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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Leipziger Dramaturgie

stubeustauduhr beim Uhrmacher zur Reparatur war, einer der Jungen, was wir
jetzt vcrrückterweise eiuen do^ nennen, jeden Abend ins Gehäuse wie in ein
Schilderhaus stellen und so lange Ticktack rufen müssen, bis der alte Herr, den
die lautlose Stille und der ungewohnte Mangel des einschläfernden Ticktacks am
Einschlummern hinderten, richtig eingeschlafen war. Niemand hatte damals darin
etwas Grausames oder Unmenschliches gefunden: wollte aber ich, der Urgroßneffe,
heutzutage so etwas tun, so würde man mich -- ganz abgesehen davon, daß ich
in meiner Schlafstube keine Standuhr und auf meinem "Schlosse" keinen do^
habe -- als unheilbar nach Kolditz senden, wenn mir der Junge nicht vorher schon
wegen der unverschämten Zumutung alle Knochen im Leibe zerschlagen hätte. Und
doch würde ich, falls ich, wo Gott vor sei, ein geschichtliches Drama geschrieben
hätte, worin der Urgroßoukel, das leere Uhrgehäuse und der Junge vorkämen, bei
der ersten Vorstellung sehr betroffen sein, wenn man dem Jungen, damit er sein
Ticktack in menschenwürdigerer Weise abpendeln konnte, im Schlafzimmer des Ur-
großonkels eine Chaiselongue zurecht gemacht und so das GeHänse leer gelassen
hätte. Der Junge im Gehäuse, die schlafenden Pagen auf den Knieen malen die
Zeit. Die Handlung mit Hilfe von Chaiselongues und Armstühlen ins Moderne,
feiner und gerechter Empfundne übersetze" wollen, heißt sie verballhornen. Wenn
man sich bet der Inszenierung dieses Aktanfangs durch philanthropische Rücksichten
leiten lassen will, so muß man anch dem armen König Philipp einen wattierter
Kaschmirschlafrock mit roten Bummeln anziehn.

Doch zurück zu Wallenstein, wo es noch manches Bedenken ähnlicher Art zu
besprechen gibt. Unter welchen Verhältnissen WnUenstein und Terzky in Pilsen
residieren, dürfte schwer zu bestimmen sein. Haben sie dort jeder ein Palais, oder
hat Terzkh seinem Schwager nur einen Flügel des seinigen eingeräumt, oder haben sie
sich beide mit ihren Haushaltungen und, was Wallenstein anlangt, mit seinem Hofstaat
nur vorübergehend auf fremdem Besitz einquartiert? Da Graf Terzky den Generalen
ein Gelage gibt, bei dem er die Ehrenweine seiner Frau Mutter preisgibt, die man
doch sonst nicht mit ins Feld nimmt, und bei demi anch die goldnen und silbernen
Prachtpoknle der Familie nicht fehlen, so möchte man glauben, daß er sicherlich in
Pilsen zuhause sei. Andrerseits würde Wallenstein, wenn er bei seinem Schwager
wohnte, die Herzogin schwerlich in Gegenwart des Terzkyschen Ehepaars als die
Wirtin dieses Hofes bezeichnen, wie denn auch der astrologische Turm, der doch
schwerlich eine wandernde Einrichtung sein konnte, und den die Gräfin sich von
Thekla beschreiben läßt, da sie "sich stets nur flüchtig umgesehen habe," darauf
hinzudeuten scheint, daß nach Schillers Idee auch Wnllenstein ein eignes Palais
in Pilsen gehabt haben soll. Sei dem, wie ihm wolle: der astrologische Turm,
von dem eilte Berliner Volksausgabe infolge eines Druckfehlers behauptet, daß an
dessen Pforte zwei Greise, hoffentlich nicht ohne ablösende zweite und dritte
Nummern, Wache halten, ist durch die im Kreise aufgestellten sieben Planetenbilder,
von denen Saturn einen trübgelben, Mars einen roten, Venus einen sanft
schimmernden, Jupiter einen silberhell glänzenden Stern hat, überaus merkwürdig,
und wenn uns Schiller im ersten Auftritte von Wallensteins Tod in dieses Ge¬
mach führt, trägt er dabei dem begreiflichen Wunsche, den jeder von uus hat,
dieses von der Gräfin als streng verwahrt bezeichnete Heiligtum kennen zu lernen,
in erfreulichst er Weise Rechnung. Denn statt sich mit der von Thekla im vierten
Auftritt des dritten Aktes der Piccolomini gegebne" ausführlichen Beschreibung zu
begütige", bestimmt er, als wenn er die Ungebundenheit der Leipziger Regie im
Geiste vorausgesehen hätte, ausdrücklich: "Ein Zimmer, zu astrologischen Arbeiten
eingerichtet und mit Sphären, Karten, Quadranten und andern astronomischen Ge¬
räten versehen. Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in der die sieben
Planetenbildcr, jedes in einer Nische, seltsam beleuchtet, zu sehen sind." Man sollte
glaube", das wäre deutlich, und die Dekorationsmaler der verschiedensten Bühnen
sind in der Tat mit größerm oder geringerm Erfolge bemüht, uns das, was dem


Leipziger Dramaturgie

stubeustauduhr beim Uhrmacher zur Reparatur war, einer der Jungen, was wir
jetzt vcrrückterweise eiuen do^ nennen, jeden Abend ins Gehäuse wie in ein
Schilderhaus stellen und so lange Ticktack rufen müssen, bis der alte Herr, den
die lautlose Stille und der ungewohnte Mangel des einschläfernden Ticktacks am
Einschlummern hinderten, richtig eingeschlafen war. Niemand hatte damals darin
etwas Grausames oder Unmenschliches gefunden: wollte aber ich, der Urgroßneffe,
heutzutage so etwas tun, so würde man mich — ganz abgesehen davon, daß ich
in meiner Schlafstube keine Standuhr und auf meinem „Schlosse" keinen do^
habe — als unheilbar nach Kolditz senden, wenn mir der Junge nicht vorher schon
wegen der unverschämten Zumutung alle Knochen im Leibe zerschlagen hätte. Und
doch würde ich, falls ich, wo Gott vor sei, ein geschichtliches Drama geschrieben
hätte, worin der Urgroßoukel, das leere Uhrgehäuse und der Junge vorkämen, bei
der ersten Vorstellung sehr betroffen sein, wenn man dem Jungen, damit er sein
Ticktack in menschenwürdigerer Weise abpendeln konnte, im Schlafzimmer des Ur-
großonkels eine Chaiselongue zurecht gemacht und so das GeHänse leer gelassen
hätte. Der Junge im Gehäuse, die schlafenden Pagen auf den Knieen malen die
Zeit. Die Handlung mit Hilfe von Chaiselongues und Armstühlen ins Moderne,
feiner und gerechter Empfundne übersetze» wollen, heißt sie verballhornen. Wenn
man sich bet der Inszenierung dieses Aktanfangs durch philanthropische Rücksichten
leiten lassen will, so muß man anch dem armen König Philipp einen wattierter
Kaschmirschlafrock mit roten Bummeln anziehn.

Doch zurück zu Wallenstein, wo es noch manches Bedenken ähnlicher Art zu
besprechen gibt. Unter welchen Verhältnissen WnUenstein und Terzky in Pilsen
residieren, dürfte schwer zu bestimmen sein. Haben sie dort jeder ein Palais, oder
hat Terzkh seinem Schwager nur einen Flügel des seinigen eingeräumt, oder haben sie
sich beide mit ihren Haushaltungen und, was Wallenstein anlangt, mit seinem Hofstaat
nur vorübergehend auf fremdem Besitz einquartiert? Da Graf Terzky den Generalen
ein Gelage gibt, bei dem er die Ehrenweine seiner Frau Mutter preisgibt, die man
doch sonst nicht mit ins Feld nimmt, und bei demi anch die goldnen und silbernen
Prachtpoknle der Familie nicht fehlen, so möchte man glauben, daß er sicherlich in
Pilsen zuhause sei. Andrerseits würde Wallenstein, wenn er bei seinem Schwager
wohnte, die Herzogin schwerlich in Gegenwart des Terzkyschen Ehepaars als die
Wirtin dieses Hofes bezeichnen, wie denn auch der astrologische Turm, der doch
schwerlich eine wandernde Einrichtung sein konnte, und den die Gräfin sich von
Thekla beschreiben läßt, da sie „sich stets nur flüchtig umgesehen habe," darauf
hinzudeuten scheint, daß nach Schillers Idee auch Wnllenstein ein eignes Palais
in Pilsen gehabt haben soll. Sei dem, wie ihm wolle: der astrologische Turm,
von dem eilte Berliner Volksausgabe infolge eines Druckfehlers behauptet, daß an
dessen Pforte zwei Greise, hoffentlich nicht ohne ablösende zweite und dritte
Nummern, Wache halten, ist durch die im Kreise aufgestellten sieben Planetenbilder,
von denen Saturn einen trübgelben, Mars einen roten, Venus einen sanft
schimmernden, Jupiter einen silberhell glänzenden Stern hat, überaus merkwürdig,
und wenn uns Schiller im ersten Auftritte von Wallensteins Tod in dieses Ge¬
mach führt, trägt er dabei dem begreiflichen Wunsche, den jeder von uus hat,
dieses von der Gräfin als streng verwahrt bezeichnete Heiligtum kennen zu lernen,
in erfreulichst er Weise Rechnung. Denn statt sich mit der von Thekla im vierten
Auftritt des dritten Aktes der Piccolomini gegebne» ausführlichen Beschreibung zu
begütige«, bestimmt er, als wenn er die Ungebundenheit der Leipziger Regie im
Geiste vorausgesehen hätte, ausdrücklich: „Ein Zimmer, zu astrologischen Arbeiten
eingerichtet und mit Sphären, Karten, Quadranten und andern astronomischen Ge¬
räten versehen. Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in der die sieben
Planetenbildcr, jedes in einer Nische, seltsam beleuchtet, zu sehen sind." Man sollte
glaube», das wäre deutlich, und die Dekorationsmaler der verschiedensten Bühnen
sind in der Tat mit größerm oder geringerm Erfolge bemüht, uns das, was dem


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[0057] Leipziger Dramaturgie stubeustauduhr beim Uhrmacher zur Reparatur war, einer der Jungen, was wir jetzt vcrrückterweise eiuen do^ nennen, jeden Abend ins Gehäuse wie in ein Schilderhaus stellen und so lange Ticktack rufen müssen, bis der alte Herr, den die lautlose Stille und der ungewohnte Mangel des einschläfernden Ticktacks am Einschlummern hinderten, richtig eingeschlafen war. Niemand hatte damals darin etwas Grausames oder Unmenschliches gefunden: wollte aber ich, der Urgroßneffe, heutzutage so etwas tun, so würde man mich — ganz abgesehen davon, daß ich in meiner Schlafstube keine Standuhr und auf meinem „Schlosse" keinen do^ habe — als unheilbar nach Kolditz senden, wenn mir der Junge nicht vorher schon wegen der unverschämten Zumutung alle Knochen im Leibe zerschlagen hätte. Und doch würde ich, falls ich, wo Gott vor sei, ein geschichtliches Drama geschrieben hätte, worin der Urgroßoukel, das leere Uhrgehäuse und der Junge vorkämen, bei der ersten Vorstellung sehr betroffen sein, wenn man dem Jungen, damit er sein Ticktack in menschenwürdigerer Weise abpendeln konnte, im Schlafzimmer des Ur- großonkels eine Chaiselongue zurecht gemacht und so das GeHänse leer gelassen hätte. Der Junge im Gehäuse, die schlafenden Pagen auf den Knieen malen die Zeit. Die Handlung mit Hilfe von Chaiselongues und Armstühlen ins Moderne, feiner und gerechter Empfundne übersetze» wollen, heißt sie verballhornen. Wenn man sich bet der Inszenierung dieses Aktanfangs durch philanthropische Rücksichten leiten lassen will, so muß man anch dem armen König Philipp einen wattierter Kaschmirschlafrock mit roten Bummeln anziehn. Doch zurück zu Wallenstein, wo es noch manches Bedenken ähnlicher Art zu besprechen gibt. Unter welchen Verhältnissen WnUenstein und Terzky in Pilsen residieren, dürfte schwer zu bestimmen sein. Haben sie dort jeder ein Palais, oder hat Terzkh seinem Schwager nur einen Flügel des seinigen eingeräumt, oder haben sie sich beide mit ihren Haushaltungen und, was Wallenstein anlangt, mit seinem Hofstaat nur vorübergehend auf fremdem Besitz einquartiert? Da Graf Terzky den Generalen ein Gelage gibt, bei dem er die Ehrenweine seiner Frau Mutter preisgibt, die man doch sonst nicht mit ins Feld nimmt, und bei demi anch die goldnen und silbernen Prachtpoknle der Familie nicht fehlen, so möchte man glauben, daß er sicherlich in Pilsen zuhause sei. Andrerseits würde Wallenstein, wenn er bei seinem Schwager wohnte, die Herzogin schwerlich in Gegenwart des Terzkyschen Ehepaars als die Wirtin dieses Hofes bezeichnen, wie denn auch der astrologische Turm, der doch schwerlich eine wandernde Einrichtung sein konnte, und den die Gräfin sich von Thekla beschreiben läßt, da sie „sich stets nur flüchtig umgesehen habe," darauf hinzudeuten scheint, daß nach Schillers Idee auch Wnllenstein ein eignes Palais in Pilsen gehabt haben soll. Sei dem, wie ihm wolle: der astrologische Turm, von dem eilte Berliner Volksausgabe infolge eines Druckfehlers behauptet, daß an dessen Pforte zwei Greise, hoffentlich nicht ohne ablösende zweite und dritte Nummern, Wache halten, ist durch die im Kreise aufgestellten sieben Planetenbilder, von denen Saturn einen trübgelben, Mars einen roten, Venus einen sanft schimmernden, Jupiter einen silberhell glänzenden Stern hat, überaus merkwürdig, und wenn uns Schiller im ersten Auftritte von Wallensteins Tod in dieses Ge¬ mach führt, trägt er dabei dem begreiflichen Wunsche, den jeder von uus hat, dieses von der Gräfin als streng verwahrt bezeichnete Heiligtum kennen zu lernen, in erfreulichst er Weise Rechnung. Denn statt sich mit der von Thekla im vierten Auftritt des dritten Aktes der Piccolomini gegebne» ausführlichen Beschreibung zu begütige«, bestimmt er, als wenn er die Ungebundenheit der Leipziger Regie im Geiste vorausgesehen hätte, ausdrücklich: „Ein Zimmer, zu astrologischen Arbeiten eingerichtet und mit Sphären, Karten, Quadranten und andern astronomischen Ge¬ räten versehen. Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in der die sieben Planetenbildcr, jedes in einer Nische, seltsam beleuchtet, zu sehen sind." Man sollte glaube», das wäre deutlich, und die Dekorationsmaler der verschiedensten Bühnen sind in der Tat mit größerm oder geringerm Erfolge bemüht, uns das, was dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/57>, abgerufen am 22.07.2024.