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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Dante in der konfessionellen Polemik

hatten, und das die Kirche als seelengefährlich verboten hatte, so ist die Un¬
möglichkeit dieser unwahrscheinlichen Sache dadurch erwiesen, daß Andreas
Alciatus. der 1550 starb, schon neun Jahre tot war, als die Monarchia un
Druck erschien. Es läßt sich vermuten, daß der wirkliche Herausgeber, ob es
nnn Matthias Flacius war oder Paulus Vergerius oder ein dritter, oder daß
der Drucker Johannes Oporinus auf seine eigne Faust den Namen des be¬
rühmten Rechtsgelehrten untergeschoben habe, um dem Buche auch in katholischen
Kreisen Eingang zu verschaffen und es den Juristen zu empfehlen. Wie dem
auch sei. der Zusammenhang zwischen der Herausgabe der Monarchia und dem
Katalog der Wahrheitszeugen steht außer allem Zweifel.

Es war eine folgereiche Tat. daß Matthias Flaeius den Dante als
Kämpfer wider Rom auf den Schauplatz führte. In Humanistenkreisen dachte
man gering von dem großen Florentiner, weil er ein Schüler der Scholastik
war, und weil er in der Volkssprache oder in barbarischem Latein geschrieben
hatte, man zählte ihn zu der Vergangenheit, die man verachtete. In Francesco
Filelfo hatte Dante einen Verteidiger gewonnen, und man stritt sich gerade
über den poetischen Wert der Comedia, als Dante von Flaeius zum Vor¬
läufer Luthers gestempelt und dadurch auf einen Platz gestellt wurde, wo ihm
des Zeitalters Liebe und Haß zuteil wurde.

Nicht allein den Gelehrten, auch dem deutschen Volke wurde Dante in
diesem Lichte gezeigt. In demselben Jahre, wo der Traktat erschien, wurde
auch in Basel bei Oporinus eine deutsche Übersetzung der Monarchia gedruckt.
Es ist möglich, daß Flacius auch diese Übersetzung veranlaßt hat. Ebenso¬
gut kann auch der Verleger selber, der seine Druckerei ganz in den Dienst der
protestantischen Polemik gestellt hatte, auf den Gedanken gekommen sein, durch
eine Übersetzung der Monarchia Stimmung gegen das Papsttum zu machen.

Der Übersetzer. Johann Herolde, schickt dem Traktate eine Einleitung
voraus, worin er die Deutschen mit dem großen Italiener bekannt macht. Er
erzählt darin Dantes Lebensumstünde nach Boccaccios rr-Me-sito in lauäs cU
v-weh. Aus dieser Heroldtscheu Einleitung hat Hans Sachs erfahren, was
er über Dantes Leben und über seine Dichtung zu sagen weiß. Er hat in
seiner Art die Einleitung des Herolde in Verse gebracht.

Die deutsche Übersetzung ist nicht wieder gedruckt worden. Dagegen er¬
schienen in Deutschland vor dem Dreißigjährigen Kriege von dem lateinischen
Traktat noch vier weitere Drucke, 1566, 1609 und 1618 zu Basel, 1610 zu
Offenbach. So war Dantes Monarchia in Deutschland weithin bekannt zu
einer Zeit, wo man von seinem großen Gedichte noch nichts erfahren hatte,
als die Proben, die Flacius mitgeteilt hat. Diese Proben hatten die Nation
nicht gereizt, Dante den Dichter kennen zu lernen, dagegen war Dante der
Ghibelline dem protestantischen Deutschland ein willkommener Bundesgenosse
im Kampfe gegen den Papst.

Von der lutherischen Kirche war diese Art von Polemik ausgegangen;
freilich nicht aus dem Geiste eines deutschen Lutheraners, sondern aus dem
eines Jtalieners war sie entsprungen. Sie blieb dem deutschen Luthertum
fremd. Die Reformierten fühlten für diese Polemik die größere Sympathie.


Dante in der konfessionellen Polemik

hatten, und das die Kirche als seelengefährlich verboten hatte, so ist die Un¬
möglichkeit dieser unwahrscheinlichen Sache dadurch erwiesen, daß Andreas
Alciatus. der 1550 starb, schon neun Jahre tot war, als die Monarchia un
Druck erschien. Es läßt sich vermuten, daß der wirkliche Herausgeber, ob es
nnn Matthias Flacius war oder Paulus Vergerius oder ein dritter, oder daß
der Drucker Johannes Oporinus auf seine eigne Faust den Namen des be¬
rühmten Rechtsgelehrten untergeschoben habe, um dem Buche auch in katholischen
Kreisen Eingang zu verschaffen und es den Juristen zu empfehlen. Wie dem
auch sei. der Zusammenhang zwischen der Herausgabe der Monarchia und dem
Katalog der Wahrheitszeugen steht außer allem Zweifel.

Es war eine folgereiche Tat. daß Matthias Flaeius den Dante als
Kämpfer wider Rom auf den Schauplatz führte. In Humanistenkreisen dachte
man gering von dem großen Florentiner, weil er ein Schüler der Scholastik
war, und weil er in der Volkssprache oder in barbarischem Latein geschrieben
hatte, man zählte ihn zu der Vergangenheit, die man verachtete. In Francesco
Filelfo hatte Dante einen Verteidiger gewonnen, und man stritt sich gerade
über den poetischen Wert der Comedia, als Dante von Flaeius zum Vor¬
läufer Luthers gestempelt und dadurch auf einen Platz gestellt wurde, wo ihm
des Zeitalters Liebe und Haß zuteil wurde.

Nicht allein den Gelehrten, auch dem deutschen Volke wurde Dante in
diesem Lichte gezeigt. In demselben Jahre, wo der Traktat erschien, wurde
auch in Basel bei Oporinus eine deutsche Übersetzung der Monarchia gedruckt.
Es ist möglich, daß Flacius auch diese Übersetzung veranlaßt hat. Ebenso¬
gut kann auch der Verleger selber, der seine Druckerei ganz in den Dienst der
protestantischen Polemik gestellt hatte, auf den Gedanken gekommen sein, durch
eine Übersetzung der Monarchia Stimmung gegen das Papsttum zu machen.

Der Übersetzer. Johann Herolde, schickt dem Traktate eine Einleitung
voraus, worin er die Deutschen mit dem großen Italiener bekannt macht. Er
erzählt darin Dantes Lebensumstünde nach Boccaccios rr-Me-sito in lauäs cU
v-weh. Aus dieser Heroldtscheu Einleitung hat Hans Sachs erfahren, was
er über Dantes Leben und über seine Dichtung zu sagen weiß. Er hat in
seiner Art die Einleitung des Herolde in Verse gebracht.

Die deutsche Übersetzung ist nicht wieder gedruckt worden. Dagegen er¬
schienen in Deutschland vor dem Dreißigjährigen Kriege von dem lateinischen
Traktat noch vier weitere Drucke, 1566, 1609 und 1618 zu Basel, 1610 zu
Offenbach. So war Dantes Monarchia in Deutschland weithin bekannt zu
einer Zeit, wo man von seinem großen Gedichte noch nichts erfahren hatte,
als die Proben, die Flacius mitgeteilt hat. Diese Proben hatten die Nation
nicht gereizt, Dante den Dichter kennen zu lernen, dagegen war Dante der
Ghibelline dem protestantischen Deutschland ein willkommener Bundesgenosse
im Kampfe gegen den Papst.

Von der lutherischen Kirche war diese Art von Polemik ausgegangen;
freilich nicht aus dem Geiste eines deutschen Lutheraners, sondern aus dem
eines Jtalieners war sie entsprungen. Sie blieb dem deutschen Luthertum
fremd. Die Reformierten fühlten für diese Polemik die größere Sympathie.


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[0101] Dante in der konfessionellen Polemik hatten, und das die Kirche als seelengefährlich verboten hatte, so ist die Un¬ möglichkeit dieser unwahrscheinlichen Sache dadurch erwiesen, daß Andreas Alciatus. der 1550 starb, schon neun Jahre tot war, als die Monarchia un Druck erschien. Es läßt sich vermuten, daß der wirkliche Herausgeber, ob es nnn Matthias Flacius war oder Paulus Vergerius oder ein dritter, oder daß der Drucker Johannes Oporinus auf seine eigne Faust den Namen des be¬ rühmten Rechtsgelehrten untergeschoben habe, um dem Buche auch in katholischen Kreisen Eingang zu verschaffen und es den Juristen zu empfehlen. Wie dem auch sei. der Zusammenhang zwischen der Herausgabe der Monarchia und dem Katalog der Wahrheitszeugen steht außer allem Zweifel. Es war eine folgereiche Tat. daß Matthias Flaeius den Dante als Kämpfer wider Rom auf den Schauplatz führte. In Humanistenkreisen dachte man gering von dem großen Florentiner, weil er ein Schüler der Scholastik war, und weil er in der Volkssprache oder in barbarischem Latein geschrieben hatte, man zählte ihn zu der Vergangenheit, die man verachtete. In Francesco Filelfo hatte Dante einen Verteidiger gewonnen, und man stritt sich gerade über den poetischen Wert der Comedia, als Dante von Flaeius zum Vor¬ läufer Luthers gestempelt und dadurch auf einen Platz gestellt wurde, wo ihm des Zeitalters Liebe und Haß zuteil wurde. Nicht allein den Gelehrten, auch dem deutschen Volke wurde Dante in diesem Lichte gezeigt. In demselben Jahre, wo der Traktat erschien, wurde auch in Basel bei Oporinus eine deutsche Übersetzung der Monarchia gedruckt. Es ist möglich, daß Flacius auch diese Übersetzung veranlaßt hat. Ebenso¬ gut kann auch der Verleger selber, der seine Druckerei ganz in den Dienst der protestantischen Polemik gestellt hatte, auf den Gedanken gekommen sein, durch eine Übersetzung der Monarchia Stimmung gegen das Papsttum zu machen. Der Übersetzer. Johann Herolde, schickt dem Traktate eine Einleitung voraus, worin er die Deutschen mit dem großen Italiener bekannt macht. Er erzählt darin Dantes Lebensumstünde nach Boccaccios rr-Me-sito in lauäs cU v-weh. Aus dieser Heroldtscheu Einleitung hat Hans Sachs erfahren, was er über Dantes Leben und über seine Dichtung zu sagen weiß. Er hat in seiner Art die Einleitung des Herolde in Verse gebracht. Die deutsche Übersetzung ist nicht wieder gedruckt worden. Dagegen er¬ schienen in Deutschland vor dem Dreißigjährigen Kriege von dem lateinischen Traktat noch vier weitere Drucke, 1566, 1609 und 1618 zu Basel, 1610 zu Offenbach. So war Dantes Monarchia in Deutschland weithin bekannt zu einer Zeit, wo man von seinem großen Gedichte noch nichts erfahren hatte, als die Proben, die Flacius mitgeteilt hat. Diese Proben hatten die Nation nicht gereizt, Dante den Dichter kennen zu lernen, dagegen war Dante der Ghibelline dem protestantischen Deutschland ein willkommener Bundesgenosse im Kampfe gegen den Papst. Von der lutherischen Kirche war diese Art von Polemik ausgegangen; freilich nicht aus dem Geiste eines deutschen Lutheraners, sondern aus dem eines Jtalieners war sie entsprungen. Sie blieb dem deutschen Luthertum fremd. Die Reformierten fühlten für diese Polemik die größere Sympathie.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/101>, abgerufen am 22.07.2024.