Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.Das Gold in der mythischen Vorstellung der Germanen zwar nicht dem Kreise der Gewittererscheimmgen angehört, aber als glänzendste Um zu jener Vorstellung zu gelangen, mußte mau sich die Wolken mit Der Ring umspannt die ganze Erde und hält unten die Wurzeln des Welt¬ Die erdbannende Kraft des Regenbogens, wie auch sein plötzliches, strahlendes Das Gold in der mythischen Vorstellung der Germanen zwar nicht dem Kreise der Gewittererscheimmgen angehört, aber als glänzendste Um zu jener Vorstellung zu gelangen, mußte mau sich die Wolken mit Der Ring umspannt die ganze Erde und hält unten die Wurzeln des Welt¬ Die erdbannende Kraft des Regenbogens, wie auch sein plötzliches, strahlendes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242116"/> <fw type="header" place="top"> Das Gold in der mythischen Vorstellung der Germanen</fw><lb/> <p xml:id="ID_119" prev="#ID_118"> zwar nicht dem Kreise der Gewittererscheimmgen angehört, aber als glänzendste<lb/> aller Lichterscheinungen dem feurigen Wolkenschatz erst die schönste Zierde gewährt.<lb/> Die ursprüngliche Vorstellung betrachtete ihn als den Himmels- oder Sömmer¬<lb/> ring (so heißt er heut noch in Bayern), der die Wasser dort oben banne. Er<lb/> ist der goldne Ring, später die goldne Brücke, denn seine oberste Farbe ist gelb.<lb/> In den Wolken erscheint er, sich verdoppelnd oder verdreifachend, wie denn auch<lb/> der Ring der Heldensage die Kraft hat, sich zu vervielfältigen; aber aus der Erde<lb/> entsteht er und führt von Hel zu Walhall. An der Stelle, wo der Regenbogen<lb/> aufsteht, liegt eine goldne Schüssel oder Schale, das Abbild des Wolkenkessels,<lb/> in der ein goldner Schatz liegt. Aus dem Regenbogen fallen Goldmünzen zur<lb/> Erde nieder, und zufällig gefundne Goldbleche heißen Negenbogenschüsselein.<lb/> Der in der Sage wiederkehrende wunderbare Ring geht wohl auf diesen ban¬<lb/> nender Ring zurück und ist nicht eine verblaßte Form des Halsbandes.</p><lb/> <p xml:id="ID_120"> Um zu jener Vorstellung zu gelangen, mußte mau sich die Wolken mit<lb/> Wesen belebt denken. Allgemein ist jetzt wohl die Anschauung durchgedrungen,<lb/> daß die dort oben ihr Wesen treibenden Gestalten ursprünglich als Tiere er¬<lb/> schienen, die dann bald gewisse überirdische Funktionen erhielten. Diese wurden<lb/> natürlich nach menschlichem Maßstab gemessen. Der die Wolkengestalten um¬<lb/> spannende Regenbogen war auf dieser Stufe die goldne Halskette, die die<lb/> im Herbst verschwindende rote Kuh, die Götterkuh Audhumbla, die über die<lb/> Himmelsbrücke geführt wird, trägt. Auch der in die Unterwelt führende Hirsch,<lb/> der Alcchirzi, ist mit dem Halsband geschmückt, und ebenso sind es die .Himmels¬<lb/> schwäne. Bei der fortschreitenden Anthropomorphisierung der Gottheiten, während<lb/> der die Tiere zu Nebenfiguren der Götter herabsanken, ging das Halsband<lb/> natürlich an eine Göttin über, und so sehen wir Frigg, später auch Freya, als<lb/> seine Besitzerin, die mit ihrem Schmuck viel Unheil anrichtet. Von den Schwänen<lb/> ging das Band auf die Schwanjungfrauen über.</p><lb/> <p xml:id="ID_121"> Der Ring umspannt die ganze Erde und hält unten die Wurzeln des Welt¬<lb/> baumes zusammen, damit die Welt nicht aus den Fugen gehe. Die nordische<lb/> Jggdrasil ist in der deutschen Sage gewöhnlich eine Eiche, und an ihrem<lb/> Fuße liegen Schätze. Hin und wieder ist aber der Baum auch eine Birke, wie<lb/> im Neinaerdt. Dieselbe Vorstellung spricht in schöner Weise die minussische<lb/> Sage von Akalhcm und Aidoli Mirgän aus:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_122" next="#ID_123"> Die erdbannende Kraft des Regenbogens, wie auch sein plötzliches, strahlendes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
Das Gold in der mythischen Vorstellung der Germanen
zwar nicht dem Kreise der Gewittererscheimmgen angehört, aber als glänzendste
aller Lichterscheinungen dem feurigen Wolkenschatz erst die schönste Zierde gewährt.
Die ursprüngliche Vorstellung betrachtete ihn als den Himmels- oder Sömmer¬
ring (so heißt er heut noch in Bayern), der die Wasser dort oben banne. Er
ist der goldne Ring, später die goldne Brücke, denn seine oberste Farbe ist gelb.
In den Wolken erscheint er, sich verdoppelnd oder verdreifachend, wie denn auch
der Ring der Heldensage die Kraft hat, sich zu vervielfältigen; aber aus der Erde
entsteht er und führt von Hel zu Walhall. An der Stelle, wo der Regenbogen
aufsteht, liegt eine goldne Schüssel oder Schale, das Abbild des Wolkenkessels,
in der ein goldner Schatz liegt. Aus dem Regenbogen fallen Goldmünzen zur
Erde nieder, und zufällig gefundne Goldbleche heißen Negenbogenschüsselein.
Der in der Sage wiederkehrende wunderbare Ring geht wohl auf diesen ban¬
nender Ring zurück und ist nicht eine verblaßte Form des Halsbandes.
Um zu jener Vorstellung zu gelangen, mußte mau sich die Wolken mit
Wesen belebt denken. Allgemein ist jetzt wohl die Anschauung durchgedrungen,
daß die dort oben ihr Wesen treibenden Gestalten ursprünglich als Tiere er¬
schienen, die dann bald gewisse überirdische Funktionen erhielten. Diese wurden
natürlich nach menschlichem Maßstab gemessen. Der die Wolkengestalten um¬
spannende Regenbogen war auf dieser Stufe die goldne Halskette, die die
im Herbst verschwindende rote Kuh, die Götterkuh Audhumbla, die über die
Himmelsbrücke geführt wird, trägt. Auch der in die Unterwelt führende Hirsch,
der Alcchirzi, ist mit dem Halsband geschmückt, und ebenso sind es die .Himmels¬
schwäne. Bei der fortschreitenden Anthropomorphisierung der Gottheiten, während
der die Tiere zu Nebenfiguren der Götter herabsanken, ging das Halsband
natürlich an eine Göttin über, und so sehen wir Frigg, später auch Freya, als
seine Besitzerin, die mit ihrem Schmuck viel Unheil anrichtet. Von den Schwänen
ging das Band auf die Schwanjungfrauen über.
Der Ring umspannt die ganze Erde und hält unten die Wurzeln des Welt¬
baumes zusammen, damit die Welt nicht aus den Fugen gehe. Die nordische
Jggdrasil ist in der deutschen Sage gewöhnlich eine Eiche, und an ihrem
Fuße liegen Schätze. Hin und wieder ist aber der Baum auch eine Birke, wie
im Neinaerdt. Dieselbe Vorstellung spricht in schöner Weise die minussische
Sage von Akalhcm und Aidoli Mirgän aus:
Die erdbannende Kraft des Regenbogens, wie auch sein plötzliches, strahlendes
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |