Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Niftheim steigen die giftigen Dünste und Nebel als verderbenbringende
Dämonen empor. Dieselben Tiere, die der Hölle angehören, liegen schützend
auf Schätzen. Die Beschreibung eines dein Cerberus ähnlichen Wesens finden
wir z. B. in dem Oarmoir et"z Lrunsvsrgn (übersetzt):

Der schwarze Höllenhund begegnet uns am häufigsten als Wächter: außer¬
dem noch die Kröte, der Drache und vor allen Dingen die Schlange, die ur¬
sprünglich nichts andres ist als Hel selber. Was in den Sumpf gerät, ist ihr
verfallen (wie die Feigen), und die Gewässer geben ihren Raub nicht wieder
her, wie die Erde. Erst wenn der Schatz in den Fluß oder Brunnen versenkt
ist, ist der Fluch von ihm genommen.

Beide Schatzörter sehen wir vereinigt im Nibelungenhort; hier ist die ur¬
sprüngliche Vorstellung gewahrt, daß er den Zwergen gehöre, aber zugleich wird
er dem Niftheim ausgeliefert, das doch mit den Geisten: der Berge, Äcker und
Felder keine Gemeinschaft hat. Unterirdische lind Unterwelt sind hier gleich¬
gestellt; da aber die Zwerge in den deutschen Mythen nirgends den Charakter
von Unterweltdämoncn angenommen haben, kann die Übertragung des Schatzes
an diese nicht in seiner ursprünglichen Natur begründet sein. Und in der Tat
scheint diese erst möglich, nachdem sich die nebelhaften Vorstellungen von den
vernichtenden, trügender und unangreifbaren Wasser- und Sumpfdämonen zu
dem ausgeprägten Begriff eines Unterweltreichs und ihrer Beherrscherin Hel
verdichtet hatten. Jetzt erst konnte der ethische Gedanke Bedeutung gewinnen,
daß der Fluch des Goldes von der Hel auferlegt sei, uur um Zwietracht und Un¬
glück zu stiften, und daß erst das Versinken des Goldes den Bann wieder lose.

Vor der Entwicklung der mythischen Vorstellungen in dieser Richtung
liegt, entsprechend dem Bergschatz, der den anthropomorvhen Vorstellungen ent-
sprungne "Wolkenschatz dort oben." Wilhelm Schwartz hat die Natur dieses
Wolkenschatzcs als des Gewitterschatzes festgestellt. Im Gewitter wurde der in
den Wolken verborgne Schatz bloßgelegt, um den die Wolkenwesen dort oben,
die Gcwitterriesen und Sturmdümonen, dann die himmlischen Götter, den Kampf
führen.

Später übertrugen sich diese in den Wolken beobachteten Erscheinungen
auf die Erde, und wir finden den Wolkenberg wieder als mit feuriger Lohe
(Waberlohe) umgebnen Berg oder damit nmgebne Burg; uur wenigen ist es
vergönnt, mit dem Blitz (der gegabelten Rute oder dein gezückten Schwert) das
Zauberschloß zu öffnen und den Schatz zu heben oder die Jungfrau zu erlösen.
Die Wasser der Wolke, in denen der Schatz den Blicken entrückt ist, werden
zu irdischen Flüssen und Brunnen (vgl. die pommerschen Kakbvrn, die kochenden
Brunnen, deren Sagen Gewittcrsagen sind); die Drachen, die das Auge in den
Wolkengestaltungen erkannte, lagern sich über den Gewässern, in denen das
Wolkengott ruht.

Das kostbarste Stück dieses Schatzes ist das goldne Halsband oder der
wunderbare Ring, nämlich der in den Wolken erscheinende Regenbogen, der


aus Niftheim steigen die giftigen Dünste und Nebel als verderbenbringende
Dämonen empor. Dieselben Tiere, die der Hölle angehören, liegen schützend
auf Schätzen. Die Beschreibung eines dein Cerberus ähnlichen Wesens finden
wir z. B. in dem Oarmoir et«z Lrunsvsrgn (übersetzt):

Der schwarze Höllenhund begegnet uns am häufigsten als Wächter: außer¬
dem noch die Kröte, der Drache und vor allen Dingen die Schlange, die ur¬
sprünglich nichts andres ist als Hel selber. Was in den Sumpf gerät, ist ihr
verfallen (wie die Feigen), und die Gewässer geben ihren Raub nicht wieder
her, wie die Erde. Erst wenn der Schatz in den Fluß oder Brunnen versenkt
ist, ist der Fluch von ihm genommen.

Beide Schatzörter sehen wir vereinigt im Nibelungenhort; hier ist die ur¬
sprüngliche Vorstellung gewahrt, daß er den Zwergen gehöre, aber zugleich wird
er dem Niftheim ausgeliefert, das doch mit den Geisten: der Berge, Äcker und
Felder keine Gemeinschaft hat. Unterirdische lind Unterwelt sind hier gleich¬
gestellt; da aber die Zwerge in den deutschen Mythen nirgends den Charakter
von Unterweltdämoncn angenommen haben, kann die Übertragung des Schatzes
an diese nicht in seiner ursprünglichen Natur begründet sein. Und in der Tat
scheint diese erst möglich, nachdem sich die nebelhaften Vorstellungen von den
vernichtenden, trügender und unangreifbaren Wasser- und Sumpfdämonen zu
dem ausgeprägten Begriff eines Unterweltreichs und ihrer Beherrscherin Hel
verdichtet hatten. Jetzt erst konnte der ethische Gedanke Bedeutung gewinnen,
daß der Fluch des Goldes von der Hel auferlegt sei, uur um Zwietracht und Un¬
glück zu stiften, und daß erst das Versinken des Goldes den Bann wieder lose.

Vor der Entwicklung der mythischen Vorstellungen in dieser Richtung
liegt, entsprechend dem Bergschatz, der den anthropomorvhen Vorstellungen ent-
sprungne „Wolkenschatz dort oben." Wilhelm Schwartz hat die Natur dieses
Wolkenschatzcs als des Gewitterschatzes festgestellt. Im Gewitter wurde der in
den Wolken verborgne Schatz bloßgelegt, um den die Wolkenwesen dort oben,
die Gcwitterriesen und Sturmdümonen, dann die himmlischen Götter, den Kampf
führen.

Später übertrugen sich diese in den Wolken beobachteten Erscheinungen
auf die Erde, und wir finden den Wolkenberg wieder als mit feuriger Lohe
(Waberlohe) umgebnen Berg oder damit nmgebne Burg; uur wenigen ist es
vergönnt, mit dem Blitz (der gegabelten Rute oder dein gezückten Schwert) das
Zauberschloß zu öffnen und den Schatz zu heben oder die Jungfrau zu erlösen.
Die Wasser der Wolke, in denen der Schatz den Blicken entrückt ist, werden
zu irdischen Flüssen und Brunnen (vgl. die pommerschen Kakbvrn, die kochenden
Brunnen, deren Sagen Gewittcrsagen sind); die Drachen, die das Auge in den
Wolkengestaltungen erkannte, lagern sich über den Gewässern, in denen das
Wolkengott ruht.

Das kostbarste Stück dieses Schatzes ist das goldne Halsband oder der
wunderbare Ring, nämlich der in den Wolken erscheinende Regenbogen, der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242115"/>
          <p xml:id="ID_113" prev="#ID_112"> aus Niftheim steigen die giftigen Dünste und Nebel als verderbenbringende<lb/>
Dämonen empor. Dieselben Tiere, die der Hölle angehören, liegen schützend<lb/>
auf Schätzen. Die Beschreibung eines dein Cerberus ähnlichen Wesens finden<lb/>
wir z. B. in dem Oarmoir et«z Lrunsvsrgn (übersetzt):</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_2" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_114"> Der schwarze Höllenhund begegnet uns am häufigsten als Wächter: außer¬<lb/>
dem noch die Kröte, der Drache und vor allen Dingen die Schlange, die ur¬<lb/>
sprünglich nichts andres ist als Hel selber. Was in den Sumpf gerät, ist ihr<lb/>
verfallen (wie die Feigen), und die Gewässer geben ihren Raub nicht wieder<lb/>
her, wie die Erde. Erst wenn der Schatz in den Fluß oder Brunnen versenkt<lb/>
ist, ist der Fluch von ihm genommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_115"> Beide Schatzörter sehen wir vereinigt im Nibelungenhort; hier ist die ur¬<lb/>
sprüngliche Vorstellung gewahrt, daß er den Zwergen gehöre, aber zugleich wird<lb/>
er dem Niftheim ausgeliefert, das doch mit den Geisten: der Berge, Äcker und<lb/>
Felder keine Gemeinschaft hat. Unterirdische lind Unterwelt sind hier gleich¬<lb/>
gestellt; da aber die Zwerge in den deutschen Mythen nirgends den Charakter<lb/>
von Unterweltdämoncn angenommen haben, kann die Übertragung des Schatzes<lb/>
an diese nicht in seiner ursprünglichen Natur begründet sein. Und in der Tat<lb/>
scheint diese erst möglich, nachdem sich die nebelhaften Vorstellungen von den<lb/>
vernichtenden, trügender und unangreifbaren Wasser- und Sumpfdämonen zu<lb/>
dem ausgeprägten Begriff eines Unterweltreichs und ihrer Beherrscherin Hel<lb/>
verdichtet hatten. Jetzt erst konnte der ethische Gedanke Bedeutung gewinnen,<lb/>
daß der Fluch des Goldes von der Hel auferlegt sei, uur um Zwietracht und Un¬<lb/>
glück zu stiften, und daß erst das Versinken des Goldes den Bann wieder lose.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_116"> Vor der Entwicklung der mythischen Vorstellungen in dieser Richtung<lb/>
liegt, entsprechend dem Bergschatz, der den anthropomorvhen Vorstellungen ent-<lb/>
sprungne &#x201E;Wolkenschatz dort oben." Wilhelm Schwartz hat die Natur dieses<lb/>
Wolkenschatzcs als des Gewitterschatzes festgestellt. Im Gewitter wurde der in<lb/>
den Wolken verborgne Schatz bloßgelegt, um den die Wolkenwesen dort oben,<lb/>
die Gcwitterriesen und Sturmdümonen, dann die himmlischen Götter, den Kampf<lb/>
führen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_117"> Später übertrugen sich diese in den Wolken beobachteten Erscheinungen<lb/>
auf die Erde, und wir finden den Wolkenberg wieder als mit feuriger Lohe<lb/>
(Waberlohe) umgebnen Berg oder damit nmgebne Burg; uur wenigen ist es<lb/>
vergönnt, mit dem Blitz (der gegabelten Rute oder dein gezückten Schwert) das<lb/>
Zauberschloß zu öffnen und den Schatz zu heben oder die Jungfrau zu erlösen.<lb/>
Die Wasser der Wolke, in denen der Schatz den Blicken entrückt ist, werden<lb/>
zu irdischen Flüssen und Brunnen (vgl. die pommerschen Kakbvrn, die kochenden<lb/>
Brunnen, deren Sagen Gewittcrsagen sind); die Drachen, die das Auge in den<lb/>
Wolkengestaltungen erkannte, lagern sich über den Gewässern, in denen das<lb/>
Wolkengott ruht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_118" next="#ID_119"> Das kostbarste Stück dieses Schatzes ist das goldne Halsband oder der<lb/>
wunderbare Ring, nämlich der in den Wolken erscheinende Regenbogen, der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] aus Niftheim steigen die giftigen Dünste und Nebel als verderbenbringende Dämonen empor. Dieselben Tiere, die der Hölle angehören, liegen schützend auf Schätzen. Die Beschreibung eines dein Cerberus ähnlichen Wesens finden wir z. B. in dem Oarmoir et«z Lrunsvsrgn (übersetzt): Der schwarze Höllenhund begegnet uns am häufigsten als Wächter: außer¬ dem noch die Kröte, der Drache und vor allen Dingen die Schlange, die ur¬ sprünglich nichts andres ist als Hel selber. Was in den Sumpf gerät, ist ihr verfallen (wie die Feigen), und die Gewässer geben ihren Raub nicht wieder her, wie die Erde. Erst wenn der Schatz in den Fluß oder Brunnen versenkt ist, ist der Fluch von ihm genommen. Beide Schatzörter sehen wir vereinigt im Nibelungenhort; hier ist die ur¬ sprüngliche Vorstellung gewahrt, daß er den Zwergen gehöre, aber zugleich wird er dem Niftheim ausgeliefert, das doch mit den Geisten: der Berge, Äcker und Felder keine Gemeinschaft hat. Unterirdische lind Unterwelt sind hier gleich¬ gestellt; da aber die Zwerge in den deutschen Mythen nirgends den Charakter von Unterweltdämoncn angenommen haben, kann die Übertragung des Schatzes an diese nicht in seiner ursprünglichen Natur begründet sein. Und in der Tat scheint diese erst möglich, nachdem sich die nebelhaften Vorstellungen von den vernichtenden, trügender und unangreifbaren Wasser- und Sumpfdämonen zu dem ausgeprägten Begriff eines Unterweltreichs und ihrer Beherrscherin Hel verdichtet hatten. Jetzt erst konnte der ethische Gedanke Bedeutung gewinnen, daß der Fluch des Goldes von der Hel auferlegt sei, uur um Zwietracht und Un¬ glück zu stiften, und daß erst das Versinken des Goldes den Bann wieder lose. Vor der Entwicklung der mythischen Vorstellungen in dieser Richtung liegt, entsprechend dem Bergschatz, der den anthropomorvhen Vorstellungen ent- sprungne „Wolkenschatz dort oben." Wilhelm Schwartz hat die Natur dieses Wolkenschatzcs als des Gewitterschatzes festgestellt. Im Gewitter wurde der in den Wolken verborgne Schatz bloßgelegt, um den die Wolkenwesen dort oben, die Gcwitterriesen und Sturmdümonen, dann die himmlischen Götter, den Kampf führen. Später übertrugen sich diese in den Wolken beobachteten Erscheinungen auf die Erde, und wir finden den Wolkenberg wieder als mit feuriger Lohe (Waberlohe) umgebnen Berg oder damit nmgebne Burg; uur wenigen ist es vergönnt, mit dem Blitz (der gegabelten Rute oder dein gezückten Schwert) das Zauberschloß zu öffnen und den Schatz zu heben oder die Jungfrau zu erlösen. Die Wasser der Wolke, in denen der Schatz den Blicken entrückt ist, werden zu irdischen Flüssen und Brunnen (vgl. die pommerschen Kakbvrn, die kochenden Brunnen, deren Sagen Gewittcrsagen sind); die Drachen, die das Auge in den Wolkengestaltungen erkannte, lagern sich über den Gewässern, in denen das Wolkengott ruht. Das kostbarste Stück dieses Schatzes ist das goldne Halsband oder der wunderbare Ring, nämlich der in den Wolken erscheinende Regenbogen, der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/47
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/47>, abgerufen am 26.06.2024.