Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Gräfin von Genlis

fische Putz- und Delikatessengeschäfte oder Buchläden aus der Erde wuchsen. Man
mußte zu verdienen suchen, denn der Hunger tat weh; die meisten Emigranten,
die Geld mitgebracht hatten, hatten es bald aufgebraucht, und viele waren so
eilig geflohen, daß sie überhaupt nichts von ihren Besitztümern hatten mitnehmen
können.

Die Stadt Altona bot im kleinen Maßstabe dasselbe Bild, wie die große
Nachbarstadt. Auch hier landeten Schiffe mit Emigranten, auch hier fanden sie
Aufnahme, und auch hier suchten viele der Fremdlinge ihr Brot als Wirte, Kellner,
Bäcker, Schneider, Musiker und Tanzlehrer zu verdienen. Überall dieselben Ver¬
hältnisse. Hier ein Legitimist, der und finsterm Blick an einem Landsmann vor¬
übergeht, den er im ersten Augenblick als einen Republikaner und Königsmörder
erkennt, und neben dem er dann doch vielleicht in einer Gesellschaft bei den
Godefroys, den Parish, den Sicvelings an derselben Tafel sitzen muß. Deun die
Familien der Hamburger Gesellschaft fragten nicht nach den Gesinnungen der
fremden Gäste, sondern nahmen auf, was sich ihnen an interessanten Erscheinungen
in dieser Hochflut darbot. An demselben Teetisch konnten sich der Kammerherr
des Königs und der Mann begegnen, der für den Tod Ludwigs und seiner Ge¬
mahlin gestimmt, und der vielleicht anch seinen jetzigen Nachbarn gern auf die
Guillotine gebracht hätte.

Im ganzen waren die Hamburger und die Altonaer republikanisch gesinnt.
Klopstock hatte in schwungvollen Worten den Fall der Bastille besungen, und wir
finden gerade in den besitzenden Klassen eine lebhafte Teilnahme für die große
französische Bewegung. Die Hinrichtung des Königspaares dämpfte zwar manche
überströmende Begeisterung; es gab aber auch nach diesem Ereignis noch immer
kluge und gebildete Leute, die Robespierre unter die Unsterblichen rechneten.

Als die Schriftstellerin und Gouvernante der Kinder des Herzogs von Orleans,
die Gräfin von Genlis, mit einer jüdischen alten Handelsfran von Hannover über
die Elbe nach dem dänischen Gebiet fuhr, da fragte sie diese nach einem Unter¬
kommen bei einem republikanisch gesinnten Altonner und erhielt die Antwort, daß
Herr Pflock, der Besitzer einer "Auberge" am Rathausmarkt, mit Vorliebe republi¬
kanische Franzosen bei sich aufnähme. Dorthin also wandte sich die Gräfin und
erhielt hier ein Hinterstübchen. Allerdings nannte sie ihren Namen nicht, sondern
stellte sich als eine Miß Clarke vor, die aus einem englischen Kloster ent¬
wichen wäre.

Stephanie Felicite von Genlis stand nämlich anch auf der wohl zweimal-
hunderttnusend Namen enthaltenden Projkriptionsliste der französischen Republik und
wußte nicht, wohin sie ihr Haupt legen sollte. Aus der Schweiz, wohin sie mit
ihren Zöglingen Orleans geflohen war, war sie ausgewiesen worden, und die Rhein¬
lande und Holland verschmähten ihre Gesellschaft. Jetzt hörte sie von Hamburgs
und Dänemarks Gastlichkeit; da aber Hamburg von Anhängern des Königtunis
wimmelte, hielt sie es für richtiger, sich erst einmal nach Altona zu begeben. Ihr
Mann, der Graf von Genlis, war als Royalist der Revolution zum Opfer ge¬
fallen; sie selbst aber galt nicht allein für eine berühmte Schriftstellerin, sondern
much für eine gefährliche Republikanerin.

Jnkobine Genlis nannten die Royalisten sie, und sie warfen ihr vor, daß sie
die Reden verfaßt hätte, die der Herzog von Orleans in den jakobinischen Ver¬
sammlungen gehalten hatte, und beschuldigten sie noch andrer Dinge. Es war ihrer
Behauptung nach erwiesen, daß Frau vou Genlis seit Jahren schon ein Verhältnis
mit Egalite gehabt hätte, daß die Herzogin, seine Gemahlin, sie wiederholt aus
ihrem Hofstaat hätte entfernen wollen, daß es ihr aber nicht möglich gewesen wäre.
Frau von Genlis wäre es gewesen, die i" Wort und Schrift die Bourbonen an¬
gegriffen und verleumdet, die durch ihre Verbindungen mit den hervorragendsten
Revolutwnsmäunern die Katastrophe des Königsmordes herbeigeführt hätte, die
Schuld trage an der Ermordung der Prinzessin Lamballe und unzähliger andrer
hochgestellter Aristokraten.


Die Gräfin von Genlis

fische Putz- und Delikatessengeschäfte oder Buchläden aus der Erde wuchsen. Man
mußte zu verdienen suchen, denn der Hunger tat weh; die meisten Emigranten,
die Geld mitgebracht hatten, hatten es bald aufgebraucht, und viele waren so
eilig geflohen, daß sie überhaupt nichts von ihren Besitztümern hatten mitnehmen
können.

Die Stadt Altona bot im kleinen Maßstabe dasselbe Bild, wie die große
Nachbarstadt. Auch hier landeten Schiffe mit Emigranten, auch hier fanden sie
Aufnahme, und auch hier suchten viele der Fremdlinge ihr Brot als Wirte, Kellner,
Bäcker, Schneider, Musiker und Tanzlehrer zu verdienen. Überall dieselben Ver¬
hältnisse. Hier ein Legitimist, der und finsterm Blick an einem Landsmann vor¬
übergeht, den er im ersten Augenblick als einen Republikaner und Königsmörder
erkennt, und neben dem er dann doch vielleicht in einer Gesellschaft bei den
Godefroys, den Parish, den Sicvelings an derselben Tafel sitzen muß. Deun die
Familien der Hamburger Gesellschaft fragten nicht nach den Gesinnungen der
fremden Gäste, sondern nahmen auf, was sich ihnen an interessanten Erscheinungen
in dieser Hochflut darbot. An demselben Teetisch konnten sich der Kammerherr
des Königs und der Mann begegnen, der für den Tod Ludwigs und seiner Ge¬
mahlin gestimmt, und der vielleicht anch seinen jetzigen Nachbarn gern auf die
Guillotine gebracht hätte.

Im ganzen waren die Hamburger und die Altonaer republikanisch gesinnt.
Klopstock hatte in schwungvollen Worten den Fall der Bastille besungen, und wir
finden gerade in den besitzenden Klassen eine lebhafte Teilnahme für die große
französische Bewegung. Die Hinrichtung des Königspaares dämpfte zwar manche
überströmende Begeisterung; es gab aber auch nach diesem Ereignis noch immer
kluge und gebildete Leute, die Robespierre unter die Unsterblichen rechneten.

Als die Schriftstellerin und Gouvernante der Kinder des Herzogs von Orleans,
die Gräfin von Genlis, mit einer jüdischen alten Handelsfran von Hannover über
die Elbe nach dem dänischen Gebiet fuhr, da fragte sie diese nach einem Unter¬
kommen bei einem republikanisch gesinnten Altonner und erhielt die Antwort, daß
Herr Pflock, der Besitzer einer „Auberge" am Rathausmarkt, mit Vorliebe republi¬
kanische Franzosen bei sich aufnähme. Dorthin also wandte sich die Gräfin und
erhielt hier ein Hinterstübchen. Allerdings nannte sie ihren Namen nicht, sondern
stellte sich als eine Miß Clarke vor, die aus einem englischen Kloster ent¬
wichen wäre.

Stephanie Felicite von Genlis stand nämlich anch auf der wohl zweimal-
hunderttnusend Namen enthaltenden Projkriptionsliste der französischen Republik und
wußte nicht, wohin sie ihr Haupt legen sollte. Aus der Schweiz, wohin sie mit
ihren Zöglingen Orleans geflohen war, war sie ausgewiesen worden, und die Rhein¬
lande und Holland verschmähten ihre Gesellschaft. Jetzt hörte sie von Hamburgs
und Dänemarks Gastlichkeit; da aber Hamburg von Anhängern des Königtunis
wimmelte, hielt sie es für richtiger, sich erst einmal nach Altona zu begeben. Ihr
Mann, der Graf von Genlis, war als Royalist der Revolution zum Opfer ge¬
fallen; sie selbst aber galt nicht allein für eine berühmte Schriftstellerin, sondern
much für eine gefährliche Republikanerin.

Jnkobine Genlis nannten die Royalisten sie, und sie warfen ihr vor, daß sie
die Reden verfaßt hätte, die der Herzog von Orleans in den jakobinischen Ver¬
sammlungen gehalten hatte, und beschuldigten sie noch andrer Dinge. Es war ihrer
Behauptung nach erwiesen, daß Frau vou Genlis seit Jahren schon ein Verhältnis
mit Egalite gehabt hätte, daß die Herzogin, seine Gemahlin, sie wiederholt aus
ihrem Hofstaat hätte entfernen wollen, daß es ihr aber nicht möglich gewesen wäre.
Frau von Genlis wäre es gewesen, die i» Wort und Schrift die Bourbonen an¬
gegriffen und verleumdet, die durch ihre Verbindungen mit den hervorragendsten
Revolutwnsmäunern die Katastrophe des Königsmordes herbeigeführt hätte, die
Schuld trage an der Ermordung der Prinzessin Lamballe und unzähliger andrer
hochgestellter Aristokraten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0654" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242724"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Gräfin von Genlis</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2360" prev="#ID_2359"> fische Putz- und Delikatessengeschäfte oder Buchläden aus der Erde wuchsen. Man<lb/>
mußte zu verdienen suchen, denn der Hunger tat weh; die meisten Emigranten,<lb/>
die Geld mitgebracht hatten, hatten es bald aufgebraucht, und viele waren so<lb/>
eilig geflohen, daß sie überhaupt nichts von ihren Besitztümern hatten mitnehmen<lb/>
können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2361"> Die Stadt Altona bot im kleinen Maßstabe dasselbe Bild, wie die große<lb/>
Nachbarstadt. Auch hier landeten Schiffe mit Emigranten, auch hier fanden sie<lb/>
Aufnahme, und auch hier suchten viele der Fremdlinge ihr Brot als Wirte, Kellner,<lb/>
Bäcker, Schneider, Musiker und Tanzlehrer zu verdienen. Überall dieselben Ver¬<lb/>
hältnisse. Hier ein Legitimist, der und finsterm Blick an einem Landsmann vor¬<lb/>
übergeht, den er im ersten Augenblick als einen Republikaner und Königsmörder<lb/>
erkennt, und neben dem er dann doch vielleicht in einer Gesellschaft bei den<lb/>
Godefroys, den Parish, den Sicvelings an derselben Tafel sitzen muß. Deun die<lb/>
Familien der Hamburger Gesellschaft fragten nicht nach den Gesinnungen der<lb/>
fremden Gäste, sondern nahmen auf, was sich ihnen an interessanten Erscheinungen<lb/>
in dieser Hochflut darbot. An demselben Teetisch konnten sich der Kammerherr<lb/>
des Königs und der Mann begegnen, der für den Tod Ludwigs und seiner Ge¬<lb/>
mahlin gestimmt, und der vielleicht anch seinen jetzigen Nachbarn gern auf die<lb/>
Guillotine gebracht hätte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2362"> Im ganzen waren die Hamburger und die Altonaer republikanisch gesinnt.<lb/>
Klopstock hatte in schwungvollen Worten den Fall der Bastille besungen, und wir<lb/>
finden gerade in den besitzenden Klassen eine lebhafte Teilnahme für die große<lb/>
französische Bewegung. Die Hinrichtung des Königspaares dämpfte zwar manche<lb/>
überströmende Begeisterung; es gab aber auch nach diesem Ereignis noch immer<lb/>
kluge und gebildete Leute, die Robespierre unter die Unsterblichen rechneten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2363"> Als die Schriftstellerin und Gouvernante der Kinder des Herzogs von Orleans,<lb/>
die Gräfin von Genlis, mit einer jüdischen alten Handelsfran von Hannover über<lb/>
die Elbe nach dem dänischen Gebiet fuhr, da fragte sie diese nach einem Unter¬<lb/>
kommen bei einem republikanisch gesinnten Altonner und erhielt die Antwort, daß<lb/>
Herr Pflock, der Besitzer einer &#x201E;Auberge" am Rathausmarkt, mit Vorliebe republi¬<lb/>
kanische Franzosen bei sich aufnähme. Dorthin also wandte sich die Gräfin und<lb/>
erhielt hier ein Hinterstübchen. Allerdings nannte sie ihren Namen nicht, sondern<lb/>
stellte sich als eine Miß Clarke vor, die aus einem englischen Kloster ent¬<lb/>
wichen wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2364"> Stephanie Felicite von Genlis stand nämlich anch auf der wohl zweimal-<lb/>
hunderttnusend Namen enthaltenden Projkriptionsliste der französischen Republik und<lb/>
wußte nicht, wohin sie ihr Haupt legen sollte. Aus der Schweiz, wohin sie mit<lb/>
ihren Zöglingen Orleans geflohen war, war sie ausgewiesen worden, und die Rhein¬<lb/>
lande und Holland verschmähten ihre Gesellschaft. Jetzt hörte sie von Hamburgs<lb/>
und Dänemarks Gastlichkeit; da aber Hamburg von Anhängern des Königtunis<lb/>
wimmelte, hielt sie es für richtiger, sich erst einmal nach Altona zu begeben. Ihr<lb/>
Mann, der Graf von Genlis, war als Royalist der Revolution zum Opfer ge¬<lb/>
fallen; sie selbst aber galt nicht allein für eine berühmte Schriftstellerin, sondern<lb/>
much für eine gefährliche Republikanerin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2365"> Jnkobine Genlis nannten die Royalisten sie, und sie warfen ihr vor, daß sie<lb/>
die Reden verfaßt hätte, die der Herzog von Orleans in den jakobinischen Ver¬<lb/>
sammlungen gehalten hatte, und beschuldigten sie noch andrer Dinge. Es war ihrer<lb/>
Behauptung nach erwiesen, daß Frau vou Genlis seit Jahren schon ein Verhältnis<lb/>
mit Egalite gehabt hätte, daß die Herzogin, seine Gemahlin, sie wiederholt aus<lb/>
ihrem Hofstaat hätte entfernen wollen, daß es ihr aber nicht möglich gewesen wäre.<lb/>
Frau von Genlis wäre es gewesen, die i» Wort und Schrift die Bourbonen an¬<lb/>
gegriffen und verleumdet, die durch ihre Verbindungen mit den hervorragendsten<lb/>
Revolutwnsmäunern die Katastrophe des Königsmordes herbeigeführt hätte, die<lb/>
Schuld trage an der Ermordung der Prinzessin Lamballe und unzähliger andrer<lb/>
hochgestellter Aristokraten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0654] Die Gräfin von Genlis fische Putz- und Delikatessengeschäfte oder Buchläden aus der Erde wuchsen. Man mußte zu verdienen suchen, denn der Hunger tat weh; die meisten Emigranten, die Geld mitgebracht hatten, hatten es bald aufgebraucht, und viele waren so eilig geflohen, daß sie überhaupt nichts von ihren Besitztümern hatten mitnehmen können. Die Stadt Altona bot im kleinen Maßstabe dasselbe Bild, wie die große Nachbarstadt. Auch hier landeten Schiffe mit Emigranten, auch hier fanden sie Aufnahme, und auch hier suchten viele der Fremdlinge ihr Brot als Wirte, Kellner, Bäcker, Schneider, Musiker und Tanzlehrer zu verdienen. Überall dieselben Ver¬ hältnisse. Hier ein Legitimist, der und finsterm Blick an einem Landsmann vor¬ übergeht, den er im ersten Augenblick als einen Republikaner und Königsmörder erkennt, und neben dem er dann doch vielleicht in einer Gesellschaft bei den Godefroys, den Parish, den Sicvelings an derselben Tafel sitzen muß. Deun die Familien der Hamburger Gesellschaft fragten nicht nach den Gesinnungen der fremden Gäste, sondern nahmen auf, was sich ihnen an interessanten Erscheinungen in dieser Hochflut darbot. An demselben Teetisch konnten sich der Kammerherr des Königs und der Mann begegnen, der für den Tod Ludwigs und seiner Ge¬ mahlin gestimmt, und der vielleicht anch seinen jetzigen Nachbarn gern auf die Guillotine gebracht hätte. Im ganzen waren die Hamburger und die Altonaer republikanisch gesinnt. Klopstock hatte in schwungvollen Worten den Fall der Bastille besungen, und wir finden gerade in den besitzenden Klassen eine lebhafte Teilnahme für die große französische Bewegung. Die Hinrichtung des Königspaares dämpfte zwar manche überströmende Begeisterung; es gab aber auch nach diesem Ereignis noch immer kluge und gebildete Leute, die Robespierre unter die Unsterblichen rechneten. Als die Schriftstellerin und Gouvernante der Kinder des Herzogs von Orleans, die Gräfin von Genlis, mit einer jüdischen alten Handelsfran von Hannover über die Elbe nach dem dänischen Gebiet fuhr, da fragte sie diese nach einem Unter¬ kommen bei einem republikanisch gesinnten Altonner und erhielt die Antwort, daß Herr Pflock, der Besitzer einer „Auberge" am Rathausmarkt, mit Vorliebe republi¬ kanische Franzosen bei sich aufnähme. Dorthin also wandte sich die Gräfin und erhielt hier ein Hinterstübchen. Allerdings nannte sie ihren Namen nicht, sondern stellte sich als eine Miß Clarke vor, die aus einem englischen Kloster ent¬ wichen wäre. Stephanie Felicite von Genlis stand nämlich anch auf der wohl zweimal- hunderttnusend Namen enthaltenden Projkriptionsliste der französischen Republik und wußte nicht, wohin sie ihr Haupt legen sollte. Aus der Schweiz, wohin sie mit ihren Zöglingen Orleans geflohen war, war sie ausgewiesen worden, und die Rhein¬ lande und Holland verschmähten ihre Gesellschaft. Jetzt hörte sie von Hamburgs und Dänemarks Gastlichkeit; da aber Hamburg von Anhängern des Königtunis wimmelte, hielt sie es für richtiger, sich erst einmal nach Altona zu begeben. Ihr Mann, der Graf von Genlis, war als Royalist der Revolution zum Opfer ge¬ fallen; sie selbst aber galt nicht allein für eine berühmte Schriftstellerin, sondern much für eine gefährliche Republikanerin. Jnkobine Genlis nannten die Royalisten sie, und sie warfen ihr vor, daß sie die Reden verfaßt hätte, die der Herzog von Orleans in den jakobinischen Ver¬ sammlungen gehalten hatte, und beschuldigten sie noch andrer Dinge. Es war ihrer Behauptung nach erwiesen, daß Frau vou Genlis seit Jahren schon ein Verhältnis mit Egalite gehabt hätte, daß die Herzogin, seine Gemahlin, sie wiederholt aus ihrem Hofstaat hätte entfernen wollen, daß es ihr aber nicht möglich gewesen wäre. Frau von Genlis wäre es gewesen, die i» Wort und Schrift die Bourbonen an¬ gegriffen und verleumdet, die durch ihre Verbindungen mit den hervorragendsten Revolutwnsmäunern die Katastrophe des Königsmordes herbeigeführt hätte, die Schuld trage an der Ermordung der Prinzessin Lamballe und unzähliger andrer hochgestellter Aristokraten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/654
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/654>, abgerufen am 01.07.2024.