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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei Seelen

steinernen Bilde gleich, über dem doch ein Hauch wunderscimen Lebens schwebte,
züngelte die Glut in mir wieder in hellen Flammen auf, und es bemächtigte sich
meiner ein leidenschaftliches Verlangen, hinter das Geheimnis dieses träumenden
Götterbildes zu kommen. Denn es war kein Zweifel, daß ich da in eine gro߬
artige Natur hineinschauen würde, und daß ein so wunderschöner Leib auch eine
wunderschöne Seele umschließen müsse. Da ich ihr uun auf keine andre Weise
nahe zu kommen wußte, als indem ich die ganze Gesellschaft in eine fröhliche
Stimmung hineintrieb, so setzte ich, den schönen Abend und eine bevorstehende Ver¬
änderung in meinen Lebensverhältnissen als Vorwnnd nehmend, einige Flaschen Wein,
so gut sie von dem Wirte geliefert werden konnten, und von dem schwefligen Gifte
stieg denn auch bald ein ausgelassener Geist empor und verwirrte unsre Köpfe.
Auch Laurette rückie, nachdem sie sich die Geschichte eine Zeit lang von ferne ange¬
sehen und nur hin und wieder einmal den Mund flüchtig an das ihr dargebotne
Glas gesetzt hatte, allmählich näher und nahm zuletzt neben mir Platz. Schon sah
sie ein wenig vergnügter aus, und über ihr Antlitz zog ein rosiger Schein, der
mir eine Ahnung davon gab, wie herrlich es erst sein müsse, wenn die Sonne
vollends über ihrem Gesicht aufginge.

Als wir so einige Stunde" gezecht hatten, und der Wirt seinen Keller schließen
wollte, schlug Laurettens Vater vor, in seiner Wohnung noch einige weitere Stunden
zu verbringen. Seine Tochter werde uus einen Schlummerpunsch und zuletzt einen
Kaffee bereiten, worauf wir den Tag als würdig beschlossen ansehen dürften. Das
wurde angenommen. Laurette hängte sich an meinen Arm und plauderte fröhlich,
sodaß ich also annehmen konnte, der Augenblick, wo die Souue aufgehn werde, stehe
unmittelbar bevor. In einem dunkeln Hause stiegen wir die Treppen bis fast in
den Himmel hinauf, und in deu Himmel ging es ja auch, da mich Laurette an
der Hand hielt und sich an mich anschmiegte, sodaß sie mir fast in den Armen
richte. Die Herren nahmen nun ihre Plätze ein und wartete" mit einer Ungeduld,
als hätten sie den ganzen Abend vor einem trocknen Trog gesessen, auf das köstliche
Getrüuk, das Laurette bereitete. Sie schien in solchen Dingen keine Übung zu haben,
denn aller Augenblicke tauchte ihr schöner Kopf an der Türöffnung auf, und sie hatte
immer wieder etwas zu frage", bis ich es endlich wagte, nnfznstehn und mich uebe"
sie a" den rußigen Herd zu stellen. Dort flüsterten wir miteinander, suchten uns
mit den Angen und Händen und kochten. Ich war schon längst berauscht, ehe dos
Getränk auf dem Tisch stand, und in dieser aus heißem Punsch und sinnlichem
Feuer entstandnen Glut schmolz alles, was an bessern: Leben in mir war, und
wurde zu einem glühenden Lavastrom, der sein"n Weg dahin suchte, wohin ein
Strom rinnt, niederwärts, und der, wohin er kam, Tod und Verderben mit sich
brachte.

Lauretteus Vater war ein ehemaliger Schlossermeister, der angeblich eines
Augenleidens wegen, weshalb er anch eine blane Brille trug, seinen Beruf auf¬
gegeben hatte. In Wirklichkeit hatte er schlechte Streiche gemacht, indem er die
Kinder seiner Schwester, deren Vormund er gewesen war, um ihr Vermögen be¬
trogen hatte. Um sich nun vor einer Bestrafung zu schützen, hatte er dann ein
weiteres Verbrechen begangen. Es wohnte in seiner Nähe eine alte Dame, deren
ganzes Lebensbemühen darauf gerichtet war, Geld zu Geld aufzusammeln. Sie
hatte also gegeizt, gedarbt und fast gehungert. Weil ihr aber dieser Weg zum
Reichtum zu langwierig erschienen war, so hatte sie allmählich auch zu spekulieren
angefangen und Geld auf hohe Zinsen ausgeliehen, war hierbei jedoch mehrmals in
große Verluste geraten und hatte es erleben müssen, daß die mühsam zusammen¬
gelesenen Körner wie Spreu im Winde verwehten. In ihrer Bekümmernis hatte
sie sich an Ostroth, so hieß Laurettens Vater, gewandt, der damals noch in dem
Ruhe eines ehrbaren und ausnehmend klugen Mannes stand, und war von ihm
auch so wohl beraten worden, daß sie ihre Auge" mit dem ruhigen Bewußtsein
schließen konnte, ihren lachenden Erben- einen reichen Schatz zu hinterlassen. Als


Zwei Seelen

steinernen Bilde gleich, über dem doch ein Hauch wunderscimen Lebens schwebte,
züngelte die Glut in mir wieder in hellen Flammen auf, und es bemächtigte sich
meiner ein leidenschaftliches Verlangen, hinter das Geheimnis dieses träumenden
Götterbildes zu kommen. Denn es war kein Zweifel, daß ich da in eine gro߬
artige Natur hineinschauen würde, und daß ein so wunderschöner Leib auch eine
wunderschöne Seele umschließen müsse. Da ich ihr uun auf keine andre Weise
nahe zu kommen wußte, als indem ich die ganze Gesellschaft in eine fröhliche
Stimmung hineintrieb, so setzte ich, den schönen Abend und eine bevorstehende Ver¬
änderung in meinen Lebensverhältnissen als Vorwnnd nehmend, einige Flaschen Wein,
so gut sie von dem Wirte geliefert werden konnten, und von dem schwefligen Gifte
stieg denn auch bald ein ausgelassener Geist empor und verwirrte unsre Köpfe.
Auch Laurette rückie, nachdem sie sich die Geschichte eine Zeit lang von ferne ange¬
sehen und nur hin und wieder einmal den Mund flüchtig an das ihr dargebotne
Glas gesetzt hatte, allmählich näher und nahm zuletzt neben mir Platz. Schon sah
sie ein wenig vergnügter aus, und über ihr Antlitz zog ein rosiger Schein, der
mir eine Ahnung davon gab, wie herrlich es erst sein müsse, wenn die Sonne
vollends über ihrem Gesicht aufginge.

Als wir so einige Stunde» gezecht hatten, und der Wirt seinen Keller schließen
wollte, schlug Laurettens Vater vor, in seiner Wohnung noch einige weitere Stunden
zu verbringen. Seine Tochter werde uus einen Schlummerpunsch und zuletzt einen
Kaffee bereiten, worauf wir den Tag als würdig beschlossen ansehen dürften. Das
wurde angenommen. Laurette hängte sich an meinen Arm und plauderte fröhlich,
sodaß ich also annehmen konnte, der Augenblick, wo die Souue aufgehn werde, stehe
unmittelbar bevor. In einem dunkeln Hause stiegen wir die Treppen bis fast in
den Himmel hinauf, und in deu Himmel ging es ja auch, da mich Laurette an
der Hand hielt und sich an mich anschmiegte, sodaß sie mir fast in den Armen
richte. Die Herren nahmen nun ihre Plätze ein und wartete» mit einer Ungeduld,
als hätten sie den ganzen Abend vor einem trocknen Trog gesessen, auf das köstliche
Getrüuk, das Laurette bereitete. Sie schien in solchen Dingen keine Übung zu haben,
denn aller Augenblicke tauchte ihr schöner Kopf an der Türöffnung auf, und sie hatte
immer wieder etwas zu frage», bis ich es endlich wagte, nnfznstehn und mich uebe»
sie a» den rußigen Herd zu stellen. Dort flüsterten wir miteinander, suchten uns
mit den Angen und Händen und kochten. Ich war schon längst berauscht, ehe dos
Getränk auf dem Tisch stand, und in dieser aus heißem Punsch und sinnlichem
Feuer entstandnen Glut schmolz alles, was an bessern: Leben in mir war, und
wurde zu einem glühenden Lavastrom, der sein"n Weg dahin suchte, wohin ein
Strom rinnt, niederwärts, und der, wohin er kam, Tod und Verderben mit sich
brachte.

Lauretteus Vater war ein ehemaliger Schlossermeister, der angeblich eines
Augenleidens wegen, weshalb er anch eine blane Brille trug, seinen Beruf auf¬
gegeben hatte. In Wirklichkeit hatte er schlechte Streiche gemacht, indem er die
Kinder seiner Schwester, deren Vormund er gewesen war, um ihr Vermögen be¬
trogen hatte. Um sich nun vor einer Bestrafung zu schützen, hatte er dann ein
weiteres Verbrechen begangen. Es wohnte in seiner Nähe eine alte Dame, deren
ganzes Lebensbemühen darauf gerichtet war, Geld zu Geld aufzusammeln. Sie
hatte also gegeizt, gedarbt und fast gehungert. Weil ihr aber dieser Weg zum
Reichtum zu langwierig erschienen war, so hatte sie allmählich auch zu spekulieren
angefangen und Geld auf hohe Zinsen ausgeliehen, war hierbei jedoch mehrmals in
große Verluste geraten und hatte es erleben müssen, daß die mühsam zusammen¬
gelesenen Körner wie Spreu im Winde verwehten. In ihrer Bekümmernis hatte
sie sich an Ostroth, so hieß Laurettens Vater, gewandt, der damals noch in dem
Ruhe eines ehrbaren und ausnehmend klugen Mannes stand, und war von ihm
auch so wohl beraten worden, daß sie ihre Auge» mit dem ruhigen Bewußtsein
schließen konnte, ihren lachenden Erben- einen reichen Schatz zu hinterlassen. Als


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[0458] Zwei Seelen steinernen Bilde gleich, über dem doch ein Hauch wunderscimen Lebens schwebte, züngelte die Glut in mir wieder in hellen Flammen auf, und es bemächtigte sich meiner ein leidenschaftliches Verlangen, hinter das Geheimnis dieses träumenden Götterbildes zu kommen. Denn es war kein Zweifel, daß ich da in eine gro߬ artige Natur hineinschauen würde, und daß ein so wunderschöner Leib auch eine wunderschöne Seele umschließen müsse. Da ich ihr uun auf keine andre Weise nahe zu kommen wußte, als indem ich die ganze Gesellschaft in eine fröhliche Stimmung hineintrieb, so setzte ich, den schönen Abend und eine bevorstehende Ver¬ änderung in meinen Lebensverhältnissen als Vorwnnd nehmend, einige Flaschen Wein, so gut sie von dem Wirte geliefert werden konnten, und von dem schwefligen Gifte stieg denn auch bald ein ausgelassener Geist empor und verwirrte unsre Köpfe. Auch Laurette rückie, nachdem sie sich die Geschichte eine Zeit lang von ferne ange¬ sehen und nur hin und wieder einmal den Mund flüchtig an das ihr dargebotne Glas gesetzt hatte, allmählich näher und nahm zuletzt neben mir Platz. Schon sah sie ein wenig vergnügter aus, und über ihr Antlitz zog ein rosiger Schein, der mir eine Ahnung davon gab, wie herrlich es erst sein müsse, wenn die Sonne vollends über ihrem Gesicht aufginge. Als wir so einige Stunde» gezecht hatten, und der Wirt seinen Keller schließen wollte, schlug Laurettens Vater vor, in seiner Wohnung noch einige weitere Stunden zu verbringen. Seine Tochter werde uus einen Schlummerpunsch und zuletzt einen Kaffee bereiten, worauf wir den Tag als würdig beschlossen ansehen dürften. Das wurde angenommen. Laurette hängte sich an meinen Arm und plauderte fröhlich, sodaß ich also annehmen konnte, der Augenblick, wo die Souue aufgehn werde, stehe unmittelbar bevor. In einem dunkeln Hause stiegen wir die Treppen bis fast in den Himmel hinauf, und in deu Himmel ging es ja auch, da mich Laurette an der Hand hielt und sich an mich anschmiegte, sodaß sie mir fast in den Armen richte. Die Herren nahmen nun ihre Plätze ein und wartete» mit einer Ungeduld, als hätten sie den ganzen Abend vor einem trocknen Trog gesessen, auf das köstliche Getrüuk, das Laurette bereitete. Sie schien in solchen Dingen keine Übung zu haben, denn aller Augenblicke tauchte ihr schöner Kopf an der Türöffnung auf, und sie hatte immer wieder etwas zu frage», bis ich es endlich wagte, nnfznstehn und mich uebe» sie a» den rußigen Herd zu stellen. Dort flüsterten wir miteinander, suchten uns mit den Angen und Händen und kochten. Ich war schon längst berauscht, ehe dos Getränk auf dem Tisch stand, und in dieser aus heißem Punsch und sinnlichem Feuer entstandnen Glut schmolz alles, was an bessern: Leben in mir war, und wurde zu einem glühenden Lavastrom, der sein"n Weg dahin suchte, wohin ein Strom rinnt, niederwärts, und der, wohin er kam, Tod und Verderben mit sich brachte. Lauretteus Vater war ein ehemaliger Schlossermeister, der angeblich eines Augenleidens wegen, weshalb er anch eine blane Brille trug, seinen Beruf auf¬ gegeben hatte. In Wirklichkeit hatte er schlechte Streiche gemacht, indem er die Kinder seiner Schwester, deren Vormund er gewesen war, um ihr Vermögen be¬ trogen hatte. Um sich nun vor einer Bestrafung zu schützen, hatte er dann ein weiteres Verbrechen begangen. Es wohnte in seiner Nähe eine alte Dame, deren ganzes Lebensbemühen darauf gerichtet war, Geld zu Geld aufzusammeln. Sie hatte also gegeizt, gedarbt und fast gehungert. Weil ihr aber dieser Weg zum Reichtum zu langwierig erschienen war, so hatte sie allmählich auch zu spekulieren angefangen und Geld auf hohe Zinsen ausgeliehen, war hierbei jedoch mehrmals in große Verluste geraten und hatte es erleben müssen, daß die mühsam zusammen¬ gelesenen Körner wie Spreu im Winde verwehten. In ihrer Bekümmernis hatte sie sich an Ostroth, so hieß Laurettens Vater, gewandt, der damals noch in dem Ruhe eines ehrbaren und ausnehmend klugen Mannes stand, und war von ihm auch so wohl beraten worden, daß sie ihre Auge» mit dem ruhigen Bewußtsein schließen konnte, ihren lachenden Erben- einen reichen Schatz zu hinterlassen. Als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/458>, abgerufen am 03.07.2024.