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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Verfassungsrechte zu erwürgen strebt und die Fundamente der preußischen Königs¬
herrschaft mit kaum noch verhülltem Hoch- und Landesverrat unterwühlt. Die Er¬
innerung an die Rolle der Polen in der Nevolutionsbcwegnng von 1848/49 ist
noch frisch. Im Jahre 1863 ist die polnische Neigung, anzutun, nur durch
ein sehr starkes und rechtzeitiges Prävenire niedergehalten worden. Sie waren
die ersten, die Bismarcks eherne Faust fühlten, während zugleich der Feldjäger nach
Kassel wie ein Wegzeiger in die deutsche Zukunft ging. Posen aber liegt mit vier bis
fünf Eisenbahnstunden Berlin zu nahe, als daß die antideutschen Regungen in der
Provinz, soweit sie einen bedrohlichen Charakter haben, nicht mit allen Mitteln
bekämpft werden sollten. Mit allen Mitteln -- nur mit dem Reden fortan nicht
mehr! Es hat wirklich keinen Zweck, den Polen täglich ihre Undankbarkeit und
ihre Gefährlichkeit vorzuhalten und ihnen in zweistündiger Dauer vorzuerzählen,
wie mau ihre Widerhnarigkeit zu brechen gedenke. An die Undankbarkeit glauben
sie nicht, die Gefährlichkeit freut sie und ist ihr Ziel; ihre Widerhaarigkeit konnte
nur an Zuversicht und Stärke gewinnen, wenn sie die Schlachtlinie der bisherigen
Mittel der deutschen Abwehr überschauten. Denn die Hauptwaffe, das Ansiedlungs-
gcsetz, hat sich doch als für uns recht zweischneidig erwiesen. Ebenso wie das
Sozialistengesetz seinen Zweck nicht erfüllen konnte, weil es nicht als ein dauerndes
gegeben worden war, sondern dnrch kurze Fristverlängerungen in der Wirkung
abgestumpft und bei jeder Neuwahl des Reichstags als Popularitätsköder für den
"echten" Volksmann aufgesteckt wurde, so mußte sich die mit dem Ansiedlnngs-
gesetz beabsichtigte Wirkung schließlich in ihr Gegenteil verkehren, weil die Be¬
stimmung fehlte, daß die mit Staatsgcldern aufgekauften Polen damit zugleich
die Staatsangehörigkeit aufzugeben und auszuwandern hätten. So blieben sie, durch
preußische Staatsgelder vom wirtschaftlichen Niedergange errettet, im Lande, zogen
in die Städte, kauften sich dort oder in der Provinz von neuem an, und die durch
langjährige Zinslosigleit ihrer Hypotheken bedrohten Familien empfingen aus den
preußischen Staatskassen den schon verloren geglaubten Besitz bar und blank zurück.
Das langsam hinsiechende Polentum ist durch das Ausiedluugsgesetz schier wieder gesund
und lebenskräftig geworden; ein gut Teil der preußischen Staatsgelder füllt die
feindlichen Kriegskassen. Schon fangen die Polen wieder an, die Deutschen aus¬
zulaufen, und es finden sich leider deutsche Besitzer, mehr als anzunehmen war, die
jedes nationalen Pflichtgefühls bar sich zuerst von der Ansiedlungskommission den
Preis machen lassen, damit ihn dann die Polen überbieten. Es gehört in das
Ansiedluugsgesetz die weitere Bestimmung, daß jeder Übergang deutscher Güter in
polnische Hände der Zustimmung des Oberpräsidenten und der Ansiedlungskommission
bedarf. Wenn man den Zweck will, muß man die Mittel wollen und ganze
Arbeit machen. Solange das Ansiedluugsgesetz diese Lücke" behält, wird es seineu
Zweck überhaupt nicht oder nur sehr kümmerlich erfüllen, den Vorteil davon aber
werden die Polen haben. Ihre Abgeordneten würden logisch ganz richtig handeln,
wenn sie in jeder Session des preußischen Landtags eine Erhöhung des Ansiedlungs-
fvnds beautragtcu, der sie wirtschaftlich und damit politisch kräftigt.

Bei der Eröffnungsfeier der Akademie hat der Kultusminister das ressortmäßige
Sprüchlein gesagt, den politischen Segen erteilte namens des Reichskanzlers der
von diesem gesandte Vertreter; Graf Bülow hatte just an dem Tage die neuste
deutsch-russische Umarmung verantwortlich zu kontrasignieren. Ist die Wiesbadner
Umarmung ehrlich und von Dauer, so gibt sie für die Posener Feier einen sehr
passenden Rahmen, der leicht wertvoller werden kann, als das Bild selbst. Wie
es sich für einen deutschen gelehrten Mann ziemt, begann der Herr Kultusminister
s.o ovo. Oder war es mir eine "zeitgemäße" Einleitung, daß er die Anfänge
der Kultur in der Ostmark um ein Jahrtausend zurück in die Hände von Ordens¬
brüdern und Weltgeistlichen verlegte, deren heutige Nachfolger mit die nachhaltigsten
Gegner der deutschen Herrschaft und selbstverständlich auch dieser deutschen Akademie
sind, wenngleich sich das Domkapitel dnrch eine Abordnung hatte vertreten lassen
und sich auch dem Festschmaus nicht versagte. Hübscher war das Bild von der


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Verfassungsrechte zu erwürgen strebt und die Fundamente der preußischen Königs¬
herrschaft mit kaum noch verhülltem Hoch- und Landesverrat unterwühlt. Die Er¬
innerung an die Rolle der Polen in der Nevolutionsbcwegnng von 1848/49 ist
noch frisch. Im Jahre 1863 ist die polnische Neigung, anzutun, nur durch
ein sehr starkes und rechtzeitiges Prävenire niedergehalten worden. Sie waren
die ersten, die Bismarcks eherne Faust fühlten, während zugleich der Feldjäger nach
Kassel wie ein Wegzeiger in die deutsche Zukunft ging. Posen aber liegt mit vier bis
fünf Eisenbahnstunden Berlin zu nahe, als daß die antideutschen Regungen in der
Provinz, soweit sie einen bedrohlichen Charakter haben, nicht mit allen Mitteln
bekämpft werden sollten. Mit allen Mitteln — nur mit dem Reden fortan nicht
mehr! Es hat wirklich keinen Zweck, den Polen täglich ihre Undankbarkeit und
ihre Gefährlichkeit vorzuhalten und ihnen in zweistündiger Dauer vorzuerzählen,
wie mau ihre Widerhnarigkeit zu brechen gedenke. An die Undankbarkeit glauben
sie nicht, die Gefährlichkeit freut sie und ist ihr Ziel; ihre Widerhaarigkeit konnte
nur an Zuversicht und Stärke gewinnen, wenn sie die Schlachtlinie der bisherigen
Mittel der deutschen Abwehr überschauten. Denn die Hauptwaffe, das Ansiedlungs-
gcsetz, hat sich doch als für uns recht zweischneidig erwiesen. Ebenso wie das
Sozialistengesetz seinen Zweck nicht erfüllen konnte, weil es nicht als ein dauerndes
gegeben worden war, sondern dnrch kurze Fristverlängerungen in der Wirkung
abgestumpft und bei jeder Neuwahl des Reichstags als Popularitätsköder für den
„echten" Volksmann aufgesteckt wurde, so mußte sich die mit dem Ansiedlnngs-
gesetz beabsichtigte Wirkung schließlich in ihr Gegenteil verkehren, weil die Be¬
stimmung fehlte, daß die mit Staatsgcldern aufgekauften Polen damit zugleich
die Staatsangehörigkeit aufzugeben und auszuwandern hätten. So blieben sie, durch
preußische Staatsgelder vom wirtschaftlichen Niedergange errettet, im Lande, zogen
in die Städte, kauften sich dort oder in der Provinz von neuem an, und die durch
langjährige Zinslosigleit ihrer Hypotheken bedrohten Familien empfingen aus den
preußischen Staatskassen den schon verloren geglaubten Besitz bar und blank zurück.
Das langsam hinsiechende Polentum ist durch das Ausiedluugsgesetz schier wieder gesund
und lebenskräftig geworden; ein gut Teil der preußischen Staatsgelder füllt die
feindlichen Kriegskassen. Schon fangen die Polen wieder an, die Deutschen aus¬
zulaufen, und es finden sich leider deutsche Besitzer, mehr als anzunehmen war, die
jedes nationalen Pflichtgefühls bar sich zuerst von der Ansiedlungskommission den
Preis machen lassen, damit ihn dann die Polen überbieten. Es gehört in das
Ansiedluugsgesetz die weitere Bestimmung, daß jeder Übergang deutscher Güter in
polnische Hände der Zustimmung des Oberpräsidenten und der Ansiedlungskommission
bedarf. Wenn man den Zweck will, muß man die Mittel wollen und ganze
Arbeit machen. Solange das Ansiedluugsgesetz diese Lücke» behält, wird es seineu
Zweck überhaupt nicht oder nur sehr kümmerlich erfüllen, den Vorteil davon aber
werden die Polen haben. Ihre Abgeordneten würden logisch ganz richtig handeln,
wenn sie in jeder Session des preußischen Landtags eine Erhöhung des Ansiedlungs-
fvnds beautragtcu, der sie wirtschaftlich und damit politisch kräftigt.

Bei der Eröffnungsfeier der Akademie hat der Kultusminister das ressortmäßige
Sprüchlein gesagt, den politischen Segen erteilte namens des Reichskanzlers der
von diesem gesandte Vertreter; Graf Bülow hatte just an dem Tage die neuste
deutsch-russische Umarmung verantwortlich zu kontrasignieren. Ist die Wiesbadner
Umarmung ehrlich und von Dauer, so gibt sie für die Posener Feier einen sehr
passenden Rahmen, der leicht wertvoller werden kann, als das Bild selbst. Wie
es sich für einen deutschen gelehrten Mann ziemt, begann der Herr Kultusminister
s.o ovo. Oder war es mir eine „zeitgemäße" Einleitung, daß er die Anfänge
der Kultur in der Ostmark um ein Jahrtausend zurück in die Hände von Ordens¬
brüdern und Weltgeistlichen verlegte, deren heutige Nachfolger mit die nachhaltigsten
Gegner der deutschen Herrschaft und selbstverständlich auch dieser deutschen Akademie
sind, wenngleich sich das Domkapitel dnrch eine Abordnung hatte vertreten lassen
und sich auch dem Festschmaus nicht versagte. Hübscher war das Bild von der


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[0470] Maßgebliches und Unmaßgebliches Verfassungsrechte zu erwürgen strebt und die Fundamente der preußischen Königs¬ herrschaft mit kaum noch verhülltem Hoch- und Landesverrat unterwühlt. Die Er¬ innerung an die Rolle der Polen in der Nevolutionsbcwegnng von 1848/49 ist noch frisch. Im Jahre 1863 ist die polnische Neigung, anzutun, nur durch ein sehr starkes und rechtzeitiges Prävenire niedergehalten worden. Sie waren die ersten, die Bismarcks eherne Faust fühlten, während zugleich der Feldjäger nach Kassel wie ein Wegzeiger in die deutsche Zukunft ging. Posen aber liegt mit vier bis fünf Eisenbahnstunden Berlin zu nahe, als daß die antideutschen Regungen in der Provinz, soweit sie einen bedrohlichen Charakter haben, nicht mit allen Mitteln bekämpft werden sollten. Mit allen Mitteln — nur mit dem Reden fortan nicht mehr! Es hat wirklich keinen Zweck, den Polen täglich ihre Undankbarkeit und ihre Gefährlichkeit vorzuhalten und ihnen in zweistündiger Dauer vorzuerzählen, wie mau ihre Widerhnarigkeit zu brechen gedenke. An die Undankbarkeit glauben sie nicht, die Gefährlichkeit freut sie und ist ihr Ziel; ihre Widerhaarigkeit konnte nur an Zuversicht und Stärke gewinnen, wenn sie die Schlachtlinie der bisherigen Mittel der deutschen Abwehr überschauten. Denn die Hauptwaffe, das Ansiedlungs- gcsetz, hat sich doch als für uns recht zweischneidig erwiesen. Ebenso wie das Sozialistengesetz seinen Zweck nicht erfüllen konnte, weil es nicht als ein dauerndes gegeben worden war, sondern dnrch kurze Fristverlängerungen in der Wirkung abgestumpft und bei jeder Neuwahl des Reichstags als Popularitätsköder für den „echten" Volksmann aufgesteckt wurde, so mußte sich die mit dem Ansiedlnngs- gesetz beabsichtigte Wirkung schließlich in ihr Gegenteil verkehren, weil die Be¬ stimmung fehlte, daß die mit Staatsgcldern aufgekauften Polen damit zugleich die Staatsangehörigkeit aufzugeben und auszuwandern hätten. So blieben sie, durch preußische Staatsgelder vom wirtschaftlichen Niedergange errettet, im Lande, zogen in die Städte, kauften sich dort oder in der Provinz von neuem an, und die durch langjährige Zinslosigleit ihrer Hypotheken bedrohten Familien empfingen aus den preußischen Staatskassen den schon verloren geglaubten Besitz bar und blank zurück. Das langsam hinsiechende Polentum ist durch das Ausiedluugsgesetz schier wieder gesund und lebenskräftig geworden; ein gut Teil der preußischen Staatsgelder füllt die feindlichen Kriegskassen. Schon fangen die Polen wieder an, die Deutschen aus¬ zulaufen, und es finden sich leider deutsche Besitzer, mehr als anzunehmen war, die jedes nationalen Pflichtgefühls bar sich zuerst von der Ansiedlungskommission den Preis machen lassen, damit ihn dann die Polen überbieten. Es gehört in das Ansiedluugsgesetz die weitere Bestimmung, daß jeder Übergang deutscher Güter in polnische Hände der Zustimmung des Oberpräsidenten und der Ansiedlungskommission bedarf. Wenn man den Zweck will, muß man die Mittel wollen und ganze Arbeit machen. Solange das Ansiedluugsgesetz diese Lücke» behält, wird es seineu Zweck überhaupt nicht oder nur sehr kümmerlich erfüllen, den Vorteil davon aber werden die Polen haben. Ihre Abgeordneten würden logisch ganz richtig handeln, wenn sie in jeder Session des preußischen Landtags eine Erhöhung des Ansiedlungs- fvnds beautragtcu, der sie wirtschaftlich und damit politisch kräftigt. Bei der Eröffnungsfeier der Akademie hat der Kultusminister das ressortmäßige Sprüchlein gesagt, den politischen Segen erteilte namens des Reichskanzlers der von diesem gesandte Vertreter; Graf Bülow hatte just an dem Tage die neuste deutsch-russische Umarmung verantwortlich zu kontrasignieren. Ist die Wiesbadner Umarmung ehrlich und von Dauer, so gibt sie für die Posener Feier einen sehr passenden Rahmen, der leicht wertvoller werden kann, als das Bild selbst. Wie es sich für einen deutschen gelehrten Mann ziemt, begann der Herr Kultusminister s.o ovo. Oder war es mir eine „zeitgemäße" Einleitung, daß er die Anfänge der Kultur in der Ostmark um ein Jahrtausend zurück in die Hände von Ordens¬ brüdern und Weltgeistlichen verlegte, deren heutige Nachfolger mit die nachhaltigsten Gegner der deutschen Herrschaft und selbstverständlich auch dieser deutschen Akademie sind, wenngleich sich das Domkapitel dnrch eine Abordnung hatte vertreten lassen und sich auch dem Festschmaus nicht versagte. Hübscher war das Bild von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/470>, abgerufen am 26.06.2024.