Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwei Seelen

Plötzlich sah mich Leopold um und sagte mit leiser Stimme: Was vorgefallen
ist? Unser Sohn ist verschwunden, davongelaufen mit fremdem Geld und wird
nun als ein Spitzbube verfolgt.

Die Frau trat wieder ein und hörte seine Worte. Sei doch ruhig, Manu,
sagte sie. Es ist doch noch nichts bewiesen. Es kaun ihm doch auch ein Unglück
Passiert sein.

Ja, ich wollte lieber, er läge hier tot zu meinen Füßen, antwortete der Alte,
und Tränen flössen ihm über das Gesicht.

Ich hatte nnr den Gedanken, daß ich etwas derartiges schon längst erwartet
hatte. Wie ich nun das Nähere erfragen wollte, kam es die Treppe herauf, schwere
Schritte, und dahinter das Geräusch von vielen Füßen und das Flüstern zahlreicher
Stimmen. Vor der Tür hielt es uoch einmal an, dann wurde hart angeklopft.
Es brauchte niemand herein zu rufen, sie standen schon in der Stube, die Polizei
und einige fremde Herren, und dahinter die Nachbarschaft, Weiber und Kinder mit
weit geöffneten Augen, begierig, sich ja nichts entgehn zu lassen. Einer der Beamten
schloß die Tür, er mußte erst ein Paar Hände, die sich an den Pfosten festklammerten,
loslösen Fran Leopold war mit einem schwachen Schrei in ihren Stuhl gesunken.
Der Schneider aber stand auf und erwartete mit verstörtem Gesicht, was man ihm
sagen würde.

Der junge Leopold hatte um Sonnabend eine große Summe mit zur Post
genommen und war seitdem nicht mehr gesehen worden. Auf der Post war er
nicht gewesen, er war also mit dem Gelde durchgegangen. Es war nun allerdings
auch möglich, daß ihm ein Unfall begegnet war. Dem widersprachen jedoch seiue
Kollegen, denen der eitle Tropf längst ein Dorn im Auge gewesen war, nud die
nun behauptete", daß nichts andres als ein Diebstahl vorläge, und daß, wem, man
nur nachforsche, noch andre unerfreuliche Dinge offenbar werden würden. Es wurden
in aller Eile die Bücher, die Leopold geführt hatte, durchgesehen, und es fanden
sich zwar mancherlei Flüchtigkeiten, aber nicht eigentlich etwas Schlechtes. Auch die
Verluste, die im Warenlager hier und da bemerkt worden waren, wurden nun dem
unglücklichen Meuscheu, der solange eine beneidete Rolle gespielt hatte, zur Last
gelegt, und bald stand die Sache so, daß die Prinzipale in der Ungewißheit, was
eigentlich geschehn war, eine Unehrlichkeit im großen Stile vor sich zu haben glaubten.
In der Wohnung des jungen Leopold war jedoch nichts gefunden worden, und
feine Wirtin hatte nur berichten können, daß er erklärt hätte, er müsse eine Geschäfts¬
reise antreten, und mit einem bescheidnen Kofferchen zur Bahn gefahren sei. Nun
wollte man bei den Eltern Nachforschungen anstellen.

Der Vater erklärte, er wisse nicht, wo sein unglücklicher Sohn sich aufhalte.
Wüßte er es, so würde er selber ihn herbeiholen und seiner Strafe überliefern.
Er könne aber nicht glauben, daß sein Sohn zum Diebe geworden sei. Er wäre
wohl ein eitler und vergnügungssüchtiger Mensch gewesen, aber er hätte dabei ein
gutes und kindliches Herz gehabt. Und was sollte ihn bewogen haben, mit dem
Gelde wegzulnufeu? Mit den wenigen tausend Mark könne ein Mensch wie er
doch nicht viel anfangen. Entweder müsse ihm also ein Unglück widerfahren sein,
oder es sei ihm das Geld gestohlen worden oder sonst abhanden gekommen, und
er sei dann in seiner Not und Angst davongelaufen.

Das trug er in ziemlicher Ruhe vor, aber die Tropfen standen ihm auf der
Stirn, und die Hand, mit der er sich am Tisch hielt, bebte.

Als man nun eine Haussuchung vornehmen wollte, wurde er bleich wie die
Wand und gleich darauf feuerrot. Aber er sagte nichts dazu. Die Frau jedoch
fuhr nun von ihrem Stuhle auf und rief: Haussuchung bei uns? Was geht uns
denn unser Sohn an? Er ist groß genng für sich selber und sein eigner Herr.
Und macht er Streiche, so tut ers auf seine Kappe hin.

Ihr Mann winkte mit der Hand nach ihr hin, und einer der Beamten sagte
beruhigend: Es wird sich ja alles finden.

Finden? schrie die Frau in neuer Erregung. Nichts wird sich finden. Was


Zwei Seelen

Plötzlich sah mich Leopold um und sagte mit leiser Stimme: Was vorgefallen
ist? Unser Sohn ist verschwunden, davongelaufen mit fremdem Geld und wird
nun als ein Spitzbube verfolgt.

Die Frau trat wieder ein und hörte seine Worte. Sei doch ruhig, Manu,
sagte sie. Es ist doch noch nichts bewiesen. Es kaun ihm doch auch ein Unglück
Passiert sein.

Ja, ich wollte lieber, er läge hier tot zu meinen Füßen, antwortete der Alte,
und Tränen flössen ihm über das Gesicht.

Ich hatte nnr den Gedanken, daß ich etwas derartiges schon längst erwartet
hatte. Wie ich nun das Nähere erfragen wollte, kam es die Treppe herauf, schwere
Schritte, und dahinter das Geräusch von vielen Füßen und das Flüstern zahlreicher
Stimmen. Vor der Tür hielt es uoch einmal an, dann wurde hart angeklopft.
Es brauchte niemand herein zu rufen, sie standen schon in der Stube, die Polizei
und einige fremde Herren, und dahinter die Nachbarschaft, Weiber und Kinder mit
weit geöffneten Augen, begierig, sich ja nichts entgehn zu lassen. Einer der Beamten
schloß die Tür, er mußte erst ein Paar Hände, die sich an den Pfosten festklammerten,
loslösen Fran Leopold war mit einem schwachen Schrei in ihren Stuhl gesunken.
Der Schneider aber stand auf und erwartete mit verstörtem Gesicht, was man ihm
sagen würde.

Der junge Leopold hatte um Sonnabend eine große Summe mit zur Post
genommen und war seitdem nicht mehr gesehen worden. Auf der Post war er
nicht gewesen, er war also mit dem Gelde durchgegangen. Es war nun allerdings
auch möglich, daß ihm ein Unfall begegnet war. Dem widersprachen jedoch seiue
Kollegen, denen der eitle Tropf längst ein Dorn im Auge gewesen war, nud die
nun behauptete», daß nichts andres als ein Diebstahl vorläge, und daß, wem, man
nur nachforsche, noch andre unerfreuliche Dinge offenbar werden würden. Es wurden
in aller Eile die Bücher, die Leopold geführt hatte, durchgesehen, und es fanden
sich zwar mancherlei Flüchtigkeiten, aber nicht eigentlich etwas Schlechtes. Auch die
Verluste, die im Warenlager hier und da bemerkt worden waren, wurden nun dem
unglücklichen Meuscheu, der solange eine beneidete Rolle gespielt hatte, zur Last
gelegt, und bald stand die Sache so, daß die Prinzipale in der Ungewißheit, was
eigentlich geschehn war, eine Unehrlichkeit im großen Stile vor sich zu haben glaubten.
In der Wohnung des jungen Leopold war jedoch nichts gefunden worden, und
feine Wirtin hatte nur berichten können, daß er erklärt hätte, er müsse eine Geschäfts¬
reise antreten, und mit einem bescheidnen Kofferchen zur Bahn gefahren sei. Nun
wollte man bei den Eltern Nachforschungen anstellen.

Der Vater erklärte, er wisse nicht, wo sein unglücklicher Sohn sich aufhalte.
Wüßte er es, so würde er selber ihn herbeiholen und seiner Strafe überliefern.
Er könne aber nicht glauben, daß sein Sohn zum Diebe geworden sei. Er wäre
wohl ein eitler und vergnügungssüchtiger Mensch gewesen, aber er hätte dabei ein
gutes und kindliches Herz gehabt. Und was sollte ihn bewogen haben, mit dem
Gelde wegzulnufeu? Mit den wenigen tausend Mark könne ein Mensch wie er
doch nicht viel anfangen. Entweder müsse ihm also ein Unglück widerfahren sein,
oder es sei ihm das Geld gestohlen worden oder sonst abhanden gekommen, und
er sei dann in seiner Not und Angst davongelaufen.

Das trug er in ziemlicher Ruhe vor, aber die Tropfen standen ihm auf der
Stirn, und die Hand, mit der er sich am Tisch hielt, bebte.

Als man nun eine Haussuchung vornehmen wollte, wurde er bleich wie die
Wand und gleich darauf feuerrot. Aber er sagte nichts dazu. Die Frau jedoch
fuhr nun von ihrem Stuhle auf und rief: Haussuchung bei uns? Was geht uns
denn unser Sohn an? Er ist groß genng für sich selber und sein eigner Herr.
Und macht er Streiche, so tut ers auf seine Kappe hin.

Ihr Mann winkte mit der Hand nach ihr hin, und einer der Beamten sagte
beruhigend: Es wird sich ja alles finden.

Finden? schrie die Frau in neuer Erregung. Nichts wird sich finden. Was


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0534" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242604"/>
            <fw type="header" place="top"> Zwei Seelen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1948"> Plötzlich sah mich Leopold um und sagte mit leiser Stimme: Was vorgefallen<lb/>
ist? Unser Sohn ist verschwunden, davongelaufen mit fremdem Geld und wird<lb/>
nun als ein Spitzbube verfolgt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1949"> Die Frau trat wieder ein und hörte seine Worte. Sei doch ruhig, Manu,<lb/>
sagte sie. Es ist doch noch nichts bewiesen. Es kaun ihm doch auch ein Unglück<lb/>
Passiert sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1950"> Ja, ich wollte lieber, er läge hier tot zu meinen Füßen, antwortete der Alte,<lb/>
und Tränen flössen ihm über das Gesicht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1951"> Ich hatte nnr den Gedanken, daß ich etwas derartiges schon längst erwartet<lb/>
hatte. Wie ich nun das Nähere erfragen wollte, kam es die Treppe herauf, schwere<lb/>
Schritte, und dahinter das Geräusch von vielen Füßen und das Flüstern zahlreicher<lb/>
Stimmen. Vor der Tür hielt es uoch einmal an, dann wurde hart angeklopft.<lb/>
Es brauchte niemand herein zu rufen, sie standen schon in der Stube, die Polizei<lb/>
und einige fremde Herren, und dahinter die Nachbarschaft, Weiber und Kinder mit<lb/>
weit geöffneten Augen, begierig, sich ja nichts entgehn zu lassen. Einer der Beamten<lb/>
schloß die Tür, er mußte erst ein Paar Hände, die sich an den Pfosten festklammerten,<lb/>
loslösen Fran Leopold war mit einem schwachen Schrei in ihren Stuhl gesunken.<lb/>
Der Schneider aber stand auf und erwartete mit verstörtem Gesicht, was man ihm<lb/>
sagen würde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1952"> Der junge Leopold hatte um Sonnabend eine große Summe mit zur Post<lb/>
genommen und war seitdem nicht mehr gesehen worden. Auf der Post war er<lb/>
nicht gewesen, er war also mit dem Gelde durchgegangen. Es war nun allerdings<lb/>
auch möglich, daß ihm ein Unfall begegnet war. Dem widersprachen jedoch seiue<lb/>
Kollegen, denen der eitle Tropf längst ein Dorn im Auge gewesen war, nud die<lb/>
nun behauptete», daß nichts andres als ein Diebstahl vorläge, und daß, wem, man<lb/>
nur nachforsche, noch andre unerfreuliche Dinge offenbar werden würden. Es wurden<lb/>
in aller Eile die Bücher, die Leopold geführt hatte, durchgesehen, und es fanden<lb/>
sich zwar mancherlei Flüchtigkeiten, aber nicht eigentlich etwas Schlechtes. Auch die<lb/>
Verluste, die im Warenlager hier und da bemerkt worden waren, wurden nun dem<lb/>
unglücklichen Meuscheu, der solange eine beneidete Rolle gespielt hatte, zur Last<lb/>
gelegt, und bald stand die Sache so, daß die Prinzipale in der Ungewißheit, was<lb/>
eigentlich geschehn war, eine Unehrlichkeit im großen Stile vor sich zu haben glaubten.<lb/>
In der Wohnung des jungen Leopold war jedoch nichts gefunden worden, und<lb/>
feine Wirtin hatte nur berichten können, daß er erklärt hätte, er müsse eine Geschäfts¬<lb/>
reise antreten, und mit einem bescheidnen Kofferchen zur Bahn gefahren sei. Nun<lb/>
wollte man bei den Eltern Nachforschungen anstellen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1953"> Der Vater erklärte, er wisse nicht, wo sein unglücklicher Sohn sich aufhalte.<lb/>
Wüßte er es, so würde er selber ihn herbeiholen und seiner Strafe überliefern.<lb/>
Er könne aber nicht glauben, daß sein Sohn zum Diebe geworden sei. Er wäre<lb/>
wohl ein eitler und vergnügungssüchtiger Mensch gewesen, aber er hätte dabei ein<lb/>
gutes und kindliches Herz gehabt. Und was sollte ihn bewogen haben, mit dem<lb/>
Gelde wegzulnufeu? Mit den wenigen tausend Mark könne ein Mensch wie er<lb/>
doch nicht viel anfangen. Entweder müsse ihm also ein Unglück widerfahren sein,<lb/>
oder es sei ihm das Geld gestohlen worden oder sonst abhanden gekommen, und<lb/>
er sei dann in seiner Not und Angst davongelaufen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1954"> Das trug er in ziemlicher Ruhe vor, aber die Tropfen standen ihm auf der<lb/>
Stirn, und die Hand, mit der er sich am Tisch hielt, bebte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1955"> Als man nun eine Haussuchung vornehmen wollte, wurde er bleich wie die<lb/>
Wand und gleich darauf feuerrot. Aber er sagte nichts dazu. Die Frau jedoch<lb/>
fuhr nun von ihrem Stuhle auf und rief: Haussuchung bei uns? Was geht uns<lb/>
denn unser Sohn an? Er ist groß genng für sich selber und sein eigner Herr.<lb/>
Und macht er Streiche, so tut ers auf seine Kappe hin.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1956"> Ihr Mann winkte mit der Hand nach ihr hin, und einer der Beamten sagte<lb/>
beruhigend: Es wird sich ja alles finden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1957" next="#ID_1958"> Finden? schrie die Frau in neuer Erregung.  Nichts wird sich finden. Was</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0534] Zwei Seelen Plötzlich sah mich Leopold um und sagte mit leiser Stimme: Was vorgefallen ist? Unser Sohn ist verschwunden, davongelaufen mit fremdem Geld und wird nun als ein Spitzbube verfolgt. Die Frau trat wieder ein und hörte seine Worte. Sei doch ruhig, Manu, sagte sie. Es ist doch noch nichts bewiesen. Es kaun ihm doch auch ein Unglück Passiert sein. Ja, ich wollte lieber, er läge hier tot zu meinen Füßen, antwortete der Alte, und Tränen flössen ihm über das Gesicht. Ich hatte nnr den Gedanken, daß ich etwas derartiges schon längst erwartet hatte. Wie ich nun das Nähere erfragen wollte, kam es die Treppe herauf, schwere Schritte, und dahinter das Geräusch von vielen Füßen und das Flüstern zahlreicher Stimmen. Vor der Tür hielt es uoch einmal an, dann wurde hart angeklopft. Es brauchte niemand herein zu rufen, sie standen schon in der Stube, die Polizei und einige fremde Herren, und dahinter die Nachbarschaft, Weiber und Kinder mit weit geöffneten Augen, begierig, sich ja nichts entgehn zu lassen. Einer der Beamten schloß die Tür, er mußte erst ein Paar Hände, die sich an den Pfosten festklammerten, loslösen Fran Leopold war mit einem schwachen Schrei in ihren Stuhl gesunken. Der Schneider aber stand auf und erwartete mit verstörtem Gesicht, was man ihm sagen würde. Der junge Leopold hatte um Sonnabend eine große Summe mit zur Post genommen und war seitdem nicht mehr gesehen worden. Auf der Post war er nicht gewesen, er war also mit dem Gelde durchgegangen. Es war nun allerdings auch möglich, daß ihm ein Unfall begegnet war. Dem widersprachen jedoch seiue Kollegen, denen der eitle Tropf längst ein Dorn im Auge gewesen war, nud die nun behauptete», daß nichts andres als ein Diebstahl vorläge, und daß, wem, man nur nachforsche, noch andre unerfreuliche Dinge offenbar werden würden. Es wurden in aller Eile die Bücher, die Leopold geführt hatte, durchgesehen, und es fanden sich zwar mancherlei Flüchtigkeiten, aber nicht eigentlich etwas Schlechtes. Auch die Verluste, die im Warenlager hier und da bemerkt worden waren, wurden nun dem unglücklichen Meuscheu, der solange eine beneidete Rolle gespielt hatte, zur Last gelegt, und bald stand die Sache so, daß die Prinzipale in der Ungewißheit, was eigentlich geschehn war, eine Unehrlichkeit im großen Stile vor sich zu haben glaubten. In der Wohnung des jungen Leopold war jedoch nichts gefunden worden, und feine Wirtin hatte nur berichten können, daß er erklärt hätte, er müsse eine Geschäfts¬ reise antreten, und mit einem bescheidnen Kofferchen zur Bahn gefahren sei. Nun wollte man bei den Eltern Nachforschungen anstellen. Der Vater erklärte, er wisse nicht, wo sein unglücklicher Sohn sich aufhalte. Wüßte er es, so würde er selber ihn herbeiholen und seiner Strafe überliefern. Er könne aber nicht glauben, daß sein Sohn zum Diebe geworden sei. Er wäre wohl ein eitler und vergnügungssüchtiger Mensch gewesen, aber er hätte dabei ein gutes und kindliches Herz gehabt. Und was sollte ihn bewogen haben, mit dem Gelde wegzulnufeu? Mit den wenigen tausend Mark könne ein Mensch wie er doch nicht viel anfangen. Entweder müsse ihm also ein Unglück widerfahren sein, oder es sei ihm das Geld gestohlen worden oder sonst abhanden gekommen, und er sei dann in seiner Not und Angst davongelaufen. Das trug er in ziemlicher Ruhe vor, aber die Tropfen standen ihm auf der Stirn, und die Hand, mit der er sich am Tisch hielt, bebte. Als man nun eine Haussuchung vornehmen wollte, wurde er bleich wie die Wand und gleich darauf feuerrot. Aber er sagte nichts dazu. Die Frau jedoch fuhr nun von ihrem Stuhle auf und rief: Haussuchung bei uns? Was geht uns denn unser Sohn an? Er ist groß genng für sich selber und sein eigner Herr. Und macht er Streiche, so tut ers auf seine Kappe hin. Ihr Mann winkte mit der Hand nach ihr hin, und einer der Beamten sagte beruhigend: Es wird sich ja alles finden. Finden? schrie die Frau in neuer Erregung. Nichts wird sich finden. Was

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/534
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/534>, abgerufen am 01.07.2024.