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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Die zwölf Nächte

call sein solle, und den würde sie selbst nicht nehmen, so gebe es doch noch andre,
die ihr besser gefallen würden als der und vielleicht auch besser als Nöberkarl. Sie
solle nichts Übereiltes tuu und fürs erste nur Nöberkarl verabschieden: dos Weitere
werde sich dann im Laufe der Zeit finden. Die Fährte im Schnee, die ja recht
fatal sei, weil es den Leute" zu reden geben werde, habe doch auch ihr Gutes, denn
sie biete eine gute Gelegenheit, Karl zu zeigen, welchen Redereien man sich mit
seinem Spökeln aussetze, und von ihm das Versprechen zu verlangen, daß er nicht
mehr spökeln, noch sonst auf irgeud eine Weise den Versuch machen wolle, sie heim¬
lich aufzusuchen.

Minna hatte geglaubt, sie würde ohne jede Mühe mit Nöberkarl fertig werden,
aber darin hatte sie sich gründlich getäuscht. Es wäre leichter gewesen, einen mit
Öl bestrichnen Aal festzuhalten, als Nöberkarl etwas einzureden, was er sich nicht
einreden lassen wollte. Den beiden Mädchen gegenüber, die sich in ihm geirrt
hatten, hatte er nur als Don Juan gehandelt, und es war ihm dabei nur um den
Spaß und das Vergnügen zu tun gewesen. Heimchen dagegen, die für Wehlener
Verhältnisse ein Goldfisch war, wollte er heiraten, denn er hatte das Junggesellen¬
leben, dein er den Stund von den Schmetterlingsflügeln ohnehin gründlich herunter¬
gewischt hatte, satt. Die alten Hodewitschens, dachte er, sollten die Federbetten,
das Küchengeschirr und die nußbanmfarbig gebeizten Möbel geben, und er, er wollte,
da er wirklich uur zwei Hemden hatte, diese und den schönen Karl in die andre Schale
der Ausstattungswage legen, und da würde, so schmeichelte er sich, in Helenchens
Augen der schöne Karl mit Zubehör Federbetten, Küchengeräte, die nnßbaumfarbig
Gebeizten und sogar noch eine Kuh oder eine Ziege aufwiegen. Nicht, daß er viele
und gute Gründe vorzubringen vermocht hätte, warum er fortfahren wollte zu
spökeln und sich um Heleucheu, die kleine feiste Amsel, zu bewerben, er ließ vielmehr,
von dem Bewußtsein seiner Unwiderstehlichkeit durchdrungen, alle seine Künste los,
um Minna regelrecht zu rollen, sie mit Blätterteig zu überziehen und das gelungne
Backwerk mit Zimt und Zucker zu bestreue".

Ganz konnte ihm keine widerstehn, das lag an seinen verliebten Angen, an
seinem einnehmenden Lächeln und an seiner weichen Stimme. Und obendrein war
er, was auch nichts verdarb, ein gutgewachsener breitschultriger Kerl mit einem von
Sonue und Wind geröteten nud gebrannten Gesicht, dessen Ausdruck mehr zum
Herzen eines jungen Mädchens als zu dem erfahrnen Auge eines alten Hcuerbases
sprach. Die alten Henerbase schienen ihn, der Himmel weiß, warum, und wo sie
das helle Verständnis her hatten für das, was Nöberkarl ihnen gegenüber zu ver¬
bergen bemüht war, alle zu durchschauen und hielten ihn für einen Windhund, einen
Fahrtenmachcr, einen Lnmig, mit dem sie sich, obwohl er groß und stark und der
Arbeit gewachsen war, nicht gern einlassen wollten. Und gar so unrecht hatten sie
nicht, denn der schöne Karl hatte, er mochte "fahren" oder an Land sein, von einer
Mitternacht zur andern nichts andres im Kopfe als Frauenzimmer, Schwielen, Grog¬
runden, und was sonst das Leben des jungen Schiffers mit natürlichen oder künst¬
lichen Blumen schmückt.

Minna -- wie es zugegangen war, kann ich nicht recht sagen -- kam von ihrer
Mission ein wenig anders zurück, als sie gegangen war, und die Wahrheit ist, daß
mit Rücksicht ans Nöberkarl ihre eigne Zukunft sie mit einemmal mehr beschäftigte
als die Helenchens. Sie hatte sich breitschlagen lassen, nicht ganz wie es Nöberkarl
gemeint hatte, sondern ein bißchen anders. Einen nettem, zntulichcru Kerl, dachte
Minna, könnte sie nicht finden, und was ihm an Solidität fehlte, würde sie ihm in
kleinen Dosen beibringen. Daß er gesiegt hatte, sah Karl an Minnas Erregung,
denn für so etwas hatte er einen scharfen Blick, aber er dachte, Minna, die mit jeden
fünf Minuten ihrer Besprechung weicheres Wachs in seinen Händen geworden war,
würde Heimchen zu seinen Gunsten zureden, während sich Minna längst nicht mehr
um Helenchens Auftrag kümmerte und sich uur überlegte, wie sie ihren Eltern zu
seinen Gunsten zureden wollte. Sie ließ sich sogar, wie er sagte, weil sie so nett
sei, beim Abschied einen Schmatz von ihm geben und träumte dann in der Nacht,
ihre Eltern hätten ihr blau und weiß karierte Bettbezüge zur Ausstattung mit¬
gegeben, und Karl drehe ihr die Mangel, während sie die Bettbezüge glattzustreichen
bemüht war. die sich immer schief um dos Mangelholz wickelten und deshalb aller¬
hand verpönte Falten bekamen. Amor hatte zwischen den drei Spielern, Karl,
Heimchen und Minna, die Karten nach seiner übermütigen Art bunt durcheinander


Die zwölf Nächte

call sein solle, und den würde sie selbst nicht nehmen, so gebe es doch noch andre,
die ihr besser gefallen würden als der und vielleicht auch besser als Nöberkarl. Sie
solle nichts Übereiltes tuu und fürs erste nur Nöberkarl verabschieden: dos Weitere
werde sich dann im Laufe der Zeit finden. Die Fährte im Schnee, die ja recht
fatal sei, weil es den Leute» zu reden geben werde, habe doch auch ihr Gutes, denn
sie biete eine gute Gelegenheit, Karl zu zeigen, welchen Redereien man sich mit
seinem Spökeln aussetze, und von ihm das Versprechen zu verlangen, daß er nicht
mehr spökeln, noch sonst auf irgeud eine Weise den Versuch machen wolle, sie heim¬
lich aufzusuchen.

Minna hatte geglaubt, sie würde ohne jede Mühe mit Nöberkarl fertig werden,
aber darin hatte sie sich gründlich getäuscht. Es wäre leichter gewesen, einen mit
Öl bestrichnen Aal festzuhalten, als Nöberkarl etwas einzureden, was er sich nicht
einreden lassen wollte. Den beiden Mädchen gegenüber, die sich in ihm geirrt
hatten, hatte er nur als Don Juan gehandelt, und es war ihm dabei nur um den
Spaß und das Vergnügen zu tun gewesen. Heimchen dagegen, die für Wehlener
Verhältnisse ein Goldfisch war, wollte er heiraten, denn er hatte das Junggesellen¬
leben, dein er den Stund von den Schmetterlingsflügeln ohnehin gründlich herunter¬
gewischt hatte, satt. Die alten Hodewitschens, dachte er, sollten die Federbetten,
das Küchengeschirr und die nußbanmfarbig gebeizten Möbel geben, und er, er wollte,
da er wirklich uur zwei Hemden hatte, diese und den schönen Karl in die andre Schale
der Ausstattungswage legen, und da würde, so schmeichelte er sich, in Helenchens
Augen der schöne Karl mit Zubehör Federbetten, Küchengeräte, die nnßbaumfarbig
Gebeizten und sogar noch eine Kuh oder eine Ziege aufwiegen. Nicht, daß er viele
und gute Gründe vorzubringen vermocht hätte, warum er fortfahren wollte zu
spökeln und sich um Heleucheu, die kleine feiste Amsel, zu bewerben, er ließ vielmehr,
von dem Bewußtsein seiner Unwiderstehlichkeit durchdrungen, alle seine Künste los,
um Minna regelrecht zu rollen, sie mit Blätterteig zu überziehen und das gelungne
Backwerk mit Zimt und Zucker zu bestreue«.

Ganz konnte ihm keine widerstehn, das lag an seinen verliebten Angen, an
seinem einnehmenden Lächeln und an seiner weichen Stimme. Und obendrein war
er, was auch nichts verdarb, ein gutgewachsener breitschultriger Kerl mit einem von
Sonue und Wind geröteten nud gebrannten Gesicht, dessen Ausdruck mehr zum
Herzen eines jungen Mädchens als zu dem erfahrnen Auge eines alten Hcuerbases
sprach. Die alten Henerbase schienen ihn, der Himmel weiß, warum, und wo sie
das helle Verständnis her hatten für das, was Nöberkarl ihnen gegenüber zu ver¬
bergen bemüht war, alle zu durchschauen und hielten ihn für einen Windhund, einen
Fahrtenmachcr, einen Lnmig, mit dem sie sich, obwohl er groß und stark und der
Arbeit gewachsen war, nicht gern einlassen wollten. Und gar so unrecht hatten sie
nicht, denn der schöne Karl hatte, er mochte „fahren" oder an Land sein, von einer
Mitternacht zur andern nichts andres im Kopfe als Frauenzimmer, Schwielen, Grog¬
runden, und was sonst das Leben des jungen Schiffers mit natürlichen oder künst¬
lichen Blumen schmückt.

Minna — wie es zugegangen war, kann ich nicht recht sagen — kam von ihrer
Mission ein wenig anders zurück, als sie gegangen war, und die Wahrheit ist, daß
mit Rücksicht ans Nöberkarl ihre eigne Zukunft sie mit einemmal mehr beschäftigte
als die Helenchens. Sie hatte sich breitschlagen lassen, nicht ganz wie es Nöberkarl
gemeint hatte, sondern ein bißchen anders. Einen nettem, zntulichcru Kerl, dachte
Minna, könnte sie nicht finden, und was ihm an Solidität fehlte, würde sie ihm in
kleinen Dosen beibringen. Daß er gesiegt hatte, sah Karl an Minnas Erregung,
denn für so etwas hatte er einen scharfen Blick, aber er dachte, Minna, die mit jeden
fünf Minuten ihrer Besprechung weicheres Wachs in seinen Händen geworden war,
würde Heimchen zu seinen Gunsten zureden, während sich Minna längst nicht mehr
um Helenchens Auftrag kümmerte und sich uur überlegte, wie sie ihren Eltern zu
seinen Gunsten zureden wollte. Sie ließ sich sogar, wie er sagte, weil sie so nett
sei, beim Abschied einen Schmatz von ihm geben und träumte dann in der Nacht,
ihre Eltern hätten ihr blau und weiß karierte Bettbezüge zur Ausstattung mit¬
gegeben, und Karl drehe ihr die Mangel, während sie die Bettbezüge glattzustreichen
bemüht war. die sich immer schief um dos Mangelholz wickelten und deshalb aller¬
hand verpönte Falten bekamen. Amor hatte zwischen den drei Spielern, Karl,
Heimchen und Minna, die Karten nach seiner übermütigen Art bunt durcheinander


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[0746] Die zwölf Nächte call sein solle, und den würde sie selbst nicht nehmen, so gebe es doch noch andre, die ihr besser gefallen würden als der und vielleicht auch besser als Nöberkarl. Sie solle nichts Übereiltes tuu und fürs erste nur Nöberkarl verabschieden: dos Weitere werde sich dann im Laufe der Zeit finden. Die Fährte im Schnee, die ja recht fatal sei, weil es den Leute» zu reden geben werde, habe doch auch ihr Gutes, denn sie biete eine gute Gelegenheit, Karl zu zeigen, welchen Redereien man sich mit seinem Spökeln aussetze, und von ihm das Versprechen zu verlangen, daß er nicht mehr spökeln, noch sonst auf irgeud eine Weise den Versuch machen wolle, sie heim¬ lich aufzusuchen. Minna hatte geglaubt, sie würde ohne jede Mühe mit Nöberkarl fertig werden, aber darin hatte sie sich gründlich getäuscht. Es wäre leichter gewesen, einen mit Öl bestrichnen Aal festzuhalten, als Nöberkarl etwas einzureden, was er sich nicht einreden lassen wollte. Den beiden Mädchen gegenüber, die sich in ihm geirrt hatten, hatte er nur als Don Juan gehandelt, und es war ihm dabei nur um den Spaß und das Vergnügen zu tun gewesen. Heimchen dagegen, die für Wehlener Verhältnisse ein Goldfisch war, wollte er heiraten, denn er hatte das Junggesellen¬ leben, dein er den Stund von den Schmetterlingsflügeln ohnehin gründlich herunter¬ gewischt hatte, satt. Die alten Hodewitschens, dachte er, sollten die Federbetten, das Küchengeschirr und die nußbanmfarbig gebeizten Möbel geben, und er, er wollte, da er wirklich uur zwei Hemden hatte, diese und den schönen Karl in die andre Schale der Ausstattungswage legen, und da würde, so schmeichelte er sich, in Helenchens Augen der schöne Karl mit Zubehör Federbetten, Küchengeräte, die nnßbaumfarbig Gebeizten und sogar noch eine Kuh oder eine Ziege aufwiegen. Nicht, daß er viele und gute Gründe vorzubringen vermocht hätte, warum er fortfahren wollte zu spökeln und sich um Heleucheu, die kleine feiste Amsel, zu bewerben, er ließ vielmehr, von dem Bewußtsein seiner Unwiderstehlichkeit durchdrungen, alle seine Künste los, um Minna regelrecht zu rollen, sie mit Blätterteig zu überziehen und das gelungne Backwerk mit Zimt und Zucker zu bestreue«. Ganz konnte ihm keine widerstehn, das lag an seinen verliebten Angen, an seinem einnehmenden Lächeln und an seiner weichen Stimme. Und obendrein war er, was auch nichts verdarb, ein gutgewachsener breitschultriger Kerl mit einem von Sonue und Wind geröteten nud gebrannten Gesicht, dessen Ausdruck mehr zum Herzen eines jungen Mädchens als zu dem erfahrnen Auge eines alten Hcuerbases sprach. Die alten Henerbase schienen ihn, der Himmel weiß, warum, und wo sie das helle Verständnis her hatten für das, was Nöberkarl ihnen gegenüber zu ver¬ bergen bemüht war, alle zu durchschauen und hielten ihn für einen Windhund, einen Fahrtenmachcr, einen Lnmig, mit dem sie sich, obwohl er groß und stark und der Arbeit gewachsen war, nicht gern einlassen wollten. Und gar so unrecht hatten sie nicht, denn der schöne Karl hatte, er mochte „fahren" oder an Land sein, von einer Mitternacht zur andern nichts andres im Kopfe als Frauenzimmer, Schwielen, Grog¬ runden, und was sonst das Leben des jungen Schiffers mit natürlichen oder künst¬ lichen Blumen schmückt. Minna — wie es zugegangen war, kann ich nicht recht sagen — kam von ihrer Mission ein wenig anders zurück, als sie gegangen war, und die Wahrheit ist, daß mit Rücksicht ans Nöberkarl ihre eigne Zukunft sie mit einemmal mehr beschäftigte als die Helenchens. Sie hatte sich breitschlagen lassen, nicht ganz wie es Nöberkarl gemeint hatte, sondern ein bißchen anders. Einen nettem, zntulichcru Kerl, dachte Minna, könnte sie nicht finden, und was ihm an Solidität fehlte, würde sie ihm in kleinen Dosen beibringen. Daß er gesiegt hatte, sah Karl an Minnas Erregung, denn für so etwas hatte er einen scharfen Blick, aber er dachte, Minna, die mit jeden fünf Minuten ihrer Besprechung weicheres Wachs in seinen Händen geworden war, würde Heimchen zu seinen Gunsten zureden, während sich Minna längst nicht mehr um Helenchens Auftrag kümmerte und sich uur überlegte, wie sie ihren Eltern zu seinen Gunsten zureden wollte. Sie ließ sich sogar, wie er sagte, weil sie so nett sei, beim Abschied einen Schmatz von ihm geben und träumte dann in der Nacht, ihre Eltern hätten ihr blau und weiß karierte Bettbezüge zur Ausstattung mit¬ gegeben, und Karl drehe ihr die Mangel, während sie die Bettbezüge glattzustreichen bemüht war. die sich immer schief um dos Mangelholz wickelten und deshalb aller¬ hand verpönte Falten bekamen. Amor hatte zwischen den drei Spielern, Karl, Heimchen und Minna, die Karten nach seiner übermütigen Art bunt durcheinander

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/746>, abgerufen am 22.07.2024.