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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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wie möglich und bis auf deu letzten Tropfen auszuschütten. Das Mariannele schlief
noch immer, so nahm ich es ans und trug es sachte ins Haus hinein, behielt es
auch, während ich mit der Meisterin sprach, in meinem Arm.

Als ich aber der Frau in dem einsamen Zimmer, neben dem das Totenlicht still
brannte, gegenüberstand und ihr bedrucktes und gedemütigtes Gesicht vor mir hatte,
das blutrot und mit dem Ausdruck eines Kindes, das gescholten zu werden er¬
wartet, an mir vorbeisah, vergingen mir plötzlich die Worte, die ich draußen zurecht¬
gelegt hatte, und ich geriet in ein Zittern und in eine Schwäche, als wankte der
Boden unter meinen Füßen. Die Müdigkeit, die schon vorher über mich gekommen
war, kehrte wieder, und mir wurde dunkel vor den Augen. Was sträubst du dich
denn, klang es in mir, die Hand anzunehmen, die man dir anbieten will? Was
willst du mehr? Hier hast du ein warmes Haus, und Frieden und Menschen, die
dich lieben werdeu. Taues hier unter und vergiß, was hinter dir liegt, vergiß auch,
was du sonst im Herzen trägst.

Es war ein Glück, daß ich das Kind in meinen Armen hielt, und daß es
mich mit seiner Schwere zwang, meine Kraft zusammenzunehmen und mich auf¬
zuraffen. Es war aber mir ein Augenblick des Schreckens, nur ein Augenblick,
wo ich von einer Welle heißen Blutes, die über mich wegging, mit fortgerissen
wurde, da erhob sich aus dein Dunkel meiner Seele zum erstenmal in erschreckender
Deutlichkeit die Gestalt, die zwischen mir und jeglichem Glück, auch dem ärmsten
und niedrigsten stand, und alles Blut stockte mir in den Adern. Und dann blickte
mich hell wie der Mond, der durch das offne Fenster hereinschien, ein Antlitz an,
dessen Bild ich tief, ach schon allzu tief in meiner Seele trug. Ja du schwebst
über mir, unerreichbar wie dieses wandelnde Licht da droben. Dich kann ich nicht
erlangen, und andres will ich nicht. Außerhalb des Pfades, wo glückliche Menschen
wandeln, geht mein Weg. Ich kann nur von ferne stehn, mehr ist mir nicht ge¬
blieben, mehr will ich nicht.

Meisterin, sagte ich, ich muß Euch sagen, ich bin kein Hund, den man um
die Kette legen kann, ich denke nicht an Heiraten, weder jetzt noch später, ich bin
dafür nicht geschaffen. Und anch Ihr werdet wohl nicht daran denken, am wenigsten
jetzt, wo Euer Mann noch nicht aus dem Hause getragen ist. Soll ich bei Euch
bleiben, dann darf von einer solchen Angelegenheit nicht wieder zwischen uns die
Rede sein. Ihr müßt dem Weibe, das Euch zu solchem Geschwätz verlockt hat,
sagen, daß es zwischen uns bleibe, jetzt und immer, wie es gewesen sei: Ihr seid
die Meisterin, und ich bin der Geselle. Und Ihr müßt ihm sagen, leicht könne es
geschehn, daß nicht sie mir, sondern daß ich ihr den Pfarrer zusenden würde, denn
das mit dem Tränklein habe ich auch vernommen. Wenn es Euch so recht ist,
dann bleibts bei dem, was ich dem Meister noch zuletzt in die Hand versprochen
habe, und ich werde Euch mit allen meinen Kräften, und so gut ich es immer ver¬
mag, zur Seite stehn. Wollt Ihr es anders, so müßt Ihr Euch nach einem andern
Gesellen umsehen.

Die Frau hatte mit abgewandtem Antlitz am Tisch gesessen, nun erhob sie
sich und schaute mich frei und offen an. Es ist schon recht, Reinhold. Hast du
das Gespräch gehört, so weißt du, wie wir darauf gekommen sind, und ich sage
dir jetzt, daß es mir längst leid geworden ist. Ich habe meinen Mann lieb gehabt
und habe ihn noch immer lieb, werde mich auch nicht wieder verändern. Und
wenn du einer Witwe mit ihren Kindern so treulich über den Berg hinüberhelfen
willst, so danke ich dir. Ich danke dir vielmals, und ich werde auch alles tun,
was du verlangt hast.

Darauf nahm sie mir das Kind aus den Armen, und nachdem sie es vor¬
läufig auf seinem Bettchen niedergelegt hatte, sahen wir uns auch nach den andern
Kindern um, die über dem, was im Hause geschehen war, ganz vergessen worden
waren. Sie hatten sich in den Stall begeben, wo wir sie eng aneinander geschmiegt
in tiefem Schlafe und noch mit den Spuren von Tränen, die sie in ihrer Ver¬
lassenheit geweint hatten, vorfanden.


wie möglich und bis auf deu letzten Tropfen auszuschütten. Das Mariannele schlief
noch immer, so nahm ich es ans und trug es sachte ins Haus hinein, behielt es
auch, während ich mit der Meisterin sprach, in meinem Arm.

Als ich aber der Frau in dem einsamen Zimmer, neben dem das Totenlicht still
brannte, gegenüberstand und ihr bedrucktes und gedemütigtes Gesicht vor mir hatte,
das blutrot und mit dem Ausdruck eines Kindes, das gescholten zu werden er¬
wartet, an mir vorbeisah, vergingen mir plötzlich die Worte, die ich draußen zurecht¬
gelegt hatte, und ich geriet in ein Zittern und in eine Schwäche, als wankte der
Boden unter meinen Füßen. Die Müdigkeit, die schon vorher über mich gekommen
war, kehrte wieder, und mir wurde dunkel vor den Augen. Was sträubst du dich
denn, klang es in mir, die Hand anzunehmen, die man dir anbieten will? Was
willst du mehr? Hier hast du ein warmes Haus, und Frieden und Menschen, die
dich lieben werdeu. Taues hier unter und vergiß, was hinter dir liegt, vergiß auch,
was du sonst im Herzen trägst.

Es war ein Glück, daß ich das Kind in meinen Armen hielt, und daß es
mich mit seiner Schwere zwang, meine Kraft zusammenzunehmen und mich auf¬
zuraffen. Es war aber mir ein Augenblick des Schreckens, nur ein Augenblick,
wo ich von einer Welle heißen Blutes, die über mich wegging, mit fortgerissen
wurde, da erhob sich aus dein Dunkel meiner Seele zum erstenmal in erschreckender
Deutlichkeit die Gestalt, die zwischen mir und jeglichem Glück, auch dem ärmsten
und niedrigsten stand, und alles Blut stockte mir in den Adern. Und dann blickte
mich hell wie der Mond, der durch das offne Fenster hereinschien, ein Antlitz an,
dessen Bild ich tief, ach schon allzu tief in meiner Seele trug. Ja du schwebst
über mir, unerreichbar wie dieses wandelnde Licht da droben. Dich kann ich nicht
erlangen, und andres will ich nicht. Außerhalb des Pfades, wo glückliche Menschen
wandeln, geht mein Weg. Ich kann nur von ferne stehn, mehr ist mir nicht ge¬
blieben, mehr will ich nicht.

Meisterin, sagte ich, ich muß Euch sagen, ich bin kein Hund, den man um
die Kette legen kann, ich denke nicht an Heiraten, weder jetzt noch später, ich bin
dafür nicht geschaffen. Und anch Ihr werdet wohl nicht daran denken, am wenigsten
jetzt, wo Euer Mann noch nicht aus dem Hause getragen ist. Soll ich bei Euch
bleiben, dann darf von einer solchen Angelegenheit nicht wieder zwischen uns die
Rede sein. Ihr müßt dem Weibe, das Euch zu solchem Geschwätz verlockt hat,
sagen, daß es zwischen uns bleibe, jetzt und immer, wie es gewesen sei: Ihr seid
die Meisterin, und ich bin der Geselle. Und Ihr müßt ihm sagen, leicht könne es
geschehn, daß nicht sie mir, sondern daß ich ihr den Pfarrer zusenden würde, denn
das mit dem Tränklein habe ich auch vernommen. Wenn es Euch so recht ist,
dann bleibts bei dem, was ich dem Meister noch zuletzt in die Hand versprochen
habe, und ich werde Euch mit allen meinen Kräften, und so gut ich es immer ver¬
mag, zur Seite stehn. Wollt Ihr es anders, so müßt Ihr Euch nach einem andern
Gesellen umsehen.

Die Frau hatte mit abgewandtem Antlitz am Tisch gesessen, nun erhob sie
sich und schaute mich frei und offen an. Es ist schon recht, Reinhold. Hast du
das Gespräch gehört, so weißt du, wie wir darauf gekommen sind, und ich sage
dir jetzt, daß es mir längst leid geworden ist. Ich habe meinen Mann lieb gehabt
und habe ihn noch immer lieb, werde mich auch nicht wieder verändern. Und
wenn du einer Witwe mit ihren Kindern so treulich über den Berg hinüberhelfen
willst, so danke ich dir. Ich danke dir vielmals, und ich werde auch alles tun,
was du verlangt hast.

Darauf nahm sie mir das Kind aus den Armen, und nachdem sie es vor¬
läufig auf seinem Bettchen niedergelegt hatte, sahen wir uns auch nach den andern
Kindern um, die über dem, was im Hause geschehen war, ganz vergessen worden
waren. Sie hatten sich in den Stall begeben, wo wir sie eng aneinander geschmiegt
in tiefem Schlafe und noch mit den Spuren von Tränen, die sie in ihrer Ver¬
lassenheit geweint hatten, vorfanden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/806>, abgerufen am 22.07.2024.