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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Fmnilicufideikc'M nisse und Heimstätten

sinus bei den Reichbegüterten bestinimt ist, so fragt es sich, ob nicht auch beim
Mittelstande und den wenig und sehr gering Begüterten ähnliches angebracht
sein würde. In der Tat ist von einem volkswirtschaftlichen Standpunkt und
staatspolitischen Standpunkt aus überhaupt die Stärkung des Familiensinns
und die Erhaltung der Familie allgemein wünschenswert und beim Mittelstand
vielleicht noch mehr geboten als beim Adelsstand oder den Reichsten.

Behauptet man doch, daß gerade China deshalb seine Kultur jahrtausende¬
lang erhalten habe, und daß das chinesische Reich deshalb länger bestehe,
als irgend ein andres Reich der Welt je bestanden hat, weil in China die
Familie den Familienmitgliedern nicht bloß einen engern Zusammenschluß ge¬
währt, sondern weil die Familie selbst anch große Macht den Familienmitgliedern
gegenüber ausübt, und weil in China die Ehrfurcht der Kinder vor ihren Eltern
ganz besonders ausgebildet ist, und diese Pietät auch in einem besondern Worte
ihren Ausdruck findet.

Hierbei erscheint es auch nicht zufällig, daß in China der vierte Teil alles
Grundbesitzes in kleinen Wirtschaften von vier bis sechs Morgen je in einer
Familie rechtlich festgelegt ist und in dieser verbleibt.

Man muß deshalb sagen, daß es auch im Mittelstande wünschens- und
erstrebenswert ist, den Familiensinn zu fördern und die Macht und das Ansehen
der Familie zu heben.

Wenn sich sogar in den demokratisch verwalteten Staaten Nordamerikas
ein Rechtsinstitut wie die Heimstätte neu bilden und vortrefflich bewähren
konnte, so beweist das, daß eine solche Einrichtung dem Wesen des Staats
oder richtiger der Familie entspricht, ganz gleichgültig, welcher Parteinnffassung
man huldigt.

Darum ist es nur zu billigen, wenn sich Neichstagsmitglieder bemühen,
ähnliche, für den untern Stand wohltätige Einrichtungen ins Leben zu rufen.

Es fragt sich nur, entspricht der dem Reichstage vorgelegte Entwurf über
die Familienheimstätte unsern Rechts- und Wirtschaftsverhältnissen? Ich möchte
im allgemeinen beides bejahen, wenn ich auch gewünscht hätte, der Entwurf
hätte mehr das amerikanische Vorbild zum Muster genommen.

Zunächst muß nach dem Entwurf die Heimstätte die Erzeugung land¬
wirtschaftlicher Produkte ermöglichen und soll die Größe eines Bauerngutes
nicht übersteigen. So berücksichtigt der Entwurf nnr Bauerngüter oder kleinere
Landwirtschaften.

Warum diese einseitige Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Nutzung?

In Amerika ist man davon frei geblieben und hat die Heimstätte ans dem
Dorfe wie in der Stadt, in dieser als eine Wohnungsheimstütte, zugelassen-
Es wird gerade vom Kammerherrn von Riepenhausen in seiner Schrift über
gesicherte Familicnheimstütten -- 2. Aufl., Leipzig, 1890 -- näher ansgeftthrt,
wie nützlich eine solche Einrichtung auch für unser städtisches Leben wäre.
Ein Kaufmann, der selten seine Spekulation, seine geschäftlichen Maßnahmen
so einrichten kann, daß er vor einem Vermögenszusammenbruch immer bewahrt
bleibt, würde sicher gern bereit sein, in guter Vermögenslage und in guten
Jahren seiner Fran und seinen Kindern eine Heimstätte -- ein "Eigenhaus" --


Fmnilicufideikc'M nisse und Heimstätten

sinus bei den Reichbegüterten bestinimt ist, so fragt es sich, ob nicht auch beim
Mittelstande und den wenig und sehr gering Begüterten ähnliches angebracht
sein würde. In der Tat ist von einem volkswirtschaftlichen Standpunkt und
staatspolitischen Standpunkt aus überhaupt die Stärkung des Familiensinns
und die Erhaltung der Familie allgemein wünschenswert und beim Mittelstand
vielleicht noch mehr geboten als beim Adelsstand oder den Reichsten.

Behauptet man doch, daß gerade China deshalb seine Kultur jahrtausende¬
lang erhalten habe, und daß das chinesische Reich deshalb länger bestehe,
als irgend ein andres Reich der Welt je bestanden hat, weil in China die
Familie den Familienmitgliedern nicht bloß einen engern Zusammenschluß ge¬
währt, sondern weil die Familie selbst anch große Macht den Familienmitgliedern
gegenüber ausübt, und weil in China die Ehrfurcht der Kinder vor ihren Eltern
ganz besonders ausgebildet ist, und diese Pietät auch in einem besondern Worte
ihren Ausdruck findet.

Hierbei erscheint es auch nicht zufällig, daß in China der vierte Teil alles
Grundbesitzes in kleinen Wirtschaften von vier bis sechs Morgen je in einer
Familie rechtlich festgelegt ist und in dieser verbleibt.

Man muß deshalb sagen, daß es auch im Mittelstande wünschens- und
erstrebenswert ist, den Familiensinn zu fördern und die Macht und das Ansehen
der Familie zu heben.

Wenn sich sogar in den demokratisch verwalteten Staaten Nordamerikas
ein Rechtsinstitut wie die Heimstätte neu bilden und vortrefflich bewähren
konnte, so beweist das, daß eine solche Einrichtung dem Wesen des Staats
oder richtiger der Familie entspricht, ganz gleichgültig, welcher Parteinnffassung
man huldigt.

Darum ist es nur zu billigen, wenn sich Neichstagsmitglieder bemühen,
ähnliche, für den untern Stand wohltätige Einrichtungen ins Leben zu rufen.

Es fragt sich nur, entspricht der dem Reichstage vorgelegte Entwurf über
die Familienheimstätte unsern Rechts- und Wirtschaftsverhältnissen? Ich möchte
im allgemeinen beides bejahen, wenn ich auch gewünscht hätte, der Entwurf
hätte mehr das amerikanische Vorbild zum Muster genommen.

Zunächst muß nach dem Entwurf die Heimstätte die Erzeugung land¬
wirtschaftlicher Produkte ermöglichen und soll die Größe eines Bauerngutes
nicht übersteigen. So berücksichtigt der Entwurf nnr Bauerngüter oder kleinere
Landwirtschaften.

Warum diese einseitige Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Nutzung?

In Amerika ist man davon frei geblieben und hat die Heimstätte ans dem
Dorfe wie in der Stadt, in dieser als eine Wohnungsheimstütte, zugelassen-
Es wird gerade vom Kammerherrn von Riepenhausen in seiner Schrift über
gesicherte Familicnheimstütten — 2. Aufl., Leipzig, 1890 — näher ansgeftthrt,
wie nützlich eine solche Einrichtung auch für unser städtisches Leben wäre.
Ein Kaufmann, der selten seine Spekulation, seine geschäftlichen Maßnahmen
so einrichten kann, daß er vor einem Vermögenszusammenbruch immer bewahrt
bleibt, würde sicher gern bereit sein, in guter Vermögenslage und in guten
Jahren seiner Fran und seinen Kindern eine Heimstätte — ein „Eigenhaus" —


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[0572] Fmnilicufideikc'M nisse und Heimstätten sinus bei den Reichbegüterten bestinimt ist, so fragt es sich, ob nicht auch beim Mittelstande und den wenig und sehr gering Begüterten ähnliches angebracht sein würde. In der Tat ist von einem volkswirtschaftlichen Standpunkt und staatspolitischen Standpunkt aus überhaupt die Stärkung des Familiensinns und die Erhaltung der Familie allgemein wünschenswert und beim Mittelstand vielleicht noch mehr geboten als beim Adelsstand oder den Reichsten. Behauptet man doch, daß gerade China deshalb seine Kultur jahrtausende¬ lang erhalten habe, und daß das chinesische Reich deshalb länger bestehe, als irgend ein andres Reich der Welt je bestanden hat, weil in China die Familie den Familienmitgliedern nicht bloß einen engern Zusammenschluß ge¬ währt, sondern weil die Familie selbst anch große Macht den Familienmitgliedern gegenüber ausübt, und weil in China die Ehrfurcht der Kinder vor ihren Eltern ganz besonders ausgebildet ist, und diese Pietät auch in einem besondern Worte ihren Ausdruck findet. Hierbei erscheint es auch nicht zufällig, daß in China der vierte Teil alles Grundbesitzes in kleinen Wirtschaften von vier bis sechs Morgen je in einer Familie rechtlich festgelegt ist und in dieser verbleibt. Man muß deshalb sagen, daß es auch im Mittelstande wünschens- und erstrebenswert ist, den Familiensinn zu fördern und die Macht und das Ansehen der Familie zu heben. Wenn sich sogar in den demokratisch verwalteten Staaten Nordamerikas ein Rechtsinstitut wie die Heimstätte neu bilden und vortrefflich bewähren konnte, so beweist das, daß eine solche Einrichtung dem Wesen des Staats oder richtiger der Familie entspricht, ganz gleichgültig, welcher Parteinnffassung man huldigt. Darum ist es nur zu billigen, wenn sich Neichstagsmitglieder bemühen, ähnliche, für den untern Stand wohltätige Einrichtungen ins Leben zu rufen. Es fragt sich nur, entspricht der dem Reichstage vorgelegte Entwurf über die Familienheimstätte unsern Rechts- und Wirtschaftsverhältnissen? Ich möchte im allgemeinen beides bejahen, wenn ich auch gewünscht hätte, der Entwurf hätte mehr das amerikanische Vorbild zum Muster genommen. Zunächst muß nach dem Entwurf die Heimstätte die Erzeugung land¬ wirtschaftlicher Produkte ermöglichen und soll die Größe eines Bauerngutes nicht übersteigen. So berücksichtigt der Entwurf nnr Bauerngüter oder kleinere Landwirtschaften. Warum diese einseitige Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Nutzung? In Amerika ist man davon frei geblieben und hat die Heimstätte ans dem Dorfe wie in der Stadt, in dieser als eine Wohnungsheimstütte, zugelassen- Es wird gerade vom Kammerherrn von Riepenhausen in seiner Schrift über gesicherte Familicnheimstütten — 2. Aufl., Leipzig, 1890 — näher ansgeftthrt, wie nützlich eine solche Einrichtung auch für unser städtisches Leben wäre. Ein Kaufmann, der selten seine Spekulation, seine geschäftlichen Maßnahmen so einrichten kann, daß er vor einem Vermögenszusammenbruch immer bewahrt bleibt, würde sicher gern bereit sein, in guter Vermögenslage und in guten Jahren seiner Fran und seinen Kindern eine Heimstätte — ein „Eigenhaus" —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/572>, abgerufen am 25.08.2024.