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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Alle haben sie die größte Eile, und alle wollen sie auf einmal in das nächste Heft,
keines will es einsehen, daß es hinter dem andern zurückstehn muß, und der Heraus¬
geber hat seine liebe Not mit Geduldpredigen und Vertrösten, bis endlich jedes
hat daran kommen können. Aber manchmal dauert das eben lange, und da kann
es denn zu einem unheimlichen Gewissensdruck für ihn werden, wenn ihn die
Manuskripte im Schrank, die nicht zum Leben gelangen können, mit vorwurfsvollen
Augen ansehen, wenn nicht gar mit drohenden. Sie denken nicht daran, daß sie
für den Leser an dem Tage, wo sie in dem grünen Kleid in die Welt springen,
so neu sind, wie am ersten Tag, wo ihr Verfasser den Strich unter sie gemacht
hatte, und daß sie vielleicht schou längst vergessen wären, wenn sie sich nicht gerade
erst jetzt zum Genusse böten, wo sie erst recht zeitgemäß erscheinen können.

Die Manuskripte? Sind die ungeduldig und ungebärdig? Der Leser hat
es schou gemerkt, daß hier nur durch die Blume gesprochen worden ist, und daß
er auf eine besondre Seite des Herausgeberberufs gelenkt werden soll, und zwar
auf den Verkehr mit den Mitarbeitern.

Es ist die schönste Seite des Berufs! Nichts macht das Leben so reich und
so lebeuswert als das Zusammenwirken mit geistvollen Männern, mit denen man
sich eins weiß in den Zielen, denen man zustrebt, die mau um den einen Mittel¬
punkt sammelt, seine Grünen, denen sie den Charakter und die Persönlichkeit geben.
Nichts ist schöner -- aber es ist schwierig! Je näher man seinen Mitarbeitern
steht, je mehr sie bedeutende und eigentümliche Persönlichkeiten sind, desto mehr
macht mau die Erfahrung, daß sie alle -- ihre Eigentümlichkeiten haben. Mau
hat das frohe Gefühl: ein Hirt und eine Herde! wenn man die Fäden in der
Hand hält, die alle diese Geister zusammenführen, aber man muß manchmal doch
sehr fest zufassen, wenn sich die Fäden nicht lösen oder verwirren sollen, oder wenn
man nicht umgerissen werden will. Ich weiß nicht, was sich der Leser für eine
Vorstellung von einem Hirten und einer Herde macht. Er hat sie vielleicht nur
gelegentlich einmal ans einem Bild oder in der Sommerfrische oder von der Eisenbahn
aus nu einer Berghalde friedlich weiden sehen, und so wird er sich wohl auch einen
Herausgeber und seine Mitarbeiterschaft denken, wenn das Bild vom Hirten und
von der Herde gebraucht wird. Meine lieben Freunde werden das Bild hübsch
finden, und sich vorstellen, wie sie so über die grüne An der Hefte ziehn, aber
heimlich werden sie sich gesteh", daß das friedliche Bild nicht immer den Vorgängen
hinter der Bühne entspricht. Was es für Petrus bedeutet hat, als ihm der Herr
sagte: Weide meine Lämmer! kann sich jeder denken. Daß auch Böcke unter deu
ihm anvertrauten Lämmern waren, hat Sankt Petrus bald erfahren -- Hans Sachs
hat uns berichtet, was für Not der heilige Mann rin einer einzigen Geiß gehabt
hat, die er einen Tag lang hüten sollte --; ein schlimmeres Geschick aber ist es noch,
wenn man sich als das einzige Lamm unter lauter Böcken fühlt. Das kann dem
guten Hirten passieren. Dann aber kann ihn nur, wenn er sie mit gesenkten Köpfen
gegeneinander rennen sieht, oder wenn sie auf ihn selbst einstürmen, der Glaube ein
seine Sache retten: lin! Viricli xrato ocmsoüit, I^noobus Apollo!

So sind diese fünfundzwanzig Jahre dahingegangen, mit Freuden und alt
Mühen. Beide sind unzertrennbar, und beide erneuen sich jeden Tag. Und die
Reihe dieser Jahre umschließt fast ein ganzes Menschenleben. Ich war gerade zum
Mann herangereift, als ich die Grenzboten in die Hände nehmen mußte, und Me
stehe ich an der Schwelle des Greisenalters. Damals waren sie ein krankes Bäumchen.
das die Blätter hängen ließ, und es hat der rastlosen Arbeit vieler Jahre bedurft,
sie wieder zum Gedeihen zu bringen, aber es ist auch dann noch mancher seinen
gekommen, der sie zu entwurzeln drohte.even

Es ist seltsam, wie manchmal ein Wort bestimmend auf ein ganzes L
wirken kann. Der alte Freund meines Vaters, Julian Schmidt, hatte mich, alö
ich noch jung war, einmal darauf hingewiesen, wie ein Verleger führend und
lenkend auf das geistige Leben des Kreises, in den er gestellt sei, einwirken könne,
und daß das seine vornehmste Aufgabe sei. Er hatte damit einen Stachel in


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Alle haben sie die größte Eile, und alle wollen sie auf einmal in das nächste Heft,
keines will es einsehen, daß es hinter dem andern zurückstehn muß, und der Heraus¬
geber hat seine liebe Not mit Geduldpredigen und Vertrösten, bis endlich jedes
hat daran kommen können. Aber manchmal dauert das eben lange, und da kann
es denn zu einem unheimlichen Gewissensdruck für ihn werden, wenn ihn die
Manuskripte im Schrank, die nicht zum Leben gelangen können, mit vorwurfsvollen
Augen ansehen, wenn nicht gar mit drohenden. Sie denken nicht daran, daß sie
für den Leser an dem Tage, wo sie in dem grünen Kleid in die Welt springen,
so neu sind, wie am ersten Tag, wo ihr Verfasser den Strich unter sie gemacht
hatte, und daß sie vielleicht schou längst vergessen wären, wenn sie sich nicht gerade
erst jetzt zum Genusse böten, wo sie erst recht zeitgemäß erscheinen können.

Die Manuskripte? Sind die ungeduldig und ungebärdig? Der Leser hat
es schou gemerkt, daß hier nur durch die Blume gesprochen worden ist, und daß
er auf eine besondre Seite des Herausgeberberufs gelenkt werden soll, und zwar
auf den Verkehr mit den Mitarbeitern.

Es ist die schönste Seite des Berufs! Nichts macht das Leben so reich und
so lebeuswert als das Zusammenwirken mit geistvollen Männern, mit denen man
sich eins weiß in den Zielen, denen man zustrebt, die mau um den einen Mittel¬
punkt sammelt, seine Grünen, denen sie den Charakter und die Persönlichkeit geben.
Nichts ist schöner — aber es ist schwierig! Je näher man seinen Mitarbeitern
steht, je mehr sie bedeutende und eigentümliche Persönlichkeiten sind, desto mehr
macht mau die Erfahrung, daß sie alle — ihre Eigentümlichkeiten haben. Mau
hat das frohe Gefühl: ein Hirt und eine Herde! wenn man die Fäden in der
Hand hält, die alle diese Geister zusammenführen, aber man muß manchmal doch
sehr fest zufassen, wenn sich die Fäden nicht lösen oder verwirren sollen, oder wenn
man nicht umgerissen werden will. Ich weiß nicht, was sich der Leser für eine
Vorstellung von einem Hirten und einer Herde macht. Er hat sie vielleicht nur
gelegentlich einmal ans einem Bild oder in der Sommerfrische oder von der Eisenbahn
aus nu einer Berghalde friedlich weiden sehen, und so wird er sich wohl auch einen
Herausgeber und seine Mitarbeiterschaft denken, wenn das Bild vom Hirten und
von der Herde gebraucht wird. Meine lieben Freunde werden das Bild hübsch
finden, und sich vorstellen, wie sie so über die grüne An der Hefte ziehn, aber
heimlich werden sie sich gesteh», daß das friedliche Bild nicht immer den Vorgängen
hinter der Bühne entspricht. Was es für Petrus bedeutet hat, als ihm der Herr
sagte: Weide meine Lämmer! kann sich jeder denken. Daß auch Böcke unter deu
ihm anvertrauten Lämmern waren, hat Sankt Petrus bald erfahren — Hans Sachs
hat uns berichtet, was für Not der heilige Mann rin einer einzigen Geiß gehabt
hat, die er einen Tag lang hüten sollte —; ein schlimmeres Geschick aber ist es noch,
wenn man sich als das einzige Lamm unter lauter Böcken fühlt. Das kann dem
guten Hirten passieren. Dann aber kann ihn nur, wenn er sie mit gesenkten Köpfen
gegeneinander rennen sieht, oder wenn sie auf ihn selbst einstürmen, der Glaube ein
seine Sache retten: lin! Viricli xrato ocmsoüit, I^noobus Apollo!

So sind diese fünfundzwanzig Jahre dahingegangen, mit Freuden und alt
Mühen. Beide sind unzertrennbar, und beide erneuen sich jeden Tag. Und die
Reihe dieser Jahre umschließt fast ein ganzes Menschenleben. Ich war gerade zum
Mann herangereift, als ich die Grenzboten in die Hände nehmen mußte, und Me
stehe ich an der Schwelle des Greisenalters. Damals waren sie ein krankes Bäumchen.
das die Blätter hängen ließ, und es hat der rastlosen Arbeit vieler Jahre bedurft,
sie wieder zum Gedeihen zu bringen, aber es ist auch dann noch mancher seinen
gekommen, der sie zu entwurzeln drohte.even

Es ist seltsam, wie manchmal ein Wort bestimmend auf ein ganzes L
wirken kann. Der alte Freund meines Vaters, Julian Schmidt, hatte mich, alö
ich noch jung war, einmal darauf hingewiesen, wie ein Verleger führend und
lenkend auf das geistige Leben des Kreises, in den er gestellt sei, einwirken könne,
und daß das seine vornehmste Aufgabe sei. Er hatte damit einen Stachel in


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[0890] Maßgebliches und Unmaßgebliches Alle haben sie die größte Eile, und alle wollen sie auf einmal in das nächste Heft, keines will es einsehen, daß es hinter dem andern zurückstehn muß, und der Heraus¬ geber hat seine liebe Not mit Geduldpredigen und Vertrösten, bis endlich jedes hat daran kommen können. Aber manchmal dauert das eben lange, und da kann es denn zu einem unheimlichen Gewissensdruck für ihn werden, wenn ihn die Manuskripte im Schrank, die nicht zum Leben gelangen können, mit vorwurfsvollen Augen ansehen, wenn nicht gar mit drohenden. Sie denken nicht daran, daß sie für den Leser an dem Tage, wo sie in dem grünen Kleid in die Welt springen, so neu sind, wie am ersten Tag, wo ihr Verfasser den Strich unter sie gemacht hatte, und daß sie vielleicht schou längst vergessen wären, wenn sie sich nicht gerade erst jetzt zum Genusse böten, wo sie erst recht zeitgemäß erscheinen können. Die Manuskripte? Sind die ungeduldig und ungebärdig? Der Leser hat es schou gemerkt, daß hier nur durch die Blume gesprochen worden ist, und daß er auf eine besondre Seite des Herausgeberberufs gelenkt werden soll, und zwar auf den Verkehr mit den Mitarbeitern. Es ist die schönste Seite des Berufs! Nichts macht das Leben so reich und so lebeuswert als das Zusammenwirken mit geistvollen Männern, mit denen man sich eins weiß in den Zielen, denen man zustrebt, die mau um den einen Mittel¬ punkt sammelt, seine Grünen, denen sie den Charakter und die Persönlichkeit geben. Nichts ist schöner — aber es ist schwierig! Je näher man seinen Mitarbeitern steht, je mehr sie bedeutende und eigentümliche Persönlichkeiten sind, desto mehr macht mau die Erfahrung, daß sie alle — ihre Eigentümlichkeiten haben. Mau hat das frohe Gefühl: ein Hirt und eine Herde! wenn man die Fäden in der Hand hält, die alle diese Geister zusammenführen, aber man muß manchmal doch sehr fest zufassen, wenn sich die Fäden nicht lösen oder verwirren sollen, oder wenn man nicht umgerissen werden will. Ich weiß nicht, was sich der Leser für eine Vorstellung von einem Hirten und einer Herde macht. Er hat sie vielleicht nur gelegentlich einmal ans einem Bild oder in der Sommerfrische oder von der Eisenbahn aus nu einer Berghalde friedlich weiden sehen, und so wird er sich wohl auch einen Herausgeber und seine Mitarbeiterschaft denken, wenn das Bild vom Hirten und von der Herde gebraucht wird. Meine lieben Freunde werden das Bild hübsch finden, und sich vorstellen, wie sie so über die grüne An der Hefte ziehn, aber heimlich werden sie sich gesteh», daß das friedliche Bild nicht immer den Vorgängen hinter der Bühne entspricht. Was es für Petrus bedeutet hat, als ihm der Herr sagte: Weide meine Lämmer! kann sich jeder denken. Daß auch Böcke unter deu ihm anvertrauten Lämmern waren, hat Sankt Petrus bald erfahren — Hans Sachs hat uns berichtet, was für Not der heilige Mann rin einer einzigen Geiß gehabt hat, die er einen Tag lang hüten sollte —; ein schlimmeres Geschick aber ist es noch, wenn man sich als das einzige Lamm unter lauter Böcken fühlt. Das kann dem guten Hirten passieren. Dann aber kann ihn nur, wenn er sie mit gesenkten Köpfen gegeneinander rennen sieht, oder wenn sie auf ihn selbst einstürmen, der Glaube ein seine Sache retten: lin! Viricli xrato ocmsoüit, I^noobus Apollo! So sind diese fünfundzwanzig Jahre dahingegangen, mit Freuden und alt Mühen. Beide sind unzertrennbar, und beide erneuen sich jeden Tag. Und die Reihe dieser Jahre umschließt fast ein ganzes Menschenleben. Ich war gerade zum Mann herangereift, als ich die Grenzboten in die Hände nehmen mußte, und Me stehe ich an der Schwelle des Greisenalters. Damals waren sie ein krankes Bäumchen. das die Blätter hängen ließ, und es hat der rastlosen Arbeit vieler Jahre bedurft, sie wieder zum Gedeihen zu bringen, aber es ist auch dann noch mancher seinen gekommen, der sie zu entwurzeln drohte.even Es ist seltsam, wie manchmal ein Wort bestimmend auf ein ganzes L wirken kann. Der alte Freund meines Vaters, Julian Schmidt, hatte mich, alö ich noch jung war, einmal darauf hingewiesen, wie ein Verleger führend und lenkend auf das geistige Leben des Kreises, in den er gestellt sei, einwirken könne, und daß das seine vornehmste Aufgabe sei. Er hatte damit einen Stachel in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/890>, abgerufen am 26.06.2024.