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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

inutiles wegen seiner die Milch gefährdenden Stture. Aber um den zügellosen
Handel mit Gift, der in diesen Läden getrieben wird, kümmert man sich nicht im
geringsten. Warum ist dieser Handel frei und in die Hände ungebildeter Frauen
gegeben, die von der Gefährlichkeit dieses Treibens offenbar keine Ahnung haben,
weil sie sonst ihr Gewissen davon abhielte? Gibt der Paragraph 184 des Neichs-
strafgesetzbuchs in seiner jetzigen Gestalt keine genügende Handhabe zur Beseitigung
dieses Handels mit dem verderblichsten Volksgift, so ist sie vielleicht ans dem
Paragraphen 360 Ziffer 11 zu gewinnen. Nach Riedels Erläuterungen zum Polizei¬
strafgesetzbuch für Bayern haben deutsche Gerichte schon den Unfugparngraphen
gegen die "Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften unsittlichen, das
Schamgefühl verletzenden Inhalts" angewandt. Warum läßt man hier vor den
Türen der Schulhäuser dieses Gift wuchern? Reicht auch der Paragraph 360
zur Bekämpfung dieses Mißstandes nicht aus, so muß zu diesem Zweck eine eigne,
scharfe Waffe geschaffen werden.

Daß der erste Versuch, durch ein Gesetz literarisches und künstlerisches Gift
von unserm Volke fernzuhalten, fehlschlug, ist darin begründet, daß er von einer
Partei ausging, von der man eher eine Gefährdung der geistigen Freiheit des
deutschen Volkes, als ernste Sorge für die Erhaltung seiner Kraft erwartete. Der
Ruf des Unternehmers vereitelte das Unternehmen. Aber warum ließ man über¬
haupt das Zentrum den Ruhm gewinnen, zuerst um die Schaffung eines Schutz¬
gesetzes für unsre Jugend bemüht gewesen zu sein? Und warum läßt man ihm
den Ruhm, den einzigen Schritt zu diesem schönen Ziele getan zu haben? Gibt
es nicht auch außerhalb dieser Partei Familienväter, die die Reinheit der Kinder¬
herzen zu schätzen wissen und auf einen freien, hellen Blick aus den Augen ihrer
Kinder halten, deutsche Männer, die des Tacitus Evangelium von deutscher Art
kennen und nicht zur Lüge werden lassen wollen, Nationalökonomen, Historiker,
Ärzte, Offiziere, die den Wert der ssra vonuK und inoxb-msta- xubsrtaZ für die
Zukunft des Volkes nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit dem Verstände
zu messen versteh" und sich uicht scheuen, ihren Namen mit einem der Erhaltung
unsrer Volkskraft dienenden Gesetzesvorschlage zu verbinden?


Schleiermachers Monologe.

Welcher "moderne" Mensch hätte Zeit,
Blinder zu lesen, die vor hundert Jahren erschienen sind, wenn sie nicht zu irgend
einer Fachwissenschaft gehören oder zu den schöngeistigen Erzengnissen, deren
Kenntnis vom Abiturienten gefordert wird! Aber es ist schade, daß Schriften
wie die Monologe des großen Religionsphilosophen auf den Kreis weniger Spe¬
zialistin beschränkt bleiben. Das Büchlein enthält wunderschöne Gedanken, besonders
über Jugend und Alter, ist ein merkwürdiges Sprachdenkmal der Romantik und
einer der merkwürdigsten Versuche, das Wesen der Menschenseele und den Sinn
des Lebens zu ergründen. Der zweiten Eigenschaft hat der neueste Herausgeber,
Friedrich Michael Schiele, durch einen "Index" Rechnung getragen, der halb
Wörterbuch, halb Sachregister ist, der dritte" dadurch, daß er die Entstehungs¬
geschichte erzählt. Ein kritischer Apparat bekundet die Pietät. (Friedrich Schleier¬
machers Monologe. Kritische Ausgabe. Mit Einleitung, Bibliographie und
Index. 84. Band der in der Dürrschcu Buchhandlung zu Leipzig erscheinenden
Philosophischen Bibliothek; 1902.) Den ersten Keim der Monologe enthält eine
Predigt, die der Kandidat Schleiermacher als Hauslehrer des Grafen Dohna in
Schlobitten am Neujahrstage 1792 über Psalm 90, 10 (Unser Leben währet
70 Jahre) gehalten hat. Er stellt darin die beiden Forderungen auf- Das Leben
muß mir Stoff geben, glücklich zu sein, es muß mir zugleich Veranlassung geben,
sittliche Güte zu üben, aber ohne mich zu zwingen. (Wie bescheiden!) Daraus
entwickelte er allmählich seine Ethik, die nach dem Herausgeber nicht in Fichte
wurzelt, sondern zu diesem, der das Individuum in der allgemeinen Vernunft auf¬
gehn lassen wollte, im Gegensatz steht. Vielmehr seien es Henriette Herz, seine
Geliebte Eleonore Grunow und Friedrich Schlegel gewesen, die ihm zur Klarheit


Maßgebliches und Unmaßgebliches

inutiles wegen seiner die Milch gefährdenden Stture. Aber um den zügellosen
Handel mit Gift, der in diesen Läden getrieben wird, kümmert man sich nicht im
geringsten. Warum ist dieser Handel frei und in die Hände ungebildeter Frauen
gegeben, die von der Gefährlichkeit dieses Treibens offenbar keine Ahnung haben,
weil sie sonst ihr Gewissen davon abhielte? Gibt der Paragraph 184 des Neichs-
strafgesetzbuchs in seiner jetzigen Gestalt keine genügende Handhabe zur Beseitigung
dieses Handels mit dem verderblichsten Volksgift, so ist sie vielleicht ans dem
Paragraphen 360 Ziffer 11 zu gewinnen. Nach Riedels Erläuterungen zum Polizei¬
strafgesetzbuch für Bayern haben deutsche Gerichte schon den Unfugparngraphen
gegen die „Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften unsittlichen, das
Schamgefühl verletzenden Inhalts" angewandt. Warum läßt man hier vor den
Türen der Schulhäuser dieses Gift wuchern? Reicht auch der Paragraph 360
zur Bekämpfung dieses Mißstandes nicht aus, so muß zu diesem Zweck eine eigne,
scharfe Waffe geschaffen werden.

Daß der erste Versuch, durch ein Gesetz literarisches und künstlerisches Gift
von unserm Volke fernzuhalten, fehlschlug, ist darin begründet, daß er von einer
Partei ausging, von der man eher eine Gefährdung der geistigen Freiheit des
deutschen Volkes, als ernste Sorge für die Erhaltung seiner Kraft erwartete. Der
Ruf des Unternehmers vereitelte das Unternehmen. Aber warum ließ man über¬
haupt das Zentrum den Ruhm gewinnen, zuerst um die Schaffung eines Schutz¬
gesetzes für unsre Jugend bemüht gewesen zu sein? Und warum läßt man ihm
den Ruhm, den einzigen Schritt zu diesem schönen Ziele getan zu haben? Gibt
es nicht auch außerhalb dieser Partei Familienväter, die die Reinheit der Kinder¬
herzen zu schätzen wissen und auf einen freien, hellen Blick aus den Augen ihrer
Kinder halten, deutsche Männer, die des Tacitus Evangelium von deutscher Art
kennen und nicht zur Lüge werden lassen wollen, Nationalökonomen, Historiker,
Ärzte, Offiziere, die den Wert der ssra vonuK und inoxb-msta- xubsrtaZ für die
Zukunft des Volkes nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit dem Verstände
zu messen versteh» und sich uicht scheuen, ihren Namen mit einem der Erhaltung
unsrer Volkskraft dienenden Gesetzesvorschlage zu verbinden?


Schleiermachers Monologe.

Welcher „moderne" Mensch hätte Zeit,
Blinder zu lesen, die vor hundert Jahren erschienen sind, wenn sie nicht zu irgend
einer Fachwissenschaft gehören oder zu den schöngeistigen Erzengnissen, deren
Kenntnis vom Abiturienten gefordert wird! Aber es ist schade, daß Schriften
wie die Monologe des großen Religionsphilosophen auf den Kreis weniger Spe¬
zialistin beschränkt bleiben. Das Büchlein enthält wunderschöne Gedanken, besonders
über Jugend und Alter, ist ein merkwürdiges Sprachdenkmal der Romantik und
einer der merkwürdigsten Versuche, das Wesen der Menschenseele und den Sinn
des Lebens zu ergründen. Der zweiten Eigenschaft hat der neueste Herausgeber,
Friedrich Michael Schiele, durch einen „Index" Rechnung getragen, der halb
Wörterbuch, halb Sachregister ist, der dritte» dadurch, daß er die Entstehungs¬
geschichte erzählt. Ein kritischer Apparat bekundet die Pietät. (Friedrich Schleier¬
machers Monologe. Kritische Ausgabe. Mit Einleitung, Bibliographie und
Index. 84. Band der in der Dürrschcu Buchhandlung zu Leipzig erscheinenden
Philosophischen Bibliothek; 1902.) Den ersten Keim der Monologe enthält eine
Predigt, die der Kandidat Schleiermacher als Hauslehrer des Grafen Dohna in
Schlobitten am Neujahrstage 1792 über Psalm 90, 10 (Unser Leben währet
70 Jahre) gehalten hat. Er stellt darin die beiden Forderungen auf- Das Leben
muß mir Stoff geben, glücklich zu sein, es muß mir zugleich Veranlassung geben,
sittliche Güte zu üben, aber ohne mich zu zwingen. (Wie bescheiden!) Daraus
entwickelte er allmählich seine Ethik, die nach dem Herausgeber nicht in Fichte
wurzelt, sondern zu diesem, der das Individuum in der allgemeinen Vernunft auf¬
gehn lassen wollte, im Gegensatz steht. Vielmehr seien es Henriette Herz, seine
Geliebte Eleonore Grunow und Friedrich Schlegel gewesen, die ihm zur Klarheit


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[0072] Maßgebliches und Unmaßgebliches inutiles wegen seiner die Milch gefährdenden Stture. Aber um den zügellosen Handel mit Gift, der in diesen Läden getrieben wird, kümmert man sich nicht im geringsten. Warum ist dieser Handel frei und in die Hände ungebildeter Frauen gegeben, die von der Gefährlichkeit dieses Treibens offenbar keine Ahnung haben, weil sie sonst ihr Gewissen davon abhielte? Gibt der Paragraph 184 des Neichs- strafgesetzbuchs in seiner jetzigen Gestalt keine genügende Handhabe zur Beseitigung dieses Handels mit dem verderblichsten Volksgift, so ist sie vielleicht ans dem Paragraphen 360 Ziffer 11 zu gewinnen. Nach Riedels Erläuterungen zum Polizei¬ strafgesetzbuch für Bayern haben deutsche Gerichte schon den Unfugparngraphen gegen die „Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften unsittlichen, das Schamgefühl verletzenden Inhalts" angewandt. Warum läßt man hier vor den Türen der Schulhäuser dieses Gift wuchern? Reicht auch der Paragraph 360 zur Bekämpfung dieses Mißstandes nicht aus, so muß zu diesem Zweck eine eigne, scharfe Waffe geschaffen werden. Daß der erste Versuch, durch ein Gesetz literarisches und künstlerisches Gift von unserm Volke fernzuhalten, fehlschlug, ist darin begründet, daß er von einer Partei ausging, von der man eher eine Gefährdung der geistigen Freiheit des deutschen Volkes, als ernste Sorge für die Erhaltung seiner Kraft erwartete. Der Ruf des Unternehmers vereitelte das Unternehmen. Aber warum ließ man über¬ haupt das Zentrum den Ruhm gewinnen, zuerst um die Schaffung eines Schutz¬ gesetzes für unsre Jugend bemüht gewesen zu sein? Und warum läßt man ihm den Ruhm, den einzigen Schritt zu diesem schönen Ziele getan zu haben? Gibt es nicht auch außerhalb dieser Partei Familienväter, die die Reinheit der Kinder¬ herzen zu schätzen wissen und auf einen freien, hellen Blick aus den Augen ihrer Kinder halten, deutsche Männer, die des Tacitus Evangelium von deutscher Art kennen und nicht zur Lüge werden lassen wollen, Nationalökonomen, Historiker, Ärzte, Offiziere, die den Wert der ssra vonuK und inoxb-msta- xubsrtaZ für die Zukunft des Volkes nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit dem Verstände zu messen versteh» und sich uicht scheuen, ihren Namen mit einem der Erhaltung unsrer Volkskraft dienenden Gesetzesvorschlage zu verbinden? Schleiermachers Monologe. Welcher „moderne" Mensch hätte Zeit, Blinder zu lesen, die vor hundert Jahren erschienen sind, wenn sie nicht zu irgend einer Fachwissenschaft gehören oder zu den schöngeistigen Erzengnissen, deren Kenntnis vom Abiturienten gefordert wird! Aber es ist schade, daß Schriften wie die Monologe des großen Religionsphilosophen auf den Kreis weniger Spe¬ zialistin beschränkt bleiben. Das Büchlein enthält wunderschöne Gedanken, besonders über Jugend und Alter, ist ein merkwürdiges Sprachdenkmal der Romantik und einer der merkwürdigsten Versuche, das Wesen der Menschenseele und den Sinn des Lebens zu ergründen. Der zweiten Eigenschaft hat der neueste Herausgeber, Friedrich Michael Schiele, durch einen „Index" Rechnung getragen, der halb Wörterbuch, halb Sachregister ist, der dritte» dadurch, daß er die Entstehungs¬ geschichte erzählt. Ein kritischer Apparat bekundet die Pietät. (Friedrich Schleier¬ machers Monologe. Kritische Ausgabe. Mit Einleitung, Bibliographie und Index. 84. Band der in der Dürrschcu Buchhandlung zu Leipzig erscheinenden Philosophischen Bibliothek; 1902.) Den ersten Keim der Monologe enthält eine Predigt, die der Kandidat Schleiermacher als Hauslehrer des Grafen Dohna in Schlobitten am Neujahrstage 1792 über Psalm 90, 10 (Unser Leben währet 70 Jahre) gehalten hat. Er stellt darin die beiden Forderungen auf- Das Leben muß mir Stoff geben, glücklich zu sein, es muß mir zugleich Veranlassung geben, sittliche Güte zu üben, aber ohne mich zu zwingen. (Wie bescheiden!) Daraus entwickelte er allmählich seine Ethik, die nach dem Herausgeber nicht in Fichte wurzelt, sondern zu diesem, der das Individuum in der allgemeinen Vernunft auf¬ gehn lassen wollte, im Gegensatz steht. Vielmehr seien es Henriette Herz, seine Geliebte Eleonore Grunow und Friedrich Schlegel gewesen, die ihm zur Klarheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/72>, abgerufen am 22.07.2024.