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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

die Republiken: Amerika, Frankreich. Schweiz. In allen diesen Ländern stellt eine
Erste Kammer oder ein Senat gegenüber einem weitgehenden Wahlrecht zur Zweiten
Kammer das Gleichgewicht her. Diese ausgleichende Einrichtung fehlt in
Deutschland, und deshalb ist bei uns der Einfluß und das Gewicht des einzelnen
durch das allgemeine Stimmrecht gewählten Abgeordneten viel größer als in andern
Staaten, wozu dann noch der Unterschied zwischen Bundesstaat und Einheitsstaat
kommt.

Die übliche Behauptung, daß der Bundesrat ein Oberhaus sei, ist doch
tatsächlich eine Fiktion, ihm fehlen sämtliche Attribute eines solchen. Der Bundesrat
stellt ausschließlich die Gesamtheit der deutschen Regierungen dar, seine Mitglieder
sitzen als Regierungsvertreter im Reichstage, er übt ein Verordnungsrecht und ist
allein berechtigt, die Auflösung des Reichstags zu beschließen. Wie kann eine Kammer
die andre auflösen! Man kann nicht einmal geltend machen, daß die Vorlagen
doch nach der Beschlußfassung aus dem Reichstag wieder an den Bundesrat gehn.
Der Bundesrat hat dabei keine Oberhausfunktion, sondern ausschließlich Regierungs¬
funktion, er ist die Ministerialinstcinz, er darf nur nach Instruktionen, nicht nach
Überzeugungen beschließen. Dem Grafen Bülow wird wohl noch nie der Gedanke
gekommen sein, daß er Präsident eines deutschen Oberhauses sei. Der starke Schutz¬
damm, den in allen andern zivilisierten Ländern, sogar in Japan, die Ersten Kammern
oder Senate gegen die anschwellende demokratische Flut bilden, ist in Deutschland
nicht vorhanden, und deshalb sollten die deutsche Verfassung und das deutsche Wahl¬
recht durch Einführung von Diäten oder Anwesenheitsgeldern -- ohne jedes Äqui¬
valent -- nicht noch weiter demokratisiert werden. Es ist wahrlich schon genug und
entspricht nicht der Verfassung, daß die Regierungen die Partetdiäten der Sozial¬
demokraten zulassen. Eigentlich sollte jedes heimlich bezahlte Mandat ipso lÄeto
erlöschen, und der Betreffende auf zehn Jahre nicht wieder wählbar sein. Eine
solche Bestimmung ist leider 1367 wie 1871 in die Verfassung aufzunehmen verab¬
säumt wordeu. Will man schon eine Verfassungsänderung machen, so wäre sie
*Z* nach dieser Richtung hin vielleicht empfehlenswerter.




Die Aufhebung des Paragraphen 2 des Jesuitengesetzes.

Durch
Beschluß des Bundesrath vom 9. März ist der Paragraph 2 des Jesuiteugesetzes
vom 4. Juli 1872, also die Befugnis der Regierungen, einzelne Jesuiten aus¬
zuweisen, gemäß den wiederholten Beschlüssen der Reichstagsmehrheit aufgehoben
worden. Was die Reichstagsmajorität dabei bestimmte, war keineswegs nur die
Stellung des Zentrums, sondern ebensogut die prinzipielle Abneigung auch liberaler
Männer gegen ein Ausnahmegesetz, die ja schon stark mitwirkte, als es sich 1890
um die Erneuerung des Sozialistengesetzes handelte. Gleiches Recht für alle ist ja
einer der wichtigsten Grundsätze des Liberalismus. Jedenfalls ist der Vorgang
formell und rechtlich ganz unanfechtbar. Das wird ja nun auch von den Gegnern
der Aufhebung gar nicht bestritten, nur daß die Liberalen inkonsequent sind, wenn
sie es dem Bundesrate, d. h. den Verbündeten Regierungen, deren Organe bekannt¬
lich die Mitglieder des Bundesrath sind -- sie haben hier "nur ein Amt und
keine Meinung" --. zum Vorwurfe machen, daß er einem seit 1893 mehrmals
wiederholten Beschlusse des Reichstags zustimmt, während sie es ihm verdenken,
daß er das in der Diätenfrage nicht tut. Was weithin in protestantischen Kreisen
Bedenken und Verstimmung erregt, das ist vor allem die Furcht vor einer Störung
des konfessionellen Friedens, vor einer Verstärkung der katholischen Propaganda,
und diese Furcht erscheint uns als weit übertrieben. Wenn eine Anzahl von aus¬
gewiesenen deutschen Jesuiten, die nicht bedeutend sein kann, schon weil von der
Ausweisungsbefugnis nur sehr selten Gebrauch gemacht worden ist, wieder heim¬
kehrt, so ist damit bekanntlich die Erlaubnis zur Gründung jesuitischer Nieder¬
lassungen im Reiche noch keineswegs gegeben, denn Paragraph 1 des Gesetzes von
1872. sein Kern, der solche wie den ganzen Orden verbietet, bleibt bestehn, und


Maßgebliches und Unmaßgebliches

die Republiken: Amerika, Frankreich. Schweiz. In allen diesen Ländern stellt eine
Erste Kammer oder ein Senat gegenüber einem weitgehenden Wahlrecht zur Zweiten
Kammer das Gleichgewicht her. Diese ausgleichende Einrichtung fehlt in
Deutschland, und deshalb ist bei uns der Einfluß und das Gewicht des einzelnen
durch das allgemeine Stimmrecht gewählten Abgeordneten viel größer als in andern
Staaten, wozu dann noch der Unterschied zwischen Bundesstaat und Einheitsstaat
kommt.

Die übliche Behauptung, daß der Bundesrat ein Oberhaus sei, ist doch
tatsächlich eine Fiktion, ihm fehlen sämtliche Attribute eines solchen. Der Bundesrat
stellt ausschließlich die Gesamtheit der deutschen Regierungen dar, seine Mitglieder
sitzen als Regierungsvertreter im Reichstage, er übt ein Verordnungsrecht und ist
allein berechtigt, die Auflösung des Reichstags zu beschließen. Wie kann eine Kammer
die andre auflösen! Man kann nicht einmal geltend machen, daß die Vorlagen
doch nach der Beschlußfassung aus dem Reichstag wieder an den Bundesrat gehn.
Der Bundesrat hat dabei keine Oberhausfunktion, sondern ausschließlich Regierungs¬
funktion, er ist die Ministerialinstcinz, er darf nur nach Instruktionen, nicht nach
Überzeugungen beschließen. Dem Grafen Bülow wird wohl noch nie der Gedanke
gekommen sein, daß er Präsident eines deutschen Oberhauses sei. Der starke Schutz¬
damm, den in allen andern zivilisierten Ländern, sogar in Japan, die Ersten Kammern
oder Senate gegen die anschwellende demokratische Flut bilden, ist in Deutschland
nicht vorhanden, und deshalb sollten die deutsche Verfassung und das deutsche Wahl¬
recht durch Einführung von Diäten oder Anwesenheitsgeldern — ohne jedes Äqui¬
valent — nicht noch weiter demokratisiert werden. Es ist wahrlich schon genug und
entspricht nicht der Verfassung, daß die Regierungen die Partetdiäten der Sozial¬
demokraten zulassen. Eigentlich sollte jedes heimlich bezahlte Mandat ipso lÄeto
erlöschen, und der Betreffende auf zehn Jahre nicht wieder wählbar sein. Eine
solche Bestimmung ist leider 1367 wie 1871 in die Verfassung aufzunehmen verab¬
säumt wordeu. Will man schon eine Verfassungsänderung machen, so wäre sie
*Z* nach dieser Richtung hin vielleicht empfehlenswerter.




Die Aufhebung des Paragraphen 2 des Jesuitengesetzes.

Durch
Beschluß des Bundesrath vom 9. März ist der Paragraph 2 des Jesuiteugesetzes
vom 4. Juli 1872, also die Befugnis der Regierungen, einzelne Jesuiten aus¬
zuweisen, gemäß den wiederholten Beschlüssen der Reichstagsmehrheit aufgehoben
worden. Was die Reichstagsmajorität dabei bestimmte, war keineswegs nur die
Stellung des Zentrums, sondern ebensogut die prinzipielle Abneigung auch liberaler
Männer gegen ein Ausnahmegesetz, die ja schon stark mitwirkte, als es sich 1890
um die Erneuerung des Sozialistengesetzes handelte. Gleiches Recht für alle ist ja
einer der wichtigsten Grundsätze des Liberalismus. Jedenfalls ist der Vorgang
formell und rechtlich ganz unanfechtbar. Das wird ja nun auch von den Gegnern
der Aufhebung gar nicht bestritten, nur daß die Liberalen inkonsequent sind, wenn
sie es dem Bundesrate, d. h. den Verbündeten Regierungen, deren Organe bekannt¬
lich die Mitglieder des Bundesrath sind — sie haben hier „nur ein Amt und
keine Meinung" —. zum Vorwurfe machen, daß er einem seit 1893 mehrmals
wiederholten Beschlusse des Reichstags zustimmt, während sie es ihm verdenken,
daß er das in der Diätenfrage nicht tut. Was weithin in protestantischen Kreisen
Bedenken und Verstimmung erregt, das ist vor allem die Furcht vor einer Störung
des konfessionellen Friedens, vor einer Verstärkung der katholischen Propaganda,
und diese Furcht erscheint uns als weit übertrieben. Wenn eine Anzahl von aus¬
gewiesenen deutschen Jesuiten, die nicht bedeutend sein kann, schon weil von der
Ausweisungsbefugnis nur sehr selten Gebrauch gemacht worden ist, wieder heim¬
kehrt, so ist damit bekanntlich die Erlaubnis zur Gründung jesuitischer Nieder¬
lassungen im Reiche noch keineswegs gegeben, denn Paragraph 1 des Gesetzes von
1872. sein Kern, der solche wie den ganzen Orden verbietet, bleibt bestehn, und


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[0686] Maßgebliches und Unmaßgebliches die Republiken: Amerika, Frankreich. Schweiz. In allen diesen Ländern stellt eine Erste Kammer oder ein Senat gegenüber einem weitgehenden Wahlrecht zur Zweiten Kammer das Gleichgewicht her. Diese ausgleichende Einrichtung fehlt in Deutschland, und deshalb ist bei uns der Einfluß und das Gewicht des einzelnen durch das allgemeine Stimmrecht gewählten Abgeordneten viel größer als in andern Staaten, wozu dann noch der Unterschied zwischen Bundesstaat und Einheitsstaat kommt. Die übliche Behauptung, daß der Bundesrat ein Oberhaus sei, ist doch tatsächlich eine Fiktion, ihm fehlen sämtliche Attribute eines solchen. Der Bundesrat stellt ausschließlich die Gesamtheit der deutschen Regierungen dar, seine Mitglieder sitzen als Regierungsvertreter im Reichstage, er übt ein Verordnungsrecht und ist allein berechtigt, die Auflösung des Reichstags zu beschließen. Wie kann eine Kammer die andre auflösen! Man kann nicht einmal geltend machen, daß die Vorlagen doch nach der Beschlußfassung aus dem Reichstag wieder an den Bundesrat gehn. Der Bundesrat hat dabei keine Oberhausfunktion, sondern ausschließlich Regierungs¬ funktion, er ist die Ministerialinstcinz, er darf nur nach Instruktionen, nicht nach Überzeugungen beschließen. Dem Grafen Bülow wird wohl noch nie der Gedanke gekommen sein, daß er Präsident eines deutschen Oberhauses sei. Der starke Schutz¬ damm, den in allen andern zivilisierten Ländern, sogar in Japan, die Ersten Kammern oder Senate gegen die anschwellende demokratische Flut bilden, ist in Deutschland nicht vorhanden, und deshalb sollten die deutsche Verfassung und das deutsche Wahl¬ recht durch Einführung von Diäten oder Anwesenheitsgeldern — ohne jedes Äqui¬ valent — nicht noch weiter demokratisiert werden. Es ist wahrlich schon genug und entspricht nicht der Verfassung, daß die Regierungen die Partetdiäten der Sozial¬ demokraten zulassen. Eigentlich sollte jedes heimlich bezahlte Mandat ipso lÄeto erlöschen, und der Betreffende auf zehn Jahre nicht wieder wählbar sein. Eine solche Bestimmung ist leider 1367 wie 1871 in die Verfassung aufzunehmen verab¬ säumt wordeu. Will man schon eine Verfassungsänderung machen, so wäre sie *Z* nach dieser Richtung hin vielleicht empfehlenswerter. Die Aufhebung des Paragraphen 2 des Jesuitengesetzes. Durch Beschluß des Bundesrath vom 9. März ist der Paragraph 2 des Jesuiteugesetzes vom 4. Juli 1872, also die Befugnis der Regierungen, einzelne Jesuiten aus¬ zuweisen, gemäß den wiederholten Beschlüssen der Reichstagsmehrheit aufgehoben worden. Was die Reichstagsmajorität dabei bestimmte, war keineswegs nur die Stellung des Zentrums, sondern ebensogut die prinzipielle Abneigung auch liberaler Männer gegen ein Ausnahmegesetz, die ja schon stark mitwirkte, als es sich 1890 um die Erneuerung des Sozialistengesetzes handelte. Gleiches Recht für alle ist ja einer der wichtigsten Grundsätze des Liberalismus. Jedenfalls ist der Vorgang formell und rechtlich ganz unanfechtbar. Das wird ja nun auch von den Gegnern der Aufhebung gar nicht bestritten, nur daß die Liberalen inkonsequent sind, wenn sie es dem Bundesrate, d. h. den Verbündeten Regierungen, deren Organe bekannt¬ lich die Mitglieder des Bundesrath sind — sie haben hier „nur ein Amt und keine Meinung" —. zum Vorwurfe machen, daß er einem seit 1893 mehrmals wiederholten Beschlusse des Reichstags zustimmt, während sie es ihm verdenken, daß er das in der Diätenfrage nicht tut. Was weithin in protestantischen Kreisen Bedenken und Verstimmung erregt, das ist vor allem die Furcht vor einer Störung des konfessionellen Friedens, vor einer Verstärkung der katholischen Propaganda, und diese Furcht erscheint uns als weit übertrieben. Wenn eine Anzahl von aus¬ gewiesenen deutschen Jesuiten, die nicht bedeutend sein kann, schon weil von der Ausweisungsbefugnis nur sehr selten Gebrauch gemacht worden ist, wieder heim¬ kehrt, so ist damit bekanntlich die Erlaubnis zur Gründung jesuitischer Nieder¬ lassungen im Reiche noch keineswegs gegeben, denn Paragraph 1 des Gesetzes von 1872. sein Kern, der solche wie den ganzen Orden verbietet, bleibt bestehn, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/686>, abgerufen am 01.07.2024.