kann man verschiednes geltend machen. Von theologischer Seite wird mit Recht immer ans das unzweideutige Wort der Bergpredigt hinge¬ wiesen: Ihr sollt aller Dinge nicht schwören. In der Tat muß es wundernehmen, daß die christlichen Kirchen — von einigen Sekten abgesehen — bisher mit diesem Wort ihres Stifters so wenig ernst gemacht haben, obwohl ihnen der Staat, so wenig wie jenen Sekten, ein Hindernis in den Weg legen würde, wenn sie ihre Glieder vom Eid fernhalten wollten. Das Gebot Christi lautet doch so be¬ stimmt, daß keine historische Erklärung, keine einschränkende Auslegung darüber hinweghelfen kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/688>, abgerufen am 01.07.2024.