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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Sie ist für den bessern Arbeiterstand in Stadt und Land geschaffen. Die
Größe ist deshalb für dessen Bedürfnisse bemessen. Größer darf die Heimstätte
nicht sein, wenn auch diese Größe in den einzelnen Staaten sehr verschieden be¬
messen ist. Auch darf nur der eine Heimstätte stiften, der Familienvater oder
Familienvorstand (Haushalter) ist und wenigstens ein Kind hat. Das Grund¬
stück muß, wenn es das Recht einer Heimstätte erlangen soll, vom Eigentümer
bei der Behörde angemeldet werden, und die Anmeldung wird in ein Buch
(Register) eingetragen. Dadurch wird die Heimstätte dem Angriff künftiger
Gläubiger entzogen.

Der Familienvater kann also ohne Sorge sein; auch wenn noch so viel
Unglück über ihn hereinbricht, die Heimstätte kann ihm und den Seinigen nicht
genommen werden. Denn die Heimstätte bleibt auch nach seinem Tode noch
so lange bestehn, als seine Witwe lebt oder ein Kind von ihm noch minder¬
jährig ist. Ist beides nicht mehr der Fall, so erlischt sie. Jedoch kann sie
von einem seiner Kinder oder Erben unter derselben Voraussetzung wie sonst
wieder von neuem dazu bestimmt und geschaffen und damit als neue Heim¬
stätte gegründet werden. Die Heimstätte erlischt aber auch dann, wenn sie von
Familienmitgliedern nicht mehr bewohnt und benutzt wird. Zur Züchtung von
Mietkasernen ist sie nicht geschaffen.

Bei der amerikanischen Heimstätte wird auch ganz besonders die Befriedigung
des Wohnungsbedürfnisses betont. Es kann auch ein Haus allein -- ein
städtisches kleines Haus -- ohne nutztragende Grundstücke zu einer Heimstätte
gestiftet werden. Eine solche Heimstätte -- Wohnungsheimstätte -- verhindert,
daß die betreffende Familie obdachlos werden kann. Kann in dem Hanse ein
kleines städtisches Gewerbe betrieben werden, so bietet die Wohnungsheimstätte
tatsächlich doch auch mehr. Diese Wohnuugsheimstätte ist im deutschen Entwurf
gar nicht zugelassen, wie überhaupt der dem Reichstag vorliegende Entwurf
mehrfach von dein amerikanischen Vorbild abweicht, wie noch näher ausgeführt
werden soll.

Die Heimstätte wird im amerikanischen Recht nur als eine noirs8t6g.ä
oxeinxtion betrachtet, als eine Ausnahme oder Beschränkung der Zwangsvoll¬
streckung. Sie bezweckt die Erhaltung eines Heims für einen Familienvater und
eine Art Witwen- und Kinderversorgung. Bei den heutigen sozialen Verhält¬
nissen sicherlich etwas erstrebenswertes und gewiß etwas, daß den Familiensinn
heben und stärken muß.

Eine dritte Rechtseinrichtung ist das Höferecht oder die Landgüter¬
rolle in Preußen. Diese wendet sich nur gegen das Pflichtteilrecht. Dem
Anerben soll die Fortführung des väterlichen Gutes dadurch ermöglicht werden,
daß die Pflichtteilrechte der Geschwister beschränkt werden.

Das in die Landgüterrolle eingetragne Gut bleibt veräußerlich, es kann
auch jederzeit auf Antrag des Eigentümers in der Rolle gelöscht werden, und
damit können dem zukünftigen Anerben die Vorteile bei der Regulierung wieder
entzogen werden.

Das Höferecht der Laudgüterrolle greift ebenso wie das amerikanische Heim¬
stättenrecht eigentlich gar nicht in die Freiheit des Grundeigentümers ein, er


Sie ist für den bessern Arbeiterstand in Stadt und Land geschaffen. Die
Größe ist deshalb für dessen Bedürfnisse bemessen. Größer darf die Heimstätte
nicht sein, wenn auch diese Größe in den einzelnen Staaten sehr verschieden be¬
messen ist. Auch darf nur der eine Heimstätte stiften, der Familienvater oder
Familienvorstand (Haushalter) ist und wenigstens ein Kind hat. Das Grund¬
stück muß, wenn es das Recht einer Heimstätte erlangen soll, vom Eigentümer
bei der Behörde angemeldet werden, und die Anmeldung wird in ein Buch
(Register) eingetragen. Dadurch wird die Heimstätte dem Angriff künftiger
Gläubiger entzogen.

Der Familienvater kann also ohne Sorge sein; auch wenn noch so viel
Unglück über ihn hereinbricht, die Heimstätte kann ihm und den Seinigen nicht
genommen werden. Denn die Heimstätte bleibt auch nach seinem Tode noch
so lange bestehn, als seine Witwe lebt oder ein Kind von ihm noch minder¬
jährig ist. Ist beides nicht mehr der Fall, so erlischt sie. Jedoch kann sie
von einem seiner Kinder oder Erben unter derselben Voraussetzung wie sonst
wieder von neuem dazu bestimmt und geschaffen und damit als neue Heim¬
stätte gegründet werden. Die Heimstätte erlischt aber auch dann, wenn sie von
Familienmitgliedern nicht mehr bewohnt und benutzt wird. Zur Züchtung von
Mietkasernen ist sie nicht geschaffen.

Bei der amerikanischen Heimstätte wird auch ganz besonders die Befriedigung
des Wohnungsbedürfnisses betont. Es kann auch ein Haus allein — ein
städtisches kleines Haus — ohne nutztragende Grundstücke zu einer Heimstätte
gestiftet werden. Eine solche Heimstätte — Wohnungsheimstätte — verhindert,
daß die betreffende Familie obdachlos werden kann. Kann in dem Hanse ein
kleines städtisches Gewerbe betrieben werden, so bietet die Wohnungsheimstätte
tatsächlich doch auch mehr. Diese Wohnuugsheimstätte ist im deutschen Entwurf
gar nicht zugelassen, wie überhaupt der dem Reichstag vorliegende Entwurf
mehrfach von dein amerikanischen Vorbild abweicht, wie noch näher ausgeführt
werden soll.

Die Heimstätte wird im amerikanischen Recht nur als eine noirs8t6g.ä
oxeinxtion betrachtet, als eine Ausnahme oder Beschränkung der Zwangsvoll¬
streckung. Sie bezweckt die Erhaltung eines Heims für einen Familienvater und
eine Art Witwen- und Kinderversorgung. Bei den heutigen sozialen Verhält¬
nissen sicherlich etwas erstrebenswertes und gewiß etwas, daß den Familiensinn
heben und stärken muß.

Eine dritte Rechtseinrichtung ist das Höferecht oder die Landgüter¬
rolle in Preußen. Diese wendet sich nur gegen das Pflichtteilrecht. Dem
Anerben soll die Fortführung des väterlichen Gutes dadurch ermöglicht werden,
daß die Pflichtteilrechte der Geschwister beschränkt werden.

Das in die Landgüterrolle eingetragne Gut bleibt veräußerlich, es kann
auch jederzeit auf Antrag des Eigentümers in der Rolle gelöscht werden, und
damit können dem zukünftigen Anerben die Vorteile bei der Regulierung wieder
entzogen werden.

Das Höferecht der Laudgüterrolle greift ebenso wie das amerikanische Heim¬
stättenrecht eigentlich gar nicht in die Freiheit des Grundeigentümers ein, er


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[0566] Sie ist für den bessern Arbeiterstand in Stadt und Land geschaffen. Die Größe ist deshalb für dessen Bedürfnisse bemessen. Größer darf die Heimstätte nicht sein, wenn auch diese Größe in den einzelnen Staaten sehr verschieden be¬ messen ist. Auch darf nur der eine Heimstätte stiften, der Familienvater oder Familienvorstand (Haushalter) ist und wenigstens ein Kind hat. Das Grund¬ stück muß, wenn es das Recht einer Heimstätte erlangen soll, vom Eigentümer bei der Behörde angemeldet werden, und die Anmeldung wird in ein Buch (Register) eingetragen. Dadurch wird die Heimstätte dem Angriff künftiger Gläubiger entzogen. Der Familienvater kann also ohne Sorge sein; auch wenn noch so viel Unglück über ihn hereinbricht, die Heimstätte kann ihm und den Seinigen nicht genommen werden. Denn die Heimstätte bleibt auch nach seinem Tode noch so lange bestehn, als seine Witwe lebt oder ein Kind von ihm noch minder¬ jährig ist. Ist beides nicht mehr der Fall, so erlischt sie. Jedoch kann sie von einem seiner Kinder oder Erben unter derselben Voraussetzung wie sonst wieder von neuem dazu bestimmt und geschaffen und damit als neue Heim¬ stätte gegründet werden. Die Heimstätte erlischt aber auch dann, wenn sie von Familienmitgliedern nicht mehr bewohnt und benutzt wird. Zur Züchtung von Mietkasernen ist sie nicht geschaffen. Bei der amerikanischen Heimstätte wird auch ganz besonders die Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses betont. Es kann auch ein Haus allein — ein städtisches kleines Haus — ohne nutztragende Grundstücke zu einer Heimstätte gestiftet werden. Eine solche Heimstätte — Wohnungsheimstätte — verhindert, daß die betreffende Familie obdachlos werden kann. Kann in dem Hanse ein kleines städtisches Gewerbe betrieben werden, so bietet die Wohnungsheimstätte tatsächlich doch auch mehr. Diese Wohnuugsheimstätte ist im deutschen Entwurf gar nicht zugelassen, wie überhaupt der dem Reichstag vorliegende Entwurf mehrfach von dein amerikanischen Vorbild abweicht, wie noch näher ausgeführt werden soll. Die Heimstätte wird im amerikanischen Recht nur als eine noirs8t6g.ä oxeinxtion betrachtet, als eine Ausnahme oder Beschränkung der Zwangsvoll¬ streckung. Sie bezweckt die Erhaltung eines Heims für einen Familienvater und eine Art Witwen- und Kinderversorgung. Bei den heutigen sozialen Verhält¬ nissen sicherlich etwas erstrebenswertes und gewiß etwas, daß den Familiensinn heben und stärken muß. Eine dritte Rechtseinrichtung ist das Höferecht oder die Landgüter¬ rolle in Preußen. Diese wendet sich nur gegen das Pflichtteilrecht. Dem Anerben soll die Fortführung des väterlichen Gutes dadurch ermöglicht werden, daß die Pflichtteilrechte der Geschwister beschränkt werden. Das in die Landgüterrolle eingetragne Gut bleibt veräußerlich, es kann auch jederzeit auf Antrag des Eigentümers in der Rolle gelöscht werden, und damit können dem zukünftigen Anerben die Vorteile bei der Regulierung wieder entzogen werden. Das Höferecht der Laudgüterrolle greift ebenso wie das amerikanische Heim¬ stättenrecht eigentlich gar nicht in die Freiheit des Grundeigentümers ein, er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/566>, abgerufen am 22.07.2024.