Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Henry Thodes Michelangelo und das Lüde der Renaissance sollte zugleich republikanisch und theokratisch sein; ein durch seinen Lebenswandel Den Einfluß Savonarolas auf Michelangelo schlägt Thode sehr hoch an; Der Sinn des italienischen Volkes war der Kirchenreform nicht zugänglich, Henry Thodes Michelangelo und das Lüde der Renaissance sollte zugleich republikanisch und theokratisch sein; ein durch seinen Lebenswandel Den Einfluß Savonarolas auf Michelangelo schlägt Thode sehr hoch an; Der Sinn des italienischen Volkes war der Kirchenreform nicht zugänglich, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0607" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293404"/> <fw type="header" place="top"> Henry Thodes Michelangelo und das Lüde der Renaissance</fw><lb/> <p xml:id="ID_3412" prev="#ID_3411"> sollte zugleich republikanisch und theokratisch sein; ein durch seinen Lebenswandel<lb/> vorbildlicher Klerus sollte bedeutenden Einfluß auf die Regierung haben. Einige<lb/> der größten Künstler standen dabei auf der Seite Savonarolas, so Sandro<lb/> Botticelli und Fra Bartolommeo, der mit ihm im Kloster San Marco lebte.<lb/> Auch Michelangelo, der der Partei der 1494 Vertriebnen beiden Mediä feindlich<lb/> gegenüberstand, hat aller Wahrscheinlichkeit nach zu diesem Kreise gehört. Er lebte<lb/> in Florenz bis zum Oktober 1494 und dann wieder vom Frühling 1495 bis<lb/> zum Juni 1496. Seitdem sind sich die beiden bedeutenden Männer nicht wieder<lb/> begegnet. Eine Wendung in den politischen Ereignissen: der unerwartete<lb/> Abzug der Franzosen aus Italien, stand mit Savonarolas bis dahin immer<lb/> eingetroffnen Prophezeiungen in Widerspruch. Sein Einfluß nahm ab. Die<lb/> Medici kamen, freilich nicht ans diesem Grunde allein, wieder empor. Die<lb/> Franziskaner konnten 1498 endlich den lange vorbereiteten Schlag gegen ihn<lb/> ausführen. Sie ließen Savonarola durch einen Volkshaufen gefangen nehmen<lb/> und an das vom Papste eingesetzte geistliche Gericht ausliefern. Bis dahin<lb/> hatte der Reformator, durch das florentinische Volk geschützt, der päpstlichen<lb/> Vorladung und sogar dem Bann trotzen können. Nun aber hatte man ihn<lb/> und machte ihm schleunigst den Prozeß. Auf dem Markte von Florenz erhängte<lb/> man ihn mit zwei andern Mönchen auf einem Scheiterhaufen. Untätig sah<lb/> dasselbe Volk, das vor kurzem für Savonarola durchs Feuer gegangen wäre,<lb/> den Flammen zu, die seinen Leib verzehrten.</p><lb/> <p xml:id="ID_3413"> Den Einfluß Savonarolas auf Michelangelo schlägt Thode sehr hoch an;<lb/> obwohl er im einzelnen nicht nachweisbar ist, wird man aus allgemeine«<lb/> Gründen gern einer solchen Ansicht folgen. Michelangelo, so sagt der Biograph,<lb/> war der größte Schüler und Nachfolger des Reformators als Christ. Er<lb/> „empfing durch die Predigten in San Marco und im Dom sein Christentum lind<lb/> mit ihm die Kraft seines Duldens und Schaffens, die Innerlichkeit des<lb/> künstlerischen Genius, unermeßlich empfänglich und fruchtbar, die Bestimmung<lb/> des Glaubens aus der verwandten Innerlichkeit des Mönches." Mit Recht<lb/> weist Thode aber die Hypothese zurück, daß Michelangelo, obwohl er in seinem<lb/> spätern Leben von der deutschen Reformation genug gehört haben muß, ein<lb/> geheimer Lutheraner gewesen sei. Nicht daß er um Hofe der Päpste wirkte<lb/> und lebte, ist ein Gegenbeweis, sondern der Plan, noch im hohen Alter Wall¬<lb/> fahrten nach berühmten Gnadenorten vorzunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3414" next="#ID_3415"> Der Sinn des italienischen Volkes war der Kirchenreform nicht zugänglich,<lb/> sonst hätte es einen Savonarola nicht vor seinen Augen verbrennen lassen.<lb/> Nach diesem furchtbaren Ereignis ist niemals eine eigne religiöse Bewegung<lb/> wieder aus Italien hervorgegangen, nicht einmal die Gegenreformation, denn<lb/> diese war, wie die Gründung des Jesuitenordens, ein Werk der Spanier. Es<lb/> blieb stumm auf der Halbinsel. Wohl flog auch der Same der Reformation<lb/> von Deutschland hierher. Er ging in Venedig und in Neapel auf, dort im<lb/> wesentlichen auf einige Kirchenfürsten, hier auf Kreise beschränkt, die von<lb/> protestantischen deutschen Landsknechten beeinflußt waren. In den dreißiger<lb/> Jahren des sechzehnten Jahrhunderts schien es wohl, als ob aus der Neigung<lb/> einiger venezianischen Bischöfe zur kirchlichen Reform mehr hätte werden können.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0607]
Henry Thodes Michelangelo und das Lüde der Renaissance
sollte zugleich republikanisch und theokratisch sein; ein durch seinen Lebenswandel
vorbildlicher Klerus sollte bedeutenden Einfluß auf die Regierung haben. Einige
der größten Künstler standen dabei auf der Seite Savonarolas, so Sandro
Botticelli und Fra Bartolommeo, der mit ihm im Kloster San Marco lebte.
Auch Michelangelo, der der Partei der 1494 Vertriebnen beiden Mediä feindlich
gegenüberstand, hat aller Wahrscheinlichkeit nach zu diesem Kreise gehört. Er lebte
in Florenz bis zum Oktober 1494 und dann wieder vom Frühling 1495 bis
zum Juni 1496. Seitdem sind sich die beiden bedeutenden Männer nicht wieder
begegnet. Eine Wendung in den politischen Ereignissen: der unerwartete
Abzug der Franzosen aus Italien, stand mit Savonarolas bis dahin immer
eingetroffnen Prophezeiungen in Widerspruch. Sein Einfluß nahm ab. Die
Medici kamen, freilich nicht ans diesem Grunde allein, wieder empor. Die
Franziskaner konnten 1498 endlich den lange vorbereiteten Schlag gegen ihn
ausführen. Sie ließen Savonarola durch einen Volkshaufen gefangen nehmen
und an das vom Papste eingesetzte geistliche Gericht ausliefern. Bis dahin
hatte der Reformator, durch das florentinische Volk geschützt, der päpstlichen
Vorladung und sogar dem Bann trotzen können. Nun aber hatte man ihn
und machte ihm schleunigst den Prozeß. Auf dem Markte von Florenz erhängte
man ihn mit zwei andern Mönchen auf einem Scheiterhaufen. Untätig sah
dasselbe Volk, das vor kurzem für Savonarola durchs Feuer gegangen wäre,
den Flammen zu, die seinen Leib verzehrten.
Den Einfluß Savonarolas auf Michelangelo schlägt Thode sehr hoch an;
obwohl er im einzelnen nicht nachweisbar ist, wird man aus allgemeine«
Gründen gern einer solchen Ansicht folgen. Michelangelo, so sagt der Biograph,
war der größte Schüler und Nachfolger des Reformators als Christ. Er
„empfing durch die Predigten in San Marco und im Dom sein Christentum lind
mit ihm die Kraft seines Duldens und Schaffens, die Innerlichkeit des
künstlerischen Genius, unermeßlich empfänglich und fruchtbar, die Bestimmung
des Glaubens aus der verwandten Innerlichkeit des Mönches." Mit Recht
weist Thode aber die Hypothese zurück, daß Michelangelo, obwohl er in seinem
spätern Leben von der deutschen Reformation genug gehört haben muß, ein
geheimer Lutheraner gewesen sei. Nicht daß er um Hofe der Päpste wirkte
und lebte, ist ein Gegenbeweis, sondern der Plan, noch im hohen Alter Wall¬
fahrten nach berühmten Gnadenorten vorzunehmen.
Der Sinn des italienischen Volkes war der Kirchenreform nicht zugänglich,
sonst hätte es einen Savonarola nicht vor seinen Augen verbrennen lassen.
Nach diesem furchtbaren Ereignis ist niemals eine eigne religiöse Bewegung
wieder aus Italien hervorgegangen, nicht einmal die Gegenreformation, denn
diese war, wie die Gründung des Jesuitenordens, ein Werk der Spanier. Es
blieb stumm auf der Halbinsel. Wohl flog auch der Same der Reformation
von Deutschland hierher. Er ging in Venedig und in Neapel auf, dort im
wesentlichen auf einige Kirchenfürsten, hier auf Kreise beschränkt, die von
protestantischen deutschen Landsknechten beeinflußt waren. In den dreißiger
Jahren des sechzehnten Jahrhunderts schien es wohl, als ob aus der Neigung
einiger venezianischen Bischöfe zur kirchlichen Reform mehr hätte werden können.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |