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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Familiciifideikomnlisse und Hcimstätwn

gesetzt, d. h. es darf über eine gewisse Größe hinaus nicht gestiftet werden, also
etwa bei der Errichtung nicht mehr als zum Beispiel einen jährlichen Durch¬
schnittsreinertrag von 50000 oder 100000 Mark gewähren.

Im volkswirtschaftlichen Interesse sind drei Fideikommißbesitzer mit je
30 000 Mark Einkommen besser, als ein Fideikommißbesitzer mit 90000 Mark
Einkommen. Je niedriger man also die Grenze zieht, um so besser. So soll
es früher auch einmal die Bestimmung gegeben haben, das; niemand mehr als
hundert Rittergüter sein eigen nennen durfte. Bei den großen Besitzungen der
reichen Klöster war diese Vorschrift sicherlich berechtigt, sie ist auch heute bei
den großen Kapitalanhäufnngcn nicht zu entbehren, und deshalb darf in einem
neuen Fideikommißgesetz nicht das Verbot fehlen, daß ein Fideikommiß eine be¬
stimmte Größe nicht übersteigen dürfe.

Wenn man es ferner für möglich hält, daß sich die Fideikommisse noch
stark vermehren -- und die Wahrscheinlichkeit spricht dafür --, so ist auch noch
eine gesetzliche Beschränkung dahin nötig, daß der in Fideikommisse festgelegte
Grundbesitz in einem Kreise eine festzusetzende Höchstgrenze, zum Beispiel ein
Viertel der gesamten Grundfläche des Kreises, nicht übersteigen dürfe.

Wenn in der Tat die Gebundenheit des Fideikommisses starr und stündig
für alle Zeit so wie bisher bleiben soll, so sind solche Beschränkungen durch¬
aus nötig.

Der Entwurf hält mit Unrecht die Festlegung solcher Grenzen für über¬
flüssig, er erachtet das Erfordernis der landesherrlichen Genehmigung, die nur
durch die Ministerien erreicht werden kann, für genügend. Das ist nicht zu
billigen, auch spricht die Erfahrung dagegen.

Jedoch hat der Entwurf in den Paragraphen 139 bis 141 mit Recht die
Bestimmung neu geschaffen, daß zwei oder mehr Fideikommisse nicht dauernd in
einer Hand vereinigt bleiben dürfen, und daß andernfalls das eine Fideikommiß
freies Eigentum wird. Beim Heimstüttenrecht liegt es im Wesen der Heim¬
stätte, daß niemand mehr als eine Heimstätte haben darf, und im deutschen
Entwurf ist diese Bestimmung auch enthalten.

Überhaupt wird man gut tun, das Fideikommißrecht etwas beweglicher als
bisher zu gestalten, insbesondre die Aufhebung eines Fideikommisses durch
Familienschluß jederzeit zu erlaube". Je beweglicher und freier man das
Fideikommißrecht macht, um so länger wird es sich in Geltung erhalten, um
so weniger wird es Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sein, um so
weniger werden sich nicht zu rechtfertigende Härten oder volkswirtschaftliche
Nachteile zeigen.

Das beweist das englische Fideikommißrecht. Dort hat ein Fideikommiß
rechtlich nicht länger Bestand, als bis zur dritten Hand, wenn man also will,
bis zum dritten Geschlecht. Dann wird es freies Eigentum. Doch kann der
jedesmalige Eigentümer es immer wieder von neuem für zwei Geschlechter fest¬
legen, und auf diese Weise kann das. Fideikommiß doch jahrhundertelang und
länger in derselben Familie bleiben, und in England ist das auch regel¬
mäßig geschehn, was sich aus der Geschichte des englischen Fideikommisses be¬
weisen läßt.


Familiciifideikomnlisse und Hcimstätwn

gesetzt, d. h. es darf über eine gewisse Größe hinaus nicht gestiftet werden, also
etwa bei der Errichtung nicht mehr als zum Beispiel einen jährlichen Durch¬
schnittsreinertrag von 50000 oder 100000 Mark gewähren.

Im volkswirtschaftlichen Interesse sind drei Fideikommißbesitzer mit je
30 000 Mark Einkommen besser, als ein Fideikommißbesitzer mit 90000 Mark
Einkommen. Je niedriger man also die Grenze zieht, um so besser. So soll
es früher auch einmal die Bestimmung gegeben haben, das; niemand mehr als
hundert Rittergüter sein eigen nennen durfte. Bei den großen Besitzungen der
reichen Klöster war diese Vorschrift sicherlich berechtigt, sie ist auch heute bei
den großen Kapitalanhäufnngcn nicht zu entbehren, und deshalb darf in einem
neuen Fideikommißgesetz nicht das Verbot fehlen, daß ein Fideikommiß eine be¬
stimmte Größe nicht übersteigen dürfe.

Wenn man es ferner für möglich hält, daß sich die Fideikommisse noch
stark vermehren — und die Wahrscheinlichkeit spricht dafür —, so ist auch noch
eine gesetzliche Beschränkung dahin nötig, daß der in Fideikommisse festgelegte
Grundbesitz in einem Kreise eine festzusetzende Höchstgrenze, zum Beispiel ein
Viertel der gesamten Grundfläche des Kreises, nicht übersteigen dürfe.

Wenn in der Tat die Gebundenheit des Fideikommisses starr und stündig
für alle Zeit so wie bisher bleiben soll, so sind solche Beschränkungen durch¬
aus nötig.

Der Entwurf hält mit Unrecht die Festlegung solcher Grenzen für über¬
flüssig, er erachtet das Erfordernis der landesherrlichen Genehmigung, die nur
durch die Ministerien erreicht werden kann, für genügend. Das ist nicht zu
billigen, auch spricht die Erfahrung dagegen.

Jedoch hat der Entwurf in den Paragraphen 139 bis 141 mit Recht die
Bestimmung neu geschaffen, daß zwei oder mehr Fideikommisse nicht dauernd in
einer Hand vereinigt bleiben dürfen, und daß andernfalls das eine Fideikommiß
freies Eigentum wird. Beim Heimstüttenrecht liegt es im Wesen der Heim¬
stätte, daß niemand mehr als eine Heimstätte haben darf, und im deutschen
Entwurf ist diese Bestimmung auch enthalten.

Überhaupt wird man gut tun, das Fideikommißrecht etwas beweglicher als
bisher zu gestalten, insbesondre die Aufhebung eines Fideikommisses durch
Familienschluß jederzeit zu erlaube«. Je beweglicher und freier man das
Fideikommißrecht macht, um so länger wird es sich in Geltung erhalten, um
so weniger wird es Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sein, um so
weniger werden sich nicht zu rechtfertigende Härten oder volkswirtschaftliche
Nachteile zeigen.

Das beweist das englische Fideikommißrecht. Dort hat ein Fideikommiß
rechtlich nicht länger Bestand, als bis zur dritten Hand, wenn man also will,
bis zum dritten Geschlecht. Dann wird es freies Eigentum. Doch kann der
jedesmalige Eigentümer es immer wieder von neuem für zwei Geschlechter fest¬
legen, und auf diese Weise kann das. Fideikommiß doch jahrhundertelang und
länger in derselben Familie bleiben, und in England ist das auch regel¬
mäßig geschehn, was sich aus der Geschichte des englischen Fideikommisses be¬
weisen läßt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/568>, abgerufen am 25.08.2024.