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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

werden, denke ich, mit dem lauten Lob ebensogut fertig werden wie mit dem
nicht weniger lauten, fürs erste noch mit keinem Beispiel erhärteten Tadel des
Rezensenten. Und wenn dieser, nicht gerade in wohlwollender Absicht, die Ver¬
mutung ausspricht, die -- mit vollem Bedacht gemachte -- Reklame werde den
Nachteil haben, daß "der Leser etwas ganz Extrafeines erwarte," so braucht er sich
auch in dieser Beziehung keinerlei Sorge zu machen. Von ihm wird ja nicht er¬
wartet, und vou ihm kann nicht erwartet werden, daß er das ihm vorgelegte Buch
als etwas besonders gutes ansehe, im Gegenteil, seine "Verstimmung" und sein "Er¬
stannen" sollen ihm. wenn er es wünscht, als Ausfluß freien persönlichen Rechts
gutgeschrieben werden. Aber man kann nun einmal nicht oonteutLr tout Is mcmäo
et soll poro, und so wird sich Krauskopf bescheidnerweise mit dem Beifall derer
begnügen, die ihn als eine hervorragende Schöpfung "voll Urwüchsigkeit und ur¬
gesunden Humors" ansehen.

Aber diese teilnahmvollen Befürchtungen des Rezensent?" sind es nicht, die
ich für das Merkwürdigste in dem besagten kritischen Artikel über "schöne Literatur"
ansehe. Viel merkwürdiger erscheint mir der sonderbare Gegensatz zwischen dem
widerwillig erteilten Lob und dem freigebig, aus vollstem Herzen gespendeten Tadel.
Wenn "das warme Heimntgefnhl, das gute Herz, das Charakterisierungstalcnt und
die humoristische Anlage" des Verfassers anerkannt werden, so konnte, scheint es,
die Überzeugung von dem Vorhandensein dieser nicht gar so häufigen Vorzüge doch
nur aus dem Buche selbst gewonnen werden, und mit welchem Rechte kann da der
Rezensent den Inhaber dieser Gaben in grundgütigcr Weise zu Hansjakob in die
Lehre schicken? Wenn "der gute alte Pastor samt Schrumpel ein Prachtmvdell,"
der Ohm und Pate Detmar "trotz seiner Schwächen ein Prachtkerl" ist, so muß
doch das Verdienst hiervon dem Verfasser, der das Prachtmodell und den Pracht¬
kerl entweder geschaffen oder so lebenswahr geschildert hat, zugesprochen werden,
und man sieht nicht recht ein, warum nnter solchen Umständen von den beiden
weitern, noch zu erwartenden Bänden in ironischer Weise als vou einer "netten
Perspektive" gesprochen wird. Freilich heißt es in der Rezension: "Wenn der Ver¬
fasser nur einigermaßen Sinn für Takt und Maß hätte"; "es werde alles durch
das geschmacklose Beiwerk und die schreckliche Breite verdorben"; ein feinfühliger
Leser werde "allerhand Grobschlächtigkciten, die sich der Verfasser zu schulden ge¬
bracht habe, ablehnen," aber, den Geschmack und das Urteil des Herrn Rezensenten
in Ehren, sind wir, die wir Krauskopf bewundern und nicht zu breit finden, von
dem geschmacklosen Beiwerk nichts sehen, keine Grobschlächtigkeiten abzulehnen finden,
so allen feinern Gefühls und Geschmacks bar, daß wir uns erst durch den Rezen¬
senten der Kölnischen Volkszeitung belehren und aus die richtige Fährte bringen
lassen müßten? Ist, wenn Urteil anderm Urteil, Geschmack anderen Geschmack
gegenübersteht, nicht eine gewisse Zurückhaltung im Tadel am Platze, damit man,
wenn im Laufe der Jahre das Urteil der Mit- und der Nachwelt, dem ich für
Krauskopf getrost entgegensehe, feststeht, nicht das schwarz genannt habe, was dann
allgemein für weiß anerkannt wird, damit man sich nicht lächerlich gemacht habe,
weil man "mit Sorge" der Fortsetzung und Beendigung eines Buchs entgegen¬
gesehen hat, das weder Mitleid "och Bejammerung braucht?

Etwas lang und ungewöhnlich mag ja die von dem Ohm und Paten ge-
haltne Wiegenrede sein, aber wo sind die ähnlichen, angeblich "in allen Ecken und
Enden anzutreffenden Mißgriffe," und was soll einem Werke gegenüber, das es mit
Jugenderinnerungen zu tun hat, die grätige Bemerkung, "überall finde sich die
Verwechslung des Affektionswertes der persönlichen Erinnerung mit dem Interesse
des Lesers, dem die ersten Höschen und die Kindcrreime des Herrn Krauskopf
vollkommen gleichgiltig seien"? Von gewonnenen Schlachten und geschriebnen
bissigen Rezensionen kann doch bei einem liebenswürdigen acht- bis zehnjährigen
Knaben nicht die Rede sein: warum also dem Verfasser etwas zum Vorwurf machen,
was in der Natur des vou ihm behandelten Stoffes liegt?


Maßgebliches und Unmaßgebliches

werden, denke ich, mit dem lauten Lob ebensogut fertig werden wie mit dem
nicht weniger lauten, fürs erste noch mit keinem Beispiel erhärteten Tadel des
Rezensenten. Und wenn dieser, nicht gerade in wohlwollender Absicht, die Ver¬
mutung ausspricht, die — mit vollem Bedacht gemachte — Reklame werde den
Nachteil haben, daß „der Leser etwas ganz Extrafeines erwarte," so braucht er sich
auch in dieser Beziehung keinerlei Sorge zu machen. Von ihm wird ja nicht er¬
wartet, und vou ihm kann nicht erwartet werden, daß er das ihm vorgelegte Buch
als etwas besonders gutes ansehe, im Gegenteil, seine „Verstimmung" und sein „Er¬
stannen" sollen ihm. wenn er es wünscht, als Ausfluß freien persönlichen Rechts
gutgeschrieben werden. Aber man kann nun einmal nicht oonteutLr tout Is mcmäo
et soll poro, und so wird sich Krauskopf bescheidnerweise mit dem Beifall derer
begnügen, die ihn als eine hervorragende Schöpfung „voll Urwüchsigkeit und ur¬
gesunden Humors" ansehen.

Aber diese teilnahmvollen Befürchtungen des Rezensent?» sind es nicht, die
ich für das Merkwürdigste in dem besagten kritischen Artikel über „schöne Literatur"
ansehe. Viel merkwürdiger erscheint mir der sonderbare Gegensatz zwischen dem
widerwillig erteilten Lob und dem freigebig, aus vollstem Herzen gespendeten Tadel.
Wenn „das warme Heimntgefnhl, das gute Herz, das Charakterisierungstalcnt und
die humoristische Anlage" des Verfassers anerkannt werden, so konnte, scheint es,
die Überzeugung von dem Vorhandensein dieser nicht gar so häufigen Vorzüge doch
nur aus dem Buche selbst gewonnen werden, und mit welchem Rechte kann da der
Rezensent den Inhaber dieser Gaben in grundgütigcr Weise zu Hansjakob in die
Lehre schicken? Wenn „der gute alte Pastor samt Schrumpel ein Prachtmvdell,"
der Ohm und Pate Detmar „trotz seiner Schwächen ein Prachtkerl" ist, so muß
doch das Verdienst hiervon dem Verfasser, der das Prachtmodell und den Pracht¬
kerl entweder geschaffen oder so lebenswahr geschildert hat, zugesprochen werden,
und man sieht nicht recht ein, warum nnter solchen Umständen von den beiden
weitern, noch zu erwartenden Bänden in ironischer Weise als vou einer „netten
Perspektive" gesprochen wird. Freilich heißt es in der Rezension: „Wenn der Ver¬
fasser nur einigermaßen Sinn für Takt und Maß hätte"; „es werde alles durch
das geschmacklose Beiwerk und die schreckliche Breite verdorben"; ein feinfühliger
Leser werde „allerhand Grobschlächtigkciten, die sich der Verfasser zu schulden ge¬
bracht habe, ablehnen," aber, den Geschmack und das Urteil des Herrn Rezensenten
in Ehren, sind wir, die wir Krauskopf bewundern und nicht zu breit finden, von
dem geschmacklosen Beiwerk nichts sehen, keine Grobschlächtigkeiten abzulehnen finden,
so allen feinern Gefühls und Geschmacks bar, daß wir uns erst durch den Rezen¬
senten der Kölnischen Volkszeitung belehren und aus die richtige Fährte bringen
lassen müßten? Ist, wenn Urteil anderm Urteil, Geschmack anderen Geschmack
gegenübersteht, nicht eine gewisse Zurückhaltung im Tadel am Platze, damit man,
wenn im Laufe der Jahre das Urteil der Mit- und der Nachwelt, dem ich für
Krauskopf getrost entgegensehe, feststeht, nicht das schwarz genannt habe, was dann
allgemein für weiß anerkannt wird, damit man sich nicht lächerlich gemacht habe,
weil man „mit Sorge" der Fortsetzung und Beendigung eines Buchs entgegen¬
gesehen hat, das weder Mitleid »och Bejammerung braucht?

Etwas lang und ungewöhnlich mag ja die von dem Ohm und Paten ge-
haltne Wiegenrede sein, aber wo sind die ähnlichen, angeblich „in allen Ecken und
Enden anzutreffenden Mißgriffe," und was soll einem Werke gegenüber, das es mit
Jugenderinnerungen zu tun hat, die grätige Bemerkung, „überall finde sich die
Verwechslung des Affektionswertes der persönlichen Erinnerung mit dem Interesse
des Lesers, dem die ersten Höschen und die Kindcrreime des Herrn Krauskopf
vollkommen gleichgiltig seien"? Von gewonnenen Schlachten und geschriebnen
bissigen Rezensionen kann doch bei einem liebenswürdigen acht- bis zehnjährigen
Knaben nicht die Rede sein: warum also dem Verfasser etwas zum Vorwurf machen,
was in der Natur des vou ihm behandelten Stoffes liegt?


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[0678] Maßgebliches und Unmaßgebliches werden, denke ich, mit dem lauten Lob ebensogut fertig werden wie mit dem nicht weniger lauten, fürs erste noch mit keinem Beispiel erhärteten Tadel des Rezensenten. Und wenn dieser, nicht gerade in wohlwollender Absicht, die Ver¬ mutung ausspricht, die — mit vollem Bedacht gemachte — Reklame werde den Nachteil haben, daß „der Leser etwas ganz Extrafeines erwarte," so braucht er sich auch in dieser Beziehung keinerlei Sorge zu machen. Von ihm wird ja nicht er¬ wartet, und vou ihm kann nicht erwartet werden, daß er das ihm vorgelegte Buch als etwas besonders gutes ansehe, im Gegenteil, seine „Verstimmung" und sein „Er¬ stannen" sollen ihm. wenn er es wünscht, als Ausfluß freien persönlichen Rechts gutgeschrieben werden. Aber man kann nun einmal nicht oonteutLr tout Is mcmäo et soll poro, und so wird sich Krauskopf bescheidnerweise mit dem Beifall derer begnügen, die ihn als eine hervorragende Schöpfung „voll Urwüchsigkeit und ur¬ gesunden Humors" ansehen. Aber diese teilnahmvollen Befürchtungen des Rezensent?» sind es nicht, die ich für das Merkwürdigste in dem besagten kritischen Artikel über „schöne Literatur" ansehe. Viel merkwürdiger erscheint mir der sonderbare Gegensatz zwischen dem widerwillig erteilten Lob und dem freigebig, aus vollstem Herzen gespendeten Tadel. Wenn „das warme Heimntgefnhl, das gute Herz, das Charakterisierungstalcnt und die humoristische Anlage" des Verfassers anerkannt werden, so konnte, scheint es, die Überzeugung von dem Vorhandensein dieser nicht gar so häufigen Vorzüge doch nur aus dem Buche selbst gewonnen werden, und mit welchem Rechte kann da der Rezensent den Inhaber dieser Gaben in grundgütigcr Weise zu Hansjakob in die Lehre schicken? Wenn „der gute alte Pastor samt Schrumpel ein Prachtmvdell," der Ohm und Pate Detmar „trotz seiner Schwächen ein Prachtkerl" ist, so muß doch das Verdienst hiervon dem Verfasser, der das Prachtmodell und den Pracht¬ kerl entweder geschaffen oder so lebenswahr geschildert hat, zugesprochen werden, und man sieht nicht recht ein, warum nnter solchen Umständen von den beiden weitern, noch zu erwartenden Bänden in ironischer Weise als vou einer „netten Perspektive" gesprochen wird. Freilich heißt es in der Rezension: „Wenn der Ver¬ fasser nur einigermaßen Sinn für Takt und Maß hätte"; „es werde alles durch das geschmacklose Beiwerk und die schreckliche Breite verdorben"; ein feinfühliger Leser werde „allerhand Grobschlächtigkciten, die sich der Verfasser zu schulden ge¬ bracht habe, ablehnen," aber, den Geschmack und das Urteil des Herrn Rezensenten in Ehren, sind wir, die wir Krauskopf bewundern und nicht zu breit finden, von dem geschmacklosen Beiwerk nichts sehen, keine Grobschlächtigkeiten abzulehnen finden, so allen feinern Gefühls und Geschmacks bar, daß wir uns erst durch den Rezen¬ senten der Kölnischen Volkszeitung belehren und aus die richtige Fährte bringen lassen müßten? Ist, wenn Urteil anderm Urteil, Geschmack anderen Geschmack gegenübersteht, nicht eine gewisse Zurückhaltung im Tadel am Platze, damit man, wenn im Laufe der Jahre das Urteil der Mit- und der Nachwelt, dem ich für Krauskopf getrost entgegensehe, feststeht, nicht das schwarz genannt habe, was dann allgemein für weiß anerkannt wird, damit man sich nicht lächerlich gemacht habe, weil man „mit Sorge" der Fortsetzung und Beendigung eines Buchs entgegen¬ gesehen hat, das weder Mitleid »och Bejammerung braucht? Etwas lang und ungewöhnlich mag ja die von dem Ohm und Paten ge- haltne Wiegenrede sein, aber wo sind die ähnlichen, angeblich „in allen Ecken und Enden anzutreffenden Mißgriffe," und was soll einem Werke gegenüber, das es mit Jugenderinnerungen zu tun hat, die grätige Bemerkung, „überall finde sich die Verwechslung des Affektionswertes der persönlichen Erinnerung mit dem Interesse des Lesers, dem die ersten Höschen und die Kindcrreime des Herrn Krauskopf vollkommen gleichgiltig seien"? Von gewonnenen Schlachten und geschriebnen bissigen Rezensionen kann doch bei einem liebenswürdigen acht- bis zehnjährigen Knaben nicht die Rede sein: warum also dem Verfasser etwas zum Vorwurf machen, was in der Natur des vou ihm behandelten Stoffes liegt?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/678>, abgerufen am 01.07.2024.