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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Rußland und Japan
Artikel II

Wenn einer von beiden, Großbritannien oder Japan, in der Verteidigung
ihrer eben beschriebnen Interessen mit einer andern Macht in Krieg verwickelt
werden sollte, hat die andre kontrahierende Partei stritte Neutralität zu be¬
wahren und ihre ganze Macht dazu zu benutzen, andre Mächte vom Eintritt
in Feindseligkeiten gegen ihren Verbündeten abzuhalten.

Artikel III

Wenn in diesem Falle eine andre Macht oder andre Mächte auch in
Feindseligkeiten gegen ihren Verbündeten treten sollten, so hat die andre kontra¬
hierende Macht beizustehn lind mit ihr Krieg zu führen und Frieden zu machen
uach gegenseitigem Übereinkommen mit ihr.

Artikel IV

Die hohen kontrahierenden Parteien beschließen, daß keine von ihnen, ohne
die andre zu fragen, besondre separate Verträge mit einer dritten Macht ein¬
geht, die zum Nachteile der eben beschriebnen Interessen der andern Macht sind.

Artikel V

Wenn immer nach der Ansicht einer der beiden, Großbritanniens oder Japans,
sich ihre oben erwähnten Interessen gegenseitig berühren, werden beide Regierungen
miteinander offen und ehrlich verhandeln.

Artikel VI

Der vorstehende Vertrag soll in Kraft treten unmittelbar nach dem Tage
der Unterzeichnung und in Kraft bleiben für fünf Jahre nach jenem Tage.

' In dem Falle, daß eine der beiden Parteien zwölf Monate vor dem Ab¬
lauf der oben erwähnten fünf Jahre die Absicht kundgibt, den Vertrag zu ver¬
längern, soll dies bindend sein bis zum Ablauf eines Jahres von dem Tage,
an dem eine der Parteien dies der andern mitgeteilt hat. Aber wenn an dem
Tage, an dem der Vertrag abläuft, einer der beiden Verbündeten in Krieg
verwickelt ist, soll das Bündnis, ixso taoto, fortdauern, bis der Friede ge¬
schlossen ist.

Durch dieses englisch-japanische Bündnis war die durch das seines Ziels
bewußte und erfolgreiche Fortschreiten Rußlands sehr geschwächte diplomatische
Kraft der beiden Staaten unzweifelhaft gewachsen.

Da außerdem dieses Bündnis offenbar gegen Rußland gerichtet war, ver¬
öffentlichte dieses, um das diplomatische Gleichgewicht gegen diesen ostasiatischen
Zweibund wieder herzustellen, den französisch-russischen Vertrag, durch den die
Allianz dieser beiden Mächte auch auf Ostasien ausgedehnt wurde. Wenn nun
auch beide Bündnisse den guten Kern haben, daß wahrscheinlich der Krieg auf zwei
Mächte beschränkt bleibt, so ist doch durch sie die Spannung zwischen Rußland
und Japan in keiner Weise verringert, sondern eher vergrößert worden. Das hatte
jedoch auch andre Gründe. Es lag hauptsächlich daran, daß Japan im Jahre
1903 sein Flvttenbauprogramm durchgeführt und seine dadurch erreichte Flotte
einexerziert hatte. Im Gefühl seiner augenblicklichen Stärke und seines in den
nächsten Jahren nur wenig zunehmenden Kräftezuwachses hatte es die große


Rußland und Japan
Artikel II

Wenn einer von beiden, Großbritannien oder Japan, in der Verteidigung
ihrer eben beschriebnen Interessen mit einer andern Macht in Krieg verwickelt
werden sollte, hat die andre kontrahierende Partei stritte Neutralität zu be¬
wahren und ihre ganze Macht dazu zu benutzen, andre Mächte vom Eintritt
in Feindseligkeiten gegen ihren Verbündeten abzuhalten.

Artikel III

Wenn in diesem Falle eine andre Macht oder andre Mächte auch in
Feindseligkeiten gegen ihren Verbündeten treten sollten, so hat die andre kontra¬
hierende Macht beizustehn lind mit ihr Krieg zu führen und Frieden zu machen
uach gegenseitigem Übereinkommen mit ihr.

Artikel IV

Die hohen kontrahierenden Parteien beschließen, daß keine von ihnen, ohne
die andre zu fragen, besondre separate Verträge mit einer dritten Macht ein¬
geht, die zum Nachteile der eben beschriebnen Interessen der andern Macht sind.

Artikel V

Wenn immer nach der Ansicht einer der beiden, Großbritanniens oder Japans,
sich ihre oben erwähnten Interessen gegenseitig berühren, werden beide Regierungen
miteinander offen und ehrlich verhandeln.

Artikel VI

Der vorstehende Vertrag soll in Kraft treten unmittelbar nach dem Tage
der Unterzeichnung und in Kraft bleiben für fünf Jahre nach jenem Tage.

' In dem Falle, daß eine der beiden Parteien zwölf Monate vor dem Ab¬
lauf der oben erwähnten fünf Jahre die Absicht kundgibt, den Vertrag zu ver¬
längern, soll dies bindend sein bis zum Ablauf eines Jahres von dem Tage,
an dem eine der Parteien dies der andern mitgeteilt hat. Aber wenn an dem
Tage, an dem der Vertrag abläuft, einer der beiden Verbündeten in Krieg
verwickelt ist, soll das Bündnis, ixso taoto, fortdauern, bis der Friede ge¬
schlossen ist.

Durch dieses englisch-japanische Bündnis war die durch das seines Ziels
bewußte und erfolgreiche Fortschreiten Rußlands sehr geschwächte diplomatische
Kraft der beiden Staaten unzweifelhaft gewachsen.

Da außerdem dieses Bündnis offenbar gegen Rußland gerichtet war, ver¬
öffentlichte dieses, um das diplomatische Gleichgewicht gegen diesen ostasiatischen
Zweibund wieder herzustellen, den französisch-russischen Vertrag, durch den die
Allianz dieser beiden Mächte auch auf Ostasien ausgedehnt wurde. Wenn nun
auch beide Bündnisse den guten Kern haben, daß wahrscheinlich der Krieg auf zwei
Mächte beschränkt bleibt, so ist doch durch sie die Spannung zwischen Rußland
und Japan in keiner Weise verringert, sondern eher vergrößert worden. Das hatte
jedoch auch andre Gründe. Es lag hauptsächlich daran, daß Japan im Jahre
1903 sein Flvttenbauprogramm durchgeführt und seine dadurch erreichte Flotte
einexerziert hatte. Im Gefühl seiner augenblicklichen Stärke und seines in den
nächsten Jahren nur wenig zunehmenden Kräftezuwachses hatte es die große


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[0331] Rußland und Japan Artikel II Wenn einer von beiden, Großbritannien oder Japan, in der Verteidigung ihrer eben beschriebnen Interessen mit einer andern Macht in Krieg verwickelt werden sollte, hat die andre kontrahierende Partei stritte Neutralität zu be¬ wahren und ihre ganze Macht dazu zu benutzen, andre Mächte vom Eintritt in Feindseligkeiten gegen ihren Verbündeten abzuhalten. Artikel III Wenn in diesem Falle eine andre Macht oder andre Mächte auch in Feindseligkeiten gegen ihren Verbündeten treten sollten, so hat die andre kontra¬ hierende Macht beizustehn lind mit ihr Krieg zu führen und Frieden zu machen uach gegenseitigem Übereinkommen mit ihr. Artikel IV Die hohen kontrahierenden Parteien beschließen, daß keine von ihnen, ohne die andre zu fragen, besondre separate Verträge mit einer dritten Macht ein¬ geht, die zum Nachteile der eben beschriebnen Interessen der andern Macht sind. Artikel V Wenn immer nach der Ansicht einer der beiden, Großbritanniens oder Japans, sich ihre oben erwähnten Interessen gegenseitig berühren, werden beide Regierungen miteinander offen und ehrlich verhandeln. Artikel VI Der vorstehende Vertrag soll in Kraft treten unmittelbar nach dem Tage der Unterzeichnung und in Kraft bleiben für fünf Jahre nach jenem Tage. ' In dem Falle, daß eine der beiden Parteien zwölf Monate vor dem Ab¬ lauf der oben erwähnten fünf Jahre die Absicht kundgibt, den Vertrag zu ver¬ längern, soll dies bindend sein bis zum Ablauf eines Jahres von dem Tage, an dem eine der Parteien dies der andern mitgeteilt hat. Aber wenn an dem Tage, an dem der Vertrag abläuft, einer der beiden Verbündeten in Krieg verwickelt ist, soll das Bündnis, ixso taoto, fortdauern, bis der Friede ge¬ schlossen ist. Durch dieses englisch-japanische Bündnis war die durch das seines Ziels bewußte und erfolgreiche Fortschreiten Rußlands sehr geschwächte diplomatische Kraft der beiden Staaten unzweifelhaft gewachsen. Da außerdem dieses Bündnis offenbar gegen Rußland gerichtet war, ver¬ öffentlichte dieses, um das diplomatische Gleichgewicht gegen diesen ostasiatischen Zweibund wieder herzustellen, den französisch-russischen Vertrag, durch den die Allianz dieser beiden Mächte auch auf Ostasien ausgedehnt wurde. Wenn nun auch beide Bündnisse den guten Kern haben, daß wahrscheinlich der Krieg auf zwei Mächte beschränkt bleibt, so ist doch durch sie die Spannung zwischen Rußland und Japan in keiner Weise verringert, sondern eher vergrößert worden. Das hatte jedoch auch andre Gründe. Es lag hauptsächlich daran, daß Japan im Jahre 1903 sein Flvttenbauprogramm durchgeführt und seine dadurch erreichte Flotte einexerziert hatte. Im Gefühl seiner augenblicklichen Stärke und seines in den nächsten Jahren nur wenig zunehmenden Kräftezuwachses hatte es die große

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/331>, abgerufen am 26.06.2024.