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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

denn auch ein neues Buch nötig, das die neuen Fragen beantwortet und zugleich
das Altbekannte und Altbewährte in zeitgemäßer Darstellung zusammenfaßt. Als
ein solches kann das Buch: Geist des Lehramts von Wilhelm Münch
(Berlin. Georg Reimer. 1903) empfohlen werden. Es wird ohne Zweifel das
werden, was der Untertitel besagt: eine Hodegetik für Lehrer höherer Schulen,
und auch alle, die, ohne dem Fach anzugehören, sich für Pädagogik interessieren
oder sich von Berufs wegen mit ihr beschäftigen müssen, werden es mit Nutzen
gebrauchen. Im ersten Kapitel spricht der Verfasser von dem heutigen Amtscharakter,
der die Stellung des Lehrers so bedeutend gehoben und verbessert habe. Doch sei
die vollzogne Wandlung weit entfernt davon, nur Lichtseiten darzubieten. ..Wie
bei dem Ringen der Lehrer um die unbedingte Aufnahme in die Beamtenhierarchie
praktisch persönliche (wenn auch darum uicht etwa verwerfliche) Ziele das Treibende
waren, so ist sehr denkbar, daß das Hervortreten des Beamtencharakters der Pflege
der idealen Eigenschaften bei dem Stande sich nachteilig erweise. Der Sinn für
Rangstufen, für unterscheidende Zeichen der Würde, für Titel und dergleichen soll
nicht einen breiten Raum in der Seele des Lehrers einnehmen, nicht die Freude
an seiner eigenartigen und innerlichen Aufgabe gefährden, nicht verengert ans sein
Inneres wirken. ... So wird es denn auch wirklich nicht das Amt als solches
oder die Beamtenvollmacht sein, worin die Genugtuung zu suchen ist, ebensowenig
wie bloße Korrektheit der Amtsführung als Befriedigung gehendes Ziel vorschweben
kann. Es ist andres und mehr zu tun, als Ordnung zu halte", mehr als das
Recht zu schützen, mehr als äußere Kultur zu fördern: es ist zartes Leben zu
pflegeu und zu heben." In dem Abschnitt über die dem Lehrer nötigen persön¬
lichen Eigenschaften wird auch von der Unparteilichkeit gehandelt und gesagt: "Der
Sympathie mit gewissen Nntureu uuter deu Zöglingen und der Antipathie gegen
""dre sich schlechthin zu erwehren, ist viel schwerer als man denkt. Die kältesten
Naturen sind wohl am meisten davor geschützt." Im zweiten Kapitel, vom Wesen
Erziehung, werden n. a. die verschiednen pädagogischen Ideale, das christliche,
°"s Humanitätsincal, das nationale, das Kulturideal besprochen; der "Amerika-
nismus" wird in mildern, Lichte dargestellt, als es sonst in Schriften idealer Richtung
S" geschehen pflegt. Als Leitstern in dem Wirrwarr der widersprechenden Ideale
und Forderungen wird der Grundsatz aufgestellt, jedenfalls müsse die Erziehung
dem Jüngling rechten Halt und rechten Wert verleihen, womit gemeint ist. daß er
in deu Stand gesetzt werden soll, im Leben durchzukommen und irgend einen Beruf
(eine Rolle sagt der Verfasser sehr unpassend) im Gemeinschaftsorganismus auszu¬
füllen, ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft zu werden.

Sehr schon wird im vierten Kapitel über das Spiel gesprochen, trefflich werden
die Alterstufen, die Geschlechter, die Unterschiede der Zöglinge nach Nationalität,
Abkunft, Individualität charakterisiert. Im Vierzehnten Kapitel (Hauptfragen des
Fachunterrichts) wird der Mathematik hohes und nicht unverdientes Lob gesungen,
eine brennende Frage aber leider unbeantwortet gelassen. "Was von den schwierigern
mathematischen Gebieten den Höhepunkt und Abschluß des gesamten höhern Schul¬
unterrichts bilden soll, unterliegt noch dem Meinuugsstrcit: erste Einblicke wenigstens
"> die jenseitigen Gebiete möchte man gern noch vermitteln, auch um Interesse und
^-f den Weg z" geben." Das ist alles! Aber es handelt sich gar "icht an bloßes
Interesse. Der gebildete Mann will gern -- und wenn er zufällig Publizist oder
""es Philosoph ist. muß er es - in den rasch fortschreitenden Naturwissenschaften
"uf dem laufenden bleiben, und bis vor zwanzig Jahren konnte man das. wenn
'"an nur mit Elementarmathematik ausgerüstet war; Lehrbücher wie Schellers
^ementarmechanik und Eisenlohrs Physik enthielten nur algebraische Formeln
"euern Lehrbücher der Physik und schon auch die philosophischen und die staats-
Asenschaftlichen Schriften wimmeln von Integral- "ut Disferentalformeln und
Mach sah"M in seiner Mechanik, vou der dasselbe gilt: "Die Physik gewöhnt^d e Beschreibung der Tatsache.: durch Differentialgleichungen als ihr eigentliches
6'el anzusehen." Ist das gewiß und unvermeidlich, dann kann von Zweifeln und


Grenzboten lV 1M3 66
Maßgebliches und Unmaßgebliches

denn auch ein neues Buch nötig, das die neuen Fragen beantwortet und zugleich
das Altbekannte und Altbewährte in zeitgemäßer Darstellung zusammenfaßt. Als
ein solches kann das Buch: Geist des Lehramts von Wilhelm Münch
(Berlin. Georg Reimer. 1903) empfohlen werden. Es wird ohne Zweifel das
werden, was der Untertitel besagt: eine Hodegetik für Lehrer höherer Schulen,
und auch alle, die, ohne dem Fach anzugehören, sich für Pädagogik interessieren
oder sich von Berufs wegen mit ihr beschäftigen müssen, werden es mit Nutzen
gebrauchen. Im ersten Kapitel spricht der Verfasser von dem heutigen Amtscharakter,
der die Stellung des Lehrers so bedeutend gehoben und verbessert habe. Doch sei
die vollzogne Wandlung weit entfernt davon, nur Lichtseiten darzubieten. ..Wie
bei dem Ringen der Lehrer um die unbedingte Aufnahme in die Beamtenhierarchie
praktisch persönliche (wenn auch darum uicht etwa verwerfliche) Ziele das Treibende
waren, so ist sehr denkbar, daß das Hervortreten des Beamtencharakters der Pflege
der idealen Eigenschaften bei dem Stande sich nachteilig erweise. Der Sinn für
Rangstufen, für unterscheidende Zeichen der Würde, für Titel und dergleichen soll
nicht einen breiten Raum in der Seele des Lehrers einnehmen, nicht die Freude
an seiner eigenartigen und innerlichen Aufgabe gefährden, nicht verengert ans sein
Inneres wirken. ... So wird es denn auch wirklich nicht das Amt als solches
oder die Beamtenvollmacht sein, worin die Genugtuung zu suchen ist, ebensowenig
wie bloße Korrektheit der Amtsführung als Befriedigung gehendes Ziel vorschweben
kann. Es ist andres und mehr zu tun, als Ordnung zu halte», mehr als das
Recht zu schützen, mehr als äußere Kultur zu fördern: es ist zartes Leben zu
pflegeu und zu heben." In dem Abschnitt über die dem Lehrer nötigen persön¬
lichen Eigenschaften wird auch von der Unparteilichkeit gehandelt und gesagt: „Der
Sympathie mit gewissen Nntureu uuter deu Zöglingen und der Antipathie gegen
""dre sich schlechthin zu erwehren, ist viel schwerer als man denkt. Die kältesten
Naturen sind wohl am meisten davor geschützt." Im zweiten Kapitel, vom Wesen
Erziehung, werden n. a. die verschiednen pädagogischen Ideale, das christliche,
°"s Humanitätsincal, das nationale, das Kulturideal besprochen; der „Amerika-
nismus" wird in mildern, Lichte dargestellt, als es sonst in Schriften idealer Richtung
S" geschehen pflegt. Als Leitstern in dem Wirrwarr der widersprechenden Ideale
und Forderungen wird der Grundsatz aufgestellt, jedenfalls müsse die Erziehung
dem Jüngling rechten Halt und rechten Wert verleihen, womit gemeint ist. daß er
in deu Stand gesetzt werden soll, im Leben durchzukommen und irgend einen Beruf
(eine Rolle sagt der Verfasser sehr unpassend) im Gemeinschaftsorganismus auszu¬
füllen, ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft zu werden.

Sehr schon wird im vierten Kapitel über das Spiel gesprochen, trefflich werden
die Alterstufen, die Geschlechter, die Unterschiede der Zöglinge nach Nationalität,
Abkunft, Individualität charakterisiert. Im Vierzehnten Kapitel (Hauptfragen des
Fachunterrichts) wird der Mathematik hohes und nicht unverdientes Lob gesungen,
eine brennende Frage aber leider unbeantwortet gelassen. „Was von den schwierigern
mathematischen Gebieten den Höhepunkt und Abschluß des gesamten höhern Schul¬
unterrichts bilden soll, unterliegt noch dem Meinuugsstrcit: erste Einblicke wenigstens
"> die jenseitigen Gebiete möchte man gern noch vermitteln, auch um Interesse und
^-f den Weg z» geben." Das ist alles! Aber es handelt sich gar "icht an bloßes
Interesse. Der gebildete Mann will gern — und wenn er zufällig Publizist oder
""es Philosoph ist. muß er es - in den rasch fortschreitenden Naturwissenschaften
"uf dem laufenden bleiben, und bis vor zwanzig Jahren konnte man das. wenn
'"an nur mit Elementarmathematik ausgerüstet war; Lehrbücher wie Schellers
^ementarmechanik und Eisenlohrs Physik enthielten nur algebraische Formeln
"euern Lehrbücher der Physik und schon auch die philosophischen und die staats-
Asenschaftlichen Schriften wimmeln von Integral- »ut Disferentalformeln und
Mach sah«M in seiner Mechanik, vou der dasselbe gilt: „Die Physik gewöhnt^d e Beschreibung der Tatsache.: durch Differentialgleichungen als ihr eigentliches
6'el anzusehen." Ist das gewiß und unvermeidlich, dann kann von Zweifeln und


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[0545] Maßgebliches und Unmaßgebliches denn auch ein neues Buch nötig, das die neuen Fragen beantwortet und zugleich das Altbekannte und Altbewährte in zeitgemäßer Darstellung zusammenfaßt. Als ein solches kann das Buch: Geist des Lehramts von Wilhelm Münch (Berlin. Georg Reimer. 1903) empfohlen werden. Es wird ohne Zweifel das werden, was der Untertitel besagt: eine Hodegetik für Lehrer höherer Schulen, und auch alle, die, ohne dem Fach anzugehören, sich für Pädagogik interessieren oder sich von Berufs wegen mit ihr beschäftigen müssen, werden es mit Nutzen gebrauchen. Im ersten Kapitel spricht der Verfasser von dem heutigen Amtscharakter, der die Stellung des Lehrers so bedeutend gehoben und verbessert habe. Doch sei die vollzogne Wandlung weit entfernt davon, nur Lichtseiten darzubieten. ..Wie bei dem Ringen der Lehrer um die unbedingte Aufnahme in die Beamtenhierarchie praktisch persönliche (wenn auch darum uicht etwa verwerfliche) Ziele das Treibende waren, so ist sehr denkbar, daß das Hervortreten des Beamtencharakters der Pflege der idealen Eigenschaften bei dem Stande sich nachteilig erweise. Der Sinn für Rangstufen, für unterscheidende Zeichen der Würde, für Titel und dergleichen soll nicht einen breiten Raum in der Seele des Lehrers einnehmen, nicht die Freude an seiner eigenartigen und innerlichen Aufgabe gefährden, nicht verengert ans sein Inneres wirken. ... So wird es denn auch wirklich nicht das Amt als solches oder die Beamtenvollmacht sein, worin die Genugtuung zu suchen ist, ebensowenig wie bloße Korrektheit der Amtsführung als Befriedigung gehendes Ziel vorschweben kann. Es ist andres und mehr zu tun, als Ordnung zu halte», mehr als das Recht zu schützen, mehr als äußere Kultur zu fördern: es ist zartes Leben zu pflegeu und zu heben." In dem Abschnitt über die dem Lehrer nötigen persön¬ lichen Eigenschaften wird auch von der Unparteilichkeit gehandelt und gesagt: „Der Sympathie mit gewissen Nntureu uuter deu Zöglingen und der Antipathie gegen ""dre sich schlechthin zu erwehren, ist viel schwerer als man denkt. Die kältesten Naturen sind wohl am meisten davor geschützt." Im zweiten Kapitel, vom Wesen Erziehung, werden n. a. die verschiednen pädagogischen Ideale, das christliche, °"s Humanitätsincal, das nationale, das Kulturideal besprochen; der „Amerika- nismus" wird in mildern, Lichte dargestellt, als es sonst in Schriften idealer Richtung S" geschehen pflegt. Als Leitstern in dem Wirrwarr der widersprechenden Ideale und Forderungen wird der Grundsatz aufgestellt, jedenfalls müsse die Erziehung dem Jüngling rechten Halt und rechten Wert verleihen, womit gemeint ist. daß er in deu Stand gesetzt werden soll, im Leben durchzukommen und irgend einen Beruf (eine Rolle sagt der Verfasser sehr unpassend) im Gemeinschaftsorganismus auszu¬ füllen, ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft zu werden. Sehr schon wird im vierten Kapitel über das Spiel gesprochen, trefflich werden die Alterstufen, die Geschlechter, die Unterschiede der Zöglinge nach Nationalität, Abkunft, Individualität charakterisiert. Im Vierzehnten Kapitel (Hauptfragen des Fachunterrichts) wird der Mathematik hohes und nicht unverdientes Lob gesungen, eine brennende Frage aber leider unbeantwortet gelassen. „Was von den schwierigern mathematischen Gebieten den Höhepunkt und Abschluß des gesamten höhern Schul¬ unterrichts bilden soll, unterliegt noch dem Meinuugsstrcit: erste Einblicke wenigstens "> die jenseitigen Gebiete möchte man gern noch vermitteln, auch um Interesse und ^-f den Weg z» geben." Das ist alles! Aber es handelt sich gar "icht an bloßes Interesse. Der gebildete Mann will gern — und wenn er zufällig Publizist oder ""es Philosoph ist. muß er es - in den rasch fortschreitenden Naturwissenschaften "uf dem laufenden bleiben, und bis vor zwanzig Jahren konnte man das. wenn '"an nur mit Elementarmathematik ausgerüstet war; Lehrbücher wie Schellers ^ementarmechanik und Eisenlohrs Physik enthielten nur algebraische Formeln "euern Lehrbücher der Physik und schon auch die philosophischen und die staats- Asenschaftlichen Schriften wimmeln von Integral- »ut Disferentalformeln und Mach sah«M in seiner Mechanik, vou der dasselbe gilt: „Die Physik gewöhnt^d e Beschreibung der Tatsache.: durch Differentialgleichungen als ihr eigentliches 6'el anzusehen." Ist das gewiß und unvermeidlich, dann kann von Zweifeln und Grenzboten lV 1M3 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/545>, abgerufen am 01.07.2024.